Fundregelsysteme
im Vergleich
Abstract: Ein jüngst
durch die Medien gegangenes Urteil wegen Fundunterschlagung aus dem englischen
Herefordshire hat einiges Aufsehen in der archäologischen Fachwelt und
Metallsuchergemeinschaft erregt, nicht zuletzt weil der Haupttäter zu 10 Jahren
Haft verurteilt wurde. Dies ist mit dem im deutschen Sprachraum weit
verbreiteten Missverständnis unvereinbar, dass das englische und walisische
System der archäologischen Fundregelung, besonders im Vergleich zu
deutschsprachigen Systemen, ganz besonders liberal und generell ineffektiv sei.
In diesem Beitrag vergleiche ich das englische und walisische archäologische
Fundregelungssystem mit seinen deutschen und österreichischen Gegenstücken und
zeige, dass der relevante Unterschied zwischen diesen verschiedenen Systemen
nicht in ihrer relativen Liberalität bzw. Restriktivität liegt, sondern darin,
dass das englische und walisische System einen pragmatischen Zugang zur Materie
genommen hat, während die deutschen und österreichischen Systeme einen
idealistischen, aber vollkommen unrealistischen Zugang nehmen. Folge davon ist
nicht nur, dass das englische und walisische System den deutschen und
österreichischen in Hinblick auf die Anzahl der eingehenden Fundmeldungen
extrem weit voraus ist, sondern auch deutlich effektiver in der Verhinderung
von Schäden an geschützten unbeweglichen archäologischen Denkmalen und bei der
Bestrafung der Unterschlagung meldepflichtiger und einem staatlichen
Schatzregal unterliegender geschützter beweglicher archäologischer Denkmale.
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In den
letzten Tagen sind Berichte über einen aufsehenerregenden Fall einer
Unterschlagung eines archäologischen Schatzfundes in England durch die
englischsprachigen (z.B. BBC 2019a; 2019b; Guardian 2019; ITV 2019) und teilweise auch deutschsprachigen (z.B. Spiegel 2019; Stern 2019) Medien gegangen, die auch schon
von Rainer Schreg (2019) in seinem stets empfehlenswerten
archäologischen Blog Archaeologik als Anlass einer Kritik des
britischen Portable Antiquities Scheme (PAS) aufgegriffen wurden.
Der
betreffende Fall ist aus dreierlei Gründen besonders aufsehenerregend: erstens
aus dem (archäologisch-denkmalpflegerischen) Grund, dass es sich bei dem
Schatzfund um einen besonders spektakulären „Wikingerhort“ handelt, der aus
einigen goldenen und silbernen Schmuckstücken, einem Silberbarren und etwa 300
angelsächsischen Silbermünzen bestanden haben dürfte und bedeutende neue
Erkenntnisse über eine bislang unbekannte Allianz zwischen den angelsächsischen
Königen von Mercia (Ceolwulf II von Mercia) und Wessex (Alfred der Große) im späten 9. Jh. n.Chr. zu gewinnen gestattet
(z.B. BBC 2019a; 2019b; Guardian 2019). Zweitens ist der Fall aus dem
Grund besonders aufsehenerregend, dass die sichergestellten Teile des
Hortfundes allein auf etwa £ 3 Millionen (z.B. BBC 2019a; 2019b; ITV 2019; Spiegel 2019; Stern 2019), der Schatzfund insgesamt auf bis
zu £ 12 Millionen (Guardian 2019), Marktwert geschätzt werden.
Drittens schließlich ist er auch aus dem Grund besonders aufsehenerregend, dass
der Haupttäter zu 10 Jahren, der Nebentäter zu 8 ½ Jahren und einer der beiden
mitangeklagten Hehler zu 5 Jahren Haft (BBC 2019a) verurteilt wurden (die Strafe für
den zweiten Hehler steht noch aus).
Für uns an
dieser Stelle besonders beachtenswert ist die Tatsache, dass im bezüglich der
Schatzsuche mit Metalldetektoren durch Laien generell als im internationalen
Vergleich besonders liberal geltenden (und auch tatsächlich seienden) England
zwei Metallsucher für die Unterschlagung eines archäologischen Schatzfundes zu
derart langen Haftstrafen verurteilt wurden. Dieses Ergebnis widerspricht der
weit verbreiteten, wenn auch missverständlichen, Vorstellung, dass in England
die Metallsuche durch Laien vollkommen oder wenigstens weitgehend unreguliert
und ohne Einschränkungen erlaubt sei und sich Metallsucher ihre Funde auch
generell behalten dürften und vor allem aufgrund fehlender Metallsuchverbote
keine Strafe zu befürchten hätten, wenn sie ihr Hobby wie es ihnen beliebt
ausüben. Tatsächlich sind im konkreten Fall ganz entgegen dieser Vorstellung die
Strafen, die über die Täter verhängt wurden, wie noch gezeigt werden wird auch
im internationalen Vergleich, als nachgerade drakonisch zu betrachten.[1]
Ebenfalls
beachtenswert ist die Einschätzung des Falls durch Rainer Schreg (2019), der ihn als Beleg für das Versagen des
PAS-Systems wertet. Auch dabei handelt es sich um ein gravierendes
Missverständnis, auf das später in diesem Beitrag noch genauer einzugehen sein
wird. Denn, um das hier kurz vorwegzunehmen: der Fall hat mit dem PAS
eigentlich überhaupt nichts zu tun.
Ehe wir zum
internationalen Vergleich mit ähnlichen Fällen von Fundunterschlagungen in
Deutschland und Österreich und der Besprechung von Schregs (2019) Missverständnis voranschreiten, sei aber
zuerst einmal der in diesem Fall rechtlich relevante Sachverhalt dargestellt:
Was ist eigentlich passiert?
Im Jahr
2015 suchten die nunmehr erstinstanzlich verurteilten Täter, George Powell (38)
aus Newport und Layton Davies (51) aus Pontypridd (beides Wales), ohne
Genehmigung des Grundeigentümers Lord Cawley auf einem seiner Grundstücke bei
Leominster im Bezirk Herefordshire (West Midlands, England, siehe Abb. 1) mit
Metallsuchgeräten nach Bodenfunden (Guardian 2019). Dabei entdeckten und gruben sie
den gegenständlichen Schatzfund aus, wobei Davies mit seinem Mobiltelefon Fotos
machte, die er später löschte, die aber die Polizei bei ihren Ermittlungen
wiederherstellen konnte (BBC 2019a). Die Fundstelle dürfte sich,
soweit sich das feststellen lässt, nicht auf einer als Denkmal (oder
anderweitig, z.B. als Site of Special
Scientific Interest) ausgewiesenen Bodenfläche befunden haben. Der vom Fund
begeisterte Davies veröffentlichte nach dem Fundereignis dann auch Fotos von
drei zum Schatzfund gehörenden Münzen im Internetforum Detecting Wales (BBC 2019b).
Abbildung
1: Abb. 1: Leominster in Herefordshire, England (rot umrahmt) und die Wohnorte der Täter, Newport und Pontypridd, Wales (blau umrahmt) (Kartengrundlage: Google Maps). |
Powell und
Davies meldeten ihren Fund jedoch wider besseres Wissen zu ihren
diesbezüglichen Verpflichtungen – Davies wurde 2014 sogar für den „besten Fund
aus Wales“ vom walisischen Nationalmuseum ausgezeichnet und hatte diesem in der
Vergangenheit auch bereits über 100 seiner Funde geschenkt (BBC 2019b) – weder dem Grundeigentümer noch – noch
wichtiger – dem zuständigen coroner (≈ Untersuchungsrichter), sondern verbrachten ihn stattdessen nach Wales,
wo sie den Großteil der ca. 300 zum Hortfund gehörenden Münzen in Cardiff an
die zwei nun als Hehler verurteilten Münzhändler zum Verkauf weitergaben. Diese
dürften die Mehrheit davon verkauft haben, da die Polizei später nur noch 31
Stück – mit Marktwerten pro Einzelstück zwischen ca. £ 10.000 und £ 75.000 – sicherstellen konnte. Erst einen Monat nach der Entdeckung des
Fundes meldeten und übergaben Powell und Davies drei der zum Schatzfund
gehörenden Schmuckstücke – darunter einen Goldarmring – und jeder eine
Fundmünze dem walisischen Nationalmuseum (BBC 2019a; 2019b), welches das PAS in Wales betreibt.
Der Fall wurde schließlich durch über den
Hortfund kursierende Gerüchte ruchbar und die Polizei nahm Ermittlungen gegen
die Täter auf, in deren Rahmen die von Davies zwischenzeitlich gelöschten Fotos
des Hortes in Fundlage wiederhergestellt wurden und somit eine grobe Schätzung
seiner Zusammensetzung vorgenommen werden konnte. Die Polizei konnte allerdings
wie bereits erwähnt nur einen Teil des Schatzfundes, insbesondere nur ca. 10%
der wohl zum Hort gehört habenden Münzen sicherstellen. Der Verbleib der
restlichen Bestandteile des Hortes ist weiterhin ungeklärt, weil die
Verurteilten Aussagen zum genauen Fundort ebenso wie zum Verbleib der nicht
sichergestellten Teile des Hortfundes verweigert haben (BBC 2019a).
Das Urteil
Verurteilt wurden die vier Täter schließlich von Worcester Crown Court;[2]
und zwar die beiden Metallsucher für „theft,
conspiring to conceal criminal property and converting criminal property by
selling it“, der eine Hehler für „conspiring
to conceal criminal property and converting criminal property by selling it”,
und der zweite Hehler für “conspiring to
conceal criminal property” (BBC 2019b).
Wie sich
unschwer erkennen lässt, handelt es sich dabei durchgehend nicht um denkmal-,
sondern um eigentumsrechtliche Delikte: des theft
schuldig ist eine Person im Sinne von Section 1 des für England und Wales
geltenden Theft Act 1968, wenn sie „dishonestly appropriates property belonging to another with the
intention of permanently depriving the other of it“[3]
und beinhaltet daher eine ganze Reihe von Straftaten gegen das Eigentumsrecht,
darunter Diebstahl im engeren Sinn (Section 7), aber auch Raub (Section 8),
Einbruchsdiebstahl (Section 9 und 10), Entzug eines Fahrzeugs (Section 12 und
12a), Entzug von Elektrizität (Section 13) und Hehlerei (Section 22). Ausschlaggebend
für das Urteil war also, dass sich die beiden Metallsucher die Funde, die nicht
ihr, sondern jemandes anderen Eigentum waren, rechtswidrig anzueignen versucht
bzw. tatsächlich angeeignet haben. Die ebenfalls durch die Täter vorgenommene
Besitzstörung (durch Durchführung der Metallsuche ohne Einwilligung des
Grundeigentümers) blieb hingegen im Urteil unberücksichtigt, da es sich dabei
um eine rein privatrechtliche Angelegenheit handelt.
Das – für
jedes einzelne der genannten Delikte unterschiedliche – Höchststrafmaß beträgt
bei den im konkreten Fall relevanten Delikten (Diebstahl und Hehlerei) 14 Jahre
Haft (für Hehlerei). Ausschlaggebend für das tatsächlich verhängte Strafmaß
waren hauptsächlich das Wissen der Finder und Hehler über die Rechtswidrigkeit
ihres Handelns, der wirtschaftliche Wert der gestohlenen Funde und die
Tatsache, dass die Täter sich vorsätzlich widerrechtlich zu bereichern
versuchten und die Behörden auch kaum bei der Sicherstellung bzw.
Wiedergewinnung der gestohlenen Güter unterstützt haben. Insbesondere die 10
Jahre Haft für Powell und 8 ½ Jahre für Davies sind in Anbetracht dieser
Tatsachen also fraglos wohl angemessen und keineswegs überzogen: wer
wissentlich und willentlich wenigstens £ 3, wenn nicht
sogar £ 12 Millionen stiehlt, muss mit einer langen Haftstrafe rechnen und hat
sie auch verdient.
Das englische und
walisische Fundrecht
Dass es
überhaupt zu diesem Urteil kommen konnte, liegt am englischen und walisischen
Fundrecht, das auf den ersten Blick einigermaßen kompliziert erscheint, aber es
bei genauerer Betrachtung dann eigentlich doch nicht ist. Nachdem es allerdings
im deutschen Sprachraum kaum bekannt ist bzw. gravierend missverstanden zu
werden scheint, ist es hier notwendig, etwas genauer auf es einzugehen.
Was das
englische und walisische Fundrecht in erster Linie kompliziert erscheinen lässt
ist, dass es – mit Ausnahme des Schatzfundrechts seit 1996 – nicht gesetztes
Recht, sondern auf Präzedenzfällen beruhendes Gewohnheitsrecht, d.h. Common Law ist. Bis zur Verabschiedung
des Treasure Act 1996 war sogar das gesamte Fundrecht
rein im Wege des Common Law geregelt
und kannte grundsätzlich drei Arten von Funden: 1) herrenlose Schatzfunde im Sinne
des mittelalterlichen Rechtsinstituts des königlichen Schatzregals, Treasure Trove, die automatisch zu
Eigentum der Krone werden (Guest 2018, 5-12), welche aber in jedem Einzelfall
auch darauf verzichten kann; 2) alle auf der Erdoberfläche entdeckten herrenlosen
Gegenstände, die dem Finder gehören; und 3) alle unter der Erdoberfläche
entdeckten, nicht als Schatzfunde zu klassifizierende Gegenstände, die dem
Grundeigentümer gehören (ein Präzedenzfall dafür ist z.B. das Urteil in Waverley Borough Council v Fletcher
[1995]).
Es bestand
daher bis 1996 auch ganz generell keine gesetzliche Fundmeldepflicht: nachdem
der Eigentumserwerb jeweils automatisch erfolgt – nur an unterschiedliche
Personen je nach Art des Fundes – war eine solche auch gar nicht notwendig,
sondern es blieb jedem einzelnen Finder selbst überlassen, dafür zu sorgen,
dass der rechtmäßige Eigentümer seines Fundes diesen bekam. War er nämlich,
weil der Fund nicht von Art 2) war, nicht automatisch selbst zum Eigentümer des
Fundes geworden, machte sich der Finder durch die rechtswidrige Vorenthaltung
des Fundes gegenüber der Krone bzw. dem Grundeigentümer des theft im oben ausgeführten Sinne des Theft Act 1968 (bzw. davor bestehender, gleichartiger
Bestimmungen) schuldig und somit strafbar. In der Praxis macht das wohl kaum Unterschied
zu einem System, in dem – wie im deutschen Sprachraum – Funde generell
gesetzlich verpflichtend an staatliche Fundmeldebehörden gemeldet werden müssen
(um auf diesem Umweg zum rechtmäßigen Eigentümer zu kommen), weil auch ein
solches System nur funktioniert, wenn der Finder ehrlich ist und seiner
Fundmeldepflicht nachkommt.
Nachdem das
englische und walisische Fundrecht im Prinzip – wenn auch nun modifiziert durch
den Treasure Act 1996 – immer noch überwiegend auf Common Law-Basis funktioniert, ist es
insbesondere für Metallsucher, die ihre nicht unter das staatliche Schatzregal
fallenden Funde behalten wollen, daher auch besonders wichtig, dass sie nicht
nur die Genehmigung des Grundeigentümers zur Suche nach Bodenfunden auf seinem
Grundstück haben, sondern mit diesem auch eine privatrechtliche Vereinbarung
über das Fundeigentum treffen. Denn eine solche privatrechtliche Vereinbarung –
ob diese nun dem Finder das alleinige Eigentum an den gemachten Funden
zuspricht, Realteilung der Funde selbst oder aber eine finanzielle
Entschädigung des Grundeigentümers für die Überlassung des Fundeigentums an den
Finder vorsieht – ersetzt die Fundeigentumsregelung des Common Law für alle nicht als Schatzfunde zu bewertenden
Bodenfunde. Fehlt eine solche privatrechtliche Vereinbarung, riskiert der
Finder schließlich, dass ihn der Grundeigentümers wegen Verdachts auf
Diebstahls anzeigt bzw. das Eigentum an dessen Funden am Klagsweg erstreitet (wie
eben in Waverley Borough Council v Fletcher
[1995] tatsächlich
geschehen).
Das
staatliche Schatzregal unter dem Common
Law, das ursprünglich natürlich der Befüllung der Staatskasse diente, wurde
hingegen in England und Wales seit dem späten 19. Jahrhundert zunehmend und
seit Beginn des 20. Jahrhunderts praktisch ausschließlich zu
denkmalpflegerischen Zwecken genutzt. Dabei hat es sich eingebürgert, dass
Findern, um sie zur Meldung möglicher Schatzfunde zu motivieren, die Hälfte des
wahren wirtschaftlichen Werts ihres Fundes als Belohnung ausbezahlt wird,
während die andere Hälfte des Fundwerts an den Grundeigentümer bzw. -besitzer
ausbezahlt wird, eine Praxis, die inzwischen durch den Code of Practice zum Treasure Act 1996 auch mehr oder minder verrechtlicht wurde (DCMS 2019, 11, 13, 37). Diese Belohnung war
und ist allerdings ex gratia, ihre
Auszahlung kann also nicht einmal dann eingeklagt werden, wenn sie dem Finder
vom zuständigen Minister zugesprochen wurde (explizit siehe Section 10 (6) Treasure Act 1996).[4]
Dennoch, normalerweise wird diese Belohnung tatsächlich in Höhe des vollen
Marktwerts des Fundes ausbezahlt, d.h. in der Praxis ist das staatliche
Schatzregal in England und Wales inzwischen zu einem staatlichen Vorkaufsrecht
von Schatzfunden mutiert.
Mit dieser
– weitgehend pragmatischen – Lösung des Fundwesens gab es allerdings seit der
weitgehenden Umwidmung des zuvor fiskalischen Schatzregals zu einem
denkmalpflegerischen Rechtsinstitut ein großes Problem: die
Schatzfundbegriffsdefinition unter dem Common
Law. Denn diese sah vor, dass nur solche Gegenstände als Schatzfunde der
Krone anheimfallen, die als herrenlose Güter aufgefunden wurden; einen so
signifikanten Edelmetallgehalt aufweisen, dass sie als Silber- oder Goldfunde
bezeichnet werden können; und ehemals mit animus
revertendi (Wiedergewinnungsabsicht) verborgen wurden (Guest 2018, 15-6).
Das mag aus mittelalterlicher fiskalischer Sicht einigermaßen sinnvoll gewesen
sein, aus modernen archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht ist es das hingegen
nicht, weil dadurch selbst viele Hortfunde – insbesondere alle Weihefunde, die
eben gerade nicht in Wiedergewinnungsabsicht verborgen wurden – und noch viel
weniger Grabfunde – bei denen animus
revertendi ebenfalls nicht gegeben ist – oder gar Verlustfunde (wie z.B.
Siedlungsfunde) selbst dann nicht erfasst werden, wenn sie einen signifikanten
Silber- oder Goldgehalt aufweisen.
Der Treasure Act 1996
Vorwiegend
um das zuletzt genannte Problem zu lösen wurde mit dem Treasure Act 1996 ein gesetztes Schatzfundrecht erlassen (DCMS 2019, 11). Dafür wurde hauptsächlich die
bereits zuvor gehandhabte Praxis in Form des Gesetzestextes verschriftlicht und
nur um eine neue Legaldefinition des Schatzfundbegriffs in Section 1 Treasure Act 1996 ergänzt, die die alte Begriffsdefinition nicht
etwa abgelöst, sondern nur maßgeblich erweitert hat. Zusätzlich wurde in Section
2 dem zuständigen Minister die Möglichkeit eingeräumt, die
Schatzfundbegriffsdefinition durch Verordnung zu verändern und alle Arten von
Objekten, denen besondere historische, archäologische oder kulturelle Bedeutung
zukommt, ebenfalls als Schatzfunde im Sinne von Section 1 (1) Treasure Act 1996 zu definieren. Der zuständige Minister hat von
dieser Möglichkeit bereits einmal, nämlich durch den Treasure Designation Order 2002, gebraucht gemacht und eine
neuerliche Änderung der Definition des Schatzfundbegriffes wurde 2019 einer
öffentlichen Konsultation unterzogen, aber noch nicht vorgenommen (DCMS 2019, 27-31).
Die durch Section
1 (1) Treasure Act 1996 festgesetzte Legaldefinition des
Schatzfundbegriffs lautet wie folgt:
„(1) Ein Schatz ist —
(a) jeder zum Zeitpunkt seiner Auffindung wenigstens 300 Jahre alte
Gegenstand der —
(i) keine Münze ist aber einen Edelmetallgehalt von wenigstens 10% des
Gesamtgewichts hat;
(ii) eine von zwei miteinander vergesellschaftet aufgefundenen, zum
Zeitpunkt der Auffindung wenigstens 300 Jahre alten Münzen mit ebendiesem
Edelmetallgehalt ist; oder
(iii) eine von wenigstens 10 miteinander vergesellschaftet
aufgefundenen, zum Zeitpunkt der Auffindung wenigstens 300 Jahre alten Münzen
ist;
(b) jeder zum Zeitpunkt seiner Auffindung wenigstens 200 Jahre alte
Gegenstand, der einer unter Section 2 (1) definierten Art von Gegenständen
angehört;
(c) jeder Gegenstand, der vor dem Inkrafttreten von Section 4 unter das
Schatzregal gefallen wäre;
(d) jeder Gegenstand der bei seiner Auffindung vergesellschaftet ist mit—
(i) einem unter Absätze (a), (b) oder (c) fallenden, gleichzeitig oder
früher gefundenen Gegenstand; oder
(ii) einem
unter Absätze (a) oder (b) fallenden Gegenstand, wenn diese zur gleichen Zeit
aufgefunden worden wären.”[5]
Diese
Definition wurde durch Section 3 des Treasure Designation Order 2002 wie folgt ergänzt:
„Die folgenden Arten von Gegenständen werden gemäß Section 2 (1) des
Aktes designiert:
(a) jeder vergesellschaftet mit mindestens einem weiteren, gleichartig
beschaffenen Gegenstand aufgefundene Gegenstand (mit Ausnahme von Münzen), der
zu einem beliebigem Anteil aus einem beliebigem Metall besteht und aus der
Urgeschichte datiert;
(b) jeder Gegenstand (mit Ausnahme von Münzen) der aus der Urgeschichte datiert
und zu einem beliebigen Anteil aus Gold oder Silber besteht.”[6]
Der Anfang
2019 einer öffentlichen Konsultation unterzogene Vorschlag für eine neuerliche
Änderung der Schatzfundbegriffsdefinition sieht nun vor, die bisher gem. Section
1 (1.a) geltende 300-Jahre-Mindestalter-Grenze durch ein fixes Datum (vor 1714
n.Chr.) zu ersetzen, zu Section 1 (1.b) alle mehr als 200 Jahre alten
Gegenstände mit einem wirtschaftlichen Wert von mehr als £ 10.000, sowie alle einzeln gefundenen Goldmünzen aus dem Zeitraum
zwischen 43 und 1344 n.Chr. und alle zwei oder mehr vergesellschaftet
miteinander aufgefundenen römerzeitlichen Metallfunde (mit Ausnahme von Münzen)
als gem. Section 2 (1) designierte Objekte zur derzeit geltenden
Schatzfunddefinition hinzuzufügen (DCMS 2019, 27-31). Inwieweit diese
vorgeschlagene Änderung der Legaldefinition umgesetzt oder noch weiter
ausgedehnt werden wird, ist derzeit noch nicht klar.
Durch Section
8 des Treasure Act 1996 wurde nunmehr auch eine gesetzliche
Meldepflicht für Schatzfunde an den örtlich zuständigen Coroner eingeführt. Diese Meldepflicht trifft jede Person, die
einen Gegenstand gefunden hat, von dem sie glaubt oder bezüglich dessen sie
vernünftige Gründe zur Annahme hat, dass es sich dabei um einem Schatzfund im soeben
definierten Sinn handelt. Die gesetzliche Meldefrist beträgt 14 Tage ab dem der
Auffindung folgendem Werktag oder dem Tag, an dem der Finder erstmals auf den
Glauben verfällt oder vernünftige Gründe für die Annahme hat, dass es sich beim
betreffenden Gegenstand um einen Schatzfund handelt. Die für die Missachtung der
Meldepflicht angedrohte Maximalstrafe beläuft sich auf bis zu drei Monate Haft,
eine nach oben unbegrenzte Geldstrafe oder beides.
Das Fundrecht als Grundlage für das Urteil
Letztendlich
ergibt sich das im gegenständlichen Fall ergangene Urteil also direkt aus dem
Fundrecht, spezifischer aus dem Treasure Act 1996, und dessen Zusammenspiel mit den
strafrechtlichen Bestimmungen des Theft Act 1968.
Die von den
beiden Metallsuchern bei Leominster entdeckten Fundgegenstände entsprechen
eindeutig mehreren der Kriterien der Legaldefinition des Schatzfundbegriffs
gemäß Section 1 (1) des Treasure Act 1996: die Fundgegenstände waren zum Zeitpunkt ihrer
Auffindung mehr als 300 Jahre alt und haben einen Edelmetallgehalt von mehr als
10% ihres Gewichts und entsprechen daher wenigstens einem der drei Kriterien
von Section 1 (1.a), dem von Section 1 (1.c) und dem von Section 1 (1.d.i),
d.h. als Hortfund in seiner Gesamtheit betrachtet beinahe allen jeweils bereits
einzeln für sich betrachtet den gesamten Hortfund zum Schatzfund machenden
Kriterien. Damit ist auch völlig eindeutig, dass sie der Meldepflicht von Section
8 an den örtlich zuständigen Coroner
unterlagen und Eigentum der englischen Krone waren.
Aus der
erwiesenen Tatsache, dass die beiden Finder die gesetzlich verpflichtend
vorzunehmende Fundmeldung unterließen und die dem Hort zugehörigen Funde
mittels der von ihnen kontaktierten Hehler stattdessen zu verkaufen versuchten
bzw. tatsächlich großteils verkauften, folgt wiederum zwingend, dass sie die
relevanten Bestimmungen des Theft Act 1968 zum Diebstahl im engeren Sinne und zur
Hehlerei verletzten. Eine auch nur die entfernteste Aussicht auf Erfolg
versprechende Verteidigungsstrategie gab es für sie nicht, weshalb die
Verurteilung notwendigerweise folgte. Einzig das Strafmaß hätten sie eventuell
noch stärker beeinflussen können, wenn sie sich kooperativer verhalten und
stärker bei der Wiedergewinnung der nicht mehr in ihrem Besitz stehenden Teile
des Hortes geholfen hätten; aber einer langjährigen Haftstrafe wären sie in
Anbetracht des Werts des gestohlenen Gutes auch dann sicher nicht entgangen.
