Donnerstag, 19. Dezember 2019

Private und öffentliche Interessen an Archäologie


Abstract: Viele ArchäologInnen und archäologieinteressierte Dritte glauben – wenn auch nur fälschlicherweise – dass die Erhaltung sowie (erforderlichenfalls) die Erforschung und (danach eventuell) die öffentliche Zugänglichkeit bzw. Nutzung aller archäologischen Hinterlassenschaften – was auch immer sie jeweils subjektiv unter diesem zuletzt genannten Begriff verstehen – „das“ einzige, allgemeinverbindliche, unveränderliche und vor allem alle anderen möglicherweise existierenden („minderen“ privaten und öffentlichen) überwiegende „allerhöchste öffentliche Interesse“ an „der Archäologie“ sei. In diesem Beitrag zeige ich, dass und warum diese Ansicht falsch und letztendlich sogar gefährlich und daher dringend abänderungsbedürftig ist. Vielmehr stellt das – tatsächlich bestehende – Interesse an der Erhaltung, Erforschung und Nutzung archäologischer Hinterlassenschaften – wenigstens vorerst – ein „rein“ privates Eigeninteresse dar, primär das archäologischer WissenschafterInnen und DenkmalpflegerInnen und sekundär der an der Erhaltung, wissenschaftlichen Erforschung und Nutzung von Archäologie interessierten Dritten, das sich von beliebigen anderen Eigeninteressen anderer Personen wenigstens a priori nicht unterscheidet. Welches der vielen an Archäologie bestehen könnenden privaten und öffentlichen Interessen tatsächlich „das“ öffentliche Interesse ist, steht nämlich keineswegs a priori unveränderlich fest, sondern ist vielmehr in jedem Einzelfall zu ermitteln und zu beurteilen; wobei dieser Abwägungsprozesses keineswegs immer zugunsten der Eigeninteressen von ArchäologInnen und archäologieinteressierten Dritten ausgehen muss, sondern (sogar oft) auch das Gegenteil davon als „das“ öffentliche Interesse an „der Archäologie“ festgestellt werden kann. Wenn wir in einem demokratischen Verfassungsstaat leben wollen, werden wir uns mit dieser Tatsache abfinden müssen.
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Unterschiedliche Interessen verschiedener beteiligter, betroffener und an Archäologie teilhaben wollender Akteure und Gruppen von Akteuren spielen eine sehr bedeutende Rolle in der und im fachlichen und öffentlichen Diskurs über die Archäologie und archäologische Denkmalpflege. Ganz besonders gerne werden dabei in diesem Diskurs – insbesondere von professionellen ArchäologInnen und archäologischen DenkmalpflegerInnen, aber auch von der professionellen Archäologie und archäologischen Denkmalpflege nahestehenden BürgerInnen – diverse Interessen von Einzelnen oder konkret bestimmbaren Personengruppen als negativ konnotierte, (rein) „private“ Interessen betrachtet und bezeichnet und mit einem diskursiv enorm positiv konnotierten „öffentlichen“ Interesse an der Erhaltung (sowie potentiell als Ersatzmaßnahme der Erforschung) archäologischer Hinterlassenschaften kontrastiert (so explizit z.B. Strobl & Sieche 2010, 267; sinngemäß Hönes 1995, 271-3).

In der fachlichen Darstellung in diesem Diskurs wird dieses zuletzt genannte öffentliche Interesse dabei primär von der staatlichen Denkmalpflege gemeinsam mit der archäologischen Fachwelt und durch deren Handeln vertreten und verwirklicht und insbesondere gegen die Eigeninteressen von „Privatpersonen“ geschützt. Manche Denkmalämter gehen dabei soweit, dass sie in amtlichen Informationen trotz in jedem Einzelfall entgegenstehender gesetzlicher Verpflichtung zur ermessensfehlerfreien Abwägung zwischen verschiedenen relevanten privaten und öffentlichen Interessen (Strobl & Sieche 2010, 267) behaupten, dass z.B. bestimmte denkmalrechtliche Genehmigungen „in der Regel“ Privatpersonen nicht erteilt werden (z.B. LfD-BW 2019) würden bzw. könnten.[1]

Allgemeinwohl versus Eigennutz?

Wenigstens implizit wird dadurch diskursiv eine binäre Opposition zwischen einer das öffentliche Interesse an der Archäologie schützenden und verwirklichenden und daher „guten“ archäologischen Fachwelt und staatlichen archäologischen Denkmalpflege einerseits und allen anderen, dieses öffentliche Interesse eigennützig gefährdenden und daher „schlechten“, Menschen erzeugt. Das ist schon per se problematisch, weil dieser binären Opposition eine moralische Wertung („private vices, public virtues“; Häberle 2006, 20) zugrunde liegt, die das durch die Verwirklichung des öffentlichen Interesses erreichte (wenigstens vorerst einmal bloß angebliche) Wohl einer konkret undefiniert und daher diffus bleibenden „Allgemeinheit“ als absolut höheren und daher das (subjektive) Wohl konkret bestimmter bzw. bestimmbarer Einzelpersonen oder Gruppen von Einzelpersonen (wenigstens normalerweise) überwiegenden Wert definiert, der durch die Verfolgung jedes (wiederum vorerst angeblich rein eigennützigen) „privaten“ Interesses Einzelner jedenfalls wenigstens gefährdet, wenn nicht sogar verringert wird; was wiederum impliziert, dass sich allgemeinwohlförderliches und eigennütziges Handeln gegenseitig ausschließen. D.h. entsprechend dieser Betrachtungsweise kann man, wenn man eine bestimmte Handlung setzt bzw. ein bestimmtes Interesse zu verwirklichen versucht, nur entweder gemeinnützig oder eigennützig, nicht hingegen mit der gleichen Handlung gleichzeitig gemein- und eigennützig handeln; und damit auch nur entweder das öffentliche oder ein privates Interesse verwirklichen, nicht gleichzeitig beide.

Noch problematischer ist jedoch die (diskursiv als inhärent und unabdingbar gegeben dargestellte) Gleichsetzung des Handelns von archäologischer Fachwelt[2] und staatlicher archäologischer Denkmalpflege mit der Förderung bzw. Verwirklichung des öffentlichen Interesses und damit des Allgemeinwohles und des Handelns beliebiger Dritter mit deren (rein) privatem Eigennutzen. Denn das impliziert, dass das Handeln der Fachwelt und staatlichen Denkmalpflege jedenfalls immer und automatisch das Allgemeinwohl fördert, während das Handeln von „Privatpersonen“ diesem jedenfalls immer und automatisch schadet; und zwar jeweils völlig unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls. Oder anders gesagt: jede (archäologiebezogene) Handlung, die ein Archäologe bzw. archäologischer Denkmalpfleger setzt, wäre allgemeinwohlförderlich und daher gut, was auch immer für eine (archäologiebezogene) Handlung jeder beliebige Dritte setzt, hingegen allgemeinwohlschädlich und daher schlecht. Wäre diese Sichtweise korrekt, wäre logisch zwingend jede Entscheidung einer Fachkraft bzw. staatlicher DenkmalpflegerInnen jeder Kritik durch beliebige Dritte entzogen und könnte höchstens noch innerfachlich kritisiert werden, weil solche Kritik ja ihrerseits eine archäologiebezogene Handlung darstellen würde und daher, wenn sie von Dritten geäußert wird, notwendigerweise allgemeinwohlschädlich wäre.

Tatsächlich ist diese Sichtweise aber natürlich nicht korrekt, sondern beruht auf einem fundamentalen Missverständnis über private und öffentliche Interessen und ihr Verhältnis zueinander und zur Archäologie. Dieses Missverständnis zu beheben ist essentiell; denn sein Bestehen hat in der Praxis oft die perfide Folge, dass der angeblich erforderliche Schutz der angeblich bestehenden Interessen einer diffusen „Allgemeinheit“ zur Be- bzw. Verhinderung der Verwirklichung tatsächlich bestehender Interessen konkreter Einzelner und der Allgemeinheit missbraucht wird.[3] In der Folge werde ich versuchen, zur Aufklärung dieses Missverständnisses beizutragen.

Das von hinten aufgezäumte Pferd des öffentlichen Interesses

Kern des hier diskutierten Problems ist, dass wir ArchäologInnen (inklusive der archäologischen DenkmalpflegerInnen) gerne hätten, dass es ein ganz bestimmtes, allgemein akzeptiertes und vor allem allgemeingültiges, stets exakt gleiches, in allen möglichen konkreten Einzelfällen alle anderen möglichen privaten und öffentlichen Interessen überwiegendes, allerhöchstes öffentliches Interesse[4] an allen archäologischen Hinterlassenschaften (Funden, Befunden, Kontexten, Fundstellen, Landschaften, etc.) gäbe und daher glauben bzw. uns selbst erfolgreich eingeredet haben, dass es ebendieses auch wirklich gibt. Dieses universell allerhöchste (= „das“) öffentliche Interesse ist, so hätten wir gerne bzw. glauben wir, die möglichst unveränderte Erhaltung bzw. – wo diese nicht möglich ist – sachgerechte wissenschaftliche Erforschung „der Archäologie“[5].

Tatsächlich gibt es dieses Interesse zwar; es handelt sich dabei allerdings gerade nicht um „das“, geschweige denn um das allerhöchste, öffentliche Interesse; sondern vielmehr um das Interesse „der archäologischen Wissenschaft“[6]. Als solches ist es, wenigstens vorerst einmal, nur ein partikulares Interesse – sowohl eines konkret bestimmten Kollektivs von; als auch, jeweils individuell betrachtet, einer in ihrer Zusammensetzung konkret bestimmten bzw. wenigstens bestimmbaren Menge an Privatpersonen, eben den; archäologischen WissenschafterInnen – und somit ein privates Interesse eines bestimmten (und im Vergleich zu dieser sehr kleinen) Teils „der Allgemeinheit“[7].

Daran, dass dieses Interesse – wenigstens vorerst einmal – nur ein privates und nicht „das“ öffentliche Interesse an „der Archäologie“ ist, ändert auch die Tatsache nicht das geringste, dass es das selbsterklärte Ziel „der archäologischen Wissenschaft“ ist, die durch ihre Forschungen gewonnenen Erkenntnisse über „die Vergangenheit“ letztendlich zu deren Nutzen (und damit deren Wohl) „der Allgemeinheit“ im Wege der Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Dass das Ziel der Wissenschaft, ihre Erkenntnisse zu veröffentlichen, in diesem Zusammenhang belanglos ist, liegt keineswegs (nur) daran, dass es, wie wir alle wissen, WissenschafterInnen gibt, die ihr Leben lang die von ihnen gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse hüten wie der sprichwörtliche Drache seinen Schatz und sie tatsächlich nie veröffentlichen, sondern mit ins Grab nehmen. Es liegt vielmehr (hauptsächlich) daran, dass nicht die Intentionen von WissenschafterInnen (bzw. das Ziel „der archäologischen Wissenschaft“) dafür ausschlaggebend sind, ob die Verwirklichung ihrer wissenschaftlichen Eigeninteressen im öffentlichen Interesse gelegen ist, sondern vielmehr ausschlaggebend ist, ob ihre Gewinnung und Veröffentlichung tatsächlich „der Allgemeinheit“ aus deren subjektiver Sicht mehr Vorteile als Nachteile bringt[8] und/oder ob sie (daher) von ihr gewollt wird oder nicht. Gewinnt „die Allgemeinheit“ nämlich nicht mehr Vor- als Nachteile aus der Gewinnung und Veröffentlichung (ob nun konkreter oder ganz allgemein aller archäologischen) wissenschaftlichen Erkenntnisse, interessiert sich einfach nicht für sie oder will sie sogar überhaupt nicht erfahren, dann ist ihre Gewinnung und Veröffentlichung nicht allgemeinwohlförderlich und daher auch überhaupt nicht im öffentlichen Interesse gelegen; sondern es besteht eventuell sogar ein öffentliches Interesse daran, dass diese Erkenntnisse nicht gewonnen und schon gar nicht veröffentlicht werden.[9]

Als gegeben vorauszusetzen, dass an der Erhaltung (und gegebenenfalls der wissenschaftlichen Erforschung) der (und ebenfalls gegebenenfalls der Veröffentlichung dabei gewonnener Erkenntnisse über die) Archäologie ein öffentliches Interesse besteht, bedeutet also, das Pferd des öffentlichen Interesses von hinten aufzuzäumen. Denn was „das“ öffentliche Interesse an „der Archäologie“ ist kann nicht als gegeben vorausgesetzt, sondern muss erst (und zwar in jedem konkreten Einzelfall) ermittelt werden. Nur wenn sich bei dieser Ermittlung herausstellt, dass die Erhaltung und Erforschung bestimmter archäologischer Quellen tatsächlich allgemeinwohlnützlich ist bzw. voraussichtlich sein wird und/oder von „der Allgemeinheit“ auch tatsächlich gewollt wird und daher im öffentlichen Interesse gelegen ist, deckt sich das Eigeninteresse des Wissenschafters mit dem öffentlichen Interesse und kann daher auch mit ihm gleichgesetzt werden. Setzt man a priori das Eigeninteresse „der archäologischen Wissenschaft“ an der Erhaltung und Erforschung „der Archäologie“ mit dem öffentlichen Interesse gleich, beginnt man am Ende des eigentlich durchzuführenden Ermittlungsprozesses und nimmt sein Ergebnis in unzulässiger Weise vorweg.

