Dienstag, 19. Februar 2019

Wie viele Fundmeldungen braucht das Land?


Abstract: In diesem Beitrag zeige ich, dass es nahezu vollkommen gleichgültig ist, wie viele Fundmeldungen pro Jahr durch MetallsucherInnen in Österreich abgegeben werden. Denn MetallsucherInnen in Österreich machen alljährlich so viele Funde, dass es für die professionelle Archäologie völlig unmöglich wäre, mit den eingehenden Fund- und Informationsmassen fertig zu werden, wenn alle davon alle ihre Bodenfunde oder auch nur Funde bedeutenderer archäologischer Gegenstände tatsächlich melden würden. Es ist daher weit weniger die Menge der eingehenden Fundmeldungen als vielmehr die Qualität der Auswahl der ‚richtigen‘, aus archäologisch-wissenschaftlicher und -denkmalpflegerischer Sicht wirklich ‚wichtigen‘ Funde, die ausschlaggebend dafür ist, ob Fundmeldungen wissenschaftlich und denkmalpflegerisch nützlich oder schädlich sind.

Da aber die meisten Finder von Bodenfunden keine ExpertInnen sind, stellt gerade diese notwendige Vorauswahl durch die Finder selbst ein ernsthaftes Problem dar: die FinderInnen können in der Regel derzeit gar nicht wissen, welche Funde sie nun melden sollen und welche nicht; weil wir uns seit Jahrzehnten standhaft weigern, ihnen auf auch nur ansatzweise verständliche Weise mitzuteilen, welche wir gemeldet bekommen wollen und welche nicht. Dies ist ein rein fachintern verursachtes Problem, das auch nur durch die Fachwissenschaft gelöst werden kann: wir müssen uns darauf einigen, was so wichtig ist, dass wir es unbedingt brauchen, und was nicht wichtig genug ist, um derzeit unsere stark beschränkten Ressourcen darauf verschwenden zu können. Wenn wir das Ergebnis dieses fachinternen Bewertungsprozesses dann im Wege von Bestimmungsbüchern mit archäologisch-wissenschaftlichen Wertangaben mit den interessierten Laien teilen, die – ob mit oder ohne Metallsuchgerät – nach Bodenfunden suchen (oder solche auch nur finden), dann werden wir auch viel eher die Fundmeldungen bekommen, die wir wollen und brauchen, weil sie uns etwas nützen.

Das müssen dafür dann nur erstaunlich wenige sein; eben weil es nicht auf die Quantität, sondern die Qualität der durch Meldungen gewonnenen Informationen ankommt. Damit wäre auch die Betreuung eines systematischen Fundmeldesystems – ob nun freiwillig oder gesetzlich vorgeschrieben – nicht allzu aufwändig: geschätzt würden dafür 11 Vollzeitstellen genügen. Ein solches System würde also kein Vermögen kosten, sondern wäre überschaubar.

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In Österreich sind über etwa das letzte Jahrzehnt hinweg durchschnittlich ca. 200 Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG) pro Jahr beim Bundesdenkmalamt (BDA) eingegangen; Tendenz leicht ansteigend. Im letzten Jahr, zu dem bereits Zahlen vorliegen, dem Jahr 2016, waren es laut den Fundberichten aus Österreich des BDA (2016, 13) 285 (309 eingegangene Fundmeldungen abzüglich 24 ‚Leermeldungen‘). Wie eine rasche Durchsicht zeigt, stammen die meisten davon allerdings entweder von professionellen ArchäologInnen oder Personen, die mit der professionellen Archäologie schon seit längerem relativ eng zusammenarbeiten und oft ‚regelmäßige‘ Melder sind; d.h. wenigstens im weiteren Sinn als ‚Heimatforscher‘ betrachtet werden können. Nur eine sehr geringe Anzahl stammt von wirklich zufälligen Findern, d.h. entweder Bauarbeitern, die bei ihrer Arbeit auf mögliche ‚Bodendenkmale‘ iSd § 8 Abs. 1 DMSG, oder ‚Spaziergängern‘, die bei ihren Wanderungen auf möglicherweise denkmalschutzrelevante Bodenfunde gestoßen sind; oder von MetallsucherInnen, die bei Ausübung ihres Hobby Funde gemacht haben, die der gesetzlichen Meldepflicht des genannten Paragrafen unterliegen könnten.

Eine Hochrechnung: jährliche Anzahl von Bodenfunden in Österreich

In Anbetracht dieser Zahlen und der Tatsache, dass es in Österreich derzeit mit Sicherheit wenigstens ca. 4.000 aktive MetallsucherInnen geben dürfte (siehe dazu die aktuellen Mitgliederzahlen von FN n.d.), potentiell sogar deutlich mehr, sind das auffällig wenige eingehende Fundmeldungen; insbesondere von MetallsucherInnen. MetallsucherInnen finden schließlich bekanntermaßen, da sie metallische Gegenstände mit dazu geeigneten technischen Mess- bzw. Suchgeräten auf und unter der Erdoberfläche aufspüren, in gehäufter Menge auch Gegenstände, die wenigstens aus Sicht der archäologischen Wissenschaft als archäologische Funde, wenn nicht sogar aus Sicht des archäologischen Denkmalschutzes als Funde von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu betrachten sind.

Daraus ergeben sich mehrere Fragen, von denen uns zuerst die Frage beschäftigen soll, wie viele Bodenfunde MetallsucherInnen[1] jährlich bei ihren diversen Suchgängen in Österreich entdecken? Diese soll in der Folge durch eine Hochrechnung aus durch Umfragen bzw. Schätzungen gewonnenen Zahlen zu beantworten versucht werden. Unter dem Begriff Bodenfund wird dabei – dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend – jeder Fund eines verlorenen, vergessenen, verlassenen oder verborgenen Gegenstandes verstanden, der auf oder unter der Bodenoberfläche durch seinen Finder entdeckt wird. Nicht als Bodenfunde betrachtet werden absichtlich mit Wiedergewinnungsabsicht auf dem Boden abgestellte bzw. zeitweilig gelagerte Gegenstände, wie z.B. ein geparktes Auto oder die auf einem Holzlagerplatz gelagerten Hölzer, sowie auf modernen genehmigten Mülldeponien deponierter Abfall.