Wenigstens
in diesem Fall hat sich also die pragmatische, letztendlich die Common Law-Prinzipien fortsetzende,
denkmalrechtliche Fundrechtsregelung in Verbindung mit dem Strafrecht als
höchst effizient erwiesen: es gab einfach keine Ausreden für die Diebe und
Hehler, die sich zu Lasten der Öffentlichkeit und des Grundeigentümers bzw.
-besitzers persönlich zu bereichern versuchten.
Die Ironie des Falles
Besonders
pikant ist bei all dem auch, wie auch der Richter selbst bei der
Urteilsverkündung angemerkt hat, die „Ironie
des Falles“ (BBC 2019a): hätten sich die beiden Finder
nämlich nicht unehrlich zu bereichern versucht, sondern sich stattdessen brav
an die gesetzlichen Regeln gehalten, die sie in diesem Fall zu beachten gehabt
hätten, wären sie statt bestraft zu werden als ehrliche Finder eines
bedeutenden archäologischen Fundes gefeiert worden und mit einer Belohnung in
Höhe von wenigstens £ 1,5, wenn nicht sogar £ 6 Millionen, bedacht wurden; ein Ertrag, den sie am Schwarzmarkt für
Antiken sicher nicht erzielt hätten bzw. haben. Alles, was sie dafür tun hätten
müssen, wäre gewesen, sich vor ihrer Suche eine Einwilligung des
Grundeigentümers zu holen und ihren Fund nach seiner Entdeckung zu melden und
dem örtlich zuständigen Coroner zu
überlassen. Sie hätten unter diesen beiden Voraussetzungen ihren Fund sogar
selbst ausgraben dürfen, wenn sie das wollten, obwohl das aus
archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht nicht besonders sinnvoll gewesen wäre.
Und es ist auch nicht so, als ob das nicht jeder Mensch in England und Wales
wüsste, der auch nur gelegentlich Zeitungen liest oder Nachrichten im Rundfunk
oder Internet verfolgt, denn Berichte über ehrliche Finder, die für ihre
Schatzfunde mit teilweise ähnlich exorbitanten Summen, wie sie in diesem Fall
ausgezahlt worden wären, belohnt wurden, werden in allen Massenmedien in
England und Wales häufig publiziert.
Im
konkreten Fall wurden wenigstens die Finder also durchaus gebührend nicht nur
für ihre Gier, sondern auch für ihre Dummheit bestraft.
Was hat dieser Fall mit dem Portable Antiquities Scheme zu tun?
Nachdem
Rainer Schreg (2019) diesen Fall zum Anlass genommen hat, um das
PAS als untauglich zu charakterisieren, erscheint es an dieser Stelle nun
angebracht zu fragen, was dieser Fall denn nun mit dem PAS zu tun hat, denn ich
habe es ja in meiner Diskussion des Falls überhaupt nicht erwähnt. Dass ich es
bisher nicht erwähnt habe, hat auch einen sehr guten Grund, denn dieser Fall
hat grundsätzlich gar nichts mit dem PAS und auch umgekehrt das PAS nicht das
mindeste mit diesem Fall zu tun.
Der einzige
Bezug, der sich zwischen diesem Fall und dem PAS herstellen lässt ist, dass das
PAS den beiden Findern, wenn sie sich, veranlasst durch ihren Fund, zeitnah an
es gewandt hätten, dabei geholfen hätte, die gesetzlich verpflichtende
Fundmeldung korrekt zu erstatten und damit den in diesem Fall angerichteten
Schaden zumindest verringert, wenn nicht sogar gänzlich zu vermeiden geholfen
hätte. Das kann das PAS, wie jede andere mögliche Fundmeldestelle, aber
selbstverständlich nur, wenn die Finder sich mit ihrem Fund an es wenden, weil
auch das PAS kann nicht ganz England und Wales rund um die Uhr überwachen,
Finder zu einer Vorgehensweise zwingen oder gar hellsehen.
Schregs (2019) Kritik scheint daher auf einem
grundsätzlichen Missverständnis der Aufgaben und des Zwecks des PAS zu beruhen,
ein Missverständnis, das ich in der Folge zu beheben versuchen werde. Was das
PAS ist und welchen Zweck es hat, kann man zwar auch direkt auf seinen eigenen
Webseiten nachlesen (https://finds.org.uk/about [27/11/2019]), aber es schadet
nicht, es hier in kurzen deutschen Worten nochmals zu erläutern.
Was ist das Portable Antiquities Scheme und welchen Zweck hat es?
Das PAS
wurde zuerst in Form eines nur Teile von England erfassenden Pilotprojekts 1997
als Begleitmaßnahme zum Treasure Act 1996 eingerichtet, 1999 räumlich ausgedehnt und ab
2003 schließlich flächendeckend auf ganz England und Wales erweitert.
Inzwischen ist es in England als eigene Abteilung am British Museum, in Wales am National
Museum for Wales angesiedelt, nicht zuletzt auch deshalb, weil diese beiden
Museen für ihren jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsbereich für die
Begutachtung des wissenschaftlichen Werts von Schatzfunden im Sinne des Treasure Act 1996 zuständig sind.
Der bei der
Einrichtung des PAS verfolgte Hauptzweck war es, eine zentrale archäologische
Fundmeldestelle zu schaffen, die zuvor nur unregelmäßig bei Lokal- und
Regionalmuseen eingehende freiwillige Fundmeldungen von Findern nicht unter die
Legaldefinition des Treasure Act 1996 fallender und daher auch nach 1996 nicht
meldepflichtiger archäologischer Funde entgegennehmen und in eine zentrale
Funddatenbank einpflegen kann. Zweiter Zweck der Einrichtung des PAS war es,
damit auch eine Beratungsstelle für Finder archäologischer Funde
bereitzustellen, die (interessierte) Laien, die als Hobby oder zu
wirtschaftlichen Profitzwecken archäologische Funde zu entdecken versuchen,
über die archäologische Notwendigkeit der möglichst sachgerechten Dokumentation
archäologischer Funde – unabhängig von der Frage, ob diese meldepflichtig oder
nicht meldepflichtig sind - und ihrer Fundkontexte bzw. -umstände informieren
soll.
Mit der von
Schreg (2019) als (seiner Ansicht nach) nicht vorbildlich
monierten „Lösung“ des archäologischen Problems mit Metallsuchern hat das
überhaupt nur insofern zu tun, als tatsächlich die überwältigende Mehrheit von
fachlichen Laien, die als Hobby oder auch für wirtschaftlichen Profit nach
(unter anderem – wenigstens teilweise – auch als „archäologisch“ ansprechbaren)
Bodenfunden suchen, dies unter Zuhilfenahme eines Metallsuchgeräts tun.
Tatsächlich werden den Zahlen des PAS zufolge alljährlich zwischen etwa 87-96%
aller vom PAS in seine Funddatenbank aufgenommenen Funde von Metallsuchern
gemeldet. Dabei sind allerdings von den jährlich inzwischen durchschnittlich
(nach einer Verschärfung der internen Richtlinien für die Aufnahme von Funden
in die PAS-Datenbank zur Genauigkeit der Lokalisierung des Fundorts durch den
Finder) etwa 80.000 in die Fundstellendatenbank aufgenommenen Funde (die nur
ein kleiner Anteil von ca. 10% der PAS-Mitarbeitern von Findern tatsächlich
gemeldeten Funde sind) nur durchschnittlich etwa 1.200 Schatzfunde im Sinne des
Treasure Act 1996, also gerade einmal ca. 1,5% von
10% (d.h. ca. 0,15%) der dem PAS gemeldeten Funde. Umgekehrt gesagt: die
Meldung von ca. 98,5% aller vom PAS in seine Datenbank aufgenommenen und von
ca. 99,85% aller ihm vorgelegten Funde erfolgt nach englischer und walisischer
Rechtslage vollkommen freiwillig.
Das löst
natürlich das archäologische „Problem“ mit der Metallsuche durch Laien nicht;
vor allem nicht, solange man als einzige „Lösung“ dieses Problems nur das
vollständige Ende der Metallsuche und aller sonstigen Suchhandlungen durch
fachliche Laien zum Zweck der Entdeckung von beliebigen Bodenfunden akzeptiert,
bei denen „archäologische“ Funde auch nur rein hypothetisch entdeckt werden
könnten. Aber diese Art der „Lösung“ des „Problems“ – d.h. die Suche nach
Bodenfunden durch fachliche Laien vollständig zu unterbinden – war niemals und
ist bis heute nicht Zweck und Aufgabe des PAS; und man kann ihm also auch nicht
seriös vorwerfen, dass es dieses Ziel nicht erreicht.
Vergleich des anglowalisischen mit dem deutschösterreichischen Fundmeldewesen
Weit
sinnvoller als das PAS daran zu messen, dass es ein Ziel, das es gar nicht
verfolgen soll, nicht dennoch erreicht hat, ist es, das Fundmeldewesen in England
und Wales mit dem in Deutschland und Österreich zu vergleichen. Ich beginne
dabei mit der archäologisch-denkmalpflegerischen Rechtslage, weil dieser Teil
des Vergleichs besonders wesentlich ist:
Rechtslage: England und Wales
Die
Rechtslage in England und Wales habe ich ja bereits oben genauer dargestellt,
aber ich fasse sie dennoch hier nochmals kurz zusammen: das
archäologisch-denkmalpflegerische Fundwesen wird in England und Wales durch den
Treasure Act 1996 geregelt, der nur eine bestimmte Auswahl
aller („archäologischen“) Bodenfunde einer gesetzlichen Meldepflicht und einem
denkmalpflegerischen Zwecken dienenden staatlichen Schatzregal/Vorkaufsrecht
unterwirft. Welche Auswahl das ist, hat der demokratisch legitimierte
Gesetzgeber durch Festsetzung klar und weitgehend objektiv nachvollziehbarer Auswahlkriterien
in Section 1 (1) dieses Gesetzes festgelegt. Darüber hinaus hat er in Section 2
(1) dem (für Kultur) zuständigen Minister die Möglichkeit eingeräumt,
zusätzlich dazu auch all jene Arten von Fundgegenständen, denen besondere
geschichtliche, archäologische oder kulturelle Bedeutung zukommt, im Wege einer
Verordnung ebenfalls dieser Fundregelung zu unterwerfen. Die vorsätzliche bzw.
fahrlässige Missachtung der gesetzlichen Meldepflicht ist in Section 8 (3) als
Ordnungswidrigkeit mit bis zu 3 Monaten Haftstrafe und/oder einer nach oben
offenen Geldstrafe und die der Schatzfundüberlassungspflicht an den Staat als
Straftat (theft im Sinne des Theft Act 1968) mit (eventuell bis zu lebenslanger) Haftstrafe
bedroht. Für alle Bodenfunde hingegen, die nicht der denkmalrechtlichen
Legaldefinition des Schatzfundbegriffs entsprechen, besteht keine
(denkmalrechtliche) Meldepflicht und sie gehen, je nachdem ob sie auf oder
unter der Erdoberfläche gefunden wurden, in das Eigentum des Finders bzw.
Grundeigentümers über, sofern diese nicht eine davon abweichende Vereinbarung
über das Fundeigentum getroffen haben.
Rechtslage: Deutschland und Österreich
Die 16
deutschen Bundesländer und Österreich regeln das
archäologisch-denkmalpflegerische Fundwesen in erster Linie in ihren jeweiligen
Denkmalschutzgesetzen sowie teilweise auch durch ihre jeweils bundesweit
geltenden (allgemeinen) Bürgerlichen Gesetzbücher (BGB; ABGB) und Strafgesetzbücher (StGB [DE]; StGB [AT]). Ich fasse im Folgenden deren
Bestimmungen geringfügig vereinfacht zusammen, weil sich alle 17 hier
relevanten Denkmalschutzgesetze und Bestimmungen von BGB und ABGB sowie StGB
[DE] und StGB [AT] bei zwar durchaus bestehenden Unterschieden in Details in
ihrem wesentlichen Kern jeweils weitgehend entsprechen.
Alle 16
deutschen und das österreichische Denkmalschutzgesetz unterwerfen eine
bestimmte Auswahl aller („archäologischen“) Bodenfunde einer gesetzlichen
Meldepflicht. Welche Auswahl das ist, hat der jeweils zuständige, demokratisch
legitimierte Gesetzgeber jeweils durch eine Legaldefinition bzw. Verwendung
eines unbestimmten Rechtsbegriffs (siehe dazu schon Karl 2018a) in seinem Denkmalschutzgesetz
festgelegt (§ 2 Abs. 1 iVm § 20 DSchG-BW; Art. 1 Abs. 1 und 4 iVm Art. 8 DSchG-BY; § 2 Abs. 2 und 5 iVm § 3 DSchG-BE; § 2 Abs. 1 iVm § 11 DSchG-BBG; § 2 Abs. 1 und 2 Z 4 iVm § 15 DSchG-BREM; § 4 Abs. 2 und 5 iVm § 17 DSchG-HH; § 2 Abs. 1-2 iVm § 21 HDSchG; § 2 Abs. 1 und 5 iVm § 11 DSchG-MV; § 3 Abs. 2 und 4 iVm § 14 DSchG-NDS; § 2 Abs. 1 und 5 iVm § 15 DSchG-NRW; § 3 Abs. 1 iVm § 16-18 DSchG-RLP; § 2 Abs. 1 und 4 iVm § 16-17 DSchG-SL; § 2 Abs. 1 iVm § 20 SächsDSchG; § 2 Abs. 1 und 2 Z 3-4 iVm § 9
Abs. 3 und § 12 DSchG-SA; § 2 Abs. 2 iVm § 15 DSchG-SH; § 2 Abs. 1 und 7 iVm § 16 ThürDSchG; § 1 Abs. 1-2 iVm § 8-9 DMSG). Diese Definition stellt in allen 17
Denkmalschutzgesetzen darauf ab, dass den auszuwählenden Gegenständen (oft
sogar besondere) geschichtliche, archäologische, kulturelle (etc.) Bedeutung
zukommen muss. Wo genau die Grenze zwischen Bodenfunden, die und die nicht
unter die jeweilige Legaldefinition fallen, anzusetzen ist, unterscheidet sich
zwar von Denkmalschutzgesetz zu Denkmalschutzgesetz, jedenfalls ist aber die
Menge aller der jeweils relevanten Legaldefinition entsprechenden Bodenfunde immer
nur eine Teilmenge aller Bodenfunde (siehe dazu auch schon konkreter für
Bayern, Schleswig-Holstein und Österreich Karl 2019a, 189-90, 199-200).
Zusätzlich
zu der für diese Auswahl an („archäologischen“) Bodenfunden geltenden
Meldepflicht besteht in allen 17 Denkmalschutzgesetzen auch eine Verpflichtung,
den entdeckten Fundgegenstand (der allerdings bei Gefahr seines sonstigen
Abhandenkommens regelhaft zu sichern und/oder zu bergen ist) und seine
Fundumstände bzw. Fundstelle zeitlich befristet (je nach Gesetz unterschiedlich
für 3-7 Tage) unverändert zu belassen sowie bei Bedarf der zuständigen Behörde
den Fund zeitlich befristet zur wissenschaftlichen Untersuchung zu überlassen. Ebenfalls
in allen Gesetzen besteht eine behördliche Genehmigungspflicht für Grabungen/Erdarbeiten
bzw. Nachforschungen (in der Folge: NFG-Pflicht), die mit dem Zweck der
Entdeckung von dieser Auswahl entsprechenden Bodenfunden und/oder an Orten, an
denen deren Entdeckung begründet zu vermuten ist, durchgeführt werden sollen.
In 15
deutschen Bundesländern besteht darüber hinaus ein staatliches Schatzregal für
entweder die gleiche oder eine weiter (z.B. auf Funde von besonderem bzw.
hervorragendem wissenschaftlichen Wert, bei staatlichen Ausgrabungen und/oder
in Grabungsschutzgebieten entdeckte Funde etc.) eingeschränkte Auswahl an
herrenlosen („archäologischen“) Bodenfunden. In Bayern und Österreich regelt
hingegen die hadrianische Fundteilungsregel des § 984 BGB bzw. § 399 ABGB den Erwerb des Eigentums an dieser Auswahl
entsprechenden Bodenfunden, d.h. sie werden jeweils hälftig Eigentum von Finder
und Grundeigentümer.
Die
Missachtung der Meldepflicht, des Veränderungsverbotes, der zeitweiligen
Überlassungspflicht und der NFG-Pflicht stellt normalerweise eine
Ordnungswidrigkeit bzw. Verwaltungsübertretung dar, die mit einer (je nach
Gesetz und konkretem Tatbestand unterschiedlich hohen) Geldstrafe (von einigen
wenigen tausend bis zu einer halben Million €) bzw. Ersatzhaftstrafe bedroht
sind. Nur in Schleswig-Holstein ist gem. § 19 Abs. 1 Z 2 DSchG-SH die Missachtung der NFG-Pflicht eine mit bis
zu zwei Jahren Haftstrafe bedrohte Straftat. Die Unterschlagung von dem
staatlichen Schatzregal unterliegenden bzw. gem. § 984 BGB bzw. § 399 ABGB hälftig dem Grundeigentümer gehörenden
(„archäologischen“) Schatzfunden durch den Finder wird hingegen durch die
entsprechenden Bestimmungen des örtlich geltenden Strafgesetzbuches mit bis zu 3
Jahren Haft bedroht (zu tatsächlich verhängten Strafen komme ich noch weiter
unten in diesem Beitrag).[7]
Hehlerei – derer sich allerdings bezüglich des unterschlagenen Fundes sowohl in
Deutschland als auch in Österreich nur ein Dritter, nicht sein unehrliche
Finder selbst schuldig machen kann – wird hingegen mit bis zu 5 Jahren
Haftstrafe bedroht.[8]
Für alle
Bodenfunde hingegen, die nicht der denkmalrechtlichen Legaldefinition des
Kultur- bzw. Bodendenkmalbegriffs entsprechen bzw. denen die jedenfalls
erforderliche geschichtliche, archäologische, kulturelle etc. Bedeutung nicht
zukommt, besteht keine (denkmalrechtliche) Meldepflicht, kein
Veränderungsverbot und auch keine zeitweilige Überlassungspflicht an die
örtlich und sachlich (eben gerade nicht für solche ‚gewöhnlichen‘ Bodenfunde)
zuständige Denkmalbehörde. Sofern nicht an einem Ort nach ihnen gesucht wird,
an dem begründet mit der Entdeckung von den denkmalrechtlichen Fundregelungen
unterliegenden Bodenfunden zu rechnen ist, besteht für Versuche ihrer
Entdeckung auch keine NFG-Pflicht und sie unterliegen auch nicht einem
allfällig örtlich geltenden denkmalrechtlichen Schatzregal. Vielmehr
unterliegen sie, wenn ihr gewöhnlicher Wert € 10 übersteigt, einer allgemeinen
gesetzlichen Fundmeldepflicht gem. § 965 BGB bzw. § 389 iVm 391 Abs. 2 ABGB und gehen entweder gem. § 984 BGB bzw. § 399 ABGB in das hälftig geteilte Eigentum von Finder
und Grundeigentümer bzw. in Österreich wenn geringwertig gem. § 397 iVm § 395 ABGB in das ungeteilte Eigentum des Finders über.
Rechtslage im Bereich des denkmalpflegerischen Fundwesens: Vergleich
Vergleicht
man die Rechtslagen im Bereich des denkmalpflegerischen Fundwesens in den hier
betrachteten Ländern miteinander, zeigen sich zwar durchaus gewisse Unterschiede,
aber auch weitreichende Ähnlichkeiten.
In allen
betrachteten Ländern hat der jeweils zuständige Gesetzgeber bestimmt, dass nur
eine bestimmte Auswahl aller Bodenfunde denkmalpflegerisch relevant ist,
weshalb in allen verglichenen Ländern die denkmalrechtlichen Fundregelungen nur
für die in die gesetzlich bestimmte Auswahlmenge fallenden Bodenfunde gelten.
Alle verglichenen Länder unterwerfen Finder von in diese Auswahlmenge fallenden
Bodenfunden einer gesetzlichen Meldepflicht an eine dafür vorgesehene
staatliche Stelle. Ebenso unterwerfen alle hier verglichenen Länder Finder
einer – wenigstens zeitweiligen – Fundüberlassungspflicht an eine zur
wissenschaftlichen Beurteilung und erforderlichenfalls auch Untersuchung der in
diese Auswahlmenge fallenden Funde kompetenten archäologischen Einrichtung oder
überführen eine Teilmenge dieser oder sogar alle solche Funde im Wege einer
meist als „Schatzregal“ bezeichneten Fundeigentumsregelung ins Staatseigentum.
Schließlich bedrohen (und bestrafen, aber dazu später noch mehr) auch alle hier
verglichenen Länder die Missachtung der denkmalrechtlichen Fundregeln als
Ordnungswidrigkeiten und den Diebstahl bzw. die Unterschlagung von und Hehlerei
mit von Findern nicht deren rechtmäßigen Eigentümer (ob dieser nun der Staat
oder ganz oder nur hälftig eine andere Privatperson als der Finder ist)
überantworteten Fundgegenständen.
Unterschiede
bestehen zwischen den verglichenen Ländern einerseits darin, wie sie an den
(archäologischen) Denkmalschutz herangehen – im Wesentlichen ob sie wie
England, Wales und Österreich diesen im Bereich der Unterschutzstellung von
(auch „archäologischen“) Denkmalen primär nach dem konstitutiven oder wie die
deutschen Bundesländer primär nach dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013) geregelt haben.[9]
Andererseits bestehen Unterschiede zwischen den verglichenen Ländern darin, ob
sie – wie die deutschen Bundesländer und Österreich – gesetzliche Veränderungsverbote
des Fundes, seiner Fundumstände und der Fundstelle bei der nicht im Rahmen
systematischer, professioneller archäologischer Feldforschungen erfolgenden
Entdeckung von in die denkmalrechtliche Auswahlmenge fallender Bodenfunde und
eine behördliche Genehmigungspflicht für (im rechtlichen Sinne dieses Begriffs)
vorhersehbarerweise[10]
in diese Auswahlmenge fallende Bodenfunde entdecken werdende Grabungen bzw.
Nachforschungen vorgesehen haben;[11]
oder – wie England und Wales – nicht vorgesehen haben. Schließlich – und wohl
am Wichtigsten – bestehen Unterschiede zwischen den verglichenen Ländern darin,
ob die zur Bestimmung der denkmalrechtlich relevanten Auswahlmenge ausschlaggebenden
Kriterien – wie in England und Wales – einigermaßen klar, eindeutig, objektiv
bestimmbar und für den Durchschnittsbürger verständlich gesetzlich bzw. durch
Verordnung bestimmt sind oder stattdessen – wie in Deutschland und Österreich –
großteils unbestimmte Rechtsbegriffe sind, die nur durch speziell ausgebildete
ExpertInnen richtig ausgelegt werden können, insbesondere durch den Begriff der
(geschichtlichen etc.) Bedeutung (siehe dazu auch Karl 2018a). Auf den zuletzt genannten
Unterschied und warum er so wichtig ist, werde ich weiter unten noch einmal
genauer zurückkommen.
Alle
anderen Unterschiede zwischen den Rechtslagen in den verglichenen Ländern sind
hingegen weitgehend unbedeutende Details: wie hoch die maximale Geld- oder
Haftstrafe ist, die auf die Missachtung der denkmalrechtlichen Fundmeldepflicht
oder die Unterschlagung eines unter das örtlich geltende staatliche Schatzregal
fallenden Bodenfundes ist, mag zwar für den, der für eine derartige
Ordnungswidrigkeit oder Straftat verurteilt wird, sehr bedeutend sein, weil
schließlich davon abhängt (oder wenigstens abhängen kann) ob er – wie im oben
besprochenen Fall aus England – auch leicht 10 oder – wie in Deutschland
generell – höchstens drei Jahre Haft ausfassen kann. Auf der generalisierenden
Ebene der vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Rechtssysteme ist es
hingegen weitgehend egal, weil in beiden Fällen für dieselbe Straftat eine
jahrelange und daher für alle außer notorische Schwerverbrecher wohl eine
erhebliche Abschreckungswirkung entfaltende Haftstrafe droht. Ebenso ist es für
den hier vorgenommenen Vergleich ein weitgehend irrelevantes Detail, welche
genaue Zusammensetzung und Größe der Auswahlmenge sich aus den jeweils von
Gesetz zu Gesetz unterschiedlichen Kriterien zu ihrer Bestimmung ergibt;
relevant ist vielmehr nur, dass es sich dabei eben um eine Teilmenge aller
(„archäologischer“) Bodenfunde handelt.
Die Praxis und freiwillige Meldungen nicht meldepflichtiger Bodenfunde
Damit komme
ich im Wege einer der wichtigen Ähnlichkeiten zwischen allen hier verglichenen Ländern
zur Praxis und zum PAS und seinem Zweck zurück: die Rechtslage in allen
verglichenen Ländern gleicht sich im Umkehrschluss nämlich eben auch darin,
dass jeweils viele Bodenfunde nicht in die Auswahlmenge der denkmalrechtlich
relevanten Fundgegenstände fallen. Diese „gewöhnlichen“ Bodenfunde unterliegen
daher auch in allen hier verglichenen Ländern weder einer denkmalrechtlichen
Meldepflicht, noch – wo ein solches besteht – einem denkmalrechtlichen
Schatzregal, noch – wo solche bestehen – irgendwelchen denkmalrechtlichen
Fund-, Fundumstands- und Fundortsveränderungsverboten, zeitweiligen
Überlassungspflichten an irgendwelche Behörden oder NFG-Pflichten. Nachdem sich
unter diesen Fundgegenständen aber eben auch viele archäologische Funde (und
Befunde) befinden, geht, wenn diese außerhalb des Rahmens systematischer,
professioneller archäologischer Ausgrabungen entdeckt und von ihren Findern in
Besitz genommen, aber von diesen weder freiwillig so gut sie es können
dokumentiert noch einer archäologischen Einrichtung gemeldet werden,
archäologische Information verloren, die aus Sicht der archäologischen
Wissenschaft relevant sein könnte.