Was ist „das“ öffentliche Interesse und wie ermittelt man es?

Streng genommen gibt es „das“ öffentliche Interesse im modernen, demokratischen Verfassungsstaat überhaupt nicht, schon gar nicht bei der Betrachtung auf allgemeiner Ebene; sondern man kann „es“ – wenn überhaupt – nur jeweils im konkreten Einzelfall bestimmen (Häberle 2006, 17). Vielmehr gibt es zahllose verschiedene, einander teilweise gegenseitig stützende und teilweise widersprechende (private) Partikular- und öffentliche Interessen, die erforderlichenfalls – d.h. wenn sie miteinander in Konflikt geraten – gegeneinander abzuwägen bzw. relativ zueinander zu bewerten sind.

Der Begriff des öffentlichen Interesses ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (vgl. dazu schon Karl 2018, 98), der vom Gesetzgeber generell nicht konkretisiert wurde und an vielen Stellen im Recht verwendet wird. Im Verwaltungsrecht dient er hauptsächlich dazu, die Rechtsgüter eines unbestimmten Kollektivs von Personen zu schützen (Schenke & Schenke 2006, 193), insbesondere vor Gefahren, die diesen Rechtsgütern durch die Verwirklichung partikularer, berechtigter („privater“) Interessen konkret bestimmter Anderer („Einzelner“) drohen.

Das liegt daran, dass in modernen demokratischen Verfassungsstaaten „der Staat und seine Ziele […] keinen Eigenwert“ haben, sondern „ihre Berechtigung allein daraus“ ziehen, „dass sie den Menschen konkret dienen“ (Jarass & Pieroth 2016, 41), und der Staat aber gleichzeitig durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG; Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG) verpflichtet ist, alle seine Staatsbürger gleich zu behandeln. Damit muss er grundsätzlich alle eventuell betroffenen (berechtigten) Partikularinteressen seiner StaatsbürgerInnen – die allgemein gesprochen in Summe „das“ öffentliche Interesse ausmachen – in Verwaltungsverfahren berücksichtigen bzw. seinen BürgerInnen ermöglichen, ihren jeweiligen Partikularinteressen in derartigen Verfahren Gehör zu verschaffen. Das kann und tut er dadurch, dass er konkreten Personen, deren Partikularinteressen betroffen sind oder wenigstens sein könnten, in deren Interessen betreffenden Verwaltungsverfahren Parteienstellung einräumt, damit diese ihre konkreten Partikularinteressen in diesem selbst vertreten können.

Eine solche Parteienstellung kann er jedoch nicht einem unbestimmten Kollektiv von Individuen (einer „Allgemeinheit“) einräumen, deren Partikularinteressen ebenfalls betroffen sind bzw. sein könnten, die diese Individuen aber – nachdem sie ja einem unbestimmten (und in der Regel auch konkret unbestimmbaren oder für eine individuelle Berücksichtigung viel zu großen) Kollektiv angehören – nicht selbst vertreten können. Diese Interessen muss daher der Staat selbst von sich aus im konkreten Verfahren berücksichtigen, damit nicht die Rechtsgüter des betroffenen unbestimmten Kollektivs unverhältnismäßig durch die Verwirklichung der berechtigten Interessen konkreter Einzelner (oder bestimmter Gruppen von Individuen) geschädigt werden können. Jedes potentiell betroffene Partikularinteresse eines jeden derartigen unbestimmten Kollektivs fasst er daher als ein öffentliches Interesse zusammen, das er dann im Verfahren auch – als Vertreter jedes beliebigen unbestimmten Kollektivs seiner StaatsbürgerInnen – vertritt.

Im konkreten Verfahren hat dann die es durchführende Verwaltungsbehörde alle verfahrensrelevanten[10] Interessen gegeneinander abzuwägen und auf Basis dieser Abwägung zu entscheiden, was für alle gemeinsam am besten ist, also was das Allgemeinwohl am meisten fördert. Das kann, wenn die öffentlichen Interessen die berechtigten privaten Interessen des Einzelnen überwiegen, zum Ergebnis führen, dass dem Einzelnen die Verwirklichung seiner berechtigten privaten Interessen gänzlich verboten wird. Oder es kann, wenn die privaten Interessen des Einzelnen die öffentlichen Interessen überwiegen, zum Ergebnis führen, dass dem Einzelnen die Verwirklichung seiner Interessen uneingeschränkt gestattet wird. Oder es kann zum Ergebnis führen, dass dem Einzelnen die Verwirklichung seiner Interessen zwar prinzipiell gestattet wird, er dabei aber bestimmte Auflagen einzuhalten hat, die zur Abwendung von durch sein Handeln ansonsten entstehender bzw. entstehen könnender übermäßiger Schäden an den Rechtsgütern Anderer und/oder den öffentlichen Interessen geeignet sind und/oder der Einzelne diese Anderen und/oder „die Allgemeinheit“ für den an ihren jeweiligen Rechtsgütern entstehenden Schaden angemessen kompensieren muss. Was auch immer – fehlerfreies Ermessen vorausgesetzt – das konkrete Ergebnis dieses Abwägungs- bzw. Bewertungsprozesses ist, ist dann „das“ im betreffenden Einzelfall bestehende öffentliche Interesse; eben das, was tatsächlich für „die Allgemeinheit“ (d.h. in diesem Fall das unbestimmte Kollektiv aller potentiell Betroffenen) insgesamt „das Beste“ ist.

Öffentliche Interessen (man beachte den Plural) stehen also oft den privaten Interessen konkreter Einzelpersonen oder Personengruppen (wenigstens bis zu einem gewissen Grad) entgegen. „Das“ öffentliche Interesse in einem konkreten Einzelfall kann hingegen entweder das Gegenteil oder das Gleiche wie ein bestimmtes privates Interesse einer konkreten Einzelperson oder Personengruppe sein oder auch es teilweise zulassen, aber gleichzeitig in bestimmter Weise beschränken. Bestimmt (und damit den bestimmten Artikel in Verbindung mit ihm gestattend) wird „das“ öffentliche Interesse eben erst durch seine Ermittlung und steht, wenigstens normalerweise,[11] nicht von Anfang an a priori fest.

Aber die Erhaltung von Archäologie ist doch im öffentlichen Interesse!?!

Viele ArchäologInnen und Archäologieinteressierte werden nun vielleicht einwerfen wollen, dass doch die Denkmalschutzgesetze bestimmen, dass die Erhaltung von Archäologie im öffentlichen Interesse gelegen sei.[12] Das stimmt allerdings bestenfalls teilweise, denn obwohl dem Sinn aller deutschsprachigen Denkmalschutzgesetze nach ein öffentliches Interesse an der Erhaltung (und je nach Gesetz auch an der Erforschung und öffentlichen Zugänglichkeit bzw. Nutzung) archäologischer Denkmale (ob diese nun so, als Boden-, allgemeiner als Kultur- oder generell als Denkmale bezeichnet werden) bestehen kann, bedeutet das weder, dass ein solches Interesse immer besteht bzw. bestehen muss, noch dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung aller archäologischen Überreste besteht, noch dass dieses öffentliche alle anderen möglichen privaten und öffentlichen Interessen automatisch überwiegt. Das zeigt sich in aller Deutlichkeit, wenn man Denkmalschutzgesetze nicht nur oberflächlich liest und sich die Passagen daraus herauspickt, die das zu sagen scheinen, was man selbst gerne hätte, sondern sie tatsächlich ordentlich interpretiert bzw. auslegt.

Tatsächlich hat der Gesetzgeber das Recht und die Möglichkeit gesetzlich festzusetzen, dass in bestimmten Kontexten jedenfalls bestimmte öffentliche Interessen bestehen und daher bei der Beurteilung, was in einer bestimmten Angelegenheit „das“ öffentliche Interesse ist, jedenfalls ausreichend zu berücksichtigen sind. Dies tut er z.B. in Denkmalschutzgesetzen, wenn er sagt, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Erhaltung bestimmter – z.B. archäologischer – Sachen besteht. So wie generell in Gesetzen verwendet der Gesetzgeber dafür gerne „wenn x, dann y“-Bestimmungen, d.h. stellt eine Kausalbeziehung zwischen dem Bestehen eines bestimmten Sachverhalts A – manchmal Anknüpfungstatbestand genannt – und bestimmten daraus resultierenden Folgen R – normalerweise als Rechtsfolgen bezeichnet – her, sagt also im Prinzip: wenn x = A ist, dann folgt daraus y = R. Damit gilt selbstverständlich dann auch im Umkehrschluss, dass wenn x A ist, daraus dann auch y R folgt.

Ein gutes Beispiel für die Verwendung einer derartigen denkmalrechtlichen „wenn x, dann y“-Bestimmung ist der erste Satz der Begriffs- und Geltungsbereichsbestimmungen des österreichischen Denkmalschutzgesetzes in dessen § 1 Abs. 1, der sowohl den gesetzlichen Denkmalbegriff definiert als auch den Anwendungsbereich des DMSG bestimmt. Dieser Satz lautet:

„Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden [dann] auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestalteter menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung („Denkmale“) Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist.“ (§ 1 Abs. 1 1. Satz DMSG, Einschub in eckiger Klammer und Hervorhebung in Fettdruck: RK)

Dieser Satz stellt eben gerade nicht, wie es oft missverständlich von ArchäologInnen und Archäologieinteressierten angenommen wird, die Kausalbeziehung her, dass, (immer) wenn eine bestimmte Sache ein Denkmal ist, daraus folgt, dass dann ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist und daher die Bestimmungen des DMSG auf sie anzuwenden sind; sondern die exakt umgekehrte Kausalbeziehung: (nur) wenn die Erhaltung einer bestimmten Sache im öffentlichen Interesse gelegen ist, dann folgt daraus, dass die Bestimmungen des DMSG auf sie anzuwenden sind.

Tatsächlich ist in dieser grundlegenden Bestimmung sogar die Verwendung des Begriffs „Denkmale“ völlig redundant und der Satz wäre ohne sie für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des DMSG völlig ausreichend. Das zeigt sich deutlich, wenn man ihn vereinfacht und etwas umstellt: „Dieses Bundesgesetz ist dann auf von Menschen geschaffene Gegenstände anzuwenden, wenn deren Erhaltung ihrer geschichtlichen (etc.) Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist“. Es bedingt also das tatsächliche Bestehen des Anknüpfungstatbestandes, dass an der Erhaltung der bestimmten Sache aus bestimmten Gründen ein öffentliches Interesse besteht, dass die Bestimmungen des DMSG auf sie anzuwenden sind; nicht das tatsächliche Bestehen des Anknüpfungstatbestandes, dass die Sache ein „Denkmal“ ist (bzw. genannt wird), dass an ihrer Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht.