Eine – wenn auch schon vor einigen Jahren durchgeführte – szeneinterne einschlägige Umfrage (n=133) hat ergeben, dass der durchschnittliche in Österreich tätige Metallsucher an ca. 56 Tagen pro Jahr je ca. 3,9 Stunden im Feld unterwegs ist (Achleitner 2011, 2). Dies deckt sich auch grob mit dem Ergebnis einer separat von mir selbst, allerdings mit wesentlich weniger TeilnehmerInnen (n=24) durchgeführten Umfrage (Karl 2011a, 120-121). Man kann also für den Zweck der hier vorzunehmenden Hochrechnung davon ausgehen, dass jedeR der ca. 4,000 MetallsucherInnen jährlich ca. 218,4 Stunden lang dieses Hobby im Feld ausübt.[2] Das ergibt, hochgerechnet auf die geschätzte Mindestanzahl von ca. 4.000 in Österreich aktiven MetallsucherInnen, mindestens ca. 873.600 Suchstunden pro Jahr.

Wie viele Bodenfunde pro Suchstunde MetallsucherInnen durchschnittlich entdecken, kann man ebenfalls abschätzen, wenngleich nur auf Basis weniger verlässlicher Informationen als zu den Suchstunden pro Jahr. Hardy (2017, 36-39) schätzt auf Basis einer Datenerhebung von Robbins (2012), dass MetallsucherInnen in England und Wales durchschnittlich ca. 1,1-1,91 Bodenfunde pro Suchstunde entdecken. Betrachtet man hingegen die durchschnittliche Ausbeute von Suchgängen, die österreichische MetallsucherInnen auf sozialen Medien veröffentlichen, ist die gezeigte Ausbeute praktisch nie unter diesen Werten und sehr oft deutlich höher. Und das, obwohl die hergezeigten Fundsammlungen normalerweise schon ‚bereinigt‘ wurden, d.h. ‚moderner Schrott‘ wie rostige Nägel, Getränkedosenverschlüsse, Alupapier etc. bereits aussortiert bzw. erst gar nicht mitgenommen wurden. Eine grobe Schätzung ergibt, dass davon auszugehen ist, dass MetallsucherInnen in Österreich durchschnittlich wenigstens 3 Bodenfunde pro Suchstunde entdecken; eventuell sogar um die 5 Stück pro Suchstunde. Die Hochrechnung ergibt also einen Mindestwert von etwa 1 Bodenfund pro 55 Minuten Suchzeit; einen Mittelwert von 1 pro 20 Minuten, und einen Höchstwert von 1 pro 12 Minuten.

Daraus folgt, dass man annehmen muss, dass in Österreich derzeit pro Jahr von MetallsucherInnen wenigstens etwa 960.960, wahrscheinlich etwa 2.620.800, und eventuell bis zu ca. 4.368.000 Bodenfunde entdeckt werden. Die paar Handvoll Fundmeldungen pro Jahr, die MetallsucherInnen in Österreich gem. $ 8 Abs. 1 DMSG dem BDA schicken, sind also nur ein verschwindend geringer, nicht nennenswerter Anteil der von ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach alljährlich entdeckten Funde – höchstens wohl so um die 0,02%, wahrscheinlich weniger als 0,008%, vielleicht sogar nur 0,005%.

Jährliche Anzahl von archäologischen Funden in Österreich

Streng genommen stellen diese Zahlen gleichzeitig auch die Anzahl der alljährlich von MetallsucherInnen in Österreich entdeckten archäologischen Funde dar, weil ja jeder Bodenfund im oben definierten Sinn – auch wenn er praktisch aus der Gegenwart stammt – eine materielle Hinterlassenschaft aus der Vergangenheit ist, aus dem mittels archäologischen Methoden Erkenntnisse über die – wie auch immer kurz zurückliegende – Vergangenheit gewonnen werden können.

Nachdem die archäologische Wissenschaft inzwischen theoretisch jedwede zeitliche Abgrenzung ihres Forschungsgegenstandes zur Gegenwart aufgeben hat, wären also eigentlich alle Bodenfunde auch als archäologische Funde zu betrachten. Dennoch ist es in der Praxis so, dass nicht unbedingt jeder Bodenfund auch tatsächlich als archäologischer Fund im engeren Sinn betrachtet werden kann: zwar kann man aus jedem Bodenfund mit archäologischen Methoden Erkenntnisse über die Vergangenheit gewinnen, aber tatsächlich gewinnt die Mehrheit aller ArchäologInnen nicht Erkenntnisse aus Müll aus den letzten paar Jahrzehnten, der irgendwo in der Landschaft herumliegt. Vielmehr wird die überwältigende Mehrheit archäologischer Erkenntnisse aus solchen Bodenfunden gewonnen, denen wenigstens ein gewisses Mindestmaß an historischer Bedeutung zukommt.

Hardy (2017, 37-38) schätzt auf Basis britischer Daten, dass MetallsucherInnen durchschnittlich ca. 0,31-0,54 Funde pro Stunde entdecken, die, den Kriterien des britischen Portable Antiquity Scheme (PAS) entsprechend, Funde sind, die ausreichend signifikant sind, um dokumentiert werden zu können. Das PAS erachtet jedoch normalerweise nur vorneuzeitliche Funde als dokumentationswürdig, d.h. Gegenstände, die vor dem Jahr 1540 hergestellt worden sein dürften; jüngere Funde werden nur ausnahmsweise dokumentiert, wenn sie von besonderer historischer oder gesellschaftlicher Bedeutung sind (PAS n.d.).

Im gegenwärtigen Fachverständnis in Österreich sind aber auch neuzeitliche Gegenstände, wenigstens bis zum Beginn industrialisierter Massenproduktion[3] – etwa um die Zeit der napoleonischen Kriege – jedenfalls und jüngere Bodenfunde bis inklusive der Zeit des Dritten Reichs möglicherweise auch, von fachlichem Interesse. Es ist also für Österreich davon auszugehen, dass mehr Bodenfunde im oben genannten Sinn als archäologische Funde zu betrachten sind als in England und Wales. Für eine Hochrechnung der Anzahl der alljährlich in Österreich durch MetallsucherInnen entdeckten archäologischen Funde wird hier daher davon ausgegangen, dass von MetallsucherInnen pro Suchstunde durchschnittlich mindestens ca. 0,5, im Mittel ca. 1.0, und maximal ca. 1,5 archäologische Bodenfunde entdeckt werden.

Damit lässt sich hochrechnen, dass von MetallsucherInnen in Österreich alljährlich wenigstens ca. 436.800, wahrscheinlich ca. 873.600 und eventuell bis zu 1.310.400 archäologische Bodenfunde entdeckt werden. Auch von diesen wird daher nur ein verschwindend geringer Anteil gem. § 8 Abs. 1 DMSG dem BDA gemeldet, maximal ca. 0,05%, wahrscheinlich weniger als 0,025%, und eventuell sogar nur ca. 0,015%.