England und Wales
In England
und Wales hat man dieses Problem – dass nicht jeder Bodenfund und -befund, der
archäologisch-wissenschaftlich relevant sein könnte, die für seine Zuordnung
zur Auswahlmenge der denkmalrechtlich relevanten Bodenfunde erforderlichen
Kriterien erfüllt – korrekt erkannt und mit dem PAS eine wenigstens halbwegs
erfolgreich funktionierende Lösungsmöglichkeit gefunden und auch tatsächlich
eingeführt. Das PAS beschäftigt inzwischen ca. 50 ArchäologInnen, deren Aufgabe
es eben ist, die beim PAS als zentrale Meldestelle eingehenden freiwilligen
Fundmeldungen denkmalrechtlich nicht meldepflichtiger, aber dennoch potentiell
archäologisch relevanter Bodenfunde entgegenzunehmen, in die Funddatenbank des
PAS einzupflegen (und diese öffentlich zugänglich zu machen) sowie (vor allem
regelmäßige) freiwillige Fundmelder zu beraten, damit diese allfällig von
diesen zukünftig gemachte Funde (noch) besser dokumentieren als ihre
bisherigen. Dass diese ca. 50 ArchäologInnen der fundmeldenden Öffentlichkeit
zur Verfügung stehen, hat außerdem den zusätzlichen Vorteil, dass diese auch
Findern, die tatsächlich denkmalrechtlich relevante Schatzfunde entdeckt, aber
nicht korrekt als solche erkannt haben, nicht nur bei der richtigen
Identifikation ihrer Funde als meldepflichtige Schatzfunde sondern gleich auch
bei der – gemäß Section 8 (2) des Treasure Act 1996 dann binnen 14 Tagen zu erstattenden –
Fundmeldung an den Coroner helfen
können. Zwar funktioniert das PAS keineswegs perfekt – wie bereits gesagt,
werden dem PAS derzeit wohl etwa 10 mal so viele Bodenfunde von Findern
vorgelegt als es tatsächlich in seine Datenbank einarbeiten kann – aber es ist
jedenfalls besser als freiwillige Fundmeldungen nicht systematisch oder gar
nicht zu sammeln. Es hilft dabei, den durch die Bergung von nicht meldepflichtigen
Bodenfunden und durch die irrtümliche Fehlbeurteilung von denkmalrechtlich
tatsächlich relevanten Schatzfunden durch Laien entstehenden Sachschaden zu
verringern, auch wenn es ihn nicht verhindern kann. Es ist eine pragmatische
Lösung, die das Bessere dem Schlechteren vorzieht.
Deutschland und Österreich
In
Deutschland und Österreich hat hingegen ein bedeutender Teil der
archäologischen und denkmalpflegerischen Fachwelt entweder noch nicht
hinreichend erkannt, dass dieses Problem überhaupt besteht, oder weigert sich,
seine Existenz anzuerkennen, auch wenn es natürlich in diesen Ländern ebenso
besteht wie in England und Wales. Jener Teil der Fachwelt hingegen, der seine
Existenz erkannt hat, versucht es mehrheitlich durch die Ausdehnung des
gesetzlichen Denkmalbegriffs und/oder seine exzessive Überinterpretation zu
lösen. Diese Strategie beruht scheinbar auf der Hoffnung, dass man damit dann
doch irgendwie alle „archäologischen“ Funde (und Befunde) in die Auswahlmenge
der denkmalrechtlich relevanten Bodenfunde bringen und sie damit den
gesetzlichen Meldepflichten samt ihren Rechtsfolgen (Veränderungsverbote,
Fundüberlassung), gegebenenfalls auch einem staatlichen Schatzregal und vor
allem der gesetzlichen NFG-Pflicht unterwerfen kann. Insbesondere der letzte
Aspekt ist das Schlüsselelement dieser Strategie, denn die Fachwelt hofft, dass
sie (bzw. die staatliche archäologische Denkmalpflege) mittels der NFG-Pflicht nicht
nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Kontrolle über jeden Versuch der
Entdeckung von Bodenfunden (die potentiell „archäologische“ Funde bzw. Befunde
sein könnten) erlangt; und zwar mit dem Zweck, möglichst alle (potentiell)
unsachgemäßen Fundbergungen verbieten und damit auch allen (durch dieses
spezielle Teilproblem möglicherweise entstehenden) archäologischen Sachschaden
tatsächlich verhindern zu können.
Wenn diese,
in Deutschland und Österreich gewählte Strategie, tatsächlich gänzlich
erfolgreich ist, schaltet sie eine der (vielen) Ursachen für archäologischen Informationsverlust
vollständig aus. Es handelt sich dabei also um einen idealistischen
Lösungsversuch, der das (scheinbar) Beste[12]
allen anderen, als gleichermaßen inferior betrachteten, Alternativen vorzieht.
Funktioniert
diese Strategie in der Praxis hingegen nicht perfekt – sei es, weil es der
Fachwelt nicht gelingt, tatsächlich alle (und damit auch alle
„archäologischen“) Bodenfunde in die Legaldefinition der denkmalrechtlichen
Auswahlmenge zu bekommen, oder sei es, wenn das doch gelingt, weil sich nicht alle
Normunterworfenen an die ihnen denkmalrechtlich aufgetragenen Verpflichtungen
halten, oder sei es aus beiden genannten Gründen gleichzeitig – bleibt das
Problem bestehen, dass England und Wales mittels des PAS zu lösen versuchen: es
gibt dann weiterhin Bodenfunde, die – ob nun unsachgemäß, teilweise sachgemäß
oder gänzlich sachgemäß – von Laien – sei es nun rechtmäßiger- oder
unrechtmäßigerweise – aus dem Boden geborgen werden und daher der Fachwelt und
Öffentlichkeit nur bekannt werden, wenn sie von ihren Findern – ob nun
gesetzlich verpflichtend oder freiwillig – einer für die Entgegennahme und
Bekanntmachung archäologischer Fundmeldungen geeigneten Organisation oder
Einrichtung melden (können).
Es versteht
sich von selbst, dass in der Praxis die in Deutschland und Österreich gewählte
Strategie nicht perfekt funktioniert, ja gar nicht perfekt funktionieren kann.
Denn es ist rechtlich unmöglich, den StaatsbürgerInnen die Suche nach allen
Bodenfunden gänzlich zu verbieten oder auch nur mit einer behördlichen
Genehmigung zu erlauben: schließlich können diese ihr rechtmäßiges Eigentum
auch am oder im Boden vergessen oder verbergen oder so verlieren, dass es am
oder gar im Boden zu liegen kommt. Allen Menschen zu verbieten oder nur mit
denkmalbehördlicher Genehmigung zu gestatten, ihr vergessenes, verborgenes oder
verlorenes, aber vollkommen rechtmäßiges Eigentum wiederzufinden zu versuchen,
ist jedoch völlig unverhältnismäßig und verfassungsrechtlich daher unmöglich
haltbar. Darum kann man auch z.B. in Deutschland problemlos
„Schatzsuchermeisterschaften“ abhalten (siehe z.B. DSM
2019): alles was
man dafür tun muss, ist ein paar Metallgegenstände, deren Eigentümer man ist,
in einem nicht als Grabungsschutzgebiet oder Denkmal ausgewiesenem Stück Boden
vergraben und Gras drüber wachsen lassen. Aus letztendlich demselben Grund kann
man auch „Schatzsuche“ als freies Gewerbe anmelden, z.B. in Österreich (BMWFW 2015, 19).
Und die
Vorstellung, dass sich alle Normunterworfenen tatsächlich immer an alle
denkmalrechtlichen Bestimmungen halten werden, weil sie schließlich Gesetz
sind, ist nicht einmal mehr lächerlich. Dass was nicht sein darf auch nicht
sein kann, ist vielleicht im bürokratischen Traumland der Fall, die gewöhnliche
Lebenserfahrung jedes Menschen sagt ihm jedoch unmittelbar, dass das nicht der
Fall ist. Schließlich bräuchte man weder Strafbestimmungen in Gesetzen noch
Polizei, Staatsanwaltschaft, Richter und Gerichte, wenn sich tatsächlich alle
Normunterworfenen brav an alles halten würden, was in allen – auch noch so
obskuren – Gesetzen steht.
Es bleibt
also das Problem: es gibt Bodenfunde, von denen wir ArchäologInnen gerne
hätten, dass sie uns bekannt gemacht werden, die aber nicht in die
denkmalrechtliche Auswahlmenge der meldepflichtigen (etc.) Bodenfunde fallen;
auch in Deutschland und Österreich. Und es gibt auch Finder, die sich bei der
Einschätzung, ob ein von ihnen entdeckter Bodenfund nun einer
denkmalrechtlichen Meldepflicht (etc.) unterliegt, ehrlich irren; insbesondere
deshalb, weil die deutschen und österreichischen Denkmalschutzgesetze alles
andere als eindeutige (Boden-) Denkmalsbegriffsdefinitionen haben, die schwerlich
jeder Durchschnittsbürger regelhaft korrekt auslegen kann. Das österreichische DMSG ist ein schönes Beispiel dafür, wenn es in
seinem § 8 Abs. 1 als meldepflichtige „Bodendenkmale“ all jene Boden-
und Wasserfunde definiert, „die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit
offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“.
Für alle
diese Bodenfunde, also die, die nicht denkmalrechtlich relevant aber vielleicht
trotzdem archäologisch interessant sind, gibt es in Deutschland und Österreich
weder zentrale Fundmeldestellen noch eine online zugängliche Zentraldatenbank.
Natürlich kann man seine nicht meldepflichtigen Funde, wie man es auch in England
und Wales vor Einführung des PAS konnte und auch immer noch kann, versuchen einem
beliebigen Museumsarchäologen oder einer Archäologieprofessorin oder auch dem
örtlich zuständigen Denkmalamt vorzulegen, in der Hoffnung, dass man dort nicht
als „illegaler Sondler“ beschimpft und rausgeschmissen oder gar angezeigt wird,
auch wenn man sich gar keiner Schuld bewusst ist und sich auch tatsächlich
rechtlich gar nichts zuschulden hat kommen lassen, sondern der Fund dort
irgendwo verzeichnet und eingelagert wird. Aber motiviert dazu, dass man das
als Finder macht, wird man nicht.
Die Auswirkungen in der Fundmeldepraxis
Die
Unterschiede in der jeweiligen Gestaltung des Fundwesens in einerseits England
und Wales und andererseits Deutschland und Österreich haben signifikante und
für die hier diskutierten Fragen höchst relevante Auswirkungen auf die Praxis
im Bereich denkmalrechtlich verpflichtender und freiwilliger Fundmeldungen
durch Laien, insbesondere durch die mit Abstand die meisten Bodenfunde
findenden Metallsucher. Dass es hier gewaltige Unterschiede zwischen den
verglichenen Ländern gibt, ist als bekannt vorauszusetzen, die hier relevante
Frage ist daher eher, wie sie – und damit verbunden das PAS – zu bewerten sind.
Auswirkungen: England und Wales
Das Zusammenspiel
zwischen dem Treasure Act 1996 und dem PAS dient der Maximierung der
Meldewilligkeit von Findern von archäologischen Bodenfunden, und zwar gänzlich
unabhängig davon, ob ein Fund denkmalrechtlich meldepflichtig ist oder nicht.
Das ist auch sehr notwendig, nachdem die Definition des Schatzfundbegriffs in Section
1 (1) Treasure Act 1996 selbst nach ihrer Ergänzung durch Section
3 des Treasure Designation Order 2002 (und einer allfälligen neuerlichen
Ergänzung etwa im Sinne von DCMS 2019, 27-31) sehr stark und in nicht
unbedingt archäologisch besonders nützlicher Weise selektiv ist, d.h. die
denkmalrechtlich relevante Auswahlmenge sehr eng beschränkt und klein macht.
Schließlich unterwirft sie praktisch nur (oft nur sogar wenigstens zwei
miteinander vergesellschaftete) Metallfunde und von diesen wiederum
hauptsächlich Edelmetallfunde der denkmalrechtlichen Meldepflicht und dem
Schatzregal, während nicht aus Metall bestehende Bodenfunde überhaupt nur dann
als denkmalrechtlich relevant betrachtet werden, wenn sie mit wenigstens einem
als Schatzfund zu klassifizierenden Metallfund vergesellschaftet aufgefunden
wurden.
Aufgrund
dieser starken Selektivität der Legaldefinition ist die Anzahl der alljährlich
entdeckten Schatzfunde – die einzigen Bodenfunde in England und Wales, die
denkmalrechtlich meldepflichtig sind – auch sehr gering: seit dem Inkrafttreten
des Treasure Act 1996 im Jahr 1997 bis inklusive 2017
wurden in England, Wales und Nordirland (wo der Act auch gilt) insgesamt gerade einmal 13.943 Funde als Schatzfunde
klassifiziert, d.h. durchschnittlich ca. 664 pro Jahr. Die Zahl der Schatzfunde
ist dabei allerdings (mit zwei Ausnahmen) von Jahr zu Jahr angestiegen, von 79
im Jahr 1997 bis auf 1.267 im Jahr 2017 (PAS 2018, 7).
Zum
Vergleich: unter Treasure Trove davor wurden in den 9 Jahren von
1988-1996 insgesamt 231 Schatzfunde registriert (ibid.), d.h. durchschnittlich ca. 26 pro Jahr, ohne
ansteigende Tendenz. Vergleicht man das mit dem Durchschnitt der letzten 9
Jahre (2009-2017) von durchschnittlich 998 Schatzfunden pro Jahr, ist das also
ein Anstieg der tatsächlich gesetzlich verpflichtend zu erstatten gewesenen
Schatzfundmeldungen um einen Faktor von etwa 39; vergleicht man den Durchschnitt
der 9 Jahre vor der Einführung von Treasure Act 1996 und PAS mit nur dem letzten Jahr, ist der
Anstiegsfaktor sogar 49.
Ebenfalls
beachtenswert ist: die Erweiterung der Legaldefinition des Schatzfundbegriffs
durch den Treasure Designation Order 2002 wurde 2003 wirksam; man sieht auch
in diesem Jahr, dass die Anzahl der Schatzfunde im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft,
nämlich um ca. 80%, von 240 auf 427 angestiegen ist (PAS 2018, 7). Seitdem hat sich aber die Anzahl der
unter der gleichen Legaldefinition als Schatzfunde deklarierten Bodenfunde so
gut wie verdreifacht. Der Anstieg der gemeldeten meldepflichtigen Schatzfunde
ist also nicht nur durch die Änderung der Legaldefinition erklärbar, sondern
wenigstens teilweise auch auf andere Ursachen zurückzuführen. Eine solche
Ursache könnte sein, dass sich die Anzahl der Metallsucher in England und Wales
und daher auch die der von ihnen gefundenen Schätze seit 2003 etwa verdreifacht
hat,[13]
eine andere jedoch, dass sich seit 2003 die Meldewilligkeit von Findern von
meldepflichtigen Schatzfunden etwa verdreifacht hat;[14]
wahrscheinlich sind aber beide dieser möglichen Ursachen teilweise für den
Anstieg der Anzahl der Schatzfunde verantwortlich.
Vielleicht
noch beachtenswerter ist jedoch die Anzahl der alljährlich beim PAS eingehenden
freiwilligen Fundmeldungen: den Finds
Liaison Officers des PAS dürften derzeit alljährlich etwa eine
Dreiviertelmillion Bodenfunde vorgelegt werden, von denen nur um die 10%
überhaupt in die öffentlich zugängliche Datenbank eingepflegt werden. Seit 1997
hat das PAS in diese Datenbank etwa eineinhalb Millionen Fundgegenstände (Stand
29/11/2019 15 Uhr [GMT]: 1.455.853 Objekte) eingepflegt. Diese haben, wie
Christoph Huth schon 2013 ganz richtig angemerkt hat, „unser Bild von der
archäologischen Überlieferung in England und Wales nachhaltig verändert“ (Huth 2013, 135), und zwar in einem derartigen Ausmaß, „dass
man sich fragen muss, ob man das Fundbild in England und Wales überhaupt noch
mit dem auf dem Kontinent vergleichen kann“ (Huth 2013, 136). Auch bezüglich dieser freiwillig
gemeldeten Funde ist der Anstieg der Fundmeldezahlen im Vergleich zur Zeit vor
dem PAS gewaltig: jedenfalls um wenigstens einen Faktor von 8, wenn nicht sogar
größer als 16, wenn man nur die in die Datenbank des PAS eingepflegten Funde
zählen will, um einen zehnmal größeren Faktor als diese, wenn man die zählen will,
die dem Personal des PAS derzeit alljährlich vorgelegt werden dürften.
Was auch
immer man konkret vom englischen und walisischen System halten möchte,
unzweifelhaft klar ist, dass die Kombination von Treasure Act 1996 und PAS zu einer gewaltigen Verbesserung des
Fundmeldewesens, zu einer gewaltigen Verbesserung der öffentlichen
Zugänglichkeit von Informationen über diese Funde und zu einer gewaltigen
Erhöhung der Anzahl der archäologischen Schatzfunde geführt hat, die
öffentlichen archäologischen Museumssammlungen einverleibt worden sind. Im
Minimum ist dieses System also wenigstens deutlich besser, als was es in
England und Wales vor seiner Einführung gab. Erkauft hat man diese Vorteile
dadurch, dass der englische und walisische Staat etwas mehr Geld für die
archäologische Denkmalpflege ausgeben musste als zuvor; und dass man seit
nunmehr über 20 Jahren den MetallsucherInnen, die ihre Funde melden, eine gute
Presse und hohe Belohnungen gibt (die man ehrlichen Schatzfundfindern aber auch
schon die 100 Jahre davor gegeben hatte) und dadurch das Hobby im Vergleich zu
weniger metallsucherfreundlichen Staaten attraktiver gemacht hat.[15]
Auswirkungen: Deutschland und Österreich
Wie
Christoph Huth (2013, 134) ebenfalls schon ganz richtig bemerkt hat,
sind die Auswirkungen der denkmalrechtlichen Fundregelungen in Deutschland
nicht nur deshalb schwieriger zu beurteilen, weil man 16 verschiedene
Denkmalschutzgesetze mit unterschiedlichen Definitionen der denkmalrechtlich
relevanten Auswahlmenge aus allen Bodenfunden hat, sondern noch viel mehr
deshalb, weil Vergleichszahlen zum Fundmeldungsaufkommen weitgehend bis völlig
fehlen. Denn wenigstens manche der deutschen Denkmalämter publizieren nicht
einmal druckschriftlich Zahlen zu eingegangenen Fundmeldungen durch Laien;
geschweige denn, dass irgendeines davon (ob nun freiwillig oder gesetzlich
verpflichtend) gemeldete, archäologisch interessante Funde in einer (und sei es
auch nur einer pro Bundesland) weltweit öffentlich zugänglichen Funddatenbank zeitnah
zu ihrer Entdeckung online veröffentlichen würde. Und das österreichische
Bundesdenkmalamt, das wenigstens in den Fundberichten aus Österreich Zahlen zu jährlich eingegangenen
Zufallsfundmeldungen[16]
und „soweit sie wissenschaftlich relevant sind“ (weil es dazu gesetzlich
durch § 11 Abs. 7 DMSG verpflichtet ist) in einer jährlich[17]
erscheinenden Druckschrift[18]
veröffentlicht, ist hier zwar ein wenig, aber auch nicht viel besser; und
jedenfalls noch sehr weit von einer an die des PAS auch nur entfernt
herankommenden, öffentlich im Internet frei zugänglichen, durchsuchbaren Funddatenbank
entfernt. Und wie sich die nunmehr zuerst online im Open Access erscheinenden Fundberichte aus Hessen in dieser Beziehung entwickeln
werden, wird man erst sehen müssen.
Natürlich
bekommen auch die deutschen Landesdenkmalämter Fundmeldungen, insbesondere
dann, wenn sie einigermaßen eng mit Sondengängern in ihrem
Zuständigkeitsbereich kooperieren. Es dürften dennoch selbst in den in dieser
Beziehung kooperativsten Bundesländern deutlich weniger sein als in England und
Wales; und auch wissenschaftliche Studien auf Basis von Detektorfunden fehlen
selbst in kooperativeren Bundesländern noch weitgehend (aber siehe zuletzt z.B.
Wolpert & Offermann 2019). Dort hingegen, wo Kooperation mit Metallsuchern
noch weitgehend ein Fremd-, wenn nicht sogar ein Reizwort ist, wie in
Österreich, sind die Fundmeldezahlen lächerlich niedrig. Als Folge von die
Metallsuche durch Laien deutlich restriktiver zu fassen versuchenden
Gesetzesänderungen 1990 und 1999 und einer dazu parallelen Verschärfung der
Handhabungspraxis sind in Österreich die Zahlen von Fundmeldungen durch Laien
von etwa 400 davor auf knapp über 100 unmittelbar danach, die Anzahl der
fundmeldenden Laien von 132 davor auf 31 danach gefallen, beides eine Rückgang
um etwa drei Viertel. Zwar ist in den letzten Jahren die Zahl der
Zufallsfundmeldungen wieder etwas angestiegen, so z.B. wurden 2014 211 und 2015
sogar 312 Fundmeldungen verzeichnet (Hofer 2015), die allerdings überwiegend von
professionellen ArchäologInnen und einer sehr kleinen Anzahl sehr meldeaktiver
Heimatforscher stammen.
Abbildung 2: Hochrechnung der Entwicklung der Mindestanzahl aktiver Metallsucher in Österreich (Karl 2019b, 115). |
Hinzu kommt
das Problem, dass die Strategie, durch gesetzliche Repression die Anzahl der
Metallsucher und damit der unsachgemäßen Fundbergungen zu reduzieren nicht nur
nicht perfekt, sondern gar nicht funktioniert. Auch wenn es natürlich auch dazu
keine exakten Zahlen gibt, lässt sich aus den Mitgliederzahlen von
szeneeinschlägigen Internetforen, Facebook-Gruppen etc. ableiten, dass in
Deutschland wenigstens 30.000 aktive Metallsucher tätig sind, vermutlich sogar
deutlich mehr; während es in Österreich wenigstens 4.000 sind. Deren Anzahl
verringert sich scheinbar auch nicht, sondern steigt, wenigstens in Österreich,
wenigstens soweit sich das feststellen lässt, exponentiell an: seit 1970
scheint sich die Anzahl der aktiven Metallsucher in Österreich alle fünf Jahre
etwa zu verdoppeln (Abb. 2; Karl 2019b, 115).
Nachdem der
durchschnittliche österreichische Metallsucher alljährlich etwa 218 Suchstunden
absolvieren dürfte (Achleitner 2011, 2), bedeutet das, dass Sondengänger in
Österreich (Mitgliederzahl Ferrum Noricum 30/11/2019, 8 Uhr [GMT]: 4.071) im Jahr 2020 jedenfalls über
900.000 Stunden nach Bodenfunden suchen werden. Dass dabei – übrigens in nahezu
allen Fällen völlig legal[19]
– jedenfalls wenigstens ebenso viele Bodenfunde entdeckt werden, wie in England
und Wales dem PAS alljährlich insgesamt vorgelegt werden dürften, kann als
ebenso selbstverständlich vorausgesetzt werden wie dass die überwältigende
Mehrheit davon auch in Österreich der denkmalrechtlichen Fundmeldepflicht des §
8 Abs. 1 DMSG nicht unterliegt.[20] Von diesen wenigstens knapp an die eine Million,
potentiell sogar über 5 Millionen Bodenfunden pro Jahr – egal wie viele davon
nun überhaupt meldepflichtig sind (siehe Karl 2019c, 147) und wie viele gar keiner
gesetzlichen Meldepflicht unterliegen – werden dem österreichischen
Bundesdenkmalamt mit viel Glück ein paar hundert Stück pro Jahr gemeldet. Der
Rest hingegen geht ungemeldet verloren.
Selbst wenn
das in Deutschland aufgrund der Kooperation wenigstens einiger Denkmalämter mit
wenigstens einem Teil der in ihrem Bundesland tätigen MetallsucherInnen
vielleicht deutlich besser aussieht als in Österreich, das grundlegende Problem
ist wohl auch dort das gleiche. Geht man von einem Mindestwert von derzeit ca.
30.000 in Deutschland aktiven MetallsucherInnen aus (Mitgliederzahl Schatzsucher.de 30/11/2019, 10 Uhr [GMT]: 33.101[21])
und auch 218 Suchstunden pro MetallsucherIn pro Jahr aus, werden 2020 in
Deutschland MetallsucherInnen wenigstens 6,5 Millionen Stunden nach Bodenfunden
suchen. Es werden in Deutschland also 2020 wohl auch wenigstens 6,5 Millionen,
eventuell sogar bis zu 32,5 Millionen Bodenfunde von MetallsucherInnen entdeckt
und aus dem Boden geborgen werden.
Spricht
also Christoph Huth (2013, 134) von einer in den letzten Jahren extrem
geringen Anzahl von Neufunden bronzezeitlicher Horte, dann bedeutet das
keineswegs, dass MetallsucherInnen in Deutschland keine solchen Horte entdeckt
und geborgen haben. Es bedeutet vielmehr, dass viele solche Hortfunde, ob nun
bronzezeitliche oder solche beliebiger anderer Zeitstellung, durchaus entdeckt
und – ob nun sachgemäß oder unsachgemäß – geborgen wurden und schlicht und
einfach bloß nicht gemeldet wurden, egal ob sie nun einer gesetzlichen
Meldepflicht unterlegen haben oder nicht. Trotz stetig steigender Zahlen von in
Deutschland und Österreich aktiven MetallsucherInnen steigt die Anzahl der
Fundmeldungen in diesen Ländern nicht konstant und deutlich an, sondern
stagniert bestenfalls, wenn sie nicht sogar (wenigstens zeitweilig sogar stark)
rückläufig ist.
Vergleich der Auswirkungen
Ist es also
in England und Wales durch die Einführung des Treasure Act 1996 und PAS zu einer gewaltigen Verbesserung des
Fundmeldewesens im Vergleich zum Zeitraum davor gekommen, ist das in
Deutschland und Österreich nicht der Fall. Vielmehr scheint das archäologische
Fundmeldewesen in Deutschland und Österreich etwa auf dem Niveau zu stagnieren,
auf dem es sich auch schon vor etwa 30 Jahren befunden hat.
Das ist
übrigens etwa auch das Niveau an Fundmeldungen, das man vor 30 Jahren in
England und Wales hatte: vor 1997 wurden z.B. durchschnittlich ca. 26 Fälle von
Treasure Trove in England und Wales registriert (PAS 2018, 7) und, auch wenn es keine sicheren Zahlen
dafür gibt, geschätzt zwischen ca. 5.000 und 10.000 sonstige Funde[22]
freiwillig lokalen Museen und anderen archäologischen Einrichtungen gemeldet.
Auf Tabelle 1 zeige ich, wie viele Funde bzw. Einzelfundmeldungen das,
umgerechnet nach Landesfläche, in den 16 deutschen Bundesländern, Deutschland
gesamt und in Österreich wären.
Österreich
hat jedenfalls das englische und walisische Fundmeldeniveau vor 1997 nicht
einmal vor der Novellierung des DMSG 1990 erreicht, geschweige denn, dass es dieses
Niveau seitdem erreicht hat; um von dem seit der Einführung des Treasure Act 1996 und des PAS erst gar nicht zu reden: das
Bundesdenkmalamt muss derzeit schon froh sein, wenn es jährlich 416 Funde von
interessierten Laien qua Fundmeldung vorgelegt bekommt; von 416.579 kann es
nicht einmal träumen. Und dass deutsche Denkmalämter und Museen alljährlich
etwa 1,75 Millionen archäologische Bodenfunde, davon über 90% Metallfunde, von
Laien vorgelegt bekommen würden, davon bemerkt man, wenigstens aus dem Ausland,
auch nicht viel. Ebenso wenig hat man in den letzten ca. 20 Jahren davon gehört
oder bemerkt, dass das Fundmeldeaufkommen durch Laien in Deutschland und
Österreich um einen Faktor von irgendwo zwischen wenigstens 8 und 16, wenn
nicht sogar einen noch viel höheren, angestiegen wäre, und dass heute etwa
40-50 Mal so viele Schatzfunde entdeckt und gemeldet werden wie noch vor etwa
10 Jahren.
Treasure Act
1996 und Portable Antiquities Scheme:
Vorbild oder Katastrophe?