Die in den ersten Satz des DMSG ebenfalls eingefügte, nominalistische Denkmalbegriffsdefinition[13] ist allerdings etwas verwirrend, denn der Begriff „Denkmal“ impliziert (inzwischen) in seiner umgangssprachlichen Verwendung, dass der betreffenden, „Denkmal“ genannten Sache besondere Bedeutung zukommt und sie daher erhaltenswert ist.[14] Viele der erst deutlich später als das österreichische DMSG verabschiedeten deutschen Denkmalschutzgesetze haben daher, der umgangssprachlichen Verwendung des Denkmalbegriffs in ihrer jeweiligen Entstehungszeit entsprechend, einen etwas anderen Zugang gewählt als ihr älteres österreichisches Äquivalent. Sie definieren daher den Denkmalbegriff anders als Riegl (1903), wie sich z.B. an der Kulturdenkmalbegriffsdefinition des § 2 Abs. 1 DSchG-BW zeigen lässt. Diese lautet nämlich wie folgt:

„Kulturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht.“ (§ 2 Abs. 1 DSchG-BW).

Auch das ist allerdings, nicht anders als die soeben diskutierte österreichische Denkmalbegriffsdefinition, ebenfalls eine nominalistische Definition. Diese besagt, neuerlich als „wenn x, dann y“-Kausalbeziehung ausgedrückt: (nur) wenn an der Erhaltung einer Sache aus den genannten Gründen ein öffentliches Interesse besteht, dann wird diese Sache „Kulturdenkmal“ genannt. Auch in diesem Fall ist das Kausalitätsverhältnis zwischen Anknüpfungstatbestand und Rechtsfolge nicht umkehrbar: es folgt eben nicht aus der Tatsache, dass irgendwer eine Sache (etc.) als „Kulturdenkmal“ bezeichnet, dass an der Erhaltung dieser Sache ein öffentliches Interesse besteht; sondern nur aus der Tatsache, dass an der Erhaltung einer Sache (etc.) ein öffentliches Interesse besteht, dass sie im rechtlichen Sinne dieses Begriffes als „Kulturdenkmal“ bezeichnet werden kann.

Man muss daher, will man den Anwendungsbereich des DSchG-BW bestimmen, im Gegensatz zum österreichischen DMSG, von dem man zu ebendiesem Zweck nur dessen ersten Satz lesen muss, den ersten Satz des § 1 Abs. 1 DSchG-BW in Verbindung mit der Kulturdenkmalbegriffsbestimmung in seinem § 2 Abs. 1 lesen. In seinem § 1 Abs. 1 bestimmt das DSchG-BW nämlich die Aufgaben von Denkmalschutz und Denkmalpflege wie folgt:

„Es ist Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege, die Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen, insbesondere den Zustand der Kulturdenkmale zu überwachen sowie auf die Abwendung von Gefährdungen und die Bergung von Kulturdenkmalen hinzuwirken.“ (§ 1 Abs. 1 DSchG-BW).

Durch die Verbindung dieser Aufgabenfestsetzung und der Denkmalbegriffsdefinition in seinem § 2 Abs. 1 bestimmt daher das DSchG-BW im Prinzip genau dasselbe wie das österreichische DMSG im ersten Satz seines § 1 Abs. 1: (nur) wenn an der Erhaltung einer Sache (etc.) aus den genannten Gründen ein öffentliches Interesse besteht (und diese Sache daher als „Kulturdenkmal“ bezeichnet und betrachtet werden kann bzw. muss), dann ist es die Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege, sie (durch Anwendung der Bestimmungen des DSchG-BW) zu schützen (und zu pflegen etc.). Es bedingt also auch in Baden-Württemberg das tatsächliche Bestehen des Anknüpfungstatbestandes, dass an der Erhaltung der bestimmten Sache (etc.) aus bestimmten Gründen ein öffentliches Interesse besteht, dass die Bestimmungen des DSchG-BW auf sie anzuwenden sind.

Genau dasselbe gilt, unabhängig von der jeweils gewählten genauen Herangehensweise an die und Formulierung der Anwendungsbereichs- und relevanten Denkmalbegriffsbestimmung, auch für alle anderen 15 deutschen Denkmalschutzgesetze. Die ausschlaggebende Kausalbeziehung ist immer die zwischen dem Anknüpfungstatbestand des tatsächlichen Bestehens eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung (Erforschung, Nutzung, etc.) der konkret betroffenen Sache und der nur daraus resultierenden Rechtsfolge der Anwendbarkeit der Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes auf ebendiese konkrete Sache; niemals umgekehrt.

Nachdem nun aber kein einziges Denkmalschutzgesetz alle Sachen, die irgendjemand aus irgendeinem Grund als „archäologisches Denkmal“ (bzw. Boden- oder Kulturdenkmal), geschweige denn als „archäologische Hinterlassenschaft“ (oder mit einem beliebigen anderen sinngemäß gleichen Begriff), bezeichnen könnte oder bezeichnet, den Bestimmungen des jeweiligen Gesetzes unterwirft, sondern alle als relevanten, die Anwendbarkeit des jeweiligen Gesetzes auslösenden, Anknüpfungstatbestand das tatsächliche Bestehen eines öffentlichen Erhaltungsinteresses (im Wesentlichen) aufgrund des tatsächlichen Bestehens einer besonderen geschichtlichen (etc.) Bedeutung der betreffenden Sache vorsehen, folgt zwingend, dass eben nicht an der Erhaltung einer jeden beliebigen „archäologischen“ Sache ein öffentliches Interesse besteht. Es ist daher auch nicht die Erhaltung von Archäologie im öffentlichen Interesse gelegen, sondern nur die Erhaltung jener archäologischen Hinterlassenschaften, welche die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen für das Bestehen eines öffentlichen Interesses an ihrer Erhaltung als Denkmale tatsächlich erfüllen.

Man kann also auch nicht deshalb, weil die Denkmalschutzgesetze tatsächlich bestimmt haben, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung (mancher) archäologischer Denkmale (Boden-, Kulturdenkmale, etc.) tatsächlich besteht, a priori als gegeben voraussetzen, dass „das“ öffentliche Interesse an „der Archäologie“ ihre Erhaltung (und gegebenenfalls ihre wissenschaftliche Erforschung und öffentliche Zugänglich- bzw. Nutzbarmachung) ist. Vielmehr bleibt das im vorhergehenden Unterkapitel Festgestellte unverändert bestehen: was „das“ öffentliche Interesse an einer von uns ArchäologInnen und/oder sonstigen Archäologieinteressierten als „archäologisch“ betrachteten und bezeichneten Sache ist, steht nicht a priori fest, sondern ist – falls das überhaupt erforderlich ist, weil ein begründeter Verdacht besteht, dass es sich bei dieser Sache um ein schützenswertes Denkmal handeln könnte – in jedem konkreten Einzelfall erst einmal gesondert zu ermitteln bzw. zu bestimmen. Erst wenn diese Ermittlung abgeschlossen bzw. Bestimmung vorgenommen wurde, steht fest, ob „das“ öffentliche Interesse an dieser Sache ihre unveränderte Erhaltung (bzw. Erforschung und/oder öffentliche Nutzbarmachung) ist, oder nicht vielmehr etwas ganz Anderes.

Private und öffentliche Interessen (an der Archäologie) und ihr Verhältnis zueinander

Das für uns ArchäologInnen und sonstige Archäologieinteressierte Erfreuliche am soeben Erläuterten ist, dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung (etc.) von konkret bestimmten archäologischen Hinterlassenschaften tatsächlich bestehen kann und auch – wenn auch nur bezüglich mancher davon – tatsächlich besteht. Daraus folgt nämlich einerseits, dass – wenigstens unter gewissen Umständen – dieses öffentliche Interesse an der Erhaltung (etc.) mancher archäologischen Sachen bei der Bestimmung des Schicksals jener davon, die von ausreichend besonderer Bedeutung sind oder eventuell auch nur sein könnten, ausreichend berücksichtigt (bzw. mitbedacht) werden muss.

Andererseits folgt daraus aber auch, dass unser – vorerst einmal nur partikular und daher privat gewesenes – Interesse an der Erhaltung, Erforschung von und Veröffentlichung unserer Erkenntnisse aus und über alle archäologischen Hinterlassenschaften – wenngleich auch nur in manchen Fällen – mit einem tatsächlich bestehenden öffentlichen Interesse ebendaran identisch ist; d.h. sich unser an sich privates und ein öffentliches Interesse am Schicksal der konkret betroffenen Sache exakt decken. Das ist aus zweierlei Gründen günstig; denn erstens erhebt sich daher unser vorerst rein privat gewesenes Interesse daran über ein bloßes Eigeninteresse der archäologischen Wissenschaft auf das Niveau der Allgemeinwohlnützlichkeit, und zweitens und noch wichtiger stützen und stärken sich unser privates und dieses öffentliche Interesse an der Erhaltung (etc.) der betreffenden Sache gegenseitig. Gerade diese gegenseitige Unterstützungs- und Verstärkungswirkung des privaten und dieses öffentlichen Interesses kann daher in weiterer Folge sehr leicht dazu führen, dass sich auch „das“ letztendlich bestimmte öffentliche Interesse (d.h. das, was am besten für „die Allgemeinheit“ ist) als alle anderen möglicherweise ebenfalls bestehenden berechtigten Interessen überwiegendes Interesse an der Erhaltung (etc.) der betreffenden Sache erweist, d.h. sich unser privates und „das“ öffentliche Interesse daran auch tatsächlich decken.

Dass sich ein bestimmtes privates Interesse – obwohl normalerweise dem privaten Interesse des Einzelnen ein oder mehrere bestimmte öffentliche Interessen entgegenstehen – mit einem (oder sogar mehreren) bestimmten öffentlichen Interesse(n) decken kann, liegt nicht zuletzt auch daran, dass in jedem beliebigen konkreten Einzelfall mehrere private und diesen jeweils entgegengesetzte öffentliche Interessen miteinander in Konflikt stehen können. Daraus können komplexe Beziehungen zwischen unterschiedlichen privaten und den diesen jeweils entgegenstehenden öffentlichen Interessen resultieren, die dazu führen, dass sich ein privates Interesse, dem zwar diverse bestimmte öffentliche Interessen entgegenstehen, dennoch mit einem oder sogar mehreren bestimmten öffentlichen Interessen deckt, die nicht diesem, sondern anderen, ebenfalls zu berücksichtigenden privaten Interessen entgegenstehen; und sich somit dieses bestimmte private und ein oder mehrere öffentliche Interessen gegenseitig stützen und verstärken.

Zum Beispiel: der Eigentümer eines Grundstückes, auf dem sich ein archäologisches Denkmal befindet, dessen Erhaltung, Erforschung und öffentliche Zugänglichkeit im öffentlichen Interesse gelegen ist, möchte auf diesem ein Gebäude errichten, was zur Zerstörung des betroffenen Denkmals führen würde. Für dieses Beispiel wird angenommen, dass dieses archäologische Denkmal zwar bekanntermaßen außergewöhnlich bedeutend, aber bisher weder ausreichend erforscht noch öffentlich zugänglich ist; und es nicht einmal an der Erdoberfläche durch irgendwelche Hinweise auf seine Existenz wahrnehmbar ist. Dem durch die Eigentumsgarantie der Verfassung (Art. 14 GG; Art. 5 StGG) berechtigten privaten Interesse des Grundeigentümers zur für ihn vorteilhaften Nutzung seines Grund und Bodens stehen daher in diesem Fall tatsächlich bestehende öffentliche Interessen an der Erhaltung, Erforschung und öffentlichen Zugänglichkeit des darauf befindlichen Denkmals entgegen. Dem privaten Interesse des Grundeigentümer steht aber auch ein öffentliches Interesse zur Seite, nämlich das öffentliche Interesse am Schutz und an der tatsächlichen Verwirklichung der Grund- und Menschenrechtsgarantien. Die entscheidende Behörde hat also bei der Beurteilung dieses Falls ein privates und ein dieses stützendes öffentliches gegen ein anderes öffentliches Interesse abzuwägen.