Jährliche Anzahl von Funden von beweglichen Bodendenkmalen in Österreich

Wie viele bewegliche Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG alljährlich in Österreich von MetallsucherInnen entdeckt werden, lässt sich hingegen nur extrem schwer abschätzen. Dies liegt in erster Linie an der Schwierigkeit, zu bestimmen, welche beweglichen Fundgegenstände als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu betrachten sind (Karl 2018a, 443-444).

Folgt man der Auslegung der Legaldefinition dieses Paragrafen durch Erika Pieler (in Karl et al. 2017, 111-112), dass „der Fund eines römerzeitlichen Bronzehelms vermutlich jedem Finder als bedeutend erscheinen mag, […] sich die Lage etwa bei Relikten aus dem Zweiten Weltkrieg anders“ verhalte, bleiben nur sehr wenige Bodenfunde übrig, die wohl als bewegliche Bodendenkmale zu betrachten sind. Das entspricht auch etwa der seit nunmehr 95 Jahren unveränderten Handhabungspraxis der relevanten Bestimmungen des DMSG durch das BDA, das seit Inkrafttreten der Stammfassung dieses Gesetzes im Jahr 1923 maximal eine Handvoll von beweglichen Kleinfunden als Einzelobjekt unter Denkmalschutz gestellt hat. Soweit sich das feststellen lässt, machen bewegliche Kleinfunde als Einzelobjekte deutlich weniger als 1% aller unter Denkmalschutz stehenden archäologischen Denkmale in Österreich aus, tatsächlich wohl sogar unter 0,5% (Picker et al. 2016, 287); obwohl in den letzten Jahrzehnten allein sicherlich mehrere Millionen bewegliche archäologische Kleinfunde entdeckt und dem BDA bekannt wurden.

Damit lässt sich hochrechnen, dass nur ein sehr geringer Anteil aller jährlich durch MetallsucherInnen entdeckten, beweglichen archäologischen Bodenfunde solche von Bodendenkmalen sein dürften, wohl maximal ca. 6.552 Funde pro Jahr könnten in diese Kategorie fallen, eventuell sogar weniger als 2.184. Davon wurden allerdings in den vergangenen Jahren, soweit ich das erkennen kann, nur extrem wenige (bzw. eventuell sogar nicht einmal ein Einziger) dem BDA gemeldet.

Welche Bodenfunde sollen dem BDA überhaupt gemeldet werden?

Aus diesen hochgerechneten Zahlen ergibt sich als zweite bedeutende Frage die, welche Bodenfunde dem BDA denn überhaupt gemeldet werden sollen?

Um diese Frage beantworten zu können, ist es erforderlich, sich zu überlegen, welchen Sinn eine gesetzliche Meldepflicht für Bodenfunde, archäologische Funde, bzw. wenigstens Funde von Bodendenkmalen hat, d.h. welchen Zweck sie erfüllen soll. Diese Frage kann man entweder aus rein verwaltungsrechtlicher, aus archäologisch-denkmalpflegerischer, oder aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht betrachten, was jeweils zu anderen Antworten auf diese Frage führt.

Der Sinn der Fundmeldepflicht für Bodendenkmale des § 8 Abs. 1 DMSG

Aus verwaltungsrechtlicher Sicht ist grundsätzlich nur die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG relevant, weil diese die einzige spezifisch dem Schutz archäologischer Denkmale in der Fundsituation dient.[4]

Leider schweigen sich allerdings alle Quellen, die man gewöhnlich dazu heranziehen würde, den Sinn dieser Bestimmung zu erkennen, über den vom Gesetzgeber mit dieser Bestimmung verfolgten Zweck praktisch vollständig aus. Es bleibt daher wenig anderes übrig, als den Zweck dieser Bestimmung aus ihrem Wortlaut und dem weiteren Kontext, in dem sie im DMSG steht, zu erschließen zu versuchen. Nachdem das DMSG laut seinem § 1 Abs. 1 letzter Satz generell bezweckt, Denkmale vor „Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland“ zu bewahren, und die Rechtsfolgen der Entdeckung eines Bodendenkmals iSd § 8 Abs. 1 in § 9 DMSG sich primär mit der Sicherstellung beweglicher Fundgegenstände und damit befassen, dem BDA eine Möglichkeit zur fachlichen Beurteilung der Bedeutung und wissenschaftlichen Auswertung der entdeckten Gegenstände einzuräumen; ist der Zweck der Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG wohl auch dort zu suchen. Die Meldepflicht für Funde beweglicher Bodendenkmale hätte also primär zwei Zwecke: erstens, sicherzustellen, dass die entdeckten Bodendenkmale nicht zerstört, verändert oder ins Ausland verbracht werden, bevor das BDA sie fachlich beurteilen konnte; und zweitens, sicherzustellen, dass das BDA diese Beurteilung auch tatsächlich vornimmt und diejenigen davon, die tatsächlich Denkmale iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG sind, gem. § 9 Abs. 3 (dann entsprechend der Bestimmungen für Unterschutzstellung durch Bescheid gem. § 3 Abs. 1 und ihrer Rechtsfolgen) zeitlich unbefristet unter Denkmalschutz stellt.

Damit gibt es aber zwei Probleme: erstens mag das zwar in der grauen rechtlichen Theorie wie eine gute Idee erscheinen, ist aber in der Anwendungspraxis für den gewöhnlichen Normunterworfenen[5] komplett verwirrend; und zweitens hat es aus archäologisch-wissenschaftlicher (und damit, ein moderndes Verständnis davon vorausgesetzt, eigentlich auch aus archäologisch-denkmalpflegerischer) Sicht praktisch keinen Sinn. Ich betrachte diese beiden Probleme in der Folge kurz:

Wie es Pieler bereits ganz richtig ausgedrückt hat, ist die Definition des Bodendenkmalbegriffs in § 8 Abs. 1 DMSG „nicht allgemein verständlich, verlangt sie doch vom Finder die denkmalrechtliche Beurteilung des Fundes (Ist der Gegenstand von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung i. S. d. § 1 Abs. 1 DMSG?)“ (Karl et al. 2017, 111). Das erfordert jedoch eigentlich besonderen (sowohl rechtlichen als auch archäologisch-denkmalpflegerischen) Sachverstand, der dem gewöhnlichen Rechtsanwender per Definition gerade fehlt.