Solange man
Rechtslage und Praxis im Bereich des archäologischen Fundmeldewesens durch
Laien in Deutschland und Österreich nicht hinterfragt; sondern einfach so tut,
als ob alles, was wir ArchäologInnen nicht wollen, ohnehin schon verboten sei;
und dass alles, was nicht sein darf, auch nicht sein kann; und daher der hypothetische
Idealzustand des totalen, hundertprozentig effektiven archäologischen
Denkmalschutzes hier schon erreicht ist; dann ist das englische und walisische
System von Treasure Act 1996 und PAS tatsächlich eine
Katastrophe. Schließlich hat der englische und walisische Gesetzgeber nicht
alles verboten, was wir ArchäologInnen gerne verbieten würden, und daher kann
nicht nur sein, sondern ist auch tatsächlich, was aus unserer Sicht nicht sein
sollte, aber tatsächlich in England und Wales sein darf: Leute dürfen Löcher in
den Boden graben, fast völlig frei wie es ihnen gefällt, und sie müssen auch
die Mehrheit ihrer Funde nicht melden und müssen daher vom Staat durch
Belohnungen und andere archäologiefeindliche Vergünstigungen zu freiwilligen
Fundmeldungen motiviert werden. Und, wie der eingangs besprochene, konkrete
Fall zeigt, trotz aller dieser Belohnungen und Vergünstigungen gibt es trotzdem
immer noch geldgierige Schatzsucher, denen die Hälfte des wahren
wirtschaftlichen Werts des Fundes immer noch nicht genug ist und die daher
lieber ihr Glück am illegalen Antikenmarkt versuchen.
Schaut man
sich hingegen die Realität an, dann stagniert das Fundmeldewesen in Deutschland
und Österreich seit Jahrzehnten etwa auf dem Niveau, das man in England und
Wales bis vor 1997 hatte, obwohl sich hier ebenso wie dort seither die Anzahl
der aktiven MetallsucherInnen wohl wenigstens verdoppelt, wenn nicht sogar (wie
in Österreich) bis zu versechzehnfacht hat und hier wie da tagtäglich
wenigstens tausende (mehrheitlich nicht einmal gesetzlich meldepflichtige)
Bodenfunde entdeckt werden, die dennoch archäologisch interessant sein könnten
und oft auch sind. Während man in Deutschland und Österreich seit Jahrzehnten
selbstgefällig den denkmalpflegerischen Kopf in den archäologischen Sand
gesteckt und nichts dafür getan hat, die daraus resultierenden Probleme
tatsächlich effektiv und nicht nur am Papier und im eigenen
Elfenbeinturm-Traumland zu bekämpfen, wurde in England und Wales zur Bekämpfung
und Reduktion dieses Problems mit dem Treasure Act 1996 und dem PAS eine weitgehend pragmatische
Lösung geschaffen, die zwar nicht perfekt funktioniert, aber um ein Vielfaches
besser als das, was man vor 1997 hatte. Das zeigt sich insbesondere bei den
sowohl wirtschaftlich als auch wissenschaftlich außergewöhnlich wertvollen
Schatzfunden, von denen heute viel mehr gemeldet und auch tatsächlich der Krone
überlassen werden als noch vor 20 Jahren, und zwar nicht nur aufgrund
veränderter Legaldefinitionen des gesetzlichen Schutzbegriffs. Es mag einem
zwar eine solche pragmatische Lösung wie die in England und Wales nicht
besonders gefallen, vor allem, wenn man Findern weder den Finderruhm noch den –
manchmal tatsächlich exorbitant hohen – Finderlohn gönnen will, aber sie
funktioniert im Vergleich mit der Situation sowohl in diesen Ländern als auch
in Deutschland und Österreich unvergleichlich viel besser.
Wie man mit Gesetz und Gerichtsurteilen soziales Verhalten steuert
Damit komme
ich endlich wieder zum Urteil im oben geschilderten Fall zurück und kann mich
der Frage zuwenden, um die es mir eigentlich geht, nämlich der, wie man mit
rechtlichen Regelungen und ihrer Um- bzw. Durchsetzung in der Verwaltungs- und
Rechtssprechungspraxis auf archäologische Denkmale, Bodenfunde und -befunde
bezogenes Sozialverhalten steuert. Der lange Exkurs zum Treasure Act 1996 und dem PAS im Vergleich mit dem deutschen und
österreichischen Lösungsversuch bzw. dem Fehlen eines solchen für dieselben
Probleme hat nämlich dazu gedient, zu zeigen, dass Änderungen der Regelung des
Fundwesens, selbst wenn sie nur relativ gering sind, signifikante, positive
Auswirkungen haben können. Genau dasselbe gilt auch im Bereich der
Gerichtsurteile, dass nämlich geringfügige und scheinbar recht unbedeutende
Änderungen bzw. Unterschiede in der Rechtslage maßgebliche Auswirkungen auf die
Durchsetzbarkeit gesetzlicher Strafbestimmungen und auch die von
Gerichtsurteilen entfaltete Abschreckungs- bzw. eigentlich korrekter die von
ihnen entfaltete Verhaltenssteuerungswirkung haben können.
Zwar
bezwecken Gesetze ganz generell, dass sich die ihnen Unterworfenen – d.h.
normalerweise alle Menschen und deren Handlungen im jeweiligen räumlichen,
zeitlichen und sachlichen Wirkungsbereich eines Gesetzes – an sie halten; ihr
Ziel ist es also letztendlich, dass das Verhalten, das sie verbieten, möglichst
gar nicht vorkommen und gänzlich verhindert werden soll. Dass dieses Ziel der
vollständigen Verhinderung des durch Gesetze verbotenen Verhaltens allerdings
in aller Regel nicht tatsächlich bzw. wenigstens nicht vollständig erreichbar
ist, versteht sich jedoch von selbst. Daher genügt es selbst z.B. in der
verfassungsrechtlichen Eignungsprüfung eines gesetzlichen Eingriffs in ein
verfassungsgesetzlich geschütztes Grund- bzw. Menschenrecht, dass das vom
Gesetzgeber verwendete Mittel das Erreichen des vom Gesetzgeber verfolgten
Zwecks nur tatsächlich fördert, auch wenn dieser Zweck dadurch keineswegs gänzlich
erreicht wird (Berka 1999, 159-60; cf. Pieroth et al. 2015, 72). Dem Staat ist
die Verwendung eines vom Gesetzgeber gewählten Eingriffsmittels nur dann
grundsätzlich verwehrt, wenn dadurch das von ihm angestrebte Ziel „gar nicht wirklich gefördert würde“
(Berka 1999, 159). Man kann daher Gesetze nicht danach beurteilen oder daran
messen, ob sie das von ihnen angestrebte Ziel tatsächlich gänzlich erreichen,
sondern nur daran, wie sehr sie es im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der
Regelung derselben Materie gestatten, die ebenfalls vom Gesetzgeber gewählt
werden könnten, sich dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel anzunähern. Es geht
also bei der Gesetzgebung und Rechtsprechung um eine Steuerung des
Sozialverhaltens in eine bestimmte, eben die erwünschte, Richtung, nicht darum,
das angestrebte Ziel tatsächlich vollständig zu erreichen.
Will man
also die Rechtslage in England und Wales einerseits und Deutschland und
Österreich andererseits miteinander vergleichen, um festzustellen, welche davon
besser und welche schlechter ist (um sich bei Bedarf die bessere Lösung zum
Vorbild zur Veränderung der schlechteren nehmen zu können), muss man
vergleichen, welche Lösung das vom Gesetzgeber erreichte Ziel eher zu erreichen
gestattet und welche vergleichsweise weniger erfolgreich dabei ist. Das macht
es erforderlich, zuerst einmal den von den jeweiligen Gesetzgebern verglichener
Gesetze verfolgten Zweck möglichst exakt zu ermitteln. In einem zweiten Schritt
lässt sich dann ermitteln, ob ein bestimmtes Gesetz das Erreichen des mit ihm
verfolgten Zieles überhaupt und wenn ja, wie stark es das fördert.
Die Ziele der denkmalrechtlichen Fundregelungen
Ziel der
denkmalrechtlichen Fundregelungen in den hier miteinander verglichenen
Denkmalschatzfund- und Denkmalschutzgesetzen ist es dabei jeweils, möglichst
effektiv zu erreichen, dass die in die gesetzliche Auswahlmenge aller als
denkmalrechtlich relevant betrachteten Fundgegenstände fallenden Bodenfunde den
zur deren Entgegennahme zuständigen staatlichen Stellen tatsächlich gemeldet
und – soweit sie einem staatlichen Kulturgutregal unterworfen sind – auch
tatsächlich überantwortet werden (explizit z.B. DCMS 2019, 11; Hofkanzleidekret vom 15. Juni 1846 zitiert in Karl et al. 2017, 108-9). Ebenfalls in allen hier
verglichenen Ländern bezweckt der jeweilige Gesetzgeber zusätzlich dazu durch
denkmalrechtliche Unterschutzstellungsbestimmungen (sei es nun wie in England,
Wales und Österreich generell nach dem konstitutiven oder wie in Deutschland
nach dem deklarativen Prinzip ergänzt um als Grabungsschutzgebiete konstitutiv
geschützte Bodenflächen) Zerstörungen und Veränderungen einer als
denkmalrechtlich relevant betrachteten Auswahlmenge archäologischer Fundstellen
zu verhindern. Darüber hinaus ist in Deutschland und Österreich, aber nicht in
England und Wales, ein weiteres Ziel der denkmalrechtlichen Fundregelungen, die
unsachgemäße Zerstörung der Fundumstände von denkmalrechtlich relevanten
Bodenfunden zu verhindern; in den meisten Fällen bei gleichzeitig bestehender
Verpflichtung für Normunterworfene entdeckte bewegliche Funde zu sichern, d.h.
zu bergen und in sicheren Gewahrsam zu nehmen und auf entsprechende Anordnung
wenigstens zeitlich befristet der örtlich zuständigen Denkmalbehörde zur wissenschaftlichen
Untersuchung zu übergeben. Schließlich bezwecken die Denkmalschutzgesetze in
Deutschland und Österreich auch noch, vorsätzlich (und teilweise auch die
eventualvorsätzlich und sogar bloß fahrlässig) durchgeführte, unsachgemäße
Nachforschungen mit dem Ziel, denkmalrechtlich relevante Bodenfunde zu
entdecken, zu verhindern. Zur Erhöhung der Motivation von Normunterworfenen zur
Beachtung dieser jeweils geltenden gesetzlichen Denkmalfundregelungen sind alle
hier miteinander verglichenen rechtlichen Regelungen von Strafandrohungen
unterschiedlicher Höhe und Art begleitet und um Ausnahmedefinitionen ergänzt.
Zeigt der
oben diskutierte Fall aus Herefordshire, dass der englische und walisische
Gesetzgeber durch seine einschlägige Gesetzgebung die von ihm verfolgten Ziele
nicht gänzlich erreicht; zeigen parallele Fälle, wie z.B. jener der
Himmelsscheibe von Nebra (z.B. Otten 2012, 21-4), von Rülzheim (Karl 2018c) oder vom Förker Laas Riegel (Fuchs
1991; 1992), dass auch die deutschen und der österreichische Gesetzgeber die
von ihnen durch ihre jeweilige einschlägige Gesetzgebung verfolgten Ziele nicht
gänzlich erreichen. Man muss daher beurteilen, inwieweit der jeweilige
Gesetzgeber in den hier verglichenen Ländern sich durch die von ihm erlassenen
gesetzlichen Regelungen dem Erreichen seines jeweiligen Regelungsziels
annähert, um beurteilen zu können, welche der möglichen Regelungen am besten
und welche schlechter funktionieren.
Grundlegendes zum Vergleich der Steuerungswirkung gesetzlicher Fundregelungen
Nachdem
dazu allerdings aus keinem der verglichenen Ländern verlässliche Daten zur
Verfügung stehen, weil meist nicht einmal Zahlen zu bekannt gewordenen Fällen
statistisch erfasst oder veröffentlicht werden und sowieso im Vergleich zu der
gewaltig größeren Dunkelziffer an Fällen, die niemals ruchbar werden,
vernachlässigbar wären, muss man diese Frage auf anderem Wege zu beantworten
versuchen. Dies geschieht am besten dadurch, dass man betrachtet, welche (denkmal-
und strafrechtlichen) Mittel der jeweilige Gesetzgeber benutzt, um Finder zur
Einhaltung der betreffenden gesetzlichen Bestimmungen zu motivieren; und ob es
rechtliche oder sonstige Gründe gibt, die Finder zur Missachtung der am jeweiligen
Fundort geltenden gesetzlichen Regelungen motivieren könnten.
Wichtig ist
dabei besonders, dies aus der Sicht des gewöhnlichen Normunterworfenen zu
betrachten, der in modernen, demokratischen Rechtsstaaten im Sinne der
Aufklärung sein Verhalten selbstständig („ohne
Leitung durch einen anderen“; Kant 1784, 481) so zu gestalten hat, dass er
die geltenden gesetzlichen Regeln auch tatsächlich einhält: er hat schließlich
nicht stets einen (oder gar mehrere) Experten bei sich, den (die) er fragen
kann, was er in den genauen Umständen des Einzelfalls zu tun bzw. zu
unterlassen hat, sondern muss das in der Regel selbst (richtig) beurteilen. Das
setzt selbstverständlich rational handelnde Normunterworfene voraus, woraus
sich auch überhaupt erst die Vorstellung ergibt, dass strafbewehrte gesetzliche
Verbote sowie eventuell auch gesetzlich in Aussicht gestellte Belohnungen für
gesetzeskonformes Verhalten eine verhaltenssteuernde (Abschreckungs- oder
Anziehungs-) Wirkung auf Normunterworfene entfalten.
Es setzt
aber ebenso voraus, dass (wenigstens) der durchschnittliche (wenn nicht sogar
jeder generell rechtsmündige) Normunterworfene dazu imstande sein muss, bei
selbstständiger Lektüre der einschlägigen Gesetzgebung zu verstehen, welches
Verhalten der Gesetzgeber von ihm erreichen will und welches Verhalten der
Gesetzgeber ihm verboten hat; denn kann er das nicht verstehen, kann er auch
nicht selbstständig sein Verhalten derart gestalten, dass es dem Willen des
Gesetzgebers entspricht. Daher entfaltet der unvermeidliche Rechtsirrtum (§ 9 StGB [AT]) bzw. in Deutschland sowohl der
unvermeidbare Tatbestands- als auch der ebensolche Verbotsirrtum (§§ 16 und 17 StGB [DE]) auch schuldbefreiende Wirkung; und
stellt selbst der vermeidbare Rechtsirrtum (gem. § 34 Abs. 1 Z 12 StGB [AT]) bzw. in Deutschland der vermeidbare
Verbotsirrtum (gem. § 17 iVm § 49 StGB [DE]) einen besonderen Strafmilderungsgrund
dar. Umso eher Normunterworfene eine gesetzliche Bestimmung nicht bzw.
missverstehen können, desto milder fällt also auch die allfällig für ihre
Verletzung verhängt werden könnende Strafe aus, bis hin zu deren völligem
Wegfall im Falle der kompletten Unverständlichkeit der Bestimmung.
Besonders
wichtig dafür, dass eine gesetzliche Regelung sich ihrem Ziel – das Verhalten
der Normunterworfenen in eine bestimmte Richtung zu steuern – tatsächlich so
weit als möglich annähern kann, ist daher, dass sie und die für ihre
Missachtung in Aussicht gestellten Strafen und/oder die für ihre Befolgung in
Aussicht gestellten Belohnungen so klar und allgemeinverständlich als irgend
möglich gefasst sind. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann der rational
handelnde Normunterworfene den ihm mutmaßlich aus der Missachtung der
gesetzlichen Regelung entstehenden Schaden und gegebenenfalls auch den ihm aus
ihrer Einhaltung entstehenden Nutzen gegen die ihm aus ihrer Missachtung
voraussichtlich entstehenden Vorteile abwägen und wird sich dann – wenn diese
Kosten-Nutzen-Rechnung zugunsten der Regelbefolgung ausgeht – daher auch
hoffentlich an das gesetzliche Ver- oder Gebot halten.
Die
einfache Formel für diese Kosten-Nutzen-Rechnung ist die folgende:
voraussichtlicher Nutzen der Regelmissachtung (NRM) minus
voraussichtliche Kosten der Regelmissachtung (KRM) minus
voraussichtlicher Nutzen der Regelbefolgung (NRB) plus
voraussichtliche Kosten der Regelbefolgung (KRB).[23]
Ist das Ergebnis der Rechnung X = NRM - KRM - NRB +
KRB größer als Null, wird der Normunterworfene durch sie zur
Missachtung der gesetzlichen Regelung motiviert, ist es kleiner als Null, wird
er zu ihrer Beachtung motiviert.
Nachdem der
dem Normunterworfenen durch die in Aussicht gestellten Strafen mutmaßlich
entstehende Nachteil eine wichtige Variable in dieser vom rational handelnden
Normunterworfenen anzustellenden Kosten-Nutzen-Rechnung ist, sind auch
Strafverfahren für Verstöße gegen die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen
und deren Ausgang von besonderer Relevanz. Muss der Normunterworfene nämlich
davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, für gesetzeswidriges
Verhalten angeklagt, verurteilt und empfindlich bestraft zu werden, muss er auf
der Regelmissachtungskostenseite seiner Kosten-Nutzen-Rechnung einen weit
höheren Wert einsetzen als wenn die Bestrafungswahrscheinlichkeit und allfällig
verhängte Strafen sehr gering oder gar vernachlässigbar sind. Effektiv sind die
Kosten der Regelmissachtung durch dafür gesetzlich angedrohte Strafen mit der
Wahrscheinlichkeit (PS) tatsächlich bestraft zu werden zu
multiplizieren. Dies modifiziert unsere Formel zu X = NRM – (KRM
x PS) - NRB + KRB,
wobei PS jedenfalls kleiner und im Falle des
denkmalrechtlichen Fundwesens sogar sehr viel kleiner als 1 ist.
Umgekehrt
ist auch der dem Normunterworfenen entstehende Vorteil durch Findern in der
Praxis voraussichtlich zuerkannt werdende Belohnungen eine wichtige Variable in
dieser Kosten-Nutzen-Rechnung. Kann der Normunterworfene nämlich davon
ausgehen, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine angemessene
Belohnung dafür erhält, dass er sich gesetzeskonform verhalten hat, ist der ihm
dadurch voraussichtlich entstehende Nutzen selbstverständlich bedeutend höher
als wenn er nicht oder nicht sicher mit einer solchen Belohnung rechnen kann.
Daher ist der aus der Regelbefolgung entstehende Nutzen durch in Aussicht
gestellte Belohnungen mit der Wahrscheinlichkeit (PB) diese tatsächlich zuerkannt zu
bekommen zu multiplizieren. Dies modifiziert unsere Formel zu X = NRM –
(KRM x PS) – (NRB x PB) + KRB,
wobei PB je nach Handhabungspraxis jeden möglichen Wert
zwischen 0 und 1 haben kann.
Schließlich
ist auch gerade im Fall von gesetzlichen Fundregelungen noch zu beachten, wann
diese Regelungen und andere relevante Motivationsfaktoren ihre jeweilige
Motivationswirkung entfalten. Denn in einer Handlungskette von geplantem Suchen
nach über das Finden von bis zum Melden und Überlassen entdeckter
denkmalschutzrelevanter Bodenfunde an dafür zuständige staatliche Einrichtungen
kann sich das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Rechnung des Normunterworfenen je
nachdem, wo gesetzliche und sonstige Motivationsfaktoren greifen, maßgeblich
verändern. Am deutlichsten zeigt sich dies am Zeitpunkt der Entdeckung eines
denkmalschutzrelevanten Bodenfundes: sind aufgrund ihrer geringen
Eintrittswahrscheinlichkeit bis zur tatsächlichen Entdeckung eines solchen
Bodenfundes in der Kosten-Nutzen-Rechnung des Normunterworfenen sowohl die
angedrohten Strafen für die Missachtung einer gesetzlichen Melde- und
Überlassungspflicht als auch die für deren Beachtung in Aussicht gestellten
Belohnungen sehr niedrig zu bewerten, sind sie ab dem Zeitpunkt der Entdeckung
eines solchen Bodenfundes vergleichsweise hoch zu bewerten. Auch das lässt sich
leicht in unsere mathematische Formel integrieren, denn in der
Kosten-Nutzen-Rechnung sind sowohl die Kosten der Missachtung als auch der
Nutzen der Beachtung jeweils mit der Eintrittswahrscheinlichkeit des
Fundereignisses (PE) zu multiplizieren. Nachdem nun aber PE bis zum
Eintritt des Fundereignisses jedenfalls (deutlich) geringer als, ab Eintritt
des Fundereignisses jedoch exakt 1 ist, ist klar, dass sich mit Eintritt des
Fundereignisses die Wirkung der den Normunterworfenen zur Regelbefolgung
motivierenden Variablen in der Kosten-Nutzen-Rechnung vervielfacht.
Wir
gelangen somit bei der Formel X = NRM - (KRM x PS x PE) - (NRB
x PB x PE) + KRB an, aus der sich die
Steuerungswirkung der Regelung des denkmalrechtlichen Fundwesens ergibt.
Vergleich der Steuerungswirkung der verschiedenen Fundregelungssysteme
Wir können
somit zum Vergleich der verschiedenen Systeme in England und Wales einerseits
und Deutschland und Österreich andererseits voranschreiten, indem wir die
jeweiligen Regeln in den verschiedenen Ländern betrachten und bestimmen, wie
sich diese auf die Werte der verschiedenen in dieser Kosten-Nutzen-Rechnung
einzusetzenden Variablen auswirken (dürften).
Die Steuerungswirkung der Fundregelung in England und Wales
Wie bereits
oben genauer ausgeführt, ist die denkmalrechtliche Fundregelung in England und
Wales durch den Treasure Act 1996 sehr klar und allgemeinverständlich
formuliert, insbesondere, was die gesetzlichen Kriterien zur Bestimmung zur
denkmalrechtlich relevanten Auswahlmenge betrifft. Denkmalrechtlich relevante
Bodenfunde sind alle wenigstens 300 Jahre alten mit wenigstens 10%
Edelmetallgehalt, wenigstens 300 Jahre alten 10 oder mehr miteinander
vergesellschaftet aufgefundenen Münzen, urgeschichtlichen Einzelfunde mit
Edelmetallanteil, mit einem zweiten vergesellschafteten aufgefundenen,
urgeschichtlichen Metallfunde und alle mit den zuvor genannten
vergesellschaftet aufgefundenen sonstigen Bodenfunde.
Ob ein
Fundgegenstand in die denkmalrechtlich relevante Auswahlmenge fällt, ist also
für jeden Durchschnittsbürger in nahezu allen Fällen leicht und objektiv
feststellbar. Einzig in Hinblick auf die Datierungsfrage – insbesondere ob ein
Fund aus der Urgeschichte oder späterer Zeit stammt bzw. wenn jünger wenigstens
300 Jahre alt ist – kann es Unsicherheiten für den durchschnittlichen
Normunterworfenen geben. Diese sind jedoch insofern kein Problem, weil den
Finder selbst die gesetzliche Fundmelde- und -überlassungspflicht überhaupt
erst von dem Zeitpunkt an trifft, als er erkennt, dass sein Fund ein Schatzfund
im Sinne des Treasure Act 1996 ist bzw. sein könnte. Ein Finder, der sich im
Zweifel befindet, kann sich also zuerst ohne Schwierigkeiten befürchten zu müssen
binnen 14 Tagen an einen Finds Liaison
Officer des PAS oder sonstigen professionellen Archäologen wenden und von
diesem eine Beurteilung des Fundes erbitten; und seinen Fund gegebenenfalls dem
Coroner erst melden und wenigstens
zeitweilig überlassen, wenn diese Beurteilung durch einen Fachmann ergeben hat,
dass der Fund vermutlich ein Schatzfund iSd Treasure Act 1996 ist.
Wird der
Bodenfund als Schatzfund im Sinne des Treasure Act 1996 beurteilt, ob nun vom PAS oder direkt vom Coroner, und in der Folge dem
Staatsvermögen einverleibt, kann der Finder mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit damit rechnen, als Belohnung für sein regelkonformes
Verhalten mit einer Zahlung in Höhe der Hälfte des wahren wirtschaftlichen
Werts seines Fundes – die abhängig vom Marktwert des Fundes auch in die
Millionen gehen kann – und sogar – falls es ein spektakulärer bzw. wertvoller Fund
ist – mit positiver Presse und allgemeiner öffentlicher Anerkennung rechnen.
Wird der Fund hingegen nicht als Schatzfund beurteilt, wird er in der Regel
selbst zu dessen rechtmäßigen Eigentümer und darf fürderhin mit diesem tun, was
auch immer er will.
Eine
Bestrafung für einen Verstoß gegen die Melde- und Überlassungspflicht des Treasure Act 1996 hat der Finder nur zu befürchten, wenn er
seinen Fund wissentlich verheimlicht oder einem Dritten als Eigentum überlässt;
wobei dieser Dritte seinerseits dazu verpflichtet ist, die Rechtmäßigkeit des
Eigentumserwerbs sicherzustellen. Rechtssicherheit ist dabei für sowohl den
Finder als auch einen allfällig den Fund von diesem erwerben wollen Dritten
sehr leicht und unkompliziert dadurch zu erreichen, dass der Fund dem PAS unter
Angabe des Fundorts und erforderlichenfalls Vorlage der
Grundeigentümergenehmigung zur Beurteilung vorgelegt (und gegebenenfalls von
diesem in dessen Datenbank eingepflegt) wird.
Die
Wahrscheinlichkeit, dass die Verheimlichung seines Fundes ruchbar wird, ist
zwar ebenso verschwindend gering wie anderswo auch, die dafür angedrohte
Strafe, insbesondere für den Weiterverkauf des Fundes jedoch sehr schwer. Wird
die Verheimlichung bzw. der Weiterverkauf ruchbar, ist die Verurteilung und
Bestrafung – gewöhnlich für Diebstahl, also eine mit Haftstrafe bedrohte
Straftat (Oxford Archaeology 2009, 49-50) – dafür aber so gut wie
gewiss, denn den Finder trifft schließlich selbst die Pflicht, sicherzustellen,
dass der von ihm entdeckte Fund dessen rechtmäßigem Eigentümer überantwortet
wird; und er hätte auch – dank der klaren Rechtslage und einfachen
Verfügbarkeit der Hilfestellung durch das PAS – jederzeit leicht die
Möglichkeit gehabt, den rechtmäßigen Eigentümer des Fundes zu eruieren.