Aufgrund der für dieses Beispiel angenommenen bekannt außergewöhnlichen Bedeutung des betroffenen Denkmals wird in diesem Fall bei dieser Abwägung wohl das öffentliche Interesse an seiner Erhaltung das private Interesse des Grundeigentümers an seiner Zerstörung samt des es stützenden öffentlichen Interesses an der Verwirklichung der Grundrechtsgarantien überwiegen. Denn es gilt bei dieser Abwägung natürlich nicht nur, die Anzahl der einander entgegenstehenden Interessen zu addieren und dann für die Seite zu entscheiden, auf der sich mehr solche Interessen befinden, sondern auch das relative Gewicht der verschiedenen in Konflikt mit einander stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Ist also die Bedeutung des betroffenen Denkmals – wie für diesen Fall angenommen – besonders hoch, überwiegt sie wenigstens so lange die entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen, als diesen letzteren Interessen nicht auch ihrerseits besonders hohes Gewicht zukommt.

Ein solches, besonders hohes Gewicht kann aber dem privaten Interesse des Grundeigentümers und dem es stützenden allgemeinen öffentlichen Interesse an der Verwirklichung der Grundrechtsgarantien unter den Umständen des konkreten Einzelfalls durchaus zukommen, z.B. wenn das betreffende Grundstück, auf dem sich das Denkmal befindet, das einzige seinem Eigentümer zur Errichtung des geplanten Gebäudes weit und breit verfügbare Stück Land ist. Denn gibt es für den Eigentümer keine andere verfügbare Möglichkeit, sein Grundstück in für ihn vorteilhafter Weise zu nutzen, käme es seiner Enteignung gleich, wenn man ihm diese Nutzungsmöglichkeit seines Grundstückes untersagt. Fehlt also eine andere Nutzungsmöglichkeit und kann der Grundeigentümer sein Gebäude aufgrund des Fehlens anderen für dessen Errichtung verfügbaren Grundes auch nicht woanders als gerade auf dem außergewöhnlich bedeutenden archäologischen Denkmal errichten, dann kommt seinem privaten und dem es stützenden öffentlichen Interesse an der Verwirklichung der Grundrechtsgarantien ebenfalls außergewöhnlich hohes Gewicht zu. Überwiegt dennoch immer noch das öffentliche Interesse an der Erhaltung des betreffenden Denkmals das außergewöhnlich schwerwiegende private Interesse des Grundeigentümers, dann muss dieser auch wirklich vom Staat (gegen die dafür erforderliche wirtschaftliche Entschädigung) enteignet werden; überwiegt hingegen das private Interesse das öffentliche Erhaltungsinteresse, dann ist die Zerstörung des Denkmals durch den Grundeigentümer trotz seiner außergewöhnlichen Bedeutung zu bewilligen.

Erweitern wir das Beispiel noch ein wenig: zufällig möchte zur gleichen Zeit ein archäologischer Wissenschafter genau dieses außergewöhnlich bedeutende Denkmal durch archäologische Ausgrabungen wissenschaftlich erforschen, was zwar zur Zerstörung der Substanz des Denkmals, aber zur ausreichenden Erforschung und zur öffentlichen Zugänglichkeit der dabei gewonnenen Forschungsergebnisse führen würde. Dem durch die verfassungsgesetzlich gewährleistete Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG; Art. 17 StGG) berechtigten privaten Interesse dieses Wissenschafters an der Erforschung des und öffentlichen Zugänglichmachung seiner Forschungsergebnisse über das Denkmal würde daher einerseits das private Interesse des Grundeigentümers an der für ihn vorteilhaften Nutzung seines Grundstückes – die für die Dauer der vom Wissenschafter geplanten Grabungen nicht möglich wäre – und andererseits ein öffentliches Interesse an der unveränderten Erhaltung der Substanz dieses Denkmals entgegenstehen. Unterstützend zur Seite stehen würden hingegen dem privaten Interesse des Wissenschafters in diesem Fall die öffentlichen Interessen an der Erforschung und öffentlichen Zugänglichmachung der Bedeutung des Denkmals durch die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse: diese decken sich schließlich mit seinem privaten Interesse an der Erforschung des und öffentlichen Zugänglichmachung seiner Erkenntnisse über das Denkmal.

Einigen sich in diesem Fall der Grundeigentümer und der Wissenschafter darauf, dass der Grundeigentümer dem Wissenschafter seinen Grund und Boden für den Zweck der Erforschung und öffentlichen Zugänglichmachung der dabei gewonnenen Forschungsergebnisse über das sich darauf befindliche archäologische Denkmals zeitweilig überlässt, stehen somit das private Interesse des Grundeigentümers an der für ihn vorteilhaften Nutzung seines Grundes, das private Interesse des Wissenschafters an der Erforschung und öffentlichen Zugänglichmachung der über das Denkmal gewonnenen Forschungsergebnisse und die sich mit den beiden zuletzt genannten privaten Interessen des Wissenschafters deckenden öffentlichen Interessen an der Erforschung und öffentlichen Zugänglichkeit der gewonnenen Erkenntnisse über das Denkmal dem öffentlichen Interesse an der in seiner Substanz unveränderten Erhaltung dieses Denkmals gegenüber. Zusätzlich finden die beiden betroffenen privaten Interessen natürlich auch noch Unterstützung durch das öffentliche Interesse an der Verwirklichung der Grundrechtsgarantien.

Daher werden in diesem Fall die zwei einander gegenseitig stützenden privaten und die das zweite davon stützenden öffentlichen Interessen an der Erforschung und öffentlichen Zugänglichkeit des betroffenen Denkmals sowie das allgemeine öffentliche Interesse an der Verwirklichung von Grundrechtsgarantien das öffentliche Interesse an seiner Erhaltung wohl praktisch immer überwiegen. Es bedürfte für ein gegenteiliges Ergebnis der Abwägung einer wahrlich enormen Bedeutung, die gerade wenn – wie für dieses Beispiel angenommen – das Denkmal weder sinnlich wahrnehmbar noch ausreichend erforscht ist, nur schwer vorstellbar und noch schwerer argumentativ nachweisbar erscheint.

Wie dieses Beispiel zeigt, kann – je nach Umständen des konkreten Einzelfalls – also ein einigermaßen komplexes Geflecht aus verschiedenen, einander teilweise gegenseitig stützenden, teilweise einander entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen bestehen. Dabei können sowohl private anderen privaten als auch öffentliche anderen öffentlichen Interessen entgegenstehen, nicht nur ein ganz bestimmtes öffentliches Interesse allen möglichen privaten Interessen. Ebenso können sich manche privaten und manche öffentlichen Interessen gegenseitig stützen, und zwar keineswegs nur zugunsten, sondern sogar weit eher zulasten eines eventuell bestehenden öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines bestimmten Denkmals.

Öffentliche Interessen in Denkmalschutzgesetzen

Wie das zweite Beispiel auch zeigt, stehen sich sogar gar nicht selten auch mehrere unterschiedliche, in Denkmalschutzgesetzen explizit festgesetzte, öffentliche Interessen an archäologischen Denkmalen entgegen; wenigstens, wenn diese Gesetze mehrere öffentliche Interessen an Denkmalen definieren.

So bestimmt z.B. das DSchG-NRW in seinem § 1 Abs. 1 als Aufgaben von Denkmalschutz und Denkmalpflege, dass Denkmäler „zu schützen, zu pflegen, sinnvoll zu nutzen und wissenschaftlich zu erforschen“ sowie „der Öffentlichkeit im Rahmen des Zumutbaren zugänglich“ zu machen sind, und setzt damit nicht nur die oben genannten drei sondern gleich fünf unterschiedliche öffentliche Interessen an archäologischen Denkmalen fest, die – wenigstens unter bestimmten Umständen wie nicht zuletzt auch in der zweiten Variante des oben dargestellten Beispiels – einander gegenseitig entgegenstehen können. Kommen zwei oder mehrere dieser Interessen miteinander in Konflikt, muss gegebenenfalls beurteilt werden, ob die unveränderte Erhaltung der Substanz des betroffenen Denkmals, seine sinnvolle Nutzung durch wissenschaftliche Erforschung mittels einer seine körperliche Substanz zerstörenden Ausgrabung, oder die mit der substanzzerstörenden Nutzung durch Bergung in ihm enthaltener, öffentlichkeitswirksamer „Schatzfunde“ dem Allgemeinwohl am meisten dient.

Dabei ist gerade bei sinnlich überhaupt nicht wahrnehmbaren und öffentlich völlig unzugänglichen (möglichen) Denkmalen wie noch in situ im Boden liegenden archäologischen Bodenfunden und -befunden sehr schwer zu argumentieren, dass das öffentliche Interesse an ihrer körperlich unveränderten Erhaltung im Boden das an der möglichst raschen und kostensparenden Bergung der im betreffenden Denkmal vergrabenen Schatzfunde zu deren touristischen, wirtschaftlichen und identitätsstiftenden und somit sinnvollen Nutzung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen überwiegt. Und es ist auch wenigstens nicht leicht zu argumentieren, dass das öffentliche Interesse an der möglichst kostensparenden Bergung der Schatzfunde nicht das öffentliche Interesse an der teuren wissenschaftlichen Erforschung irgendwelcher eventuell vorhandenen, diese Schatzfunde enthaltenden Bodenbefunde überwiegt, die aller Voraussicht nach den Nutzwert der Schatzfunde nur unmaßgeblich erhöhen wird und selbst vermutlich nur sehr wenig zusätzlichen Nutzwert generiert.

Schließlich ist der Denkmalschutz kein Selbstzweck, sondern Denkmale müssen ebenso wie Denkmalschutzgesetze und der Staat letztendlich – wie alle Sachen, Gesetze und der Staat – den Menschen dienen, nicht die Menschen irgendwelchen Sachen, Gesetzen oder dem Staat (Jarass & Pieroth 2016, 41). Es ist daher in der Regel eben jenes von miteinander in Widerstreit stehenden Interessen das schwerwiegendste, dessen Verwirklichung den Menschen tatsächlich am meisten nutzt, weil das das Allgemeinwohl am stärksten fördert. Dass irgendwo unter einer grünen Wiese irgendwelche archäologischen Funde und Befunde verborgen sind, von denen man nichts Genaues weiß und die auch niemand wahrnehmen kann, nutzt der Allgemeinheit nämlich so gut wie überhaupt nicht;[15] um teures Geld gewonnene Forschungsergebnisse, die nur eine sehr kleine Gruppe von WissenschafterInnen überhaupt versteht, nur wenig; die billig aus dem Boden geborgenen und öffentlichkeitswirksam vermarkteten und genutzten Klunker, die viele Leute gegen Eintrittsgeld bestaunen wollen, hingegen recht viel. Damit arbeiten die in einem solchen Denkmalschutzgesetz festgesetzten, multiplen öffentlichen Interessen also eventuell vorwiegend gegen das, was wir ArchäologInnen für „das“ öffentliche Interesse an Archäologie (oder wenigstens den archäologischen Denkmalen) halten, nämlich diese möglichst unverändert in situ zu erhalten.

Umgekehrt kann es aber auch alles andere als vorteilhaft sein, wenn ein Denkmalschutzgesetz wie z.B. das österreichische DMSG in seinem § 1 Abs. 1 DMSG letzter Satz, als einzig spezifiziertes, relevantes öffentliches Interesse an den (archäologischen) Denkmalen deren unveränderte Erhaltung in Erscheinung und Substanz definiert. Das bedingt nämlich, dass sich ein öffentliches Interesse an dem, was in der archäologischen Fachterminologie gewöhnlich als „Erhaltung durch Dokumentation“ bezeichnet wird, d.h. an der Dokumentation der in einem archäologischen Denkmal gespeicherten Informationen bei seiner Erforschung durch systematische archäologische Ausgrabung, nicht aus dem Denkmalschutzgesetz ableiten lässt.

