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Format: DIN A4 hoch (softcover)Seiten: 448
ISBN: 978-3-748568-15-5
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Die (österreichische) archäologische Denkmalpflege befindet sich in einer schweren Krise: das ursprünglich 1923 erstmals erlassene und seither nur unwesentlich novellierte Denkmalschutzgesetz (DMSG) ist hochgradig veraltet und genügt modernen denkmalpflegerischen und wissenschaftlich-archäologischen Erfordernissen nicht mehr. Als reaktives Gesetz beruht das DMSG in erster Linie auf dem traditionellen Schutzlistenprinzip; im Bereich der archäologischen Denkmalpflege ergänzt um eine Meldepflicht für Zufallsfunde und damit verbundene, kurzfristige Arbeitseinstellungspflichten bei der zufälligen Entdeckung sogenannter "Bodendenkmale". Das war 1923, als selbst Baugruben noch mehrheitlich von Arbeitern händisch mit der Spitzhacke und Schaufel ausgehoben wurden, durchaus adäquat, weil allfällig durch Bauarbeiten betroffene archäologische Denkmale dabei unweigerlich auffielen und daher - als Zufallsfunde - geschützt waren. Heute hingegen sind Bau-, Land- und Forstwirtschaft durchgehend maschinisiert und industrialisiert und Zufallsfunde archäologischer Denkmale kommen daher bei bodenverändernden Arbeiten so gut wie gar nicht mehr vor, weil allfällig vorhandene archäologische Denkmale von den Arbeitern einfach nicht bemerkt werden. Es bedarf daher heute eines präventiven archäologischen Denkmalschutzes, bei dem vorausschauend vor bodenverändernden Arbeiten nach archäologischen Überresten gesucht und diese erforderlichenfalls vor Beginn der Erdarbeiten wissenschaftlich erforscht (d.h. ausgegraben) werden. Das DMSG und insbesondere seine Auslegung durch die für seinen Vollzug verantwortliche Behörde, das Bundesdenkmalamt, behindern eine derartige, moderne präventive archäologische Denkmalpflege massiv. Stattdessen versucht die Behörde mittels des inzwischen untauglichen Gesetzes einen totalen Denkmalschutz zu erreichen, der dem explizit ausgedrückten Willen des Gesetzgebers diametral widerspricht und betreibt somit rechtswidrige Denkmalpflege.
In der vorliegenden Studie wird der vom österreichischen DMSG gewählte, rein reaktive Zugang zum archäologischen Denkmalschutz kritisch analysiert. Es werden zuerst Schlussfolgerungen aus einigen jüngeren Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) und Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zur sogenannten "Grabungsgenehmigungspflicht" des § 11 Abs. 1 DMSG gezogen, die maßgebliche Auswirkungen auf die Handhabungspraxis dieser Bestimmung haben sollten, die sich jedoch bisher in der Praxis nicht zu zeigen scheinen. Nach einem kurzen Ausblick nach Deutschland werden die Ziele und Motive der staatlichen Denkmalpflege diskutiert und weshalb diese letztendlich zwangsweise dazu geführt haben, dass in der Praxis eine denkmalpflegerische Willkürherrschaft über das archäologische Feldforschungswesen etabliert wurde. Dem folgt eine Analyse des Willens des Gesetzgebers bei der Verfassung des DMSG und weshalb dieser mit den Zielen und Motiven der archäologischen Denkmalpfleger nicht vereinbar ist, was letztendlich - da der Gesetzgeber in einem Rechtsstaat letztendlich auf dem längeren Ast als eine nachgeordnete Dienststelle einer Behörde sitzt - zu einer Situation führt, dass die Anwendungspraxis des Gesetzes rechtlich nicht funktionieren kann, aber das gleichzeitig der Wille des Gesetzgebers nur unzureichend durchgesetzt wird.
Die Studie wendet sich danach wesentlichen Grundfragen der archäologischen Denkmalpflege zu. Zuerst wird besprochen, wie überhaupt der Denkmalwert archäologischer Überreste im Boden derzeit jeweils im Einzelfall bestimmt wird und - alternativ dazu - bei generalisierender Betrachtung des wissenschaftlichen Erkenntniswerts und damit auch des mittelbaren gesellschaftlichen Nutzwert archäologischer Überreste im Boden weit effektiver (bzw. überhaupt erst sinnvoll) zu bestimmen wäre. Dann wird die derzeit denkmalpflegerisch vorherrschende Ideologie der Belassung von archäologischen Denkmalen "in situ" kritisch betrachet und gezeigt, dass diese überhaupt nicht zu einer gesellschaftlich nützlichen und somit allgemeinwohlförderlichen Inwertsetzung archäologischer Denkmale führen kann, sondern vielmehr nur zu dieser in mutmaßlich über 95% aller Fälle zu ihrer unbemerkten und wissenschaftlich undokumentierten Zerstörung führt, vorwiegend durch land-, forst- und bauwirtschaftliche Tätigkeiten und natürliche Erosions- und Degradationsprozesse. Es wird gezeigt, dass eine auch nur einigermaßen effektive Erhaltung archäologischer Überreste als Quelle der kollektiven Erinnerung und der wissenschaftlichen und historischen Forschung durch derzeitige und künftige Generationen letztendlich nur durch ihre - wissenschaftlich möglichst sachgerechte - Erforschung durch Ausgrabung erfolgen kann. Daran anschließend wird diskutiert, was aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht überhaupt eine sogenannte "Raubgrabung" ist und wie solche unsachgemäßen und undokumentierten Grabungen am effektivsten verhindert werden. In Zusammenhang damit wird auch die Frage besprochen, ob die derzeitigen Genehmigungspfklichten für wissenschaftliche archäologische Feldforschungen überhaupt in angemessenem Verhältnis zu den dadurch vorgenommenen Beschränkungen wesentlicher Grundrechte, insbesondere der Wissenschafts- und Eigentumsfreiheit stehen und welche Form von Qualifikationsnachweis für welche archäologischen Feldarbeiten überhaupt angemessen und sinnvoll ist.