Relevant
ist schließlich auch noch, dass alle Fundregelungen in England und Wales immer
erst frühestens zum Zeitpunkt der Entdeckung eines Fundes bzw. konstitutiven
Designierung einer Fundstelle als geschütztes Denkmal zu wirken beginnen. Die
Eintrittswahrscheinlichkeit eines relevanten Fundereignisses ist also zum
Zeitpunkt, an dem die Fundregelung zu wirken beginnt, bereits mit Sicherheit
bzw. vorhersehbarerweise 1.
Für unsere
Formel bedeutet das, dass wir an der ersten Stelle für NRM einen
niedrigen Wert (z.B. 0,1) einsetzen können, denn die Regelmissachtung hat für
den Finder nur dann einen Vorteil, wenn er rechtswidrigerweise ohne die dafür
erforderliche Genehmigung auf einer konstitutiv geschützten Bodenfläche gesucht
und seinen Fund entdeckt hat. Nachdem aber in England und Wales nur ein sehr
geringer Teil der Landesfläche (von jedenfalls deutlich weniger als 1%) und von
den geschätzt ca. 1,2 Millionen bekannten archäologischen Fundstellen gerade
einmal etwa 21.500 (als scheduled ancient
monuments) unter Denkmalschutz stehen (Schofield et al. 2011, 92), besteht
wenig Bedarf für interessierte Laien, die nur irgendwelche Bodenfunde finden
und nicht (z.B. in der Hoffnung auf geschützten Bodenflächen besonders
wertvolle Schätze finden zu können) vorsätzlich das geltende Denkmalschutzrecht
brechen wollen, auf als Denkmale geschützten Bodenflächen zu suchen.
Tatsächlich ist die Anzahl der registrierten Schadensfälle durch ungenehmigte
Schatzsuchen auf geschützten Denkmalflächen in England und Wales auch recht
gering und die Tendenz ihres Vorkommens rückläufig: nachdem im Zeitraum von
1988-1994 Schäden durch Schatzsuchen auf 188, von 1995-2007 ebensolche Schäden
nur auf 88 geschützten Bodenflächen registriert wurden (Oxford Archaeology 2009, 15, 36, 89), ein Rückgang um ca.
zwei Drittel.
An der
zweiten Stelle ist für KRM eine Haftstrafe bis zu 14 Jahren, für PS die sehr
geringe Wahrscheinlichkeit des Ruchbarwerdens (wohl jedenfalls kleiner als in 1
von 10.000 Fällen = 0,0001) einer Regelmissachtung und für PE 1
einzusetzen ist. Die vorhersehbaren Kosten einer Regelmissachtung sind also
generell gering, auch wenn die Abschreckungswirkung der zu erwartenden Strafe
selbst im Fall, dass der Täter erwischt wird, durchaus hoch ist.
An der
dritten Stelle unserer Formel ist hingegen für NRB eine dem Wert des
Fundes angemessene finanzielle und zusätzlich wenigstens in
aufsehenerregenderen Fällen auch eine soziale Belohnung durch positive
Medienberichterstattung einzusetzen (> 0 bis = 1), für die
Wahrscheinlichkeit PB, diese Belohnung tatsächlich zu erhalten, 1
und für PE ebenfalls 1 einzusetzen. Umso wirtschaftlich
wertvoller der Fund ist, desto höher ist also auch die Motivation für seinen
Finder, diesen zu melden und dem Staat zu überlassen. Dies ist umso mehr der
Fall, als die Wahrscheinlichkeit, dass der Finder am Schwarzmarkt einen auch
nur annähernd der zu erwartenden Belohnung durch den Staat entsprechenden
Betrag für seinen Fund bezahlt bekommen wird, aufgrund des mit dem Verkauf höherwertiger
Gegenstände verbundenen, deutlich erhöhten finanziellen und rechtlichen Risikos
für Hehler und des weit kleineren Absatzmarktes für höherwertige Gegenstände
umso geringer wird, desto höherwertig der Fund tatsächlich ist.
An der
letzten Stelle ist für KRB schließlich ebenfalls ein nur kleiner
Wert einzusetzen, denn es ist zwar Voraussetzung für eine legale Suche, dass
der Finder die Einwilligung des Grundeigentümers (und, wenn er auf einem
geschützten Denkmal suchen will, auch der örtlich zuständigen Denkmalbehörde)
eingeholt hat und er muss seinen Schatzfund an den Coroner melden und diesem wenigstens zeitweilig überlassen. Es sind
dafür aber (außer für eine Suchgenehmigung auf geschützten Denkmalen, die in
der Regel nicht erteilt wird) keine besonderen Formvorschriften einzuhalten und
bei der Meldung an den Coroner hilft
das PAS dem Finder, wenn er das möchte. Der Aufwand für den Finder ist also in
der Regel gering.
Für England
und Wales ergibt sich daraus also die folgende Kosten-Nutzen-Rechnung: NRM
= 0 (KRM x PS x PE) ≈ 0, (NRB x PB x PE) ist ein
positiver Wert, der umso höher ist, desto höher der wirtschaftliche Wert des
Fundes ist (> 0 bis = 1), und KRB ≈ 0.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis dieser Kosten-Nutzen-Rechnung
aufgrund des Werts der Belohnung für die korrekte Erstattung der Fundmeldung
und erforderlichenfalls Überlassung des Fundes an den Staat (> 0 bis = 1)
zugunsten der Regelbefolgung ausgeht, ist daher sehr hoch: schließlich kann das
Ergebnis dieser Rechnung so gut wie nie größer als 0 werden und fast bis zu – 1
erreichen. Finder werden also durch das englische und walisische Fundsystem so
gut wie immer zur Einhaltung der Fundmelde- und ‑überlassungsregeln motiviert,
und zwar umso stärker, desto wirtschaftlich wertvoller ihr Fund ist, während
sie so gut wie nie durch das System zur Missachtung der geltenden Regeln
motiviert werden.
Die Steuerungswirkung der Fundregelung in Deutschland und Österreich
In
Deutschland und Österreich ist die Lage deutlich komplizierter, insbesondere
deshalb, weil die deutschen und das österreichische Denkmalschutzgesetze ja –
wenigstens entsprechend ihrer Auslegung durch die meisten Denkmalbehörden – die
Beantragung einer NFG vor Beginn der Suche nach (wenigstens denkmalrechtlich
relevanten, wenn nicht sogar allen) Bodenfunden vorsehen und sich daher die
Motivationslage für Sucher und Finder von Bodenfunden im Moment der Entdeckung
maßgeblich ändert. Es sind hier also zwei verschiedene Werte für die
Steuerungswirkung der (gesetzlichen) Fundregelungen zu bestimmen, eine vor und
eine nach der erfolgten Entdeckung eines (denkmalrechtlich relevanten)
Gegenstandes.
Denkmalrechtlich
relevante und daher auch gesetzliche NFG-, Melde-, Unverändertbelassungs- und
(zeitlich befristete oder dauerhafte) Überlassungspflichten überhaupt erst
auslösende Bodenfunde sind in Deutschland und Österreich regelhaft solche,
denen ausreichende (geschichtliche, wissenschaftliche, künstlerische etc.)
Bedeutung zukommt. Dabei ist die Frage, ob einem Gegenstand derartige Bedeutung
zukommt, gewöhnlich durch einen Sachverständigenbeweis oder wenigstens der in
der wissenschaftlichen Fachwelt vorherrschenden Beurteilung der betreffenden
Sache zu beurteilen. Der Durchschnittsbürger, der ex ante wissen und ex post
beurteilen soll, ob er sich an die denkmalrechtlichen Fundregelungen halten
muss oder nicht, kann diese Beurteilung ob des ihm notwendigerweise per
Definition fehlenden besonderen Sachverstandes, der für ihre Vornahme
erforderlich ist, also überhaupt nicht rechtlich verlässlich vornehmen (Karl 2018a) und sie ihm daher auch gar nicht
zugemutet werden.
Ob ein
Fundgegenstand in die denkmalrechtlich relevante Auswahlmenge fällt, ist also
für den Durchschnittsbürger gar nicht feststellbar, sondern er kann bestenfalls
raten. Auf einschlägige Nachfragen erteilen Denkmalämter daher – wie z.B. das
österreichische Bundesdenkmalamt – gerne auch einmal die Auskunft, dass der
Bürger, wenn er Rechtssicherheit gewinnen will, einfach alle seine Bodenfunde
melden soll (BDA 13.3.2012, GZ 841/12/2012) und implizieren damit (oder sagen
sogar explizit) dass die gezielte Suche nach archäologischen Funden oder gar allen
Bodenfunden ohne Genehmigung durch das Denkmalamt generell strafbewehrt
verboten sei (so z.B. LfD-BW 2019). Das hilft zwar den durchschnittlichen
Normunterworfenen nicht wirklich dabei, sich korrekt ans tatsächlich geltende
Gesetz halten oder auch nur richtig bestimmen zu können, wo sie nach welchen
Bodenfunden suchen dürfen und was gegebenenfalls einem staatlichen Schatzregal
unterliegende oder mit dem Grundeigentümer zu teilende Schatzfunde sind; aber
dafür wenigstens den Denkmalämtern dabei, sich selbst einzureden, dass man
mittels (in dieser Form gar nicht bestehender) gesetzlicher Verbote das
„Raubgräberproblem“ erfolgreich einzudämmen kann (so z.B. BDA zitiert in
Szemethy 2004, 160; cf. Abbildung 2). Rein sicherheitshalber, um ja
keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, stellen manche darüber hinaus auch
noch gleich fest, dass Metallsuchern NFGs in der Regel nicht erteilt werden
können (so z.B. LfD-BW 2019) oder berufen sich sogar – wie das österreichische
BDA – darauf, dass das örtlich geltende DMSG gem. § 11 Abs. 1 die Erteilung von NFGs
ausschließlich nur an graduierte ArchäologInnen gestattet. Konkrete
Hilfestellung bzw. Anleitung durch die Denkmalbehörden oder andere
archäologische Einrichtungen erhalten in erster Linie Personen, die eine NFG
beantragt und/oder ausgestellt bekommen, in zweiter Linie solche, die Funde
tatsächlich rein zufällig entdeckt und sich interessehalber oder pflichtbewusst
fachliche Hilfe gesucht haben.
Wird ein
zufällig doch rechtlich korrekt einer zuständigen Behörde gemeldeter Bodenfund
als Schatzfund im Sinne eines örtlich überall außer in Bayern und Österreich
geltenden staatlichen Schatzregals beurteilt und in der Folge dem
Staatsvermögen einverleibt, kann der Finder dennoch keineswegs unbedingt mit
einem Finderlohn rechnen, sondern ob ein solcher ausbezahlt wird steht zumeist
im Ermessen der Behörde. Wenn er doch einen bekommt, so ist dieser manchmal
eher eine ideelle denn finanzielle Belohnung (z.B. ein archäologisches Fachbuch,
etc.) oder ein geringer finanzieller Betrag, der oft nicht einmal dem gesetzlichen
Finderlohn von 5% (bzw. 3%) des finanziellen Werts des Fundes bis zu € 500
(über € 500) gem. § 971 BGB entspricht und sich gemäß manchen DSchG
inzwischen am wissenschaftlichen Wert des Fundes orientieren soll (z.B. § 17
Abs. 2 DSchG-NRW). Klare Kriterien, wie die Höhe der
dem wissenschaftlichen Wert des Fundes angemessenen Belohnung zu bestimmen ist,
scheinen allerdings weitgehend zu fehlen oder wenigstens nicht bekannt gemacht
zu werden, was nicht unbedingt der Behördentransparenz und dem Vertrauen des
Durchschnittsfinders in die Fairness der Belohnung förderlich zu sein scheint.[24]
Sucht der
Finder zu wirtschaftlichen Profitzwecken oder wird infolge der unerwarteten
Entdeckung eines finanziell sehr wertvollen Schatzfundes von der Gier
übermannt, übersteigt praktisch regelhaft der von ihm erwartungsgemäß am
Schwarzmarkt zu erzielende Profit aus dem illegalen Verkauf des Fundes die bei
seiner ordnungsgemäßen Meldung und Überlassung qua Schatzregal an die
zuständige staatliche Behörde zu erwartende Belohnung deutlich; zumeist umso
deutlicher, desto höher der wirtschaftliche Wert des Fundes ist. Wenigstens können
Finder, die sich tatsächlich korrekt an alle tatsächlich rechtlich und/oder
nach Ansicht der örtlich zuständigen Denkmalbehörde einzuhaltenden Pflichten
gehalten haben, mit positiver Presse und öffentlicher Anerkennung rechnen; auch
wenn Anfeindungen aus der archäologischen Fachwelt und dieser nahestehenden
interessierten Laien auch in solchen Fällen (und sei es nur in Kommentaren
unter den Berichten in Onlinemedien) nahezu regelhaft zu erwarten sind.
Eine
Bestrafung hat der Suchende bzw. Findende hingegen nahezu immer zu befürchten,
sei es für einen Verstoß gegen die NFG-Pflicht (samt daran angeschlossenen
Auflagen, ein Verstoß ist also durchaus auch dann möglich, wenn man eine NFG
erteilt bekommen hat), die Unverändertbelassungspflicht des Fundes und der
Fundumstände, und natürlich auch gegen die Melde- und Überlassungspflichten.
Ein solcher Verstoß kann nicht nur bestraft werden, wenn der Suchende bzw.
Findende vorsätzlich (also willentlich und wissentlich schuldhaft), sondern
auch wenn er eine dieser gesetzlichen Pflichten nur eventualvorsätzlich,
fahrlässig, oder – wenigstens in der Handhabungspraxis – sogar bloß irrtümlich
verletzt hat. Sicherheit, dass er nicht bestraft werden kann, kann der Finder
überhaupt nur dann erlangen, wenn er den Fund im Rahmen von auflagenkonformen
Nachforschungen mit gültiger NFG (egal ob diese streng rechtlich gesehen
erforderlich war oder nicht) oder nachweislich rein zufällig entdeckt und
diesen unmittelbar gemeldet und unverändert im Boden belassen oder geborgen
oder unmittelbar bzw. im Rahmen der NFG-Auflagen einer geeigneten
archäologischen Einrichtung oder der Polizei übergeben hat.
Die
Wahrscheinlichkeit, dass die Verheimlichung seiner (allfällig unternommenen)
Nachforschungen und/oder seines Fundes ruchbar wird, ist ebenso verschwindend
gering wie die, in England und Wales bei einer Missachtung der Bestimmungen des
Treasure Act 1996 erwischt zu werden. Die für die
überwiegende Mehrheit aller Verstöße gegen die Fundregelung angedrohten
Ordnungswidrigkeits- bzw. Verwaltungsstrafen variieren von Land zu Land
deutlich in Hinblick auf die im Gesetzestext genannte Maximalstrafe, die
allerdings bis zu einer halben Million € gehen kann; die Höhe der tatsächlich
verhängten Strafen bewegt sich jedoch gewöhnlich im Bereich von bis € 1.000,
seltener in Höhe von ein paar tausend Euro. Wird ein denkmalrechtliches
Vergehen als Straftat bestraft, was allerdings ausschließlich in
Schleswig-Holstein gem. § 12 Abs. 1 DSchG-SH für Genehmigungspflichtverletzungen der Fall
sein kann, ist dies mit bis zu zwei Jahren Haft bedroht; einen Fall, in dem
tatsächlich dafür eine Haftstrafe verhängt wurde, konnte ich jedoch nicht
finden. Nur die Unterschlagung von Funden ist gem. § 246 Abs. 1 StGB [DE] mit bis zu 3 bzw. gem. § 134 StGB [AT] bis zu 5 Jahren Haft bedroht; wobei
Haftstrafen aber überhaupt nur in den außergewöhnlichsten Fällen (wie z.B.
Nebra; Otten 2012, 23; Förker Laas Riegel; Fuchs 1992) verhängt werden, bislang
in keinem Fall zwei Jahre (Fuchs 1992) überstiegen haben und jeweils bedingt
ausgesetzt, wenn nicht sogar (gerade in öffentlich breitgetretenen Fällen wie
dem von Rülzheim; Karl 2018c) im Instanzenzug wieder aufgehoben
wurden. Hat ein Finder seinen Fund tatsächlich zu verheimlichen versucht, ihn
letztendlich dann aber doch, wenn auch deutlich verspätet, gemeldet und
abgeliefert, schützt ihn das nicht vor Strafverfolgung und Bestrafung, sondern
stellt bestenfalls einen Strafmilderungsgrund dar.
Vor der Entdeckung eines denkmalrechtlich relevanten Fundes
Für unsere Berechnung
der verhaltenssteuernden Wirkung der Fundregelungen in Deutschland und
Österreich bedeutet das, dass wir für den Zeitraum vor der Entdeckung eines
konkreten Fundes in unsere Formel für NRM einen zu England und Wales
vergleichsweise hohen Wert (z.B. 1 statt 0.1) einsetzen müssen, denn der, der
Bodenfunde suchen will, erspart sich damit Recherchen in eventuell nicht einmal
öffentlich einsehbaren Denkmallisten sowie ein behördliches
Genehmigungsverfahren und die Beachtung allfällig erteilter Auflagen und mit
der NFG verbundenen, starken (z.B. räumlichen) Einschränkungen, sondern kann
einfach tun und lassen, was er will, wo er will, und wie er will. Solange der
die Suche nach Bodenfunden Planende seine geplanten Nachforschungen wenigstens
vor der örtlich zuständigen Denkmalbehörde verheimlicht, vermeidet er darüber
hinaus, diese auf sich und sein Handeln aufmerksam zu machen und sich damit der
Gefahr des tatsächlichen Verbots seiner geplanten Handlungen durch – in Österreich
wenn er keinen einschlägigen archäologischen Studienabschluss hat sogar sicheren
– Abweisung seines Genehmigungsantrags ebenso wie danach weitaus
wahrscheinlicherer Kontrollversuche seines Handelns durch diese auszusetzen.
An der
zweiten Stelle ist für KRM eine Ordnungswidrigkeits- bzw.
Verwaltungsstrafe von eventuell bis zu € 500.000, in der Regel aber nicht viel
mehr als € 1.000 bzw. in SH eine – allerdings bisher scheinbar niemals
verhängte – Haftstrafe von bis zu 2 Jahren, für PS die sehr geringe Wahrscheinlichkeit
des Ruchbarwerdens (wohl jedenfalls kleiner als in 1 von 10.000 Fällen =
0,0001) einer Regelmissachtung und für PE die ebenfalls sehr geringe
Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Entdeckung eines denkmalrechtlich
relevanten Gegenstandes (überall jedenfalls kleiner als 1 von 10, fast überall
kleiner als 1 von 100 und zumeist kleiner als 1 von 1000 Fundgegenständen =
0,001 bis 0,1) einzusetzen ist. Die vorhersehbaren Kosten einer
Regelmissachtung sind also generell verschwindend gering, die
Abschreckungswirkung der zu erwartenden Strafe selbst im Fall, dass der Täter
erwischt wird, relativ gering; KRM somit vernachlässigbar.
An der
dritten Stelle unserer Formel ist hingegen für NRB eine zumeist nur
sehr geringe oder sogar gar keine finanzielle und eventuell eine soziale
Belohnung durch positive Presse und allgemeine soziale Anerkennung, für die
Wahrscheinlichkeit PB, diese Belohnung tatsächlich zu erhalten, ein
vergleichsweise zu England und Wales eher geringer Wert (z.B. 0,1 statt 1) und
für PE ebenfalls zwischen 0,001 und 0,1 einzusetzen.
NRB ist daher ebenfalls weitgehend bis völlig vernachlässigbar.
An der
letzten Stelle ist für KRB schließlich für Deutschland ein im
Vergleich mit England und Wales deutlich höherer, wenn auch nicht übermäßig
hoher Wert (z.B. 0,2 statt ≈ 0) einzusetzen, denn der eine Suche
nach Bodenfunden Planende bedarf neben der Einwilligung des Grundeigentümers nahezu
überall aufgrund der Handhabungspraxis der örtlich zuständigen Denkmalbehörde
einer NFG. Das bedarf eines gewissen Aufwands, den der Betroffene investieren
muss, wozu z.B. ein mehrere Tage dauernder NFG-Kurs sowie ein persönliches
Vorsprechen bei der Denkmalbehörde und die Verfassung eines (nicht immer
gänzlich unkomplizierten) Antrags gehören kann. Dazuzurechnen ist hier
eventuell auch, dass NFG-Kurse nur selten angeboten werden und daher aufgrund
langer Wartezeiten auf einen Kursplatz der Betroffene mehrere Jahre darauf
warten muss, bis er überhaupt eine Chance hat, zum Zug zu kommen. In Österreich
ist hingegen für KRB ein vergleichsweise sehr hoher Wert (z.B. von 1
statt 0,2 für Deutschland und ≈ 0 für England und Wales)
einzusetzen, weil die Erteilung einer NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG schließlich den erfolgreichen Abschluss eines
einschlägigen archäologischen Universitätsstudiums (Mindestdauer: 3 Jahre)
voraussetzt.
Daraus
ergibt für Deutschland die vor Entdeckung eines Fundes angestellte
Kosten-Nutzen-Rechnung durch den Normunterworfenen (NRM = 1) – ((KRM
x PS x PE) ≈ 0) – ((NRB x PB x PE) ≤ 0,01) + (KRB ≈ 0,2) ≥ 1,19, d.h. einen
deutlich über Null liegenden Wert. Die bestehenden Regelungen motivieren also
Normunterworfene derzeit stark dazu, die NFG-Regelungen zu missachten statt
sich an diese zu halten.
Für
Österreich ergibt die vor Entdeckung eines Fundes angestellte
Kosten-Nutzen-Rechnung durch den Normunterworfenen (NRM = 1) – ((KRM
x PS x PE) ≈ 0) – ((NRB x PB x PE) ≤ 0,01) + (KRB = 1) ≥ 1,99, d.h. einen noch weit
deutlicher über Null liegenden Wert als in Deutschland. Bei der hier gewählten
Rechnungsart, die jeder der 4 relevanten Variablen in der Rechnung einen
Maximalwert von jeweils 1 zuweist, ist das sogar nahezu der höchstmögliche zu
erreichende Wert, d.h. der diese Kosten-Nutzen-Rechnung anstellende
Normunterworfene wird beinahe maximal zur Regelmissachtung motiviert. Diese
Steuerungswirkung zeigt sich auch in der Realität: Anträge auf Genehmigungen
gem. § 11 Abs. 1 DMSG werden meines Wissens tatsächlich nahezu
ausschließlich von Personen gestellt, die einen (wenigstens möglicherweise)
einschlägigen Universitätsstudienabschluss vorweisen können; und davon, dass
irgendjemand jemals eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 8 DMSG (für den Einsatz von Bodensuchgeräten auf
konstitutiv geschützten Denkmalen zu beliebigen Zwecken) beantragt bzw. erteilt
bekommen hätte, habe wenigstens ich noch niemals gehört.
Nach der Entdeckung eines
denkmalrechtlich relevanten Fundes mit NFG
Wie bereits
erwähnt, ändern sich die Variablen in der von Normunterworfenen anzustellenden
Kosten-Nutzen-Rechnung mit der Entdeckung eines denkmalrechtlich relevanten
Fundes signifikant, schon allein, weil die Wahrscheinlichkeit seiner Entdeckung
PE von irgendwo zwischen 0,001 und 0,1 auf 1
ansteigt. In Deutschland, wo auch dem Durchschnittsbürger eine NFG erteilt
werden kann, hat darüber hinaus aber auch die Tatsache, ob der Finder mit oder
ohne NFG gesucht hat, einen signifikanten Einfluss darauf, welche Werte für die
Variablen in dieser Rechnung einzusetzen sind.
Hat der
Finder den Fund während einer mit gültiger NFG durchgeführten Nachforschung
entdeckt, können wir für NRM einen relativ niedrigen, aber dennoch etwas
höheren Wert (von z.B. 0,2 statt 0,1) als in England und Wales einsetzen, denn
die Missachtung der Fundmelde- und -überlassungsregeln hat für den NFG-Inhaber
schließlich nur dann einen Vorteil, wenn er sich entweder bei seiner
Nachforschung nicht an die mit der NFG verbundenen Einschränkungen und Auflagen
gehalten oder einen tatsächlich finanziell recht wertvollen Fund (mit einem
Geldwert von wenigstens € 1.000) gemacht hat, der unter ein staatliches
Schatzregal fallen bzw. den er mit dem Grundeigentümer teilen müssen würde.
Wenigstens solange die ihm erteilte NFG seine Nachforschungen nicht auf ein
sehr kleines und/oder nahezu keine auch nur einigermaßen interessanten
Bodenfunde erbringendes Gebiet beschränkt, sollte der Nutzen, den er aus der
Missachtung der mit seiner NFG verbundenen Einschränkungen und Auflagen ziehen
kann, eigentlich recht gering sein. Der Nutzen, den er aus der Unterschlagung
eines von ihm entdeckten, finanziell wertvollen Fundes ziehen kann, mag
hingegen im konkreten Einzelfall durchaus bedeutend sein, aber nachdem wirklich
wertvolle Funde nur sehr selten entdeckt werden, schlägt dies auch nicht
besonders hoch zu Buche, wenn auch höher als in England und Wales, wo die
Unterschlagung eines wertvollen Fundes dessen Finder in der Regel aufgrund der
Höhe der ihm zustehenden Belohnung nie wirklichen Nutzen bringt.
Der für KRM
einzusetzende Wert ändert sich zwar wenigstens um eine, wenn nicht sogar um bis
zu mehr als 3 Zehnerpotenzen, weil für PE nun 1 statt wie vor der Entdeckung
des denkmalrechtlich relevanten Fundes ein Wert zwischen 0,001 und 0,1
einzusetzen ist. Auch steigt die Abschreckungswirkung der zu erwartenden Strafe
im Fall, dass der Täter erwischt wird, wenigstens wenn er einen sehr
hochwertigen Fund unterschlägt und daher wirklich mit Strafverfolgung für
Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1 StGB [DE] rechnen muss. Diese Änderungen bleiben
aber insgesamt insignifikant, weil für PS weiterhin die sehr geringe
Wahrscheinlichkeit des Ruchbarwerdens (von ≤ 0,0001) einer
Verheimlichung und Unterschlagung des Fundes einzusetzen ist. KRM
bleibt somit vernachlässigbar bei ≈ 0.