Dieses Problem war – offensichtlich – bereits dem Gesetzgeber von 1923 bewusst, weshalb er in die Stammfassung des Gesetzes in die Fundmeldebestimmung das Wort „offenkundig“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923) eingefügt hat. Dadurch hat er erreicht, dass kein „allzu hoher Maßstab“ (Karl et al. 2017, 111) angenommen werden darf: es muss dadurch darauf abgestellt werden, was ‚jeder‘ (durchschnittliche Staatsbürger) unschwer als (wenigstens möglicherweise erhaltenswertes) Denkmal erkennen kann. Das ist notwendig dafür, dass sich kein Finder darauf ausreden kann, dass ihm ja der ‚besondere Sachverstand‘ dafür gefehlt hätte, zu erkennen, dass der von ihm neu entdeckte, zweite Jüngling vom Magdalensberg (Abbildung 1) vermutlich ein schützenswertes Denkmal ist. Schließlich kann man durchaus annehmen, dass sich jeder durchschnittliche Staatsbürger bei einem solchen Fund denken kann, dass so eine Statue vermutlich erhaltenswert ist.

1923 war das auch noch kein besonderes Problem, denn die damals vorherrschende, in erster Linie noch museal orientierte, antiquarische Archäologie war ihrerseits noch kaum an irgendwelchen unscheinbaren, nicht ausstellungsfähigen Bodenfunden interessiert bzw. betrachtete diese wenigstens noch nicht (auch) als ‚erhaltenswerte‘ Denkmale. Das Denkmalverständnis des Durchschnittsbürgers unterschied sich also sicherlich schon vom fachlichen Denkmalverständnis; aber nicht so maßgeblich, dass es in Hinblick auf die Frage, welche Bodenfunde als meldepflichtig zu betrachten sind und welche nicht, noch keinen großen Unterschied machte.

Abbildung 1: Der Jüngling vom Magdalensberg.
Abguss aus dem 16. Jahrhundert einer 1502
am Magdalensberg in Kärnten gefundenen
römischen Bronzestatue aus dem 1. Jh. v.Chr.,
Kunsthistorisches Museum Wien
(Bild: James Steakley 2013).
Heute klafft hingegen zwischen dem Denkmalverständnis des Durchschnittsbürgers und dem der wissenschaftlichen und denkmalpflegerischen archäologischen Fachwelt eine Kluft, die, etwas blumig ausgedrückt, etwa die Dimensionen des Marianengrabens hat. Dabei hat sich allerdings das Denkmalverständnis des Durchschnittsbürgers seit 1923 kaum geändert; weshalb Pieler ja auch durchaus zu Recht vom „Fund eines römerzeitlichen Bronzehelms“ spricht, der „vermutlich jedem Finder als bedeutend erscheinen mag“ (Karl et al. 2017, 112), wenigstens wenn er einigermaßen gut erhalten ist. Die Fachwelt erachtet hingegen heute, im Unterschied zu der von 1923, beinahe jede noch so unscheinbare Scherbe, jedes noch so korrodierte Fragment eines jeden (und sei es nur ein paar Jahrzehnte alten) Metallgegenstandes usw. als möglicherweise bedeutende archäologische Quelle, die im Interesse der archäologischen Wissenschaft idealerweise permanent erhalten werden sollte.

Das bringt uns zum zweiten genannten Problem: eine Fundmeldebestimmung wie die des § 8 Abs. 1 DMSG, für deren Anwendung das Denkmalverständnis des Durchschnittsbürgers ausschlaggebend ist, ist aus wissenschaftlicher ebenso wie aus denkmalfachlicher Sicht heutzutage eigentlich vollkommen sinnlos. Denn es entscheidet ja unter dieser Voraussetzung letztendlich der gewöhnliche Rechtsanwender auf Basis seines Denkmalverständnisses, welche Bodenfunde er überhaupt dem BDA zur fachlichen Begutachtung vorlegt. Damit werden aber dem BDA in der Regel gerade nicht die Bodenfunde vorgelegt, an denen es und die archäologische Wissenschaft besonders interessiert sind, sondern in erster Linie das, was dem Finder seltsam oder besonders genug erscheint, dass er es für meldewürdig hält. Die Bodendenkmale hingegen, die aus fachlicher Sicht besonders wichtig sind – in erster Linie die unscheinbaren Bodenverfärbungen, die fachlich als ‚ungestörte‘ Befunde betrachtet werden – erkennen die meisten DurchschnittsbürgerInnen nicht einmal als „von Menschen geschaffene“ Gegenstände iSd § 1 Abs. 1 DMSG, geschweige denn, dass sie sie als möglicherweise erhaltenswerte Denkmale betrachten würden.

Natürlich ist es schön, wenn dem BDA der Fund eines neu entdeckten zweiten Jünglings vom Magdalensberg gemeldet würde und man diesen Fund dann im aus dem 1. Jh. v.Chr. stammenden Original neben dem Abguss des ersten, der ja im 16. Jh. n.Chr. hergestellt wurde, ins Kunsthistorische Museum stellen kann. Aber das bringt der archäologischen Wissenschaft recht wenig, wenn dafür die Schichten, aus denen er stammt, nicht erhalten geblieben sind und auch nicht bei der Bergung der Statue sachgerecht dokumentiert wurden.

Der Sinn einer Fundmeldepflicht aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht

Aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht ist der Sinn einer Meldepflicht von Bodenfunden ein deutlich anderer als der der Bestimmungen des § 8 Abs. 1 DMSG aus rein rechtlicher Sicht, auch wenn es einige Überschneidungen zwischen diesen Sichtweisen gibt.

Um die Frage, wozu eine gesetzliche Fundmeldepflicht für Bodendenkmale aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht dient, korrekt beantworten zu können, muss man sich zuerst einmal anschauen, welche Aufgabe der Gesetzgeber dem BDA als staatliche Vollzugsbehörde (auch) im Bereich der archäologischen Denkmalpflege aufgetragen hat. Glücklicherweise hat sich der Gesetzgeber dazu in der Regierungsvorlage zur Novelle des DMSG aus dem Jahr 1999 ganz explizit geäußert: „Das Denkmalschutzgesetz ging von vornherein von einer klaren Beschränkung durch wissenschaftlich überlegte Auswahl aus. Nur in dieser Beschränkung kann der Denkmalschutz auch jene Effizienz entfalten, deren er bei einer zu großen Anzahl von Unterschutzstellungen verlustig gehen würde. Aus diesem Grund ist es eine der schwierigsten Aufgaben des Bundesdenkmalamtes, jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39; siehe dazu schon Karl 2018b).