Das hat die ganz bedeutende Folge, dass die Ausgrabung immer als Zerstörung (oder wenigstens maßgebliche Veränderung) des betroffenen archäologischen Denkmals zu betrachten ist (siehe explizit so dargestellt in § 11 Abs. 5 letzter Satz DMSG) und daher zwangsweise keine denkmalpflegerische Maßnahme sein kann, die das öffentliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen Denkmals zu verwirklichen oder auch nur zu fördern gestattet. Es kann daher streng genommen die Ausgrabung eines archäologischen Denkmals vor seiner allfälligen Zerstörung durch menschliches Handeln (z.B. Baumaßnahmen) auch nicht als denkmalpflegerisch sachdienliche Auflage mit Veränderungs- bzw. Zerstörungsgenehmigungen verbunden werden: eine derartige Auflage ist schließlich nicht dazu geeignet, den vom Gesetzgeber mit dem DMSG ganz allgemein und dessen spezifischen Schutzbestimmungen konkret verfolgten Zweck – die in Erscheinung und Substanz unveränderte Erhaltung des Denkmals – zu verwirklichen oder wenigstens zu fördern, sondern ist bloß eine (spezielle) von vielen möglichen Arten, wie man das betroffene Denkmal zerstören bzw. verändern kann.

Damit verstößt die Erteilung einer derartigen Auflage in Verbindung mit Denkmalveränderungs- bzw. -zerstörungsbewilligungen (gem. § 5 Abs. 1 DMSG) gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Reaktion (Berka 1999, 156-60) und ist somit verfassungswidrig: wie der Bürger das betroffene Denkmal verändert bzw. zerstört bleibt ihm, wenn ihm die Genehmigung dazu erteilt wurde, notwendigerweise selbst überlassen, denn ein öffentliches Interesse an der wissenschaftlichen Dokumentation und Erforschung des Denkmals lässt sich aus den Bestimmungen des DMSG nicht ableiten. „Dem Staat ist es“ jedoch „grundsätzlich verwehrt die Freiheit seiner Bürger zu beschränken, wenn dadurch öffentliche Interessen gar nicht gefördert würden“ (Berka 1999, 159). Überwiegt also das private Interesse des Denkmaleigentümers, sein Denkmal zu verändern bzw. zerstören zu dürfen, das öffentliche Interesse an der in Erscheinung und Substanz unveränderten Erhaltung des Denkmals, darf der Staat ihn nicht weiter bei der Zerstörung des Denkmals behindern oder ihm Vorschriften machen, wie er bei der Zerstörung des Denkmals vorzugehen und was er dabei zu beachten hat: daran, wie er das Denkmal zerstört oder verändert, besteht schließlich kein öffentliches Interesse (wenigstens nicht aufgrund der Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes). Sachdienlich sind in diesem Fall daher nur solche denkmalpflegerischen Auflagen, die sicherstellen, dass jene (für sich allein auch nach der Zerstörung aller anderen denkmalschutzwürdigen) Teile des betroffenen Denkmals, die nicht durch die genehmigten, von seinem Eigentümer geplanten, Zerstörungen bzw. Veränderungen des Denkmals betroffen sind, auch tatsächlich weiterhin in Erscheinung und Substanz unverändert erhalten bleiben.

Nur ein öffentliches Erhaltungsinteresse in Denkmalschutzgesetze zu schreiben, und nicht auch ein öffentliches Interesse an ihrer Erforschung und öffentlichen Zugänglichkeit, kann also ebenso problematisch sein, wie diese multiplen öffentlichen Interessen in einem Denkmalschutzgesetz festzusetzen. So einfach wie viele ArchäologInnen und Archäologieinteressierte es glauben, ist die Bestimmung öffentlicher Interessen an archäologischen Denkmalen, geschweige denn an „der Archäologie“ schlechthin, eben (leider oder zum Glück?) nicht; wenigstens nicht, solange man nicht (in demokratischen Verfassungsstaaten in fälschlich und rechtlich unzulässiger Weise) „das“ öffentliche Interesse an „der Archäologie“ mit einem autokratischen Willkürentscheidungsrecht (z.B. der staatlichen Denkmalpflege) über ihr Schicksal gleichsetzt.


Berechtigte Interessen an Archäologie außerhalb der Denkmalschutzgesetze

Sieht wie im zuletzt geschilderten Fall des österreichischen DMSG ein Denkmalschutzgesetz kein öffentliches Interesse an der Erhaltung von archäologischen Denkmalen durch wissenschaftliche Dokumentation ihrer systematischen Ausgrabung vor, muss man, wenn man diese doch irgendwie erreichen will, zwingend auf andere – ob nun private oder öffentliche – Interessen ausweichen, die ganz allgemein an Archäologie bzw. an der im konkreten Einzelfall betroffenen Archäologie bestehen, gänzlich unabhängig davon, ob diese Archäologie nun als Denkmal im Sinne der jeweils örtlich relevanten Legaldefinition dieses Begriffs zu betrachten oder ausgewiesen ist. Dafür ist es enorm vorteilhaft, dass private Interessen eben gerade nicht notwendigerweise das Gegenteil des öffentlichen Interesses sind; und es auch nicht nur genau ein, nämlich „das“, öffentliche Interesse an der Archäologie – nämlich das an der unveränderten Erhaltung ihrer Substanz – gibt, sondern vielmehr öffentliche Interessen an der Archäologie die mannigfaltigen Partikularinteressen diverser, jeweils konkret unbestimmter, Kollektive von Menschen repräsentieren. Denn es geht eben beim Schutz öffentlicher Interessen in modernen, demokratischen Verfassungsstaaten nicht um den Schutz eines ganz bestimmten Eigeninteresses des Staates vor den mannigfaltigen privaten, partikularen Eigeninteressen Einzelner, sondern primär um den Schutz der mannigfaltigen privaten, partikularen Einzelinteressen aller seiner Staatsbürger voreinander; ganz im Sinne des (z.B. in Art. 29 Abs. 2 AEMR auch explizit ausgeführten) Gedankens, dass die dem Einen gewährleisteten Rechte spätestens dort enden, wo ihre uneingeschränkte Verwirklichung die ebenso gewährleisteten Rechte des Anderen schädigen würden.

Im zuletzt diskutierten Fall des im österreichischen DMSG fehlenden öffentlichen Interesses an der Erhaltung der in Denkmalen gespeicherten historischen Information durch sachgerechte Dokumentation ihrer wissenschaftlichen Erforschung (z.B.) durch archäologische Ausgrabungen kann daher auf das bekanntermaßen tatsächlich bestehende – wie oben schon dargestellt wenigstens vorerst einmal rein private – Partikularinteresse des unbestimmten Kollektivs der an der Erforschung der Archäologie mit wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden interessierten Menschen (darunter insbesondere der archäologischen WissenschafterInnen) zurückgegriffen werden. Dieses Eigeninteresse ist berechtigt, weil es sich auf die in Österreich durch Art. 17 StGG, in Deutschland durch Art. 5 Abs. 3 GG, in der Europäischen Union durch Art. 13 Charta der Grundrechte der EU und weltweit in Art. 27 Abs. 1 AEMR bzw. Art. 15 Abs. 1 und 3 ICESCR jeweils vorbehaltlos gewährleistete Wissenschaftsfreiheit stützen kann. Es erstreckt sich letztendlich auf alle archäologischen Hinterlassenschaften als Quelle archäologischer wissenschaftlicher Erkenntnis, nicht nur auf jene davon, die als Denkmale im Sinne der einschlägigen Legaldefinition einzustufen oder ausgewiesen sind, ist also tatsächlich ein Interesse an „der Archäologie“ ganz allgemein, ist aber als Partikularinteresse eines unbestimmten Kollektivs ebenfalls schutzfähig.

Es ist daher die wissenschaftliche Erforschung archäologischer Hinterlassenschaften tatsächlich auch ein öffentliches Interesse an der Archäologie, das bei behördlichen Entscheidungen über sie betreffende, genehmigungspflichte Verwirklichungen berechtigter Einzelinteressen berücksichtigt werden kann. Die wesentlichen Unterschiede zur Festsetzung eines öffentlichen Interesses an der Erforschung archäologischer Denkmale in Denkmalschutzgesetzen sind hier nur, dass – nachdem es nicht gesetzlich explizit als jedenfalls zu berücksichtigendes genannt ist – dieses öffentliche Interesse sich nur mittelbar ableiten lässt und daher nicht unbedingt berücksichtigt werden muss, sondern nur berücksichtigt werden kann; und dass es – weil es eben nicht ein öffentliches Denkmalschutzinteresse ist sondern dem Schutz eines Grund- und Menschenrechtes dient – dem denkmalschützerischen Erhaltungsinteresse eher entgegensteht als dieses zu stärken. Denn die wissenschaftliche Forschung ist unter dieser Voraussetzung nicht (wenigstens auch) ein Mittel zur Erhaltung archäologischer Denkmale bzw. der mit ihnen verbundenen Denkmalwerte (Riegl 1903, 22-65), sondern primär ein Mittel zur Gewinnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, was eine deutlich andere Gewichtung bedingt: es geht nicht unbedingt darum, die Denkmalwerte eines betroffenen Denkmals möglichst in einer Weise zu dokumentieren, dass das Denkmal dadurch, wenngleich in anderer Form, auch nach der Zerstörung seiner Erscheinung und Substanz weiterbesteht,[16] sondern eigentlich nur darum, die wissenschaftlich relevanten Informationen aus ihm zu extrahieren und zu dokumentieren, auch wenn dadurch (eventuell) viele seiner Denkmalwerte (außer seinem historischen Erkenntniswert) zerstört werden.

Klarerweise folgt aus dem bisher Gesagten, dass es nicht nur zahlreiche berechtigte private und öffentliche Interessen an der Archäologie geben kann, sondern auch tatsächlich gibt, die in Denkmalschutzgesetzen überhaupt keine Erwähnung finden. Diese sonstigen, d.h. nicht denkmalschützerischen Interessen umfassen alle Interessen, die irgendjemand an Sachen haben kann, die wir ArchäologInnen (oder auch andere Personen) als aus irgendwelchen Gründen „archäologische“ Sachen betrachten. Nicht anders als das soeben erläuterte private und öffentliche Interesse an der Erforschung der Archäologie müssen diese zwar nicht unbedingt in allen (wenigstens auch als) archäologische Sachen (betrachtbaren) betreffenden Fällen berücksichtigt werden, können es jedoch, insbesondere wenn die konkret anzuwendende Schutzbestimmung den Charakter einer drittschützenden Norm aufweist, was insbesondere in den archäologisch relevanten Schutzbestimmungen des österreichischen und aller deutschen Denkmalschutzgesetze tatsächlich der Fall ist (siehe schon für ein Beispiel dafür FN 12).

Klarerweise ist hier insbesondere das Eigentumsrecht zu nennen: der rechtmäßige Eigentümer an einer „archäologischen“ Sache hat notwendigerweise ein berechtigtes Interesse an (wenigstens) einem bestimmten Teil „der Archäologie“, nämlich dem Teil davon, der sein Eigentum ist. Dieses Eigentumsrecht ist zwar in Bezug auf alle denkmalrechtlich geschützten archäologischen Denkmale eingeschränkt – weil an diesen ein gesetzlich festgesetztes öffentliches Erhaltungsinteresse besteht, das daher jedenfalls auch vom Eigentümer einer bestimmten Sache zu berücksichtigen ist –, aber eben auch nur in Bezug auf diese, nicht in Bezug auf alle Archäologie.