Auch der
für NRB einzusetzende Wert ändert sich, sogar signifikant. Zwar kann
der Finder auch unter diesen Umständen zumeist nur mit einer sehr geringen oder
sogar gar keiner finanziellen Belohnung, aber wenigstens einigermaßen sicher
mit einer sozialen Belohnung durch Anerkennung seiner Fundmeldung durch das
örtlich zuständige Denkmalamt und eventuell sogar positive Presse und
Anerkennung durch die breitere Öffentlichkeit rechnen, weshalb für PB ein
relativ hoher Wert (z.B. von 0,5) einzusetzen ist. Nachdem Personen, die sich
die Mühe antun, eine NFG zu beantragen, zumeist auch nicht primär an einer
finanziellen Belohnung interessiert sind (auch wenn sich viele darüber
zweifellos freuen würden), sondern eher zur Erforschung der Geschichte
beitragen und/oder die archäologische Fachwelt unterstützen wollen, ist der
Wert der durch die Regelbefolgung wahrscheinlich erreicht werdenden sozialen Anerkennung
durch wenigstens die zuständige Denkmalbehörde und eventuell auch weitere
Kreise (z.B. in der Wohngemeinde des Finders) für solche Finder zumeist auch
hoch (≈ 1). Schließlich ist, nachdem tatsächlich ein denkmalrechtlich
relevanter Fund entdeckt wurde, für PE 1 einzusetzen. NRB hat damit für
unsere Rechnung einen Wert von ≈ 0,5.
Schließlich
ändert sich auch noch KRB auf die England und Wales entsprechenden ≈ 0. Zwar wird in Deutschland im Unterschied zu England und Wales
NFG-InhaberInnen gewöhnlich die Aufzeichnung bestimmter Daten über von ihnen
entdeckte Bodenfunde durch der NFG angeschlossene Auflagen bzw. allgemeine
Richtlinien verpflichtend vorgeschrieben und es sind von ihnen wenigstens in
manchen Bundesländern auch gewisse Formvorschriften für Fundmeldungen
einzuhalten, wenigstens soweit ich das anhand mir bekannter Beispiele dafür
nachvollziehen kann, ist der dem Finder dadurch entstehende Aufwand – es sei
denn, er findet jedes Jahr tausende denkmalrechtlich relevante Bodenfunde – in
der Regel gering. Nachdem die Übergabe ihrer Funde durch NFG-InhaberInnen an
die für sie zuständige Denkmalbehörde auch gewöhnlich sehr unkompliziert zu
sein scheint und diese dem Finder, wenn er sie braucht, auch entsprechend des
in England und Wales von PAS bereitgestellten Services Hilfe und Anleitung
anbietet, ist auch der Rest der Fundregelungen gewöhnlich von NFG-InhaberInnen
leicht zu erfüllen.
Damit
ergibt die von NFG-InhaberInnen in Deutschland nach der Entdeckung eines
denkmalrechtlich relevanten Fundes anzustellende Kosten-Nutzen-Rechnung (NRM
= 0,2) – ((KRM x PS x PE) ≈ 0) – ((NRB x PB x PE) ≈ 0,5)
+ (KRB ≈ 0) ≈ – 0,3, d.h. einen, wenn auch nicht stark, negativen
Wert. Finder denkmalrechtlich relevanter Funde, die diese im Rahmen einer
gültigen NFG entdeckt haben, werden also durch das deutsche System zur
Beachtung der geltenden Fundmelde- und ‑überlassungspflichten motiviert, wenn
auch nicht besonders stark. Auch das zeigt sich in der Wirklichkeit: die
überwältigende Mehrzahl aller Fundmeldungen in Deutschland werden tatsächlich
durch die normalerweise als „Ehrenamtliche“ bezeichneten MetallsucherInnen
erstattet; und zwar umso mehr, desto aktiver die örtlich zuständige Denkmalbehörde
auf die in ihrem Zuständigkeitsbereich tätigen MetallsucherInnen zugeht und mit
ihnen zusammenarbeitet, wie z.B. das Schleswiger Modell (Weise 2018) deutlich zeigt.
Nach der Entdeckung eines denkmalrechtlich relevanten Fundes ohne NFG
Ein
deutlich anderes Ergebnis ergibt sich hingegen aus derselben
Kosten-Nutzen-Rechnung, wenn ein Finder einen denkmalrechtlich relevanten Fund
ohne gültige NFG (aber bei Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung von
Bodenfunden)[25]
entdeckt hat. Denn in diesem Fall hat der Finder ja bereits eine
Ordnungswidrigkeit bzw. Verwaltungsübertretung begangen, indem der ohne die –
wenigstens der Auslegung der gesetzlichen NFG-Bestimmungen durch die meisten
Denkmalämter zufolge – für seine Suche erforderliche NFG nach Boden- bzw.
archäologischen Funden gesucht hat (sinngemäß so z.B. LfD-BW 2019); was
bedeutet, dass die Befolgung der gesetzlich für denkmalrechtlich relevante
Bodenfunde tatsächlich bestehenden Fundmeldepflicht automatisch einer
Selbstanzeige für eine Verletzung der NFG-Pflicht gleichkommt. Und das hat
bedeutende Folgen.
Man kann
daher in unserer Rechnung für NRM automatisch 1 einsetzen:
schließlich erspart sich der Finder dadurch, dass er den Fund verheimlicht und
unterschlägt – wenigstens solange er nicht erwischt wird – die für ihn nunmehr
so gut wie sichere Strafe für die Begehung der soeben genannten
Ordnungswidrigkeit bzw. Verwaltungsübertretung und kann sich den Fund behalten
bzw. ihn am Schwarzmarkt zu verkaufen versuchen. Die Milch ist also bereits
verschüttet.
Der für KRM
einzusetzende Wert bleibt hingegen ≈ 0. Zwar ist für PE 1
einzusetzen und die Abschreckungswirkung der zu erwartenden Strafe steigt auf
bis zu 3 bzw. in Österreich sogar bis zu 5 Jahre Haft, weil der Finder aufgrund
der Verheimlichung und Unterschlagung des Fundes mit Strafverfolgung für
Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1 StGB [DE] bzw. gem. § 134 StGB [AT] rechnen muss, wenn er erwischt wird. Das
bleibt sich allerdings gleich, weil für PS weiterhin die sehr geringe
Wahrscheinlichkeit des Ruchbarwerdens (von ≤ 0,0001) einer
Verheimlichung und Unterschlagung des Fundes einzusetzen ist, was die
restlichen Variablen in diesem Teil unserer Rechnung weitgehend auswirkungslos
macht. Dass die angedrohten Haftstrafen noch dazu ohnehin höchstens dann, und
selbst dann bisher immer nur bedingt, verhängt werden, wenn der unterschlagene
Fund ein wirklich spektakulärer und wirtschaftlich sehr wertvoller Schatzfund
war (Otten 2012, 23; Karl 2018c; Fuchs 1992), trägt zusätzlich dazu
bei, dass selbst die angedrohten Haftstrafen keine wirkliche
Abschreckungswirkung entfalten.
Für NRB
ist hingegen genau 0 einzusetzen. Denn der Finder kann sich unter diesen
Umständen sicher sein, dass er gar keine Belohnung bekommen und in der Presse
und von der archäologischen Fachwelt als Negativbeispiel vorgeführt werden
wird. Ja, eine Haftstrafe kann er vermutlich – außer eventuell in
Schleswig-Holstein, wo er ja bereits durch die Missachtung der NFG-Pflicht eine
gem. § 19 Abs. 1 DSchG-SH mit bis zu 2 Jahren Haft bedrohte Straftat
begangen hat – dadurch verhindern, dass er sich nun doch an die Fundmelde- und ‑überlassungspflicht
hält, aber nachdem die Wahrscheinlichkeit erwischt und bestraft zu werden so
enorm gering ist, ist dieser Nutzen vernachlässigbar.
Für KRB
schließlich muss man unter diesen Umständen 1 in die Kosten-Nutzen-Rechnung
einsetzen, denn Resultat der Einhaltung der Fundmelde- und ‑überlassungspflicht
an die örtlich zuständige Behörde ist vorhersehbarerweise eine Ordnungswidrigkeitsbuße
bzw. Verwaltungsstrafe oder wenigstens der mit einem Strafverfahren verbundene
Aufwand. Das ist, wenigstens wenn man nicht um eine grundlegende Rechtsfrage
wie, ob überhaupt eine NFG-Pflicht bestanden hat, zu klären, den Instanzenzug
durchlaufen möchte, nichts was den durchschnittlichen Normunterworfenen zur
Regelbefolgung motiviert.
Damit
ergibt unsere Kosten-Nutzen-Rechnung durch den Normunterworfenen nach der
Entdeckung eines denkmalrechtlich relevanten Fundes ohne NFG (NRM =
0) – ((KRM x PS x PE) ≈ 0) – ((NRB x PB x PE) = 0) +
(KRB = 1) ≈ 2, d.h. den rechnerisch möglichen Höchstwert. Der ohne
NFG gesucht habende Finder wird also durch das deutsche und österreichische
System nach der Entdeckung eines denkmalrechtlich relevanten Bodenfundes
maximal dazu motiviert, sich nicht an die geltenden gesetzlichen Fundmelde- und
allfällig bestehenden ‑überlassungspflichten zu halten, sondern den Fund
möglichst vor den örtlich zuständigen Behörden zu verheimlichen und zu
unterschlagen.
Die Verhaltensteuerungswirkung der Fundregelungen im Vergleich
Vergleicht
man die Ergebnisse dieser vom Normunterworfenen anzustellenden
Kosten-Nutzen-Rechnung, zeigt sich deutlich, wie unterschiedlich die
verhaltenssteuernde Wirkung der jeweiligen Fundregelungen in den hier
verglichenen Ländern sind (Tab. 2).
Tabelle 2: Vergleich der von Normunterworfenen in den verglichenen Ländern anzustellenden Kosten-Nutzen-Rechnungen. |
In England
und Wales werden Finder von denkmalrechtlich relevanten Bodenfunden durch das
Zusammenspiel von Treasure Act 1996, Theft Act 1968 und das Angebot der Finderbetreuung durch das PAS
so gut wie immer zur Einhaltung der Fundmelde- und -überlassungsregeln
motiviert, und zwar umso stärker, desto wirtschaftlich wertvoller ihr Fund ist.
Das weitgehende Fehlen einer Vorab-NFG-Pflicht (außer für Nachforschungen auf
nach konstitutivem Prinzip geschützten Denkmalen) führt hingegen dazu, dass
Personen, die Bodenfunde finden wollen, so wenig als irgendwie möglich zur
Missachtung denkmalrechtlicher Bestimmungen motiviert werden (auch wenn es
dennoch manchmal vorkommt, dass diese dennoch missachtet werden; ob durch
ungenehmigte Nachforschungen auf geschützten Denkmalen oder durch
Fundunterschlagungen).
In
Deutschland und Österreich führen hingegen die gesetzlichen NFG-Pflichten vor
der versuchten Entdeckung denkmalrechtlich relevanter Bodenfunde dazu, dass
Personen, die nach (ob nun denkmalrechtlich relevanten oder nur irgendwelchen)
Bodenfunden suchen wollen, stark oder sogar sehr stark dazu motiviert werden,
nicht nur die NFG-Pflichten selbst, sondern als Folge noch stärker auch nach
der Entdeckung von tatsächlich denkmalrechtlich relevanten Bodenfunden ohne NFG
die dann tatsächlich jedenfalls einzuhaltenden gesetzlichen Fundmelde- und – ob
nun zeitlich befristeten oder dauerhaften – Überlassungspflichten (und
natürlich auch allfällige weitere Pflichten wie die zur unveränderten Belassung
der Fundumstände und Fundstelle) zu missachten. Eine dem englischen und
walisischen System wenigstens ungefähr vergleichbare Motivation und damit
verhaltenssteuernde Wirkung zur Beachtung der gesetzlichen Fundregelungen
erreicht man in Deutschland hingegen nur bei jenen Findern, die vorab eine NFG
beantragt und erteilt bekommen haben; in Österreich hingegen gar nicht.
Die
vorhersagbare Verhaltenssteuerungswirkung der unterschiedlichen Regelungen
zeigt sich dann– wenig überraschend – auch in der Realität: ist in England und
Wales die Anzahl der eingehenden Fundmeldungen, sowohl der gesetzlich
verpflichtenden als auch der rein freiwilligen, massiv angestiegen, seit 1997
das hier beschriebene System des Zusammenspiels von Treasure Act 1996, Theft Act 1968 und PAS eingeführt wurde, ist sie in
Österreich seit der Abschaffung der NFG-Möglichkeit für alle BürgerInnen außer
graduierten ArchäologInnen auf nahezu Null gesunken (siehe zum auch durch das
BDA bemerkten Rückgang Szemethy 2004, 160), während in Deutschland wohl in
erster Linie „ehrenamtliche“ Sondler mit NFG Fundmeldungen abgeben dürften,
wenigstens wo es eine konstruktive Zusammenarbeit der Denkmalämter mit der
lokalen Sondlergemeinde gibt, während die Mehrheit der Sondler ihre Tätigkeit
und Funde vor den Behörden verheimlicht und daher die Fundmeldezahlen
weitgehend stagnieren dürften. Einen erkennbaren Einfluss auf die in den
verschiedenen hier verglichenen Ländern aktiven MetallsucherInnen hat hingegen
das Insistieren auf oder sogar die Verschärfung gesetzlicher NFG-Pflichten
nicht gehabt; und wird einen solchen wohl auch in Zukunft nicht haben. Dafür ist
in England und Wales trotz fehlender NFG-Pflicht seit 1997 ein rückläufiger
Trend bei Schäden durch illegale Metallsuchen auf geschützten Denkmalen zu
beobachten, während aus dem deutschen Sprachraum dazu keine Zahlen vorliegen,
es aber jedenfalls auch keine publizierten Erfolgsmeldungen der Denkmalämter in
dieser Hinsicht zu geben scheint.
Definitionsschärfe und Strafverfahren
Die
unterschiedlichen nationalen Regelungen und insbesondere die Definitionsschärfe
haben darüber hinaus auch Auswirkungen in Strafverfahren. Das lässt sich
besonders deutlich zeigen, wenn man den schon andernorts von mir genau
diskutierten Fall des Barbarenschatzes von Rülzheim (Karl 2018c) sowie den der Himmelsscheibe von
Nebra (z.B. Otten 2012, 21-4) und den vom Förker Laas Riegel (Fuchs 1991; 1992)
betrachtet und abschätzt, was mutmaßlich das Ergebnis der Strafverfahren in
diesen Fällen gewesen wäre, wenn diese "Schätze" unter sonst gleichen
Umständen in England oder Wales gefunden und daher nach englischem und
walisischen Recht behandelt worden wären.
Die wohl
größte Ironie eines solchen Vergleichs ist die, dass der Fall Rülzheim, wäre er
in England und Wales passiert, zwar vielleicht nicht mit einer ebenso schweren
Strafe wie der oben diskutierte aus Herefordshire geendet hätte, aber wohl
jedenfalls mit einer signifikanten Strafe für Diebstahl von Staatseigentum.
Denn der „Barbarenschatz“ wäre gemäß der Schatzfundbegriffsdefinition von Section
1 Treasure Act 1996 zweifelsfrei als unter das
englische und walisische staatliche Schatzregal fallender Schatzfund zu
klassifizieren gewesen. Ebenso wäre aufgrund des Verhaltens des Täters in
diesem Fall völlig klar gewesen, dass dieser versucht hatte, den Schatzfund zu
verheimlichen und dem Staat vorzuenthalten, womit eindeutig der Tatbestand des Diebstahls
iSd Section 1 und 7 des Theft Act 1968 erfüllt gewesen wäre. Darauf steht eine
Haftstrafe von bis zu 7 Jahren, wobei entsprechend den generellen
Strafmaßbemessungsrichtlinien für Diebstahl in England (Sentencing Council 2016a) – je nach Bewertung der
verschiedenen relevanten Faktoren für die Strafbemessung und erschwerender und
mildernder Umstände durch das Gericht – mit einer tatsächlich verhängten
Haftstrafe zwischen wenigstens einem halben und bis zu 6 Jahren zu rechnen
gewesen wäre, eventuell teilweise oder vollständig bedingt ausgesetzt.
Tatsächlich
ist der Fall Rülzheim in Deutschland für den Täter – auch wenn dieser dennoch
wegen Unterschlagung gem. § 246 Abs. 1 StGB [DE] verurteilt wurde – weit glimpflicher
ausgegangen, verhängt wurde im Endeffekt eine geringe Geldstrafe (Karl 2018c, 85-6), die kaum über die
durchschnittliche Buße für denkmalrechtliche Ordnungswidrigkeiten hinausgeht.
Mehr noch, diese Strafe wurde nicht einmal dafür verhängt, dass der Täter in
diesem Fall dank staatlichem Schatzregal dem Staatseigentum zugehörige
Kulturdenkmale unterschlagen hatte; sondern vielmehr dafür, dass er dem
Grundeigentümer den ihm zuständigen Hälfteanteil des als „gewöhnlicher“
Schatzfund gem. 984 BGB beurteilten Fundes unterschlagen hatte; was
unmittelbar den auch für die Strafbemessung nicht völlig irrelevanten
unterschlagenen Wert um die Hälfte reduziert. Hauptsächliche Ursache dafür,
dass der Schatzfund als nicht denkmalrechtlich relevant beurteilt wurde, war
wiederum, dass die Legaldefinition des denkmalrechtlichen Schatzfundbegriffs in
§ 20 Abs. 1 DSchG-RLP ein typisch deutschsprachiger,
vollkommen unzureichend definierter unbestimmter Rechtsbegriff ist, der darauf
abstellt, dass der Fund von „besonderer
wissenschaftlicher Bedeutung“ oder „bei
staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten ( § 22 ) entdeckt“
worden sein muss. Damit war letztendlich ausschlaggebend, ob dem Fund besondere
wissenschaftliche Bedeutung zukommt; und was eine solche Bedeutung ist und ob
sie einem bestimmten Fund zukommt, darüber kann man ausgiebig streiten und ist
noch dazu vom Durchschnittsbürger aufgrund der diesem per Definition fehlenden
besonderen Sachverstandes gar nicht beurteilbar (Karl 2018a).
Ähnlich,
wenn auch etwas anders, verhält es sich im Fall der Himmelsscheibe von Nebra.
In diesem Fall wurden sowohl über die Täter als auch die Hehler jeweils
bedingte Haftstrafen verhängt, und zwar von 9 bzw. 4 Monaten über die Finder
und von 12 bzw. 6 Monaten über die hauptsächlichen Hehler (FAZ 2003; Otten 2012, 23). Auch in diesem Fall war
letztendlich ausschlaggebend, ob dem Fund die von der
Schatzfundbegriffsdefinition des § 12 Abs. 1 DSchG-SA geforderte, „herausragende“ wissenschaftliche Bedeutung zukam. In diesem Fall
hat das Gericht zwar diese Frage bejaht, weshalb es sich bei der Unterschlagung
dieses Fundes tatsächlich um die von Staatseigentum handelte, dessen wahrer
wirtschaftlicher Wert wohl wenigstens im Bereich mehrerer Millionen Euro
anzusetzen ist.[26] Der
Fall hätte jedoch, insbesondere in Anbetracht der unsicheren Fundumstände
(siehe dazu zuletzt z.B. ausführlicher Gebhard & Krause 2016, 25-42) und der Tatsache, dass
man darüber, ob ein Unikat aus unsicheren Fundumständen aus archäologischer
Sicht überhaupt wissenschaftlich von mehr als „geringer Bedeutung“ (Kriesch et al. 1997, 26) sein kann,
vortrefflich streiten kann, auch leicht ganz anders ausgehen können; auch wenn
man – wie ich es hier dem Fachkonsens entsprechend tue – voraussetzt, dass die
Scheibe tatsächlich ein prähistorischer Fundgegenstand und nicht eine moderne
Fälschung ist.
Wäre die
Himmelsscheibe in England und Wales unter sonst gleichartigen Fallumständen
entdeckt worden, wäre sie hingegen – prähistorisches Alter wie gesagt
vorausgesetzt – jedenfalls und unbestreitbar – in diesem Fall gem. Section 3 Treasure Designation Order 2002 iVm Section 2 Treasure Act 1996 – unter das staatliche Schatzregal gefallen
und daher mit ihrer Entdeckung automatisch zum Staatseigentum geworden. Ebenso
wäre aufgrund des Verhaltens der Täter in diesem Fall völlig klar gewesen, dass
diese versucht hatten, den Schatzfund zu verheimlichen, dem Staat
vorzuenthalten und ihn stattdessen gewinnbringend zu verhehlen, womit eindeutig
die Tatbestände des Diebstahls iSd Section 1 und 7 und der Hehlerei iSd Section
22 des Theft Act 1968 erfüllt gewesen wäre. Darauf steht
für Diebstahl bis zu 7 und für Hehlerei bis zu 14 Jahre Haftstrafe, wobei
entsprechend der Strafbemessungsrichtlinien für das erstgenannte Delikt wohl
2,5 bis 6 (Sentencing Council 2016a) und für das zweitgenannte 3 bis 8
Jahre Haft verhängt worden wären, und zwar wohl eher im oberen Bereich, weil
neben dem enorm hohen Wert des Fundes auch noch die Tatsache schadenserhöhend
hinzukommt, dass es sich dabei um ein bedeutendes Kulturgut gehandelt hat (Sentencing Council 2016b). Dass die verhängte Strafe
insgesamt bedingt ausgesetzt worden wäre, ist unwahrscheinlich.
Auch der
Fall des unterschlagenen keltischen Waffenfundes vom Förker Laas Riegel in
Österreich ist den beiden bereits diskutierten ähnlich. Auch in diesem Fall
wurden letztendlich bedingte Haftstrafen wegen Unterschlagung gem. § 134 StGB [AT] von jeweils zwei Jahren über die Täter
verhängt. In diesem Fall betrug der geschätzte Marktwert des Hortfundes ca. ATS
7 Millionen (Fuchs 1992), d.h. ca. € 500.000 bzw. £ 430.000. Wäre
dieser Fall unter englischen und walisischem Recht vorgekommen, hätten die
Täter sicher mit einer ähnlich hohen Haftstrafe zu rechnen gehabt, wie sie im
Fall aus Herefordshire tatsächlich verhängt und gerade für die Himmelsscheibe
von Nebra diskutiert wurde, wohl ebenfalls näher am höheren Ende des
Strafrahmens und ebenfalls wenigstens teilweise, wenn nicht zur Gänze,
unbedingt; denn auch ein Hortfund wie der vom Förker Laas Riegel fällt seit
2003 in England und Wales eindeutig unter die Definition eines Schatzfundes iSd
gem. Section 3 Treasure Designation Order 2002 iVm Section 2 Treasure Act 1996 und würde somit dem Staat gehören.[27]
Soviel zum
in Hinblick auf die Schatzsuche angeblich so liberalen englischen und
walisischen System: dieses hätte, in allen drei der wohl im deutschen
Sprachraum spektakulärsten und meistkolportierten Fälle der Unterschlagung
archäologischer Funde durch ihre Finder unter ansonsten identen Umständen nicht
nur ebenso wie in Deutschland und Österreich zu einer Verurteilung der
Raubgräber geführt. Vielmehr hätte es auch in allen drei Fällen diese
Verurteilung der Täter weit sicherer zu erreichen erlaubt und die Täter wären
aller Voraussicht nach auch weit schwerer bestraft worden, als sie es in
Deutschland und Österreich tatsächlich wurden. Und es hätte, aufgrund der
größeren Sicherheit diese Verurteilung zu sehr schweren Strafen auch wirklich
zu erreichen, wohl auch deutlich mehr Abschreckungswirkung und dadurch auch
eine deutlich stärkere Steuerungswirkung des Verhaltens von MetallsucherInnen
zur Einhaltung statt Missachtung der tatsächlich geltenden gesetzlichen
Regelungen entfaltet als die Urteile in diesen drei Fällen in Deutschland und
Österreich.
Schlussfolgerungen: liberale oder pragmatische Briten?
Aus dem
hier angestellten Vergleich und den darauf aufbauenden Überlegungen zur
verhaltenssteuernden Wirkung der unterschiedlichen Fundregelungen in den hier
verglichenen Ländern England und Wales einer- und Deutschland und Österreich
andererseits lassen sich eine Reihe von Schlussfolgerungen ziehen.
Die beiden
wichtigsten davon sind erstens, dass das englische und walisische System der
Regelung des archäologischen Fundwesens sowohl in der Theorie vorhersagbarerweise
weit effektiver funktionieren muss als auch tatsächlich in der Praxis weitaus
effektiver zu funktionieren scheint als das entsprechende deutsche und
österreichische System; und zwar nicht nur in Hinblick darauf, was die
jeweiligen Gesetzgeber mittels der von ihnen festgesetzten gesetzlichen
Regelungen zu erreichen versuchen, sondern – was für uns ArchäologInnen weitaus
wichtiger sein sollte – auch in Hinblick darauf, was es im Bereich des Schutzes
und der Erhaltung von bedeutenden, in archäologischen Bodenfunden und -befunden
gespeicherten, mit wissenschaftlichen (und wenigstens teilweise sogar mit
unwissenschaftlichen) Methoden auslesbaren historischen Informationen erreicht.
Das wiederum liegt zweitens in erster Linie daran, dass das englische und
walisische System das archäologische Fundwesen anders, und zwar keineswegs
primär liberaler, sondern primär weitaus pragmatischer, regelt, als es die 16
deutschen und das österreichische System tun.
Das englische
und walisische Fundregelungssystem wird deshalb von vielen deutschsprachigen
ArchäologInnen gerne als liberaler als das deutsche (und österreichische)
eingeschätzt bzw. missverstanden, weil das englische und walisische Recht
archäologische Bodenfunde und -befunde nicht durch die Unterwerfung vorsätzlicher
(inklusive eventualvorsätzlicher und womöglich sogar bloß fahrlässiger) „archäologischer“
Entdeckungsversuche unter denkmalbehördliche NFG-Pflichten präventiv zu
schützen zu versuchen scheint, während sie fest daran glauben, dass die
deutschen und österreichischen Denkmalschutzgesetze allen archäologischen
Bodenfunden einen derartigen präventiven Schutz bieten. Beides ist jedoch
tatsächlich nicht der Fall.