Diese Aufgabe des BDA ist es, die aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht insbesondere auch die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG erforderlich macht: werden zuvor noch gänzlich unbekannte Gegenstände gefunden, die Denkmale iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG sein könnten, aber es nicht unbedingt sind, konnte das BDA logischerweise vor ihrer Entdeckung nicht beurteilen, ob sie rechtlich vor jeder ansonsten möglichen Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland geschützt werden müssen. Sie müssen daher (so nah als irgend möglich) am Zeitpunkt ihrer Entdeckung dem BDA bekannt gegeben werden, damit dieses entscheiden kann, ob es vom Fachlichen her erforderlich und gleichzeitig vom Administrativen her bewältigbar ist, sie gem. §§ 2a, 3 bzw. 9 Abs. 3 DMSG zeitlich unbefristet unter Denkmalschutz zu stellen oder nicht.

Das BDA muss nun jedoch aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht genau die Denkmale iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG aus den tatsächlich gefundenen Gegenständen auswählen, bei denen fachliche Erhaltungserfordernis und administrative Bewältigbarkeit zusammenfallen, weil nur das gewährleistet schließlich, dass es tatsächlich die Denkmale erhalten kann, bei denen dies der Fall ist. Das bedeutet nun aber, dass es eigentlich nicht die Bodenfunde vorgelegt bekommen muss, die der Finder subjektiv für ausreichend bedeutend für die Erhaltung als Denkmale hält. Vielmehr muss es eigentlich jene Bodenfunde vorgelegt bekommen, die tatsächlich – sozusagen ‚objektiv‘ betrachtet – von derart beschaffener geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung aufgrund dieser Bedeutung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Ob ein neu entdeckter Gegenstand so bedeutend ist, dass seine Erhaltung aufgrund dieser Bedeutung im öffentlichen Interesse gelegen ist, ist nun jedoch „eine Tatsache, die idR durch einen Sachverständigenbeweis zu ermitteln ist“ (Bazil et al. 2015, 22). Für die Feststellung dieser Bedeutung ist dabei „die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend. Sie ist insbesondere durch Bedachtnahme auf den Wissens- und Kenntnisstand sachverständiger Kreise zu ermitteln (VwGH 20.11.2001, 2001/09/0072; VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178)“ (Bazil et al. 2015, 22-23; Hervorhebungen: Original). Das bedeutet also, dass dem BDA durch Fundmeldungen wenigstens, und zwar idealerweise genau, die Bodenfunde von ihren Findern bekannt gemacht werden sollten, die entsprechend der in der Fachwelt vorherrschenden Meinung derart bedeutend sind, dass ihre Erhaltung von Fachlichen her erforderlich, aber gleichzeitig auch vom Administrativen her bewältigbar sind.

Auch damit gibt es aber gleich zwei Probleme: erstens ist das in der Realität praktisch und rechtlich völlig unmöglich und zweitens hat das aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht praktisch keinen Sinn. Ich betrachte neuerlich beide Probleme kurz:

Wie gerade ausgeführt, erfordert die aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht ‚objektiv‘ richtige Beurteilung der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung eines neu aufgefundenen Bodenfundes besonderen Sachverstand, um die in sachverständigen Kreisen vorherrschende Meinung korrekt bewerten zu können. Genau dieser besondere Sachverstand fehlt jedoch dem durchschnittlichen Finder, weil die meisten Bodenfunde ja eben gerade nicht von Fachleuten, sondern von durchschnittlichen StaatsbürgerInnen gefunden werden. Das Problem lässt sich auch nicht dadurch lösen, dass man die Frage, ob der aufgefundene Gegenstand tatsächlich ein iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG erhaltenswertes Denkmal ist, durch die Frage, ob er ein solches sein könnte ersetzt: weiß der Finder nicht, was sicher ein und was sicher kein erhaltenswertes Denkmal ist, kann er auch nicht richtig beurteilen, was ein erhaltenswertes Denkmal sein könnte.

Nachdem das den Finder vor ein unlösbares Problem stellen würde, musste der Gesetzgeber eben, wie schon oben ausgeführt, schon 1923 das Wort „offenkundig“ in den Wortlaut der damals (idF BGBl. 533/1923) noch in § 9 Abs. 1 DMSG enthaltenen Fundmeldepflicht einfügen. Dies führt dann, wie ebenfalls schon oben ausgeführt, aus rein rechtlicher Sicht dazu, dass eben kein „allzu hoher Maßstab“ (Karl et al. 2017, 111) angenommen werden darf, sondern ein Finder nur solche Bodenfunde dem BDA melden muss, die ‚jeder‘ (durchschnittliche Staatsbürger) unschwer als (wenigstens möglicherweise erhaltenswertes) Denkmal erkennen kann. Denn aus rein rechtlicher Sicht ist es sowohl essentiell, dass der Staatsbürger mit (wenigstens einigermaßen hoher) Sicherheit diese Bestimmung richtig auslegen und anwenden kann, als auch, dass weder Finder noch das BDA unnötig durch Unmengen an ‚falschen‘ Meldungen mit sinnloser Arbeit belastet werden.

Aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht stellt sich die Sachlage jedoch maßgeblich anders dar: nachdem der Finder selbst die erforderliche Beurteilung gar nicht richtig vornehmen kann, weil ihm dazu der notwendige Sachverstand ja per Definition fehlt, das BDA aber alle Denkmale unter Denkmalschutz stellen muss, die den gesetzlichen Anforderungen genügen, muss der Finder – nachdem er sich ja stets im Zweifel befinden muss, ob das, was er gefunden hat, nicht doch ein Denkmal iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG sein könnte – jeden Bodenfund melden. Aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht ist es also iSd § 8 Abs. 1 DMSG „offenkundig“, dass absolut jeder Bodenfund, bei dem auch nur die entfernteste Chance besteht, dass er ein Denkmal sein könnte, auch tatsächlich dem BDA im Wege einer Fundmeldung zur Kenntnis gebracht wird, damit es aus diesen die auswählen kann, deren Erhaltung „vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39).

Das schlägt sich dann auch in Rechtsauskünften nieder, die das BDA potentiell betroffenen BürgerInnen gibt, die nachfragen, welche Arten von Bodenfunden sicher nicht gem. § 8 Abs. 1 DMSG gemeldet werden müssen. Dazu das BDA im Wortlaut an einen interessierten Bürger: „Ziel des Denkmalschutzes ist, alle von Menschen geschaffenen beweglichen und unbeweglichen Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer und kultureller Bedeutung für die Zukunft zu erhalten. … Der im Denkmalschutzgesetz normierte Denkmalbegriff setzt allerdings kein bestimmtes Alter des Gegenstandes voraus, sodass eine Spezifizierung von Fund- und Befundarten, welche eine Einschränkung des gesetzlichen Denkmalbegriffes bedeuten würde, vom Bundesdenkmalamt nicht vorgenommen werden kann. Eine Rechtssicherheit für BürgerInnen ist bei einer – an sich einfachen – Anzeige ohnedies gegeben“ (BDA 13.3.2012, GZ 841/12/2012; Hervorhebung: RK).