Nachdem das Eigentumsrecht unter anderem auch das Recht beinhaltet, sein Eigentum zu zerstören, bedeutet das, dass es letztendlich auch ein öffentliches Interesse an der Zerstörung von Archäologie durch jene ihrer Eigentümer gibt, die sie zerstören wollen. Das mag uns als ArchäologInnen zwar nicht gefallen, weil wir ein Eigeninteresse daran haben, dass keine Archäologie vor ihrer sachgerechten wissenschaftlichen Untersuchung durch uns von jemand anderem zerstört wird, aber das ist in diesem Fall ein privates Interesse von uns, dem ein öffentliches Interesse am Schutz des Rechts von Eigentümern, ihr Eigentum auch willkürlich zerstören zu dürfen, entgegensteht.

Gleichermaßen bedingt das Eigentumsrecht auch, dass der Eigentümer willkürlich jeden beliebigen Dritten von der Nutzung seines Eigentums ausschließen kann. Deswegen bedürfen wir auch der Genehmigung des Eigentümers eines archäologischen Objekts zu dessen wissenschaftlicher Erforschung, ob uns das nun gefällt oder nicht: das öffentliche Interesse am Schutz des Eigentumsrechts an Archäologie (wie an jedem anderen Eigentum) überwiegt in der Regel das öffentliche Interesse an ihrer wissenschaftlichen Erforschung; wenigstens solange nicht der begründete Verdacht besteht, dass es sich bei einem konkreten archäologischen Objekt um ein Denkmal handelt und somit ein öffentliches Erhaltungsinteresse dem wissenschaftlichen Erforschungsinteresse unterstützend zur Seite tritt.

Umgekehrt kann sich das aus dem privaten Interesse des Eigentümers an der Erhaltung auf seinem Grundstück vorhandener archäologischer Überreste, das selbstverständlich im Rahmen seiner Eigentümerwillkür ebenfalls ein berechtigtes Interesse ist, ableitbare öffentliche Interesse an deren Erhaltung (schließlich kann dieses Interesse des Grundeigentümers auch ein gleichartiges Interesse einer nicht konkret bestimmten Allgemeinheit repräsentieren) unterstützend gegen ein womöglich bestehendes öffentliches Interesse an ihrer Zerstörung (z.B. um einer geplanten öffentlichen Verkehrsverbindung zu weichen) stellen. Das private Interesse eines Grundeigentümers an seinem Grundstück und damit mittelbar auch (wenigstens potentiell) der sich auf diesem befindlichen Archäologie ist also keineswegs notwendigerweise immer im Konflikt mit dem Interesse der archäologischen Fachwelt und Denkmalpflege an der unveränderten Belassung (oder gar Erhaltung) archäologischer Hinterlassenschaften in situ, sondern kann diesem auch unterstützend zur Seite treten.

Aber es gibt auch noch zahlreiche weitere derartige Interessen, wie z.B. die Erwerbs- bzw. Berufsfreiheit (z.B. Art. 6 StGG; Art. 12 Abs. 1 GG), die Religionsfreiheit (Art. 14-16 StGG; Art. 4 Abs. 1-2 GG), das Menschenrecht auf Teilhabe am kulturellen Leben der Gemeinschaft (Art. 15 Abs. 1 lit. a ICESCR), etc., die ebenfalls jeweils auch öffentliche Interessen an Archäologie begründen können. Aus der Erwerbsfreiheit lässt sich z.B. ein öffentliches Interesse an der Freiheit zur erwerbsmäßigen Suche nach wirtschaftlich wertvollen (nicht denkmalgeschützten) archäologischen Bodenfunden (vulgo: „Schatzsuche“) ableiten: nachdem Finder wenigstens ein Hälfteeigentum an allen legal aufgesuchten, nicht der einschlägigen denkmalrechtlichen Legaldefinition für unter ein allfällig bestehendes, staatliches „Schatzregal“ fallenden archäologischen Bodenfunde erwerben und diesen ein (wie auch immer geringer) wirtschaftlicher Wert zukommt, handelt es sich bei der „Schatzsuche“ um eine Tätigkeit, „die in ideeller wie materieller Hinsicht die Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage“ (Jarass & Pieroth 2016, 346) ermöglicht und daher in den Schutzbereich der Erwerbs- (Berka 1999, 419) bzw. Berufsfreiheit (Jarass & Pieroth 2016, 346) fällt. Daher ist in Österreich ja auch tatsächlich die auf wirtschaftlichen Erwerb ausgerichtete Schatzsuche als freies Gewerbe explizit zugelassen (BMWFW 2015, 19). Neuerlich gilt auch hier: dass uns ArchäologInnen das nicht gefällt, tut dabei nichts zur Sache, denn unsere Interessen an Archäologie sind eben nicht das gleiche wie „das“ öffentliche Interesse an der Archäologie und auch nicht die einzigen öffentlichen Interessen an Archäologie.

Die Religionsfreiheit wiederum kann ein öffentliches Interesse an der für die Religionsausübung erforderlichen Nutzung von Archäologie begründen: ist z.B. die Deponierung von Opfergaben durch ihr Vergraben auf Kultplätzen Teil des religiösen Ritus einer neuheidnischen Gruppe, die bestimmte Arten archäologischer Fundstellen als Kultplätze nutzt, dann besteht ein öffentliches Interesse daran, dass Angehörige dieser Gruppe auch tatsächlich an ihren Kultorten als Teil ihrer dort abgehaltenen religiösen Riten Löcher in die dort vorhandenen archäologischen Befunde graben können, um in diesen Opfergaben zu deponieren – auch wenn das die dort vorhandenen Befunde kaputt macht und uns nicht gefällt. Denn auch wenn uns auch das nicht gefällt: der Schutz unserer Wissenschaftsfreiheit und unserer damit verbundenen Eigeninteressen endet eben auch am Schutz der Religionsfreiheit anderer, selbst wenn wir vielleicht als Wissenschafter generell religiösem Denken und noch viel mehr religiös begründeten (Vor-)Rechten ablehnend gegenüberstehen.

Schließlich gibt es neben diesen letztendlich aus Individualgrundrechten begründeten Interessen auch noch zahlreiche originär öffentliche Interessen an Archäologie, wie z.B. ein öffentliches Interesse an der Zerstörung von Archäologie, deren in ihrer Substanz und Erscheinung unveränderte Erhaltung z.B. der schon genannten Entwicklung öffentlicher Verkehrsverbindungen entgegensteht. Denn zur Förderung des Allgemeinwohls, nicht zuletzt der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes (ob diese nun im Sinne von Brundtland et al. 1987 nachhaltig oder im Sinne einer neoliberalen Politik auf uneingeschränktes und daher nicht nachhaltiges Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist), und der Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber allen seinen StaatsbürgerInnen muss der Staat wenigstens ein Mindestmaß an öffentlichen Verkehrsverbindungen schaffen, und zwar im Sinne der größtmöglichen Effizienz staatlichen Handelns auch möglichst kostengünstig. Der Staat könnte daher zwar rein hypothetisch alle seine öffentlichen Verkehrsverbindungen so planen und bauen, dass sie ohne Ausnahme alle archäologischen Fundstellen unverändert belassen und sich stattdessen zwischen diesen hindurch oder um diese herumschlängeln, wenn dies jedoch weder wirtschaftlich verhältnismäßig ist, weil das die Planungs- und Baukosten signifikant erhöhen würde, noch zweckdienlich ist, weil durch die dafür eingebaut werdenden Kurven und Schikanen der Verkehr so verlangsamt würde, dass Fahrzeiten und Staugefahr signifikant steigen würden, überwiegt eben das öffentliche Interesse an der Entfernung der Archäologie zur Vermeidung dieser Zusatzbelastungen das an ihrer unveränderten Erhaltung in situ jedenfalls.

Gleichermaßen mag es zur Sicherstellung einer effizienten militärischen Landesverteidigung erforderlich sein, (angehende) SoldatInnen im Einsatz schwerer Waffen zu trainieren und diese daher auch zu Übungszwecken mit scharfer Munition abzufeuern, auch wenn das potentiell zur Zerstörung oder wenigstens maßgeblichen Veränderung archäologischer Hinterlassenschaften – und sei es nur den materiellen Spuren der vorherigen Schießübung, die ebenfalls als archäologische Hinterlassenschaften betrachtet werden können, wenn man das will – führen würde. Ein öffentliches Interesse an der Archäologie ist also auch, ihre (mögliche) Existenz an einem bestimmten Ort einfach missachten bzw. ignorieren zu können und ihre mögliche Zerstörung billigend in Kauf zu nehmen, wenn das der Förderung eines anderen, im konkreten Einzelfall für wichtiger erachtetem öffentlichen Interesse wie dem an der Vorbereitung zu einer kompetenten militärischen Landesverteidigung oder auch z.B. dem (vorbeugenden oder reaktiven) Katastrophenschutz dient.

Schlussfolgerungen

Alle diese privaten und öffentlichen Interessen an Archäologie – und es gibt natürlich noch viele mehr, die ich hier gar nicht genannt habe – stehen letztendlich in komplexen Beziehungen miteinander. In welcher konkreten Beziehung sie zueinander stehen, hängt dabei jeweils von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und ist nicht vorab generell bestimmt, sondern vielmehr in jedem konkreten Einzelfall erst einmal zu ermitteln bzw. bestimmen. Ebenfalls in jedem konkreten Einzelfall ist jedes einzelne der miteinander in Beziehung stehenden, relevanten Interessen jeweils für sich und in seinem Zusammenspiel mit allen anderen zu bewerten bzw. zu gewichten. Erst aus dieser Bewertung bzw. Gewichtung ergibt sich dann, was in dem betreffenden, konkreten Einzelfall „das Beste“ für „die Allgemeinheit“, d.h. in diesem konkreten Einzelfall dann „das“ – nun tatsächlich bestimmte – öffentliche Interesse an der (betroffenen) Archäologie ist.

Ein a priori bestimmtes, feststehendes und stets alle anderen eventuell relevant sein könnenden überwiegendes „allerhöchstes“ öffentliches Interesse an der Erhaltung (und erforderlichenfalls auch der Erforschung und gegebenenfalls wünschenswerten öffentlichen Zugänglichkeit und Nutzung) „der Archäologie“ – wie es viele ArchäologInnen und archäologieinteressierte Dritte gerne hätten – gibt es hingegen nicht; nicht einmal bezüglich solcher archäologischer Hinterlassenschaften, die tatsächlich – sei es weil sie der örtlich relevanten Legaldefinition des Denkmalbegriffs entsprechen oder in einem dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahren als solche designiert wurden – im rechtlichen Sinn als (geschützte) archäologische Denkmale zu betrachten und behandeln sind; und schon gar nicht bezüglich solcher, die – weil sie eben die gesetzlichen Voraussetzungen für den gesetzlichen Schutz als Denkmale nicht erfüllen – das nicht sind. Vielmehr ist das Interesse an der Erhaltung, Erforschung und (eventuell auch) öffentlichen Zugänglichkeit und Nutzung „der Archäologie“ ein – wenigstens vorerst – „rein“ privates Eigeninteresse von ArchäologInnen und archäologieinteressierten Dritten.