Tatsächlich
sehen die Schutzvorschriften des für England und (seit 2016 iVm Historic Environment (Wales) Act 2016) Wales geltenden Ancient Monuments and Archaeological Areas Act
1979[28] eine Genehmigungspflicht für Handlungen
(darunter auch Nachforschungen und die Verwendung von Metallsuchgeräten) vor,
bei denen der Normunterworfene davon ausgehen muss, dass er Denkmale entdecken
bzw. verändern oder gar zerstören wird; nicht anders, als das auch die deutschsprachigen
Denkmalschutzgesetze tun.[29]
Dass das englische und walisische Recht diese Genehmigungspflicht nicht research permit nennt und in eine
redundante und nur zur Verwirrung der Normunterworfenen beitragende,[30]
separate Bestimmung „research with the
purpose of discovering monuments requires a permit issued by [zuständiges
Staatsorgan]“ gefasst, sondern
ähnlich wie Bayern in Art. 7 Abs. 1 DSchG-BY unter der generellen Bewilligungspflicht für
archäologische Denkmale gefährdende Handlungen, dem Scheduled Monument Consent,[31]
subsumiert hat, bleibt sich dabei völlig gleich: sowohl der vom Gesetzgeber
verfolgte Zweck als auch das von ihm dafür verwendete Mittel der behördlichen
Genehmigungspflicht sind exakt dieselben.
Einzig der
Zugang, den die hier verglichenen Länder in diesem Zusammenhang wählen, ist
insofern unterschiedlich, als die deutschen Denkmalschutzgesetze generell nach
dem deklaratorischen und der Ancient Monuments and Archaeological Areas Act
1979 ausschließlich
nach dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) funktionieren; während in Österreich
das BDA so tut, als ob das DMSG im Bereich der Grabungsgenehmigungspflicht so
wie § 12 Abs. 2 Z 5 DSchG-SH generell überall im Land gelten würde, während
das sicherlich nicht der Fall (siehe dazu Karl 2019b, 8-26), aber immer noch nicht
gänzlich geklärt ist, ob es (im Bereich archäologischer Nachforschungen) primär
nach dem deklaratorischen oder konstitutiven Prinzip funktioniert. Funktioniert
ein Denkmalschutzgesetz (wenigstens in dem im konkreten Zusammenhang relevanten
Aspekt) aber ausschließlich nach dem konstitutiven Prinzip, folgt sowohl
rechtlich als auch logisch zwingend daraus, dass alle seine Schutzbestimmungen
(inklusive allfälliger behördlicher Genehmigungspflichten) auch ausschließlich nur
dann anwendbar sind, wenn eine geplante oder durchgeführte Handlung auch
tatsächlich vorhersehbarerweise ein konstitutiv geschütztes Denkmal betrifft. Denn was den Bestimmungen eines
Denkmalschutzgesetzes gemäß kein geschütztes Denkmal ist, wird von diesem
Gesetz natürlich auch nicht geschützt.
Das zuletzt
genannte simple Prinzip gilt übrigens identisch auch für nach dem
deklaratorischen Prinzip funktionierende Denkmalschutzgesetze. Der einzige
signifikante Unterschied zwischen diesen verschiedenen Zugangsarten zur
Gestaltung eines Denkmalschutzgesetzes ist der, dass bei einem nach dem
konstitutiven Prinzip funktionierenden Gesetz der Staat bzw. dessen zuständige
Behörde dem Normunterworfenen vorab sagen muss, welche konkreten Sachen
tatsächlich Denkmale sind, während Normunterworfene das bei einem nach
deklaratorischen Prinzip funktionierenden Gesetz aus der relevanten
Legaldefinition des Gesetzes selbst erschließen und von sich aus richtig auf
konkrete Sachen anwenden müssen; also selbst entscheiden, ob eine bestimmte
Sache ein Denkmal ist, bezüglich dessen die denkmalrechtlichen
Schutzbestimmungen einzuhalten sind oder nicht.
Der
wirkliche Unterschied zwischen der englischen und walisischen einer- und den
deutschen Fundregelungen andererseits ist also nicht, dass die erstere aufgrund
einer (tatsächlich gar nicht) fehlenden NFG-Pflicht liberaler ist als die
letztere, sondern dass die erstere pragmatisch ist, die letztere hingegen alles
andere als das. Denn der englische und walisische Gesetzgeber hat seine
Denkmalbehörden gesetzlich dazu verpflichtet, den Normunterworfenen in England
und Wales vorab zu sagen, welche archäologischen Fundstellen wissenschaftlich
so bedeutend sind, dass sie, wenn sie dort nach Bodenfunden suchen wollen,
vorab eine behördliche Genehmigung brauchen. Das bedeutet natürlich im
Umkehrschluss, dass die Denkmalbehörden daher auch den Normunterworfenen in
England und Wales vorab sagen (müssen), wo diese nach Bodenfunden suchen
dürfen, weil sie dort nicht mit der Entdeckung von („besonders“) bedeutenden
Bodenfunden und -befunden rechnen müssen; nämlich eben überall dort, wo sich kein
konstitutiv geschütztes Denkmal befindet.
Die
deutschen Gesetzgeber stellen im Gegensatz dazu die denkmalrechtlich
Normunterworfenen vor die unlösbare Aufgabe, vorab anhand nicht
allgemeinverständlicher Legaldefinitionen richtig zu erraten, ob etwas, was man
prospektiv zumeist weder sehen noch sonstwie sinnlich wahrnehmen kann,
retrospektiv irgendwelchen obskuren WissenschafterInnen so bedeutend sein wird,
dass die Normunterworfenen nicht ohne behördliche Genehmigung danach suchen
hätten dürfen.
In Österreich
schließlich behauptet das BDA, dass der Gesetzgeber das Letztere gemeint hat,
obwohl er sowohl vom Wortlaut her als auch in den Erläuterungen zum Gesetz
sagt, dass er Ersteres will. Einziges Resultat davon ist maximale
Rechtsunsicherheit und minimale Transparenz.
Im
Wesentlichen dasselbe gilt auch im Bereich des Fundmeldewesens und des
staatlichen Schatzregals: auch hier ist das englische und walisische System
nicht liberaler als das deutsche und österreichische System. Eine
Fundmeldepflicht für vom Gesetzgeber als denkmalrechtlich relevant erachtete
Funde gibt es mit den Bestimmungen des Treasure Act 1996 genauso wie in den 16 deutschen und im
österreichischen Denkmalschutzgesetz. Diese funktioniert, hier wie da,
notwendigerweise nach dem deklaratorischen Prinzip, weil ein Bodenfund im
Zeitpunkt seiner Entdeckung natürlich noch nicht von einer allfällig dafür
zuständigen Denkmalbehörde beurteilt und erforderlichenfalls nach dem konstitutiven
Prinzip unter Schutz gestellt worden sein kann.
Der
Unterschied zwischen der Situation in England und Wales einer- und der in
Deutschland und Österreich andererseits ist auch nicht etwa, dass es in den
ersten beiden Ländern keine und in den zweiten beiden eine gesetzliche Pflicht
zur unveränderten Belassung der Fundstelle bei gleichzeitiger Sicherungspflicht
der Funde (bei Gefahr ihres sonstigen Abhandenkommens) besteht. Denn die
Verpflichtung zur Sicherung der Funde bedingt ihre nahezu sofortige Bergung ex situ; schon alleine deshalb, weil man
vom Normunterworfenen weder verlangen kann, dass er die Telefonnummer der
zuständigen Denkmalbehörde in seinem Mobiltelefon – das er gar nicht haben muss
– eingespeichert hat, um diese jederzeit – inklusive am Abend lange nach
Dienstschluss oder am Wochenende, wo sie gar nicht besetzt ist – zur Fundstelle
rufen zu können, noch von ihm verlangen kann, dass er – potentiell bis zu
mehrere Tage lang, bis ein Mitarbeiter der örtlich zuständigen Denkmalbehörde Zeit
hat, sich den Fund und seine Umstände in situ anzuschauen – am Fundort bleibt
und bei Bedarf auch übernachtet. Ja, eine Baufirma darf nicht einfach
weiterbaggern, wenn sie zufällig bei Baggerarbeiten auf einen mutmaßlich
denkmalrechtlich relevanten Fund oder Befund trifft, aber das war es auch schon
im Bereich der Belassungspflichten.
Der einzig
maßgebliche Unterschied zwischen den hier verglichenen Ländern ist vielmehr,
dass die Legaldefinition des Schatzfundbegriffs im Treasure Act 1996 und Treasure Designation Order 2002 tatsächlich weitestgehend
allgemeinverständlich ist und Normunterworfene denkmalrechtlich relevante Funde
daher gewöhnlich schon bei ihrer Entdeckung oder spätestens Reinigung als
solche erkennen und daher auch behandeln können; während die Legaldefinitionen
der jeweils relevanten Denkmal- bzw. Schatzfundbegriffe in den 16 deutschen
DSchG und im österreichischen DMSG so maximal unverständlich gefasst sind, dass
sie gewöhnliche Normunterworfene in aller Regel und selbst Fachleute oft gar
nicht richtig auslegen und daher auch nicht richtig anwenden können (Karl 2019c).
Daraus
folgt, dass – weil die relevante Legaldefinition allgemeinverständlich und
daher ein sehr grober Rechen ist – die meisten Bodenfunde in England und Wales
der gesetzlichen Fundmeldepflicht und dem staatlichen Schatzregal sicher nicht
unterliegen; dafür aber die vergleichsweise wenigen, die es doch tun, ihnen
umso sicherer unterliegen. In Deutschland und Österreich hingegen scheinen –
vor allem aus Sicht der archäologischen Fachwelt – alle Bodenfunde den
gesetzlichen Fundmeldepflichten und eventuell auch einem staatlichen
Schatzregal zu unterliegen, tun es aber tatsächlich in der überwältigenden
Mehrheit aller Fälle nicht, weil kein normaler Normunterworfener wissen kann,
welchen seiner Funde nun die erforderliche ausreichende Bedeutung für das
Bestehen einer Meldepflicht und daraus resultierender Rechtsfolgen zukommt und
welchen nicht. Folge davon ist, dass auch in Deutschland und Österreich nicht
mehr als ein grober Rechen zur Verfügung steht, nur der Staat hier im Gegensatz
zu England und Wales nicht primär die Bodenfunde gemeldet bekommt, die er
gemeldet bekommen will oder die aus wissenschaftlicher Sicht besonders
bedeutend sind, sondern nach dem Zufallsprinzip irgendwelche, die ihr
jeweiliger Finder für ausreichend wichtig oder kurios gehalten hat.
Das englische
und walisische System ist also durchgehend pragmatisch, sowohl in Hinblick auf
die Durchsetzbarkeit der gesetzlichen Ver- und Gebote als auch für den Schutz
der archäologischen Denkmale, deren Bedeutung tatsächlich bereits gesichert
oder voraussichtlich so hoch ist, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse
liegt. Denn es kann sich einerseits aufgrund der Allgemeinverständlichkeit des
Ver- bzw. Gebotenen niemand darauf ausreden, dass er nicht wissen konnte, dass
er die verbotene Tat, bei der er erwischt wurde, nicht setzen bzw. die gebotene
Handlung, die er aus Faulheit oder Eigennutz nicht gesetzt hat, nicht
unterlassen hätte dürfen. Das erleichtert nicht nur die Bestrafung von vorsätzlichen
(inklusive eventualvorsätzlichen und fahrlässigen) Verstößen gegen diese
gesetzlichen Ver- und Gebote maßgeblich, sondern reduziert vor allem deutlich
die Anzahl der Fälle, in denen Normunterworfene (inklusive der Denkmalbehörden)
diese Ver- und Gebote entweder irrtümlich falsch anwenden oder irrtümlich nicht
anwenden bzw. nicht beachten.[32]
Gleichzeitig
führt die sich aus diesen pragmatischen Zugang ergebende höhere Selektivität,
sowohl in Hinblick darauf, sowohl was geschützte unbewegliche archäologische
Denkmale als auch was geschützte bewegliche Bodenfunde sind, zu einem
effektiveren Denkmalschutz und deutlich höherer Bürgerfreundlichkeit im Bereich
der Archäologie. Denn es müssen die Denkmalbehörden nicht dauernd versuchen, das
gesamte Land und alle Bodenfunde im Auge zu haben, weil ja überall im Boden
Denkmale verborgen sein könnten, die irgendjemand ohne die erforderliche
Genehmigung zu entdecken versuchen, verändern oder zerstören könnte.
Stattdessen können sie sich und die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen
auf den Schutz, die Erhaltung und die öffentlichkeitswirksame Nutzung der
archäologischen Denkmale konzentrieren, die allgemein anerkanntermaßen wirklich
so besonders bedeutend sind, dass ihre möglichst langfristige, möglichst
unveränderte Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Dieser
bessere Schutz des wirklich für die Öffentlichkeit, und nicht nur für uns
ArchäologInnen, Wichtigen wird dadurch ermöglicht und erkauft, dass der Gesetzgeber
die Denkmalbehörden zwingt, auf die zwar vielleicht auch, aber weniger und eben
aus Sicht des Gesetzgebers für ein öffentliches Interesse an ihnen und ihrer
Erhaltung nicht ausreichend wichtigen archäologischen Sachen zu verzichten.
Diese nicht ausreichend wichtigen Sachen darf dann daher auch – weil ihr
Schicksal eben gerade nicht im öffentlichen Interesse liegt – ein jeder Laie
durch unsachgemäße Fundbergungen verändern oder zerstören; ob uns
ArchäologInnen das nun gefällt oder nicht. Was mit den „gewöhnlichen“
archäologischen Sachen geschieht, an denen die archäologische Wissenschaft,
aber nicht unbedingt die Öffentlichkeit, dennoch ein Interesse hat, ist ein
Problem, um das sich die archäologische Wissenschaft und alle
archäologieinteressierten BürgerInnen selbst, und nicht der Staat und seine
Einrichtungen und Organe zu kümmern zu haben, sowohl im Positiven als auch im
Negativen.
Der
englische und walisische Staat lässt allerdings die archäologische Wissenschaft
und archäologieinteressierte BürgerInnen in dieser Beziehung auch nicht völlig
auf sich allein gestellt, sondern hilft beiden aktiv, nämlich mittels des PAS.
Mit dem PAS sorgt der Staat nämlich gleichzeitig sowohl dafür, dass – natürlich
überwiegend archäologieinteressierte – Normunterworfene nicht gänzlich damit
allein gelassen bleiben, die gesetzlichen Fundregelungen richtig interpretieren
und befolgen zu müssen, sondern sich unkompliziert von entsprechend
qualifizierten Fachleuten Hilfe holen können; als auch dafür, dass der
archäologischen Wissenschaft viele der archäologisch wichtigen Informationen
über beweglichen Bodenfunde nicht verloren gehen, die aufgrund der
pragmatischen Regelung des Denkmalrechts durch den von diesem verwendeten, sehr
groben Rechen fallen.[33]
Diese Form
der Regelung sorgt also dafür, dass das, was nach Ansicht des Gesetzgebers als
archäologisches Denkmal schützenswert ist, tatsächlich möglichst effizient und
effektiv geschützt wird; während sich die, die sich für den nicht geschützten
Rest der Archäologie interessieren – darunter auch wir professionellen
ArchäologInnen – sich selbst um ihre eigenen privaten archäologischen
Interessen kümmern müssen, bei deren Verwirklichung ihnen der Staat hilft und
sie unterstützt. Und das funktioniert in der Praxis seit 1997 auch vorbildlich:
die Anzahl der Schadensfälle durch ungenehmigte Grabungen auf geschützten
Denkmalen ist seither deutlich rückläufig, während die Anzahl der
Fundmeldungen, sowohl der von meldepflichtigen Schatzfunden als auch völlig
freiwillig dem PAS übermittelten, um jedenfalls wenigstens eine Zehnerpotenz,
wenn nicht sogar um das 50- oder sogar 100-fache angestiegen.
Das ist
auch, vor allem im Vergleich mit den völlig wie das österreichische oder
wenigstens in bedeutenden Teilen wie die deutschen versagenden
Fundregelungssystemen, als tatsächlich vorbildliche Lösung zu betrachten;
wenigstens wenn man ernsthaft an einem realistischen archäologischen Denkmal-
und Forschungsquellenschutz interessiert ist. Denn der Staat lässt in
Deutschland und (wenigstens in der gehandhabten Praxis des BDA auch in)
Österreich nicht nur den gewöhnlichen Normunterworfenen, sondern auch die
archäologische Wissenschaft und sogar seine eigenen Behörden weitgehend allein
mit vollkommen intransparenten und unverständlichen Gesetzen und stellt seinen
eigenen Behörden nicht einmal genug Mittel zur Verfügung, dass diese die ihnen
gesetzlich tatsächlich aufgetragenen Pflichten auch nur halbwegs erfolgreich
erfüllen können, geschweige denn, dass er zusätzliche Mittel als Hilfe zur Selbsthilfe
für die Wissenschaft und gewöhnliche Normunterworfene zur Verfügung stellen
würde. Nachdem sie keine ordentliche Anleitung bekommen, verzetteln sich viele
Denkmalbehörden nur noch zusätzlich und investieren bedeutende Teile ihrer
ohnehin schon zu knappen Ressourcen in irrelevante Nebenschauplätze, statt sich
auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren, und überschreiten dafür sogar gerne
auch noch durch maßlose Überinterpretationen ihrer Zuständigkeit und der ihnen
zur Verfügung stehenden gesetzlichen Mittel ihre Kompetenzen. Das tun sie
insbesondere im Bereich der Archäologie ganz besonders gerne, um an sich zum
Zeitpunkt seiner Durchführung vollkommen rechtmäßiges Handeln von
Normunterworfenen einer retrospektiven Strafbarkeit zu unterwerfen, weil dabei
wider jedes Erwarten doch etwas passiert ist, von dem die zuständigen
Denkmalpfleger lieber gehabt hätten, dass es nicht passiert wäre.
Oder anders
gesagt: der Staat und die Denkmalbehörden in Deutschland und Österreich bürden
den Normunterworfenen alle Verantwortung für die Erhaltung der archäologischen
Denkmale auf, lassen sie aber gleichzeitig – vielleicht mit Ausnahme
„ehrenamtlicher“ und damit irgendwie zur Behörde selbst gehörender
DenkmalpflegerInnen – systematisch dumm sterben, weil sie ihnen weder verraten
noch allgemeinverständlich erklären wollen und können, was überhaupt ein
archäologisches Denkmal ist. Und sie helfen dem Normunterworfenen dann auch
nicht dabei, das, was dieser tun möchte, so weit es im Rahmen des (rechtlich
und praktisch) Möglichen ist, zu tun, sondern warten einfach ab, was er tut
oder unterlässt, um ihn im Nachhinein gegebenenfalls nicht nur dafür bestrafen
zu können, dass er absichtlich etwas Verbotenes getan oder etwas Gebotenes
unterlassen hat, sondern auch, wenn er sich bloß geirrt hat, weil er angeblich
ex ante ohne besonderen Sachverstand wissen hätte müssen, was die Behörde erst
ex post aufgrund ihres besonderen Sachverstandes überhaupt bestimmen kann.
Das ist so
ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was in England und Wales passiert, und es
funktioniert weitaus schlechter als das englische und walisische System. Es
schützt die archäologischen Denkmale in situ um keinen Deut besser, führt aber
dazu, dass weitaus mehr archäologische Informationen, die – und sei es nur durch
freiwillige Meldung durch ihre Finder – gerettet werden und zum Nutzen der
archäologischen Wissenschaft erhalten werden könnten, wie das in England und
Wales tatsächlich der Fall ist, zu niemandes Nutzen und zum Schaden aller
verloren gehen. Ja man erreicht damit in der Praxis nicht einmal, dass man mehr
Denkmalverbrechen – die natürlich auch in England und Wales weiterhin
vorkommen, weil Leute, die dümmer und/oder gieriger sind, als es die Polizei
und das Gesetz erlaubt, gibt es überall, wie der eingangs geschilderte Fall aus
Herefordshire zeigt – gerichtlich schwerer bestrafen und damit eine größere
Abschreckungswirkung erreichen könnte als in England und Wales; denn sowohl die
Unterschlagung der Himmelsscheibe von Nebra, als auch der keltischen Waffenfunde
vom Förker Laas Riegel, als auch des Barbarenschatzes von Rülzheim wären unter
dem englischen und walisischen System nicht nur strafbar gewesen, sondern
hätten mit größerer Sicherheit zu schwereren Strafen geführt als sie in
Deutschland und Österreich tatsächlich erreicht wurden.
Abschließende Gedanken
Nur wer
sich nicht ordentlich mit dem englischen und walisischen Fundregelungssystem
auskennt, und daher nicht weiß, dass es im Prinzip dieselben, wenn auch
geringfügig anders angelegten und über mehrere verschiedene Gesetze verteilten,
denkmalrechtlichen NFG-Pflichten, Fundmeldepflichten und
Fundüberlassungspflichten kennt, die auch die 16 deutschen und das
österreichische Denkmalrecht kennen, und fälschlich glaubt, dass alles, was in
England und Wales freiwillig dem PAS gemeldet wird, in Deutschland und
Österreich nicht ohne NFG ausgegraben werden hätte dürfen, meldepflichtig
gewesen wäre und dem staatlichen Schatzregal unterlegen hätte und daher – weil
nicht sein kann, was nicht sein darf – auch bis zu seiner Entdeckung im Rahmen
einer systematischen archäologischen Ausgrabung in situ erhalten geblieben wäre,
kann ernsthaft zum Schluss kommen, dass das englische und walisische
Fundregelungssystem nicht tatsächlich im Vergleich mit den deutschen und dem
österreichischen vorbildlich geregelt ist. Nur wer nicht begreift, dass eine in
Theorie und Praxis bessere und noch dazu weit populärere Lösung – selbst wenn
sie nicht perfekt ist – nicht genauso schlecht oder gar schlechter ist als die
schlechtere und gerade unter den Betroffenen mehrheitlich extrem unpopuläre
Lösung, die man derzeit selbst gewählt hat und (weitgehend) erfolglos umsetzt,
weil die bessere Lösung nicht die einem vorschwebende, perfekte aber leider
vollkommen unrealistische Traumlösung ist, die man gerne hätte – d.h. nur wer
ideologisch verblendet ist – kann zu einer anderen Schlussfolgerung gelangen.
Natürlich
zeigt der eingangs diskutierte Fall aus Herefordshire, dass auch das englische
und walisische Fundregelungsystem die unsachgemäße Ausgrabung und illegale
Unterschlagung archäologischer Schatzfunde nicht immer und in allen Fällen
verhindern kann. Und natürlich kann man bis zum Umfallen darüber streiten, ob
ca. 21.500 geschützte unbewegliche archäologische Denkmale für ein Land wie
England und Wales genug sind (einmal abgesehen, dass das im Vergleich immer
noch etwa 11 Mal mehr pro km2 Fläche sind als in Österreich), und ob
eine Legaldefinition für geschützte bewegliche archäologische Denkmale wie im Treasure Act 1996 und Treasure Designation Order 2002 nicht zu materialistisch ist. Aber
wenigstens ist die englische und walisische Regelung auch durch den
durchschnittlichen Normunterworfenen anwendbar, ohne dass der zuerst wenigstens
zwei Universitätsstudien mit Doktorat abschließt und/oder in einem Denkmalamt
als Verwaltungsbeamter angestellt (und hoffentlich auch dafür ausgebildet)
wird, wie das in Deutschland und Österreich zur richtigen
Denkmalrechtsanwendung scheinbar erforderlich ist (und immer noch oft genug
dazu führt, daß es bei der Umsetzung - irrtümlich oder gezielt - hapert). Und
damit ist schon viel gewonnen, nicht zuletzt auch, dass sich mehr
Normunterworfene an für sie verständliche Gesetze halten und daher mehr
Archäologie besser geschützt wird als in Deutschland und Österreich.
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[1] Es ist hier allerdings
anzumerken, dass der Fall bisher erst erstinstanzlich entschieden und die
Strafen noch nicht rechtskräftig sind. Es ist also derzeit noch nicht
auszuschließen, dass die Verurteilten den Instanzenzug durchlaufen und in
diesem die erstinstanzlichen Strafen von höheren Instanzen noch reduziert oder
sogar das erstinstanzliche Urteil insgesamt aufgehoben werden könnten.
Gleichzeitig ist jedoch auch zu bemerken, dass in Anbetracht der konkreten
Umstände des Falls eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils – es sei denn
es ist in diesem zu gravierenden Verfahrensfehlern gekommen – nahezu
auszuschließen ist und auch eine drastische Reduzierung des Strafmaßes durch
höhere Instanzen unwahrscheinlich ist.
[2] Crown Courts sind in der englischen
Gerichtsstruktur die erste Instanz für schwerwiegende strafrechtliche Verfahren
wie z.B. wegen Mordes, Vergewaltigung, Raub etc. (https://www.gov.uk/courts/crown-court [27/11/2019]). Eine Berufung gegen ein Urteil
eines Crown Court bedarf einer separaten richterlichen Bewilligung und wäre an
die Strafabteilung des Court of Appeal zu richten (https://www.gov.uk/appeal-against-sentence-conviction/crown-court-verdict [27/11/2019).
[3] „…sich unehrlich Eigentum eines Anderen mit der Absicht ihm dieses
dauerhaft zu entziehen aneignet“ (Übers.: RK).
[4] Es sind Details wie dieses,
an denen man merkt, dass das Vereinigte Königreich immer noch in seinem Kern
ein unreformierter mittelalterlicher Feudalstaat und nicht eine moderne
Demokratie westlicher Prägung ist.
[5] “(1) Treasure is —
(a) any object at least 300 years old when found which —
(i) is not a coin but has metallic content of which at least 10 per
cent by weight is precious metal;
(ii) when found, is one of at least two coins in the same find which
are at least 300 years old at that time and have that percentage of precious
metal; or
(iii) when found, is one of at least ten coins in the same find which
are at least 300 years old at that time;
(b) any object at least 200 years old when found which belongs to a
class designated under section 2(1);
(c) any object which would have been treasure trove if found before the
commencement of section 4;
(d) any object which, when found, is part of the same find as—
(i) an object within paragraph (a), (b) or (c) found at the same time
or earlier; or
(ii) an object found earlier which would be within paragraph (a) or (b)
if it had been found at the same time.” (Section 1 (1) Treasure Act 1996;
Übers. im Haupttext: RK).
[6] „The following classes of objects are
designated pursuant to section 2(1) of the Act.
(a) any object (other than a coin), any part of which is base metal,
which, when found is one of at least two base metal objects in the same find
which are of prehistoric date;
(b) any object, (other than a coin) which is of prehistoric date, and
any part of which is gold or silver.” (Section 3 Treasure Designation Order 2002; Übers. im Haupttext: RK).
[7] Unterschlagung ist in
Deutschland mit bis zu 3 Jahren Haft oder Geldstrafe (§ 246 Abs. 1 StGB [DE]); in Österreich mit bis zu 6 Monaten Haft
oder Geldstrafe bis 360 Tagessätze bzw. in besonders schweren Fällen (Wert der
unterschlagenen Sache über € 300.000) mit 6 Monaten bis 5 Jahren Haft (§ 134 StGB [AT]) zu bestrafen.