Dass es – in Anbetracht der oben hochgerechneten Zahlen – vom Administrativen her sicherlich nicht bewältigbar wäre, wenn alle Finder alle ihre Bodenfunde dem BDA melden würden, versteht sich von selbst; ich werde aber später noch einmal auf diesen Punkt zurückkommen. Hier sei dazu nur erwähnt, dass das BDA das natürlich weiß und daher MetallsucherInnen bei einschlägigen Informationsveranstaltungen auf die Frage, welche Bodenfunde sie denn nun melden sollen, empfiehlt, sie sollten doch einfach ihren gesunden Menschenverstand benutzen (pers. Komm. B. Hebert, BDA). Soviel zum Thema „Rechtssicherheit“ für betroffene BürgerInnen.

Gleichzeitig führt uns das aber zum zweiten Problem, dass es nämlich aus archäologisch-wissenschaftlicher Perspektive auch weitgehend sinnlos ist, wenn BürgerInnen nur jene von ihnen entdeckten Bodenfunde melden, von denen sich später herausstellen wird, daß sie Denkmale iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG sind. Denn für die moderne Archäologie ist zwar die körperlich unveränderte Erhaltung archäologischer Bodenfunde in Erscheinung und Substanz nicht vollkommen unwesentlich; aber im Prinzip ist diese weit weniger wichtig, als dass alle archäologischen Bodenfunde der wissenschaftlichen Fachwelt bekannt und von ihr bzw. für sie sachgerecht dokumentiert werden, damit wenigstens die wissenschaftlich relevanten Informationen über sie, und optimalerweise auch sie selbst, für die derzeitige und zukünftige wissenschaftliche archäologische Forschung zur Verfügung stehen. Nachdem aber nicht vorhersehbar ist, was zukünftig wissenschaftlich wichtig werden wird, genügt eine wie auch immer sachverständige Auswahl auf Basis der gegenwärtigen Bedeutungszuweisung durch noch so sachverständige Kreise nicht.

Der Sinn einer Fundmeldepflicht aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht

Damit kommen wir zur dritten möglichen Bestimmung des Zwecks einer archäologischen Fundmeldepflicht, nämlich aus der Sicht der archäologischen Wissenschaft. Diese führt neuerlich zu einer anderen Antwort auf die Frage, welche Bodenfunde denn nun dem BDA gemeldet werden sollten, die sich ihrerseits teilweise mit der archäologisch-denkmalpflegerischen Sicht überschneidet.

Aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht sind alle Bodenfunde, und zwar sowohl solche beweglicher Kleinfunde als auch unbeweglicher Bodenbefunde, potentielle Erkenntnisquellen und daher auch wenigstens potentiell wissenschaftlich wichtig. Nun lässt sich jedoch aus erkenntnislogischen Gründen nicht ex ante beurteilen, ob ein bestimmter Bodenfund sich dereinst einmal wissenschaftlich als bedeutsam erweisen wird oder nicht; eine solche Beurteilung ist vielmehr immer erst ex post nach erfolgreichem Abschluss der Forschungen, für deren erfolgreiche Durchführung dieser bestimmte Bodenfund wichtig war, möglich (siehe dazu auch schon Karl 2018c, 101-102). Nachdem die Wissenschaft, auch die archäologische, in Bezug auf ihre möglichen Forschungsfragen offen ist, und gerade in der Archäologie aufgrund der bisherigen Fachentwicklung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass auch die gegenwärtig entstehenden archäologischen Überreste im Boden zukünftig archäologisch-wissenschaftliche Bedeutung erlangen werden, bedeutet das zwingend, dass die archäologische Wissenschaft wenigstens einer sachgerechten Dokumentation, und idealerweise auch der körperlich in Erscheinung und Substanz unveränderten Erhaltung, aller Bodenfunde bedarf, die überhaupt gemacht werden.

Aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht ist also der Sinn einer Fundmeldepflicht, dass wirklich alle Bodenfunde, ob nun beweglich oder unbeweglich, dem BDA gemeldet werden und auch alle beweglichen Kleinfunde zumindest sachgerecht dokumentiert, wenn nicht sogar einer öffentlichen Sammlung einverleibt werden; und alle unbeweglichen Bodenfunde, wenn sie ansonsten zerstört oder verändert würden, sachgerecht archäologisch untersucht (und idealerweise irgendwann auch ausgegraben) werden. Dafür muss die Fachwelt – im Wege des BDA – bei jeder Fundmeldung, die eingeht, entsprechend informiert und personell einbezogen werden, weil von fachlichen Laien schließlich nicht erwartet werden kann, dass sie archäologisch relevant seiende oder zukünftig werden könnende Bodenfunde sachgerecht behandeln.

Ungünstigerweise gibt es aber auch damit zwei besonders maßgebliche Probleme: erstens ist das rechtlich so gut wie völlig unmöglich, und zweitens – und noch wichtiger – praktisch wirklich vollständig unmöglich. Auch noch kurz zu diesen beiden Problemen:

Rechtlich geht das ganze de facto nicht, weil man alle Bodenfunde schützen müsste, ohne dafür mehr als den völlig hypothetischen Grund anbieten zu können, dass sie irgendwann einmal für irgendeine wissenschaftliche Forschung wichtig werden könnten; und dafür zahlreiche Rechte aller jetzt lebenden Menschen massiv beschränken. Denn um das zu erreichen, was die archäologische Wissenschaft braucht (oder wenigstens zu brauchen glaubt) müsste man ja eigentlich allen Menschen, die nicht professionelle ArchäologInnen sind, jede Handlung verbieten, die auch nur möglicherweise dazu führen könnte, dass irgendwelche Bodenfunde nicht sachgerecht dokumentiert, geborgen und aufbewahrt werden. Das würde bedeuten, dass z.B. Bauern ihre Felder nicht mehr bestellen dürften, weil dadurch archäologische Bodenfunde zerstört oder verändert werden könnten, Waldarbeit müsste ebenso verboten werden; ja es dürfte nicht einmal mehr jemand in seinem eigenen Schrebergarten eine Tulpenzwiebel einsetzen; geschweige denn, dass irgendetwas gebaut werden dürfte. Ebenso dürfte niemand mehr irgendwelche Bodenfunde suchen (übrigens etwas, was die archäologische Fachgemeinschaft seit langem fordert), weil durch alle diese Handlungen Bodenfunde zerstört oder verändert werden könnten. Selbst das bloße Spazierengehen müsste man untersagen, weil es könnte ja der nicht ordentlich ausgebildete Spaziergänger völlig unabsichtlich einen auf der Erdoberfläche liegenden Bodenfund nicht rechtzeitig bemerken, ihn unabsichtlich zertreten, und damit möglicherweise eine irgendwann einmal für irgendeinen Wissenschafter zur Beantwortung irgendeiner noch völlig unvorhersehbaren Forschungsfrage wichtig werden könnende Quelle für immer vernichten. Dass das rechtlich nicht geht, versteht sich von selbst.