Nur wenn dieses an sich vorerst einmal private Eigeninteresse – in diesem Fall aber nicht anders als jedes andere private Interesse auch – mittelbar über den Umweg als Kollektivinteresse eines konkret unbestimmten Personenkreises – im unserem Fall das des Kollektivs der archäologischen WissenschafterInnen und an der wissenschaftlichen Erforschung archäologischer Hinterlassenschaften und Veröffentlichung der daraus gewonnenen Erkenntnisse interessierten Dritten – oder durch gesetzliche Festsetzung in Denkmalschutzgesetzen für ein unbestimmtes Kollektiv (eine „Allgemeinheit“) bedeutend wird, dann erhebt es sich über das Niveau des rein privaten Interesses und wird (auch in diesem Fall aber nur) ein öffentliches Interesse. Auch als solches erhebt es sich aber nicht automatisch über alle anderen möglicherweise oder tatsächlich an Archäologie oder auch nur archäologischen Denkmalen bestehenden privaten und öffentlichen Interessen, sondern gewinnt bloß in der eventuell, aber keinesfalls immer unbedingt notwendigen Abwägung dieser verschiedenen, an sich a priori jeweils gleichberechtigt nebeneinanderstehenden, Interessen höheres Gewicht: es repräsentiert dann schließlich nicht nur mehr das Interesse des Einzelnen, sei es die konkrete WissenschafterIn oder der konkrete archäologieinteressierte Dritte, sondern die Summe der (wenigstens ungefähr gleichartigen) Interessen einer unbestimmten (und daher auch zahlenmäßig nicht darstellbaren, aber jedenfalls mehr als ein Individuum und zumeist auch mehr als eine konkret bestimmte Gruppe von Individuen repräsentierenden) „Allgemeinheit“; und das Wohl der Vielen wiegt nun einmal oft, wenn auch keineswegs immer, schwerer als das Wohl der Wenigen oder des Einzelnen.[17]

Dass viele ArchäologInnen, archäologische DenkmalpflegerInnen und archäologieinteressierte Dritte gerne hätten und vielleicht auch ehrlich glauben, dass das anders ist, tut dabei letztendlich nichts zur Sache; bzw. nur insofern etwas zur Sache, wenn sie entgegen der tatsächlich bestehenden Verpflichtung zur gerecht wertenden Abwägung zwischen diesen verschiedenen Interessen zum Wohle „aller“ in ihren öffentlichen Äußerungen fälschlich ihre privaten Eigeninteressen mit „dem“ (in demokratischen Verfassungsstaaten gar nicht existierenden) „allerhöchsten“ öffentlichen Interesse gleichsetzen oder sogar durch ihr Handeln ebenso fälschlich in den Rang „des“ „allerhöchsten“ öffentlichen Interesses zu erheben versuchen. Denn erheben sie ihr Eigeninteresse – ob nun bloß diskursiv oder, noch schlimmer, durch ihr Handeln oder gar ihren Gebrauch der ihnen vom Staat verliehenen Gewaltbefugnis – in den Rang „des“ angeblich allgemeinverbindlich „allerhöchsten“ öffentlichen Interesses, bringen sie nicht nur ein vordemokratisches Rechts- und Gesellschaftsverständnis (sinngemäß z.B. Häberle 2006, 17) zum Ausdruck, sondern handeln allgemeinwohl-, demokratie- und menschenrechtsschädlich (siehe dazu die Stoßrichtung der jüngst von der European Association of Archaeologists verabschiedeten Berner Erklärung, EAA 2019); ja missbrauchen in Extremfällen sogar die ihnen von Staat übertragene Gewaltbefugnis zu ihrem eigenen Vorteil (direkt entgegen Art. 12 der Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen de 1789, die letztendlich die Grundlage des demokratischen Verfassungsstaatsgedankens ist).

Und auch wenn die Ursachen dafür – auf die ich in einem folgenden Beitrag einzugehen beabsichtige – gerade für Menschen, die sich genauer mit den Funktionen von kulturellem Erbe in unserer Gesellschaft beschäftigt haben, durchaus verständlich sein mögen: sowohl ein solches vordemokratisches Rechts- und Gesellschaftsverständnis als auch allgemeinwohl-, demokratie- und menschenrechtsschädigendes Verhalten ist radikal abzulehnen; um vom Missbrauch der Staatsgewalt erst gar nicht zu reden. So schmerzhaft das sein mag: wir müssen als ArchäologInnen und/oder Archäologieinteressierte akzeptieren, dass unsere Eigeninteressen nicht das gleiche wie „das“ öffentliche Interesse an „der Archäologie“ und wir nicht der zur willkürlichen Festsetzung des „Allgemeinwohls“ berechtigte Kaiser (oder auch nur der zur Willkürherrschaft über seine Sachen berechtigte Eigentümer „der Archäologie“) sind; sondern nicht mehr, aber natürlich auch nicht weniger, als jeder andere gleichberechtigte Bürger in einem demokratischen Verfassungsstaat.

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[1] Dabei bleibt oft unklar, ob mit dem Begriff „Privatperson“ nur natürliche Personen oder auch juristische Personen privaten Rechts (Unternehmen, Vereine, etc.) gemeint sind und, falls nur natürliche Personen mit diesem Begriff gemeint sind, warum im Kontext des Schutzes von Archäologie vor „privaten“ Interessen eine Unterscheidung zwischen den Eigeninteressen natürlicher und juristischer Personen privaten Rechts vorgenommen wird. Ebenfalls unklar bleibt in diesen Fällen die Abgrenzung zwischen deren Interessen und denen solcher juristischer Personen öffentlichen Rechts, denen andere als archäologische bzw. denkmalpflegerische Aufgaben zukommen.

[2] Die sich insbesondere in diesem Kontext oft als „verlängerter Arm“ der staatlichen Denkmalpflege versteht (und von letzterer auch als solcher behandelt wird) und sich damit als quasi-staatliche Einrichtung bzw. als Vertreterin des staatlichen Interesses (das diskursiv implizit oder explizit im Sinne eines vordemokratischen bzw. monarchischen Staatsverständnisses mit „dem öffentlichen Interesse“ als Emanation einer höchsten staatlichen Gewalt gleichgesetzt wird; Häberle 2006, 17; cf. Karl 2016) geriert, obwohl sie das überhaupt nicht ist. Gerade in dieser Selbstsicht und -darstellung der archäologischen Fachwelt als (selbsternannter) Vertreter „des“ öffentlichen Interesses an der Archäologie drückt sich das fundamentale Versagen der archäologischen Fachwelt, korrekt zwischen ihren „privaten“ Eigeninteressen und tatsächlichen „öffentlichen“ Interessen zu unterscheiden, aus. Die archäologische Fachwelt (miss)versteht sich selbst in diesem Zusammenhang als absolut höchste Instanz innerhalb der Gesellschaft, eben als vordemokratische „Obrigkeit“ (Karl 2016).

[3] In der Benutzung solcher – tatsächlich inhaltlich vollkommen diffus bleibender – Begriffe, die mittels des rhetorischen Tricks der Voranstellung eines bestimmten Artikels wie etwas Konkretes und klar Definiertes erscheinen gelassen werden, hat die Denkmalpflege ja Form. Wie schon Laurajane Smith (2006, 29) gezeigt hat, benutzen wir die ebenso diffusen Begriffe „die Vergangenheit“ und „die Zukunft“ (bzw. „zukünftige Generationen“) im autorisierten Denkmalpflegediskurs zu genau demselben Zweck: um uns selbst im Kontext archäologischer Diskurse und Entscheidungen zu den einzig legitimen Vertretern „der Vergangenheit“, „der Zukunft“ und – im hier besprochenen Fall – „der Allgemeinheit“ zu machen und somit alle beliebigen Dritten mundtot machen und vom Diskurs ausschließen zu können.

[4] Dies entspricht genau der Konzeption des vordemokratischen, obrigkeitsstaatlichen öffentlichen Interesses, das eine „von oben“ herab festgesetzte Emanation des Willens des Monarchen bzw. sonstigen autokratischen Herrschers war. Diese „allerhöchste“ Willensäußerung fehlt jedoch gerade im modernen demokratischen Verfassungsstaat, in dem sich der „Staatswille“ „von unten“ aus dem demokratischen Prozess ergibt (Karl 2016, 2; cf. Häberle 2006, 17), d.h. letztendlich aus dem gegebenenfalls zum Schutz der Freiheit des Einzelnen (und eventuell auch zum Minderheitenschutz) verfassungsgesetzlich bis zu einem gewinnen Grad eingeschränkten Mehrheitswillen der Wahlberechtigten. Das bedingt einen ganz essentiellen Unterschied: ist die „allerhöchste“ Willensäußerung des Monarchen bzw. Autokraten jederzeit und vor allem vollkommen willkürlich veränderlich, kann also in jedem konkreten Einzelfall grundlos vollkommen anders ausfallen als in jedem (auch völlig gleichartigen) anderen, ist im demokratischen Verfassungsstaat due process zu beachten (Häberle 2006, 17) und dürfen Einzelfälle daher nur dann unterschiedlich entschieden werden, wenn das (ausreichend sachlich) durch (entscheidungswesentliche) Unterschiede in den Umständen der verschiedenen Einzelfälle begründet werden kann (z.B. Berka 1999, 503-5).

[5] Der Begriff „die Archäologie“ meint hier alle Sachteile, Sachen oder Sachgesamtheiten sowie alle zwischen diesen bestehenden Zusammenhänge (ihre „Kontexte“) und sonstigen Spuren oder Hinweise, aus denen „man“ (= irgendeine unbestimmte Person oder Personengruppe) jetzt oder in „der Zukunft“ (= alles, was nach dem gegenwärtigen Zeitpunkt geschehen könnte) mit archäologischen Forschungsmethoden wissenschaftliche Erkenntnisse über „die Vergangenheit“ (= alles, was vor dem gegenwärtigen Zeitpunkt geschehen ist) gewinnen kann oder auch nur rein hypothetisch gesprochen gewinnen könnte.

[6] Der Begriff „die archäologische Wissenschaft“ meint dabei die konkret bestimmbare und auch tatsächlich einigermaßen scharf abgegrenzte (d.h. einigermaßen eindeutig konkret bestimmte) Gruppe von Personen, die mit (intersubjektiv als ebensolche anerkannten) archäologischen Forschungsmethoden wissenschaftliche Erkenntnisse über „die Vergangenheit“ (im in FN 3 definierten Sinn) gewinnen (wollen); d.h. heutzutage in erster Linie auch tatsächlich aktiv archäologisch tätig seiende, hinreichend fachlich kompetente AbsolventInnen einschlägiger archäologischer Universitätsstudien sowie sekundär ebenfalls aktiv archäologisch tätig seiende, ebenfalls hinreichend fachlich kompetente (und daher wenigstens zumeist auch von graduierten ArchäologInnen als archäologische WissenschafterInnen anerkannte) AutodidaktInnen (z.B. manche HeimatforscherInnen und PrivatsammlerInnen) bzw. „Privatgelehrte“ (im Sinne von Davydov in Viebrock 2018, 286; cf. VG Wiesbaden 3.5.2000, 7E/818/00(V), 9).

[7] Und zwar unabhängig davon, ob man unter „der“ in diesem Kontext relevanten „Allgemeinheit“ nun alle Einwohner einer bestimmten Region (wie z.B. die Einwohner eines bestimmten Bundeslandes, Staates, der Europäischen Union, Europas, etc.), einer bestimmten ethnischen bzw. nationalen Zugehörigkeit (z.B. alle „Deutschen“ bzw. „ÖsterreicherInnen“, deutschen bzw. österreichischen StaatsbürgerInnen, BürgerInnen der Europäischen Union etc.) oder „alle Menschen“ verstehen will.

[8] Dass hier einzig die subjektive Sicht „der Allgemeinheit“ ausschlaggebend ist, liegt daran, dass sich, nicht nur aber auch gerade im Bereich der Archäologie, nicht objektiv beurteilen lässt, was für „die Allgemeinheit“ mehr Vor- als Nachteile hat. Das liegt daran, dass, was objektiv mehr Vor- als Nachteile hat, überhaupt nur dann bestimmbar wäre, wenn es einen absoluten und jedenfalls gänzlich unveränderlichen Wertemaßstab gäbe, den man zur objektiven Messung der Auswirkungen bestimmter Handlungen auf „das Allgemeinwohl“ verwenden kann. Gäbe es einen solchen Maßstab, ließe sich (eventuell) feststellen, ob z.B. eine Vergrößerung des öffentlich verfügbaren „wahren“ (bzw. wenigstens argumentativ begründeten und daher verlässlicheren) Wissens über Archäologie (bzw. die Vergangenheit), wie sie (wenigstens in einer Idealvorstellung der Funktion von Wissenschaft) aus der Gewinnung und Veröffentlichung archäologischer Forschungsergebnisse resultiert, die messbare Größe des „Allgemeinwohls“ jedenfalls immer erhöht; d.h. aus der archäologischen Forschung generell objektiv mehr Vor- als Nachteile entstehen. Ein absoluter Wertemaßstab fehlt jedoch ebenso wie die Möglichkeit, die absolute Größe der Menge des „Allgemeinwohls“ überhaupt zu bestimmen. Was ein beliebiger Einzelner bzw. ein beliebiges Kollektiv von Individuen als vorteilhaft für sich betrachtet, und was es als Nachteil erachtet, und wie es die verschiedenen Vor- und Nachteile gewichtet, ist generell von den subjektiven Vorlieben des Einzelnen bzw. von den zwischen den ein beliebiges Kollektiv ausmachenden Individuen sozial ausgehandelten kollektiven Wertzuweisungen abhängig und somit notwendigerweise subjektiv.