[8] Hehlerei ist in Deutschland
mit bis zu 5 Jahren Haft oder Geldstrafe (§ 259 Abs. 1 StGB [DE]); in Österreich mit bis zu 6 Monaten Haft
oder Geldstrafe bis 360 Tagessätze bzw. in besonders schweren Fällen (Wert der
verhehlten Sache über € 300.000) mit 6 Monaten bis 5 Jahren Haft (§ 164 StGB [AT]) zu bestrafen.
[9] Was jedoch in der Praxis, wie
schon andernorts gezeigt (Karl 2019a) nur dann einen wirklich
signifikanten Unterschied macht, wenn die örtlich zuständigen Behörden die
gesetzlichen Bestimmungen exzessiv auslegen (oder umgekehrt, wie man es eventuell
für Österreich aufgrund der lächerlich niedrigen Zahl von Unterschutzstellungen
archäologischer Fundstellen und der unzureichenden strafrechtliche Verfolgung
von Veränderungen oder Zerstörungen geschützter Denkmale argumentieren könnte,
aufgrund massiver personeller Unterbesetzung nicht ausreichend um- bzw.
durchsetzen [können]).
[10] Vorhersehbarerweise bedeutet
im rechtlichen Sinn dieses Begriffs, dass es allgemein bekannte und ohne
unverhältnismäßigen Aufwand öffentlich zugängliche, konkrete, sachliche und
vernünftige Gründe für die Annahme gibt, dass bei der Durchführung der
geplanten Handlung der verbotene Taterfolg (die Entdeckung von in die
denkmalrechtlich relevante Auswahlmenge fallenden Bodenfunden bei ungenehmigten
Grabungen bzw. Nachforschungen) tatsächlich verwirklicht werden wird. Denn nur
unter dieser Voraussetzung kann der eine Grabung bzw. Nachforschung Planende
den Anknüpfungstatbestand von Grabungsgenehmigungs- bzw. NFG-Pflichten
erfüllen; d.h. entweder vorsätzlich den Taterfolg herbeizuführen versuchen,
oder eventualvorsätzlich seinen Eintritt ernsthaft für möglich halten und ihn
billigend in Kauf nehmen, oder wenigstens fahrlässig die im gewöhnlichen
Rechtsverkehr zur Vermeidung des Eintretens des Taterfolgs erforderliche
Sorgfalt außer Acht lassen. Gibt es keinen konkreten, sachlichen, vernünftigen
Grund zur Annahme, dass der gesetzliche Schutzgegenstand (in die
denkmalrechtlich relevante Auswahlmenge fallende Bodenfunde) am geplanten
Grabungs- bzw. Nachforschungsort überhaupt vorkommt, den der die Grabung bzw.
Nachforschung Planende bei Beachtung der gewöhnlichen Sorgfaltspflicht auch
tatsächlich kennen hätte müssen, kann er nicht wissen, dass er sich an die
denkmalrechtliche NFG-Pflicht zu halten hat und muss sich daher auch nicht an sie
halten.
[11] Einzig und allein die
Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 5 DSchG-SH geht in einem Punkt an die Materie anders
heran als alle anderen hier verglichenen Länder und unterwirft die Verwendung
aller Mess- und Suchgeräte, die geeignet sind, Kulturdenkmale aufzufinden,
einer allgemeinen denkmalbehördlichen Genehmigungspflicht. Das ist ein
fundamental anderer Zugang, weil hierbei nicht ein Kausalbezug zwischen einer
Handlung eines Nachforschenden und der Entdeckung des gesetzlichen
Schutzgegenstandes hergestellt wird, sondern zwischen der Handlung? und der
(theoretischen) Eignung des Geräts zur Entdeckung des gesetzlichen
Schutzgegenstandes. Inwieweit dieser Zugang allerdings mit dem Gebot der
Verhältnismäßigkeit staatlicher Reaktion vereinbar ist, ist debattierbar.
[12] Ob es sich dabei tatsächlich
um die Beste aller möglichen Lösungen handelt, ist allerdings stark
diskutierbar: damit diese nämlich logisch zwingend tatsächlich die Beste aller
möglichen Lösungen sein muss, ist es notwendig, dass die Voraussetzung erfüllt
ist, dass die Belassung aller (archäologischen) Funde in situ mit Gewissheit
dazu führt, dass sie – und sei es nur zu späterer Zeit, d.h. in einer
unbestimmten Zukunft – bei systematischen archäologischen Ausgrabungen entdeckt
und dabei sachgerecht dokumentiert, geborgen und einer umfassenden
wissenschaftlichen Auswertung und Veröffentlichung zugeführt und keinesfalls
durch eine andere mögliche Ursache für archäologischen Sachschaden (=
Informationsverlust) maßgeblich verändert oder gar zerstört werden. Wir wissen
jedoch mit absoluter Gewissheit, dass diese Voraussetzung sicherlich nicht
erfüllt ist (siehe dazu Karl 2018b).
Damit
ist nicht gewährleistet, dass diese Lösungsmöglichkeit tatsächlich die Beste
aller Möglichkeiten sein muss, sondern ob sie es ist hängt vielmehr davon ab,
ob das Verhältnis zwischen archäologischem Informationsverlust durch alle
anderen Schadensursachen als unsachgemäße Fundbergungen und dem
Informationserhaltung durch die zukünftige professionelle Ausgrabung aller bis
dahin nicht in situ gänzlich undokumentiert maßgeblich veränderten oder
zerstörten archäologischen Funde und Befunde günstiger oder weniger günstig ist
als das zwischen dem durch unsachgemäße Fundbergungen verursachten
Informationsverlust und den durch ihre Meldung samt allfällig bei ihrer Bergung
(eventuell teilweise sachgemäß) angestellten Befundbeobachtungen jetzt
verwirklichbaren Informationsgewinn. Letztendlich kommt es also darauf an, ob
die (ob jetzt un- oder teilweise sachgemäß) erfolgte Fundbergung durch ihre
Dokumentation und Meldung zur Erhaltung von mehr archäologischer Information
führt als von dieser Information in situ im Boden erhalten bleibt (bzw. bleiben
wird), bis (falls) diese dort verbliebene Information durch ihre sachgemäße
archäologische Untersuchung dokumentiert und gemeldet wird.
Nachdem
die Menge der archäologischen Information über einen beliebigen Fund oder
Befund, die erhalten wird, wenn er in situ zerstört wird, ehe er entdeckt, (ob
nun sachgemäß oder unsachgemäß) geborgen und (samt aller allfällig angestellten
Beobachtungen zu seinen Fundumständen) gemeldet wurde, exakt gleich Null ist,
lässt sich die Frage, ob es sich bei der in Deutschland und Österreich
angestrebten Lösung tatsächlich um die Beste aller möglichen Lösungen handelt,
auf die Frage herunterbrechen, ob es wahrscheinlicher ist, dass eine in einem
Fund bzw. Befund gespeicherte archäologische Information in situ (egal durch
welche Schadensursache) zerstört wird, ehe sie (entdeckt, geborgen und)
gemeldet wird, oder wahrscheinlicher ist, dass sie gemeldet wird, ehe sie in
situ zerstört wird.
In
Anbetracht der statistischen Wahrscheinlichkeiten in dieser Beziehung (Karl 2018b, 28-35) stehen die Chancen daher
ziemlich schlecht, dass die in Deutschland und Österreich gewählte tatsächlich
die beste Lösung zur Minimierung archäologischen Informationsverlustes
darstellt, selbst wenn die gewählte Strategie tatsächlich alle unsachgemäßen
Fundbergungen verhindern könnte.
[13] Diese Annahme ist durchaus
nicht unrealistisch. Denn es scheint sich – soweit sich das bestimmen lässt –
die Anzahl der in Österreich aktiven MetallsucherInnen etwa alle 5 Jahre etwa
zu verdoppeln (Karl 2019b, 115). Eine ähnliche Entwicklung
der Anzahl der in England und Wales aktiven MetallsucherInnen ist also
keineswegs auszuschließen. Es ist allerdings auch zu bedenken, dass auf Basis
derselben für die soeben zitierte Schätzung herangezogenen Datenbasis in
Österreich etwa 2,25 Mal so viele MetallsucherInnen per capita tätig sind wie
in England und Wales (Karl & Möller 2016, 219). Das könnte bedeuten, dass in
England und Wales sich die Anzahl der aktiven MetallsucherInnen nur etwa alle
12,5 Jahre verdoppelt, nicht wie in Österreich alle 5 Jahre.
[14] Auch diese Annahme ist in
Anbetracht von inzwischen über 20 Jahren guter Presse (und Pressearbeit durch
das British Museum seit 2006) für das Fundmeldesystem und insbesondere den
einschlägigen Berichten über ausbezahlte Belohnungen in Millionenhöhe
keineswegs unrealistisch. 2003 ging das PAS schließlich gerade erst
flächendeckend in ganz England und Wales in Betrieb und es gab nicht nur weit
weniger Schatzfunde als in den letzten Jahren und daher auch weniger Fälle von
Belohnungen in Millionenhöhe, sondern nicht zuletzt aufgrund der geringeren
Anzahl der besonders spektakulären Fälle auch weniger Medienecho. Sowohl
steigender Bekanntheitsgrad des Fundmeldesystems als auch des Belohnungssystems
für ehrliche Finder kann durchaus die Meldewilligkeit von Findern dramatisch
erhöht haben.
[15] Was es umso interessanter und
unerklärlicher macht, dass es in England und Wales trotzdem deutlich weniger
aktive MetallsucherInnen pro Kopf der Bevölkerung zu geben scheint als in
Deutschland und Österreich, und zwar jeweils um einen bedeutenden Faktor (Karl & Möller 2016, 219); und auch umso
unerklärlicher, weshalb sich durch rezente Metallsuchen verursachte Befundschäden
auch bei archäologischen Ausgrabungen nicht häufiger als anderswo zu zeigen
scheinen.
[16] Von denen oft nur eine kleine
Minderheit von fachlichen Laien stammt.
[17] Gewöhnlich zwei Jahre nach
dem Berichtsjahr.
[19] Das liegt daran, dass die
Metallsuche in Österreich nur auf konstitutiv geschützten Bodendenkmalen gem. §
11 Abs. 8 DMSG jedenfalls genehmigungspflichtig ist, von
denen es gerade einmal ca. 1.050 gibt. Der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs.
1 DMSG wird hingegen von MetallsucherInnen so gut wie
nie erfüllt: diese suchen in der Regel weder mit direktem
Denkmalentdeckungsvorsatz (der voraussetzt, dass der Suchende den Eintritt des
Taterfolgs der Entdeckung eines Gegenstandes, dessen Erhaltung im öffentlichen
Interesse gelegen ist, weil er die in § 1 Abs. 2 DMSG genannten Kriterien erfüllt, herbeizuführen
beabsichtigt und tatsächlich vorhersehen kann) noch nehmen sie (nachdem in
aller Regel keinerlei allgemein bekannte, sachliche Gründe dafür sprechen, dass
dort, wo sie suchen, die Entdeckung ebensolcher Gegenstände von einem
unvoreingenommenen, vernünftigen Dritten zu erwarten sein würde)
eventualvorsätzlich oder fahrlässig die Denkmalentdeckung billigend in Kauf.
Nachdem aber § 11 Abs. 1 DMSG voraussetzt, dass der Nachforschende die
Entdeckung von Denkmalen iSd § 1 Abs. 1 bezweckt, d.h. vorsätzlich oder
wenigstens eventualvorsätzlich denkmalschutzrelevante Gegenstände zu entdecken
versucht, ist die NFG-Pflicht dieses Paragrafen auf Metallsuchen durch Laien
normalerweise überhaupt nicht anwendbar. Das Gesetz verbietet daher auch weder
generell die unbewilligte Metallsuche noch die unsachgemäße Fundbergung durch
Laien, sondern nur die Metallsuche und Fundbergung unter ganz spezifischen
Umständen.
[20] Das liegt daran, dass
praktisch kein Bodenfund (außer vielleicht gut erhaltene römische Bronzehelme
und dergleichen) das gesetzlich geforderte Maß der Offenkundigkeit
seiner geschichtlichen (etc.) Bedeutung erreicht, das die Fundmeldepflicht des
§ 8 Abs. 1 DMSG erst auslöst (siehe dazu schon Karl 2019c, 147-153). Die denkmalrechtliche
Auswahlmenge in Österreich ist also kaum größer, wenn nicht sogar noch kleiner
als die in England und Wales, auch wenn im Gegensatz zu diesen in Österreich
der Edelmetallgehalt des Fundgegenstandes kein gesetzlich relevantes Kriterium
ist.
[21] Diese Zahl ist die Anzahl der
in der nur für Mitglieder zugänglichen Mitgliederliste von Schatzsucher.de geführten Useraccounts. Davon dürften etwa 3.000 aus dem Ausland und
nicht oder wenigstens nicht oft in Deutschland aktive Metallsucher oder
Karteileichen sein.
Auf
der öffentlich einsehbaren Startseite von Schatzsucher.de gibt das Forum hingegen eine Zahl von 285.056 „Benutzern“ an. Diese
massiv überhöhte Zahl ergibt sich laut dem Betreiber dieses Forums daraus, dass
die verwendete Software Zugriffe durch „Gäste“ (=nicht durch Einloggen mit
einem Useraccount als Zugriff durch ein registriertes Forenmitglied erkannt
werden könnende Zugriffe) und damit auch zahllose Zugriffe durch automatisierte
Bots als „Benutzer“ mitzählt. Es ist allerdings zu bedenken, dass sicherlich
nicht alle dieser – zusätzlich zu den 33.101 registrierten Mitgliedern – 251.955
„Gastbenutzer“ automatische Suchmaschinen und/oder sich nicht eingeloggt
habende, registrierte Forumsmitglieder sind, sondern es sich bei einem gewissen
Anteil dieser zusätzlichen Viertelmillion auf das Forum zugreifender Computer
um weitere in Deutschland aktive MetallsucherInnen handeln dürfte.
Die
hier angenommenen 30.000 in Deutschland aktiven MetallsucherInnen stellen also
tatsächlich einen (so ziemlich absoluten) Mindestschätzwert dar. In
Wirklichkeit wird es aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich mehr aktive
MetallsucherInnen geben.
[22] Pers.Mitt. R. Bland.
[23] Allen Variablen rechts des Istgleichzeichens
kann ein Wert von 0 bis 1 zugewiesen werden (entweder durch mathematische
Notwendigkeit – wie die Wahrscheinlichkeit für einen Fundeintritt, der nach Fundeintritt zwangsweise 1 ist)
oder werden geschätzt (wie die Gewichtung des Wertes sozialer Anerkennung –
positive Berichterstattung 0,5, negative Berichterstattung 0,2) und können von
Person zu Person schwanken. Daraus ergibt sich ein mögliches Rechenergebnis von
-2 bis +2 für X. Nachdem in der Folge X
das gesuchte Ergebnis ist, steht es ab sofort am Ende der jeweiligen Rechnung;
und weil es sich um Schätzwerte handelt, rechts von einem Istungefährgleichzeichen
(≈).
[24] Ganz abgesehen davon, dass es
theoretisch und praktisch schwierig ist, einen "wissenschaftlichen
Wert" (von vernachlässigbar bis „unbezahlbar“) in monetären Zahlen
auszudrücken.
[25] Echte Zufallsfunde im engeren
Sinn, d.h. Bodenfunde, die eine Person ohne vorherige Absicht irgendetwas zu
finden am Boden bemerkt und in Besitz genommen hat, beachte ich hier nicht
weiter, weil dieser Fall vergleichsweise so selten eintritt, dass mir seine
Besprechung unnötig erscheint. Nur der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt,
dass das Verhalten solcher echter Zufallsfinder sowohl durch die in Deutschland
als auch die in Österreich geltenden Fundregelungen so gut wie überhaupt nicht
gesteuert wird, weil praktisch alle echten Zufallsfinder die geltenden
Fundregelungen so gut wie gar nicht kennen und ihr Verhalten daher auch
überhaupt nicht danach gestalten können. Echte Zufallsfundmeldungen sind daher
eher die Folge eines diffusen allgemeinen Rechtsverständnisses, dass man als
mutmaßlich verloren gegangen erkennbare Gegenstände irgendwelchen staatlichen
Behörden zur Kenntnis bringen soll, damit sie von ihrem allfälligen Eigentümer
zurückgefordert werden können; eines ebenso diffusen Archäologieverständnisses
verbunden mit der weit verbreiteten Vorstellung, dass archäologische Funde in
ein Museum gehören; oder einer Neugier des Finders, was denn der Gegenstand
überhaupt ist, den er gefunden hat, die ihn zur Kontaktaufnahme mit Fachleuten
wie z.B., wenn der Gegenstand alt ausschaut, ArchäologInnen in einem
öffentlichen Museum bewegen, wodurch es – mehr oder minder unabsichtlich – zu
einer Fundmeldung kommt.
[26] Bemerkenswert, insbesondere
in Hinblick auf durch Finder erzielbare Verkaufspreise am Schwarzmarkt ist
hierbei allerdings, dass die Himmelsscheibe inklusive der mit ihr (wenigstens
angeblich) vergesellschaftet aufgefundenen sonstigen Funde von den
ursprünglichen Findern um DM 31.000 an den Erstabnehmer verkauft wurde.
Letzterer bot sie zuerst für DM 1 Million sowohl dem Berliner Museum für Vor-
und Frühgeschichte als auch der Prähistorischen Staatssammlung München an,
verkaufte sie nach Ablehnung des Ankaufs durch diese letztendlich um DM 230.000
an die später als Hehler zu den genannten Bewährungsstrafen verurteilten
Zwischenhändler weiter, die sie wiederum um DM 700.000 an den als polizeilicher
Lockvogel agierenden Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt verkaufen wollten (FAZ 2003; Otten 2012, 21-2). All diese
Schwarzmarktpreise liegen natürlich weit unter dem wahren wirtschaftlichen Wert
der Scheibe, der am legalen Kunst- und Antikenmarkt erzielt werden könnte, der
wohl – wenn die Scheibe verkäuflich wäre – in etwa den Bereichen liegen würde,
in denen sich bedeutende Bilder weltbekannter Künstler wie von z.B. van Gogh,
Picasso etc. verkaufen.
[27] Der Fall hat sich tatsächlich
schon 1989 ereignet (Fuchs 1991, 19). Wäre er 1989 in England oder Wales
vorgekommen, hätte er aber dennoch auch unter dem damaligen englischen und
walisischen Recht zum im Endeffekt gleichen Ergebnis geführt. Denn es wäre der
Hortfund zwar aufgrund der damals noch sehr unbestimmten und wenig hilfreichen
Definition des Schatzfundbegriffs unter der Common
Law-Definition von Treasure Trove
nicht als dem staatlichen Schatzregal unterliegender Schatzfund einzustufen
gewesen, er wäre jedoch aufgrund seiner Entdeckung unter der Erdoberfläche
alleiniges Eigentum des Grundeigentümers gewesen (siehe Waverley Borough Council v Fletcher
[1995]). Damit wäre
dadurch, dass die Finder dem Grundeigentümer den Hortfund nicht überantwortet,
sondern selbst am Schwarzmarkt verkauft haben, ebenfalls der Straftatbestand
des Diebstahls iSd Section 1 und 7 und der Hehlerei iSd Section 22 des Theft Act 1968 erfüllt und daher vom Gericht auch gleichermaßen
zu bestrafen gewesen.
[28] Section
2-4 und 42 Ancient
Monuments and Archaeological Areas Act 1979.
[29] Nur Schleswig-Holstein geht
wie bereits gesagt durch die Bestimmung von § 12 Abs. 2 Z 5 DSchG-SH bezüglich der Verwendung „von Mess- und
Suchgeräten, die geeignet sind, Kulturdenkmale aufzufinden“ darüber hinaus und
unterwirft diese generell einer behördlichen Genehmigungspflicht, unabhängig
davon, ob der ein solches Gerät Verwendende dort, wo er es einsetzt, begründet
vermuten muss, dass er Kulturdenkmale entdecken wird.
[30] Dass eine separate denkmalrechtliche
Nachforschungsgenehmigungspflicht bei gleichzeitigem Bestehen einer allgemeinen
denkmalrechtlichen Genehmigungspflicht von voraussichtlich das gesetzliche
Schutzobjekt (= Denkmale) verändern bzw. zerstören werdenden Handlungen absolut
redundant ist, zeigt sich in aller wünschenswerten Deutlichkeit an der
Bestimmung des § 11 Abs. 5 DMSG, in der festgestellt wird, dass für
archäologische Ausgrabungen auf nach dem konstitutiven Prinzip geschützten
Denkmalen zusätzlich zur Grabungsgenehmigung gem. § 11 Abs. 1 auch eine
Genehmigung zur Veränderung bzw. Zerstörung des betroffenen Denkmals gem. § 5
Abs. 1 DMSG erforderlich ist, die selbstverständlich beide
das BDA zu erteilen hat, das selbstverständliche beide Arten von Genehmigung
mit sachdienlichen Auflagen verbinden kann. Dass das tatsächlich als einzige
signifikante Wirkung hat, zur Verwirrung von Normunterworfenen beizutragen,
zeigt sich daran, dass selbst viele professionelle ArchäologInnen in Österreich
nicht einmal auf die Idee gekommen sind, dass sie für ihre Grabungen auf
geschützten Denkmalen zusätzlich zur § 11 Abs. 1-Genehmigung auch eine § 5 Abs.
1-Genehmigung beantragen mussten. Tatsächlich hätten sich diese ArchäologInnen
damit regelhaft selbst durch ihre gem. § 11 Abs. 1 DMSG genehmigten Grabungen eines gravierenden
Verstoßes gegen die Strafbestimmung des § 37 Abs. 1 DMSG (Strafrahmen: bis zu 360 Tagessätze) bzw.
sogar des § 126 Abs. 1 Z 3 StGB [AT] (Schwere Sachbeschädigung, Strafrahmen:
bis zu 2 Jahre Haft) schuldig gemacht. Das BDA hat das nur dadurch verhindert,
dass es einfach ungefragt von sich aus (sozusagen aus Bürgerfreundlichkeit und
zur Verfahrensbeschleunigung) die § 5 Abs. 1-Genehmigung erteilt hat, auch wenn
sie gar nicht beantragt worden war und AntragstellerInnen daher auch gar nicht,
wie eigentlich explizit vorgeschrieben, das Zutreffen der für eine Zerstörung
oder Veränderung des betroffenen Denkmals sprechenden Gründe geltend gemacht,
geschweige denn nachgewiesen hatten.
[32] Besonders bedeutend ist in
diesem Zusammenhang auch, dass, weil sich sowohl gewöhnliche als auch
behördliche Normunterworfene weit seltener bezüglich bestehender Rechte und
einzuhaltender Pflichten irren, es weit seltener zur justizirrtümlichen
Bestrafung unschuldiger BürgerInnen kommt; sei es solcher, die zwar tatsächlich,
aber nur aus schuldbefreiender Kenntnisunmöglichkeit bzw. irrtümlich, eine
denkmalrechtliche Schutzbestimmung verletzt haben; oder solcher, die
tatsächlich keine denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen verletzt haben aber
dennoch irrtümlich oder rechtsmissbräuchlich von Dritten (z.B. Denkmalämtern)
der Strafverfolgung ausgesetzt wurden. Das führt zu einer weit größeren
Akzeptanz der Legitimität, sowohl der gesetzlichen Vorschriften selbst sowie
der für ihre Durchsetzung verantwortlichen staatlichen Einrichtungen, und
funktioniert daher vor allem im Bereich von potentiell von solchen
Justizirrtümern betroffenen Bevölkerungsgruppen – wie im Kontext
denkmalrechtlicher Fundregelungen – stark vertrauensbildend, weil es den
potentiell Betroffenen Rechtssicherheit bietet. Gerade die Legitimität, sowohl
gesetzlicher Vorschriften als auch der zu ihrer Durchsetzung verantwortlichen
staatlichen Stellen, ist bekanntermaßen ein ganz entscheidender Faktor dafür,
ob sich BürgerInnen an diese Vorschriften und die Anweisungen bzw. Empfehlungen
der verantwortlichen staatlichen Stellen halten (Tyler 2006).
[33] Nur der Vollständigkeit
halber, damit auch in dieser Beziehung kein weiteres Missverständnis aufkommt,
sei hier angemerkt: der englische und walisische Staat lässt die archäologische
Wissenschaft übrigens auch in Hinblick auf die durch den ebenfalls sehr groben
Denkmalrechen des Ancient Monuments and Archaeological Areas Act
1979 fallenden
nicht denkmalgeschützten unbeweglichen archäologischen Befunde und Fundstellen
nicht gänzlich alleine. Vielmehr hat er archäologische Hinterlassenschaften
(d.h. nicht nur archäologische Denkmale, an deren Erhaltung ein öffentliches
Interesse besteht, sondern wirklich alle archäologischen Überreste, die es
gibt) im Raumplanungsrecht als Schutzgut definiert, das bei
genehmigungspflichtigen Planungsvorhaben iSd Town and Country Planning Act 1990 (vereinfacht gesagt: jede für eine
Nutzungsänderung signifikant die Substanz des Bodens oder die Substanz oder
äußere Erscheinung eines Gebäudes verändernde Tätigkeit) zu berücksichtigen ist
(die den Umgang mit Archäologie im Rahmen von Planungsvorhaben 1990 erstmals verankert
habende englische Planning Policy Guidance 16: Archaeology and Planning
[PPG 16] war Vorbild für die Verankerung derselben
Prinzipien in Art. 5 und 6 der Valletta-Konvention; CoE 1992). Das verpflichtet jeden, der ein
Planungsvorhaben umsetzen will, vor Beantragung der erforderlichen Genehmigung
auf eigene Kosten eine archäologische Voruntersuchung und nötigenfalls
spätestens als Teil der Umsetzung des Projekts mit dabei angetroffenen
archäologischen Überresten sachgerecht umzugehen, d.h. in der Regel durch wissenschaftliche
Dokumentation zu erhalten. Auch das stellt eine Konzentration auf das
Wesentliche dar: der englische und walisische Gesetzgeber versuchen weder, die
vergleichsweise wenigen, ohnehin zu so gut wie 100% von professionellen
ArchäologInnen durchgeführten, wissenschaftlichen Ausgrabungen im Detail zu
regulieren, noch die kleinen Löcher, die Schatzsucher auf nicht als Denkmale
geschützten Fundstellen graben, einem Kontrollsystem zu unterwerfen, sondern
regulieren die Archäologie hauptsächlich und ernsthaft gefährdende Bauvorhaben
durch eine Verpflichtung zur Beiziehung professioneller ArchäologInnen. Es
werden also keine Ressourcen auf die Kontrolle ohnehin unkontrollierbarer und
nicht kontrollwürdiger (weil – wenigstens im Vergleich mit anders, weit schwerwiegenderen
Schadensursachen – durchschnittlich bei Gesamtbetrachtung des ganzen Landes nur
geringen Schaden verursachenden) Handlungen verschwendet, sondern die
verfügbaren Ressourcen auf das Wichtige konzentriert.
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