Und praktisch geht es sowieso nicht: würde man das tatsächlich machen, würde das menschliche Leben zwangsweise vollständig zum Erliegen kommen, weil niemand mehr irgendwelche Feldfrüchte anbauen oder Nutztiere halten dürfte, weil sowohl Ackerbau als auch Viehzucht selbstverständlich stets archäologische Bodenfunde gefährden. Wir würden also alle recht rasch verhungern. Da ist dann die Fundmeldepflicht für „Zufallsfunde“ auch völlig egal, weil tote ArchäologInnen forschen auch nichts mehr.

Wie viel Zeit braucht die Bearbeitung von Bodenfunden?

In Anbetracht der oben hochgerechneten Zahlen und der Tatsache, dass die Antwort auf die Frage, welche Bodenfunde denn überhaupt gemeldet werden sollten, davon abhängt, ob man sie aus verwaltungsrechtlicher, archäologisch-denkmalpflegerischer oder archäologisch-wissenschaftlicher Sicht betrachtet und dann, je nachdem, „praktisch keine“, „alle wichtigen“, oder „absolut alle“ lautet, sollte man sich der Sache vielleicht besser zuerst umgekehrt nähern, indem man die Frage stellt: wie viel Zeit braucht man eigentlich für die archäologisch-wissenschaftliche Bearbeitung von Bodenfunden?

Weil letztendlich geht es ja, wenigstens aus archäologisch-wissenschaftlicher und archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht, aber eigentlich auch aus verwaltungsrechtlicher Sicht, beim Schutz von Bodenfunden durch denkmalrechtliche Fundmeldepflichten vorwiegend (oder wenigstens auch) um die Erhaltung der Denkmale als wissenschaftliche Forschungsquellen. Das heißt zwar keineswegs, dass das der einzige Grund ist, warum man wenigstens manche Bodenfunde als Denkmale erhalten will – Denkmale haben schließlich auch noch andere Funktionen – aber dennoch ist ihr Wert als Erkenntnisquelle (schon Riegl 1903 zufolge) jedenfalls einer, wenn nicht sogar der wichtigste, ihrer Denkmalwerte. Damit dieser Denkmalwert aber wirklich relevant wird, muss man ihn auch tatsächlich realisieren, d.h. das Denkmal auch erforschen. Erforscht man es nämlich nicht, bleibt der ihm innewohnende Erkenntniswert nicht mehr als ein hypothetisches Potential, das zwar eventuell – wenn man es für die Erforschung durch künftige Generationen tatsächlich unverändert in Erscheinung und Substanz unverändert erhält – langfristig erhalten bleibt, aber nicht in reale Erkenntnis umgewandelt wird und damit nutz- und somit auch praktisch wertlos bleibt.

Die Erforschung von Denkmalen braucht jedoch wenigstens Zeit (um von finanziellen und anderen Ressourcen erst gar nicht zu reden); und diese Zeit muss auch tatsächlich investiert werden, damit man das Erkenntnispotential, das in einem Denkmal steckt, in tatsächliche gewonnene und damit nutzbringende Erkenntnis umwandeln kann. Zeit ist aber – nicht anders als archäologische Bodenfunde – keine unbegrenzte Ressource, sondern steht zu jedem konkreten Zeitpunkt bzw. in jedem konkreten Zeitraum nur in beschränkter Menge zur Verfügung. Ermittelt man also, wie viel Zeit die archäologisch-wissenschaftliche Bearbeitung von Bodenfunden durchschnittlich kostet, kann man entweder hochrechnen, wie viel archäologisch-wissenschaftliche Bearbeitungskapazität bereitgestellt werden muss, um alle tatsächlich entdeckten Bodenfunde wissenschaftlich bearbeiten zu können, wenn alle gemeldet werden würden; bzw. umgekehrt, wie viele Bodenfunde bei bekannter Bearbeitungskapazität gemeldet werden sollten, damit die archäologische Wissenschaft damit auch fertig wird. Aus einer Kombination von beiden oder wenigstens letzterer Hochrechnung lässt sich dann eventuell ermitteln, wie viele Bodenfunde gemeldet werden sollten; und dann mittelbar die Frage beantworten, welche gemeldet werden sollten.

Durchschnittliche Bearbeitungszeiten für Bodenfunde

Glücklicherweise kann man im Bereich der Archäologie auf langjährige Erfahrungswerte zurückgreifen, wie viel Zeit für die wissenschaftliche Bearbeitung von Bodenfunden erforderlich ist. Aus diesen Erfahrungswerten – die zwar nur in seltenen Fällen niedergeschrieben und publiziert werden, aber manchmal glücklicherweise doch – lässt sich ein Durchschnittswert wenigstens im Sinne einer ersten Näherung bestimmen, den wir dann für unsere Hochrechnungen verwenden können.

Bearbeitungszeiten für Bodenfunde: das britische PAS

Einen gerade für die Abschätzung der durchschnittlich erforderlichen Bearbeitungszeit für durch durchschnittliche BürgerInnen an archäologische Fundmeldeeirichtungen gemeldete Bodenfunde bis zu einem Punkt, an dem sie wissenschaftlich sinnvoll verwertbar werden, nutzbaren Ausgangspunkt bieten die Zahlen des bereits erwähnten PAS. Dabei handelt es sich bekanntermaßen um ein (großteils auf freiwilliger Basis funktionierendes) Meldesystem, bei dem Finder – insbesondere MetallsucherInnen – ihre in England und Wales entdeckten Bodenfunde melden können. Das PAS operiert inzwischen seit über 20 Jahren und hat in diesem Zeitraum insgesamt (Stand: 15/2/2019, 17:00 GMT) 1.393.209 Einzelfunde in seiner Datenbank registriert.