[9] Ein solches öffentliches Interesse an der Verhinderung der Erforschung und Veröffentlichung archäologischer Erkenntnisse kann z.B. gerade dann bestehen, wenn die zu erwartenden bzw. bei der Erforschung bestimmter Archäologie sicher gewonnen werdenden Erkenntnisse mit einer die Gesellschaft generell prägenden Ideologie in Konflikt stehen würden bzw. diese „widerlegen“ könnten bzw. würden. Ein solcher Konflikt zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und einer dieser entgegenstehenden gesellschaftsprägenden Ideologie zeigt sich – wenn auch nicht unbedingt direkt in einem archäologischen Forschungskontext – z.B. sehr deutlich im amerikanischen Bible Belt und dem (nicht nur dort) schwelenden Streit um die Evolutionslehre und der dieser – vor allem im öffentlichen Schulunterricht – im Vergleich zum letztendlich auf religiösen ideologischen Vorstellungen beruhenden Schöpfungsmythen (klassischer Kreationismus, aber auch Intelligent Design-„Theorien“) eingeräumten Stellung. Es lässt sich hier sogar argumentieren, dass nicht nur ein öffentliches Interesse an der Verhinderung der Gewinnung und Veröffentlichung die biblische Schöpfungsgeschichte widerlegender archäologischer und paläontologischer Erkenntnisse zum Schutz der religiösen Gefühle von Kreationisten besteht, sondern das sogar im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist, weil schon die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse zu gewaltsamen Konflikten zwischen AnhängerInnen der unterschiedlichen ideologischen Positionen führen könnte.

[10] Wobei gesetzlich festgesetzt sein kann, welche berechtigten partikularen und kollektiven Interessen in einem bestimmten Verwaltungsverfahren als  ausschließlich verfahrensrelevant zu betrachten und daher auch ausschließlich zu berücksichtigen sind, oder aber der Gesetzgeber nur bestimmte, im anzuwendenden Gesetz ausdrücklich genannte Interessen als jedenfalls zu berücksichtigende Interessen festsetzen und der verfahrensführenden Behörde selbst überlassen kann zu beurteilen, ob und gegebenenfalls welche sonstigen berechtigten Interessen in jedem konkreten Einzelfall betroffen sind oder wenigstens sein könnten und daher berücksichtigt werden müssen. Im zuletzt genannten Fall obliegt es dann gegebenenfalls dem Einzelnen, der glaubt, dass seine subjektiven, berechtigten Interessen infolge ihrer ermessensfehlerbehafteten Nichtberücksichtigung durch die Behörde verletzt wurden, diesen selbst im Wege der gerichtlichen Nachkontrolle Gehör zu verschaffen zu versuchen und sie gegebenenfalls auch durchzusetzen.

[11] Wenigstens solange es sich bei der konkreten Rechtsnorm, die anzuwenden ist, nicht um eine (ausschließlich) objektiv-rechtliche (d.h. ausschließlich dem Schutz eines gesetzlich festgelegten öffentlichen Interesses dienende), sondern eine (auch) drittschützende Norm handelt.

[12] D.h. einwenden, dass ein ganz bestimmtes öffentliches Interesse, eben das an der unveränderten Erhaltung von Archäologie, in Denkmalschutzgesetzen festgesetzt ist und Denkmalschutzgesetze in ihrer Gesamtheit eine objektiv-rechtliche Norm darstellen, d.h. ausschließlich dem Schutz des (dieses) öffentlichen Interesses dienen (z.B. BVerfG 17.12.1969, 2 BvR 23/65). Dass das so nicht der Fall sein kann, zeigt sich aber schon allein daran, dass bezüglich relevanter Handlungen wie der geplanten Veränderung oder Zerstörung eines Denkmals in den einschlägigen denkmalschutzgesetzlichen Genehmigungsbestimmungen explizit eine behördliche Abwägung zwischen dem jedenfalls zu berücksichtigenden öffentlichen Interesse an der Erhaltung von (archäologischen) Denkmalen und allenfalls bestehenden privaten und anderen öffentlichen Interessen verlangt wird (so z.B. in § 5 Abs. 1 DMSG; cf. Bazil et al. 2015, 47-9 insb. RN 8), d.h. die betreffenden Rechtsnormen offensichtlich drittschützenden Charakter haben.

[13] Eine nominalistische Begriffsdefinition ist ebenfalls eine „wenn x, dann y“-Kausalbeziehung, die dem Zweck dient, einen längeren Definitionssatz auf einen kurzen Begriff zu reduzieren, damit man in weiterer Folge nicht jedes Mal, wenn man über die nominalistisch definierte Sache sprechen will, den langen Satz sondern stattdessen den kürzeren Begriff schreiben kann. Eine nominalistische Begriffsdefinition sagt im Prinzip: „Wenn eine Sache die Eigenschaften x, y, z aufweist, dann nenne ich sie X“. Im konkreten Fall des ersten Satzes des DMSG ist die dort verwendete nominalistische Definition die folgende: Wenn ein Gegenstand die Eigenschaften x = beweglich oder unbeweglich, y = von Menschen (gestaltend) geschaffen und z = von geschichtlicher (etc.) Bedeutung aufweist, dann nennt ihn dieses Gesetz „Denkmal“.

[14] Diese für die heutige umgangssprachliche Verwendung des Denkmalbegriffs gewohnte Menschen verwirrende Begriffsdefinition im DMSG ist darauf zurückzuführen, dass dieses Gesetz in seinem Kern auf einen in seiner Zeit als Generalkonservator der kk Central-Commission für die Erhaltung und Erforschung der Kunst- und historischen Denkmale verfassten Entwurf von Alois Riegl zurückgeht, der etwa zur gleichen Zeit seine Denkmalwerttheorie (Riegl 1903) entwickelt und veröffentlicht und daher den Denkmalbegriff in dem in dieser grundlegenden theoretischen Arbeit dargelegten Sinn auch in seinem nahezu gleichzeitig verfassten Gesetzesentwurf verwendet hat. Riegl unterscheidet in seinem wegweisenden theoretischen Werk „Der moderne Denkmalkultus“ grundlegend zwischen dem, was er „gewollte“ (Riegl 1903, 1) und dem, was er „ungewollte“ (Riegl 1903, 6-7) Denkmale nennt, um dem umgangssprachlichen Gebrauch des Denkmalbegriffs zu seiner Zeit zu genügen. „Gewollte“ Denkmale sind im Sinne Riegls und des um 1900 bestehenden umgangssprachlichen Gebrauchs des Denkmalbegriffs „ein Werk von Menschenhand, errichtet zu dem bestimmten Zwecke, um einzelne menschliche Taten oder Geschicke (oder Komplexe mehrerer solcher) im Bewusstsein nachlebender Generationen stets gegenwärtig und lebendig zu erhalten“ (Riegl 1903, 1), d.h. ein intentionell zum Wachhalten des Gedenkens an eine Person oder ein Ereignis geschaffenes Erinnerungsmal. Auch wenn Riegl dabei unzweifelhaft vorwiegend an Grabsteine, Statuen, Büsten, Gemälde, oder auch Bauwerke wie römische Triumphbögen, die bestimmte Einzelpersonen oder Ereignisse verewigen sollen gedacht haben wird, sind heute die von Vielen auf deren jeweiligen Facebook-, Twitter- oder sonstigen Sozialen Medien-Seiten geteilten Selfies „gewollte“ Denkmale in Riegls Sinn, und war auch schon zu Zeiten Riegls das von einem beliebigen Individuum oder dessen Verwandten, Freunden oder Bewunderern in Auftrag gegebene Portrait, die ebensolche Büste, oder auch der Grabstein eines beliebigen Verstorbenen, ein „gewolltes“ Denkmal. Selbstverständlich hat schon Riegl bei der Verfassung seines Textes selbst vollkommen korrekt erkannt gehabt, dass nicht jedem solchen „gewollten“ Denkmal unbedingt eine (und schon gar nicht eine besondere) geschichtliche oder künstlerische Bedeutung zukommt; d.h. keineswegs jedes „gewollte“ Denkmal auch tatsächlich im Bewusstsein nachlebender Generationen ein derart bedeutendes „historisches“ oder „Kunstdenkmal“ ist, dass es im Interesse der Allgemeinheit erhalten werden sollte. Vielmehr erscheinen wenigstens manche, wenn nicht sogar sehr viele, „gewollte“ Denkmale der Nachwelt vollkommen belanglos und unbedeutend und brauchen daher auch nicht im Interesse der Allgemeinheit erhalten werden. Übersetzt in die Terminologie des DMSG bedeutet das, dass derartige „alltägliche“ Erinnerungsmale zwar, weil als solche gewollt, durchaus (Ge-)„Denkmale“, aber eben derart minderbedeutende sind, dass an ihrer Erhaltung kein öffentliches, sondern bestenfalls privates Interesse (wie z.B. das von Nachfahren zum Andenken an einen verstorbenen Vorfahren) besteht. Daher hat Riegl im Gesetztestext die Kausalbeziehung „(nur) wenn an der Erhaltung eines (gewollten oder ungewollten) Denkmals ein öffentliches Interesse besteht, dann sind auf es die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes anwendbar“ eingebaut; und nicht die Kausalbeziehung „(immer) wenn etwas ein Denkmal ist, dann ist seine Erhaltung im öffentlichen Interesse“.

[15] Bzw. bestenfalls etwas unter der hypothetischen Voraussetzung, dass diese in situ solange (weitgehend unverändert) erhalten bleiben, bis sie irgendwann einmal in der Zukunft bei sachgemäß durchgeführten wissenschaftlichen Ausgrabungen entdeckt, dokumentiert und geborgen und in weiterer Folge tatsächlich der Öffentlichkeit im Wege der Publikation der Forschungsergebnisse und/oder Ausstellung der geborgenen beweglichen Kleinfunde zur Verfügung gestellt und damit für eine zukünftige Öffentlichkeit nützlich werden. Daraus folgt jedoch notwendigerweise, dass die gegenwärtige Öffentlichkeit – deren Rechte an der für sie vorteilhaften Nutzung der konkret betroffenen archäologischen Hinterlassenschaften wenigstens ebenso groß sind wie die jeder beliebigen zukünftigen Öffentlichkeit – aus der unveränderten Belassung bzw. Erhaltung der betroffenen Hinterlassenschaften im Boden gerade keinen Nutzen aus ihnen ziehen kann, d.h. dass ihre gegenwärtig tatsächlich bestehenden, berechtigten Interessen zugunsten hypothetisch potentiell zukünftig entstehender berechtigter Interessen zukünftiger Menschen hintangestellt werden, was den gegenwärtig berechtigten Menschen klar zum Nachteil gereicht. Eine solche Begünstigung zukünftiger zulasten gegenwärtiger Menschen ist zwar im Sinne einer Generationengerechtigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung (UN 2019) bis zu einem gewissen Grad rechtfertigbar, aber (im Sinne von Brundtland et al. 1987) nur insoweit, als dies zum Schutz (grundlegender) Bedürfnisse zukünftiger Generationen tatsächlich erforderlich ist und dadurch nicht die Befriedigung der Bedürfnisse gegenwärtig lebender Menschen (unverhältnismäßig) negiert wird.

[16] Wie das z.B. das österreichische Bundesdenkmalamt in den beiden einleitenden Absätzen der 5. Fassung seiner Richtlinien für archäologische Maßnahmen postuliert (BDA 2018, 2).

[17] Und zwar nicht nur auf dem Planeten Vulkan.

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