Danach wird auf zwei Spezialprobleme eingegangen, die sich aus den derzeitigen Fundeigentumsregelungen für archäologische Funde ergeben. Das erste davon ist die bisher nicht erkannte, aber derzeit für öffentliche archäologische Museumssammlungen bestehende Problematik, dass nach derzeitiger Rechtslage deren über 100 Jahre alten Sammlungsobjekte automatisch kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen und daher vollständig den Schutzbestimmungen des DMSG unterliegen, insbesondere dem Veränderungsverbot des § 4. Das macht streng rechtlich gesehen die normale Arbeit von sowohl Sammlungskuratoren als auch - und insbesondere - von Restauratoren derzeit unmöglich, weil für jede auch noch so geringfügige Veränderung des historisch gewachsenen Erscheinungsbildes und der Substanz jedes Sammlungsstückes eigentlich eine separate Bewilligung des BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG erforderlich ist; wobei jede Zuwiderhandlung gem. § 126 Abs. 1 Z 3 StGB als schwere Sachbeschädigung zu werten und mit bis zu zwei Jahren Haftstrafe bedroht ist. Das zweite Problem ist die derzeitige Fundeigentumsregelung des § 10 Abs. 1 DMSG iVm § 398-401 ABGB, die als angebliche "administrative Vereinfachung" eingeführt wurde, aber in der Praxis dazu geführt hat, dass die Klärung der Frage, wer nun rechtmäßiger Eigentümer von archäologischen Bodenfunden ist, nur noch komplizierter geworden ist. In der Praxis führt das vermehrt dazu, dass das Fundeigentum ungeklärt bleibt, was sowohl für die langfristige Archivierung als auch die künftige Behandlung archäologischer Funde enorm nachteilig ist. Zusätzlich führt die aktuelle Fundeigentumsregelung dazu, dass die wichtigste Schutzbestimmung des DMSG für archäologische Bodenfunde überhaupt - die Fundmeldepflicht des § 8 samt ihren Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG - unterlaufen und konterkariert wird, weil den typischen Findern archäologischer Bodenfunde - und das sind heutzutage nun einmal in erster Linie Metallsucher - nun Strafe (durch Beschlagnahmung ihrer Funde durch den Staat) statt der eigentlich vom Gesetzgeber zur Motivation von Finden zur Abgabe von Fundmeldungen vorgesehenen Belohung (durch hälftigen oder vollständigen Eigentumserwerb am Fund) droht. Auf Basis angewandter Gesetzesbefolgungspsychologie wird daher ein Alternativvorschlag entwickelt, der darauf abzielt, sowohl Finder beweglicher als auch Eigentümer unbeweglicher archäologischer Gegenstände maximal zur denkmal- bzw. wissenschaftlich sachgerechten Behandlung "ihrer archäologischen Denkmale" zu motivieren.
Abschließend werden die aus den erwähnten kritischen Analysen der derzeitigen Gesetzeslage und archäologisch-denkmalflegerischen Praxis gewonnenen Erkenntnisse in Form eines Vorschlags für eine radikale Neufassung der archäologischen Bestimmungen des DMSG zusammengeführt. Dieser Vorschlag sieht erstens eine neue, allgemeinverständliche Legaldefinition des Begriffs "archäologisches Denkmal" vor, die eine Umstellung der Funktionsweise des Gesetzes im Bereich der archäologischen Denkmalpflege vom in ihm derzeit dominanten kostitutiven auf das deklaratorische Prinzip ermöglicht. Gleichzeitig wird durch eine radikale Umstellung und Neufassung der archäologischen Bestimmungen der §§ 8-11 DMSG das Gesetz von einem reaktiven auf einen präventiven archäologischen Denkmalschutz umgestellt: statt archäologische Denkmale einfach in situ zu belassen und darauf zu warten, dass sie dort zerstört werden, sieht der neue Vorschlag vor, dass vor geplanten, potentiell signifikant denkmalgefährden Erdarbeiten (egal welcher Art) archäologische Feidforschungen zur sachgerechten Dokumentation allfällig vorhandener archäologischer Denkmale durchzuführen sind. Um derartige Handlungen planende Personen möglichst zur Befolgung dieser Untersuchungs- und Dokumentationspflichten zu motivieren, werden die jeweiligen Interessen der Planenden fördernde Belohungen und bei Zuwiderhandlung die Verwirklichung ihrer jeweiligen Interessen möglichst behindernde Strafen vorgesehen.
Grundlegendes Prinzip dieses Vorschlags für eine Novellierung der archäologischen Bestimmungen des DMSG ist, dass allgemeinwohlorientiertes, denkmalgerechtes Verhalten maximal belohnt, eigennützig die Allgemeinwohlinteressen denkmalschädigendes Verhalten hingegen drastisch bestraft wird. Auf diesem Weg sollte ein weitaus effektiverer archäologischer Denkmalschutz als bisher erreicht werden, der allen Beteiligten und allen an archäologischen Denkmalen interessierten Parteien nutzt statt ihnen zu schaden.