Den Zahlen des letzten bisher vorliegenden Berichts des PAS für das Jahr 2017 zufolge, wurden in diesem Jahr 79.353 Funde in die Datenbank des PAS eingegeben (PAS 2017, 35). Die dafür notwendige Bearbeitung und Dateneingabe wurde dabei hauptsächlich von den Finds Liaison Officers (FLO) des PAS selbst vorgenommen, teilweise unterstützt durch freiwillige MitarbeiterInnen, insbesondere bei größeren Dokumentationsereignissen wie Fundbestimmungtagen für MetallsucherInnen. Jeder (vollständige) Datenbankeintrag in der PAS-Datenbank stellt eine grundlegende Bearbeitung des Fundes entsprechend fachlichen Vorstellungen dar; d.h. entspricht etwa dem, was man im deutschen Sprachraum in der Archäologie in einer Fundvorlage in einer Fachpublikation erwarten würde (Fundort, Beschreibung, Maßangaben, typologische Ansprache, Datierung, Verweise auf Parallelen und/oder Fachliteratur, maßstabsgetreue Abbildung). 2017 beschäftigte das PAS für vorwiegend diese Aufgabe 40 Funds Liaison Officers, unterstützt von 11 weiteren Mitarbeitern (FundspezialistInnen, etc.; PAS 2017, 5).

Gemittelt lässt sich der Einfachheit halber annehmen, dass der durchschnittliche Vollzeit-FLO pro Jahr etwa 1,600-2,000 (durchschnittlich 1,800) Funde in die Datenbank des PAS einzuarbeiten schafft.[6] Das entspricht – bei ca. 1,800 Jahresarbeitsstunden pro MitarbeiterIn – durchschnittlich etwa einem aufgenommenem Fund pro Arbeitsstunde, bzw. zwischen ca. 53 und 67 Minuten Aufnahmezeit pro Fund.

Massenfundbearbeitungszeiten: deutscher Sprachraum

Im Tagungsband des Fachgesprächs des BDA im Jahr 2014 zur Problematik des Umgangs mit Massenfunden und Fundmassen findet sich ein interessanter Beitrag von Andreas Heege (2015), in dem dieser den Zeitaufwand für die Bearbeitung von Keramikmassenfunden anhand von Beispielen aus dem deutschen Sprachraum diskutiert.

Von besonderem Interesse für uns ist dabei sein Beispiel über die Auswertung der Keramikfunde von den Grabungen und Bauuntersuchungen am Kirchhügel von Bendern in Liechtenstein (Heege 2015, 44-48). Denn diese Arbeiten wurden zwischen 1968 und 1990 durch den Lehrer Georg Malin nur bedingt sachgemäß durchgeführt, insbesondere wurden die Fundmaterialien nicht stratigrafisch, sondern nur nach Grabungsschnitten getrennt, das vorliegende Material ist also ähnlich wie durch Fundmeldungen bekanntwerdende Fundgegenstände nicht mehr bestimmten archäologischen Kontexten zuzuordnen. Von den 54.442 Keramikfragmenten aus dem 12.-20. Jh. n.Chr. wurden nur 3,4% in die Materialvorlage aufgenommen. Dabei ergab sich pro Katalog- und Tafelnummer eine archäologisch-wissenschaftliche Gesamtauswertungszeit eines routinierten Bearbeiters von etwa 2 Stunden, plus etwa eine weitere Stunde Hilfstätigkeiten wie Waschen, Zusammensetzen etc. und Zeichnen der als publikationswürdig erachteten Funde. Bei einem weniger routinierten Bearbeiter, der sich noch in Materie und Methodik einarbeiten muss, rechnet Heege (2015, 44-45) damit, dass man die Arbeitszeit mit einem Faktor von 1,5-2 multiplizieren muss.

Heege rechnet seine Ergebnisse aus der Analyse der Aufarbeitung der Keramikfunde von Bendern bequemerweise auch noch gleich um: „Bei 10.000 Fragmenten und ca. 4 % Katalogauswahl fallen mindestens 70.000 Arbeitsminuten oder 1.166 Stunden an. Es ist mit mindestens 400 zu zeichnenden oder zu fotografierenden Stücken zu rechnen, was als Gesamtarbeitszeit für den Archäologen mindestens 800 Stunden ergibt. Je 1 % zusätzlicher Katalogauswahl ergeben sich 200 zusätzliche Arbeitsstunden des Auswerters und 150 Stunden eines Zeichners oder ca. 37 Stunden eines Fotografen/Bildbearbeiters.“ (Heege 2015, 46). Gleichzeitig verweist er aber auch auf die von derartiger „Keramik-Fließbandarbeit“ ausgehende psychologische Belastung des Bearbeiters und dass diese kaum längerfristig mit vergleichbarer Intensität geleistet werden kann.

Die weiteren Beispiele Heeges (2015, 48-50), die stratifizierten Funde aus einer Grabung in einem Stadtquartier aus dem 12.-16. Jh. n.Chr. in Einbeck in Niedersachsen und ebenfalls stratifizierten Funde aus einer Grabung in einer römischen Glashütte und mittelalterlichen Wüstung in Hambach im Rheinland erforderten hingegen etwa die doppelte bis Dreifache Bearbeitungszeit wie das unstratifizierte Material aus Bendern; weil die Zuordnung zu einzelnen Kontexten einen weniger radikalen Umgang mit dem Fundmaterial erforderlich macht. Dabei bleibt die tatsächliche Bearbeitungszeit pro in den Katalog aufgenommenen Fundgegenstand selbstverständlich gleich, aufgrund der jeweils pro Kontext deutlich geringeren Fundzahlen ist jedoch eine ebenso radikale Ausscheidung von Ausschuss wie bei unstratifizierten Materialien nicht möglich, sondern es müssen eventuell 8-10% des Gesamtfundmaterials aufgenommen und ausgewertet werden. Dadurch, dass pro 10.000 Fragmenten damit 800-1.000 bearbeitet werden müssen, steigt logischerweise der Arbeitszeitbedarf entsprechend an.

Pro Fundgegenstand, der es in die eigentliche Materialvorlage schafft – der also im Falle das PAS in dessen Online-Datenbank eingepflegt würde – ist laut diesen Berechnungen also mit etwa 175 Minuten Arbeitszeit zu rechnen. Dies ist, wie leicht erkennbar ist, etwa die dreifache Zeit, die PAS-FLOs pro Fundgegenstand brauchen.

Durchschnittlicher Arbeitsaufwand pro Fundgegenstand

Diese Diskrepanz lässt sich aber in erster Linie dadurch erklären, dass einerseits die FundmelderInnen den FLOs regelhaft bereits einiges an Vorarbeit (wie z.B. das Reinigen von Funden) abgenommen haben, oft auch als Freiwillige bei der Fundaufnahme – mehr oder minder tatsächlich in einer Art „Fließbandarbeit“ mit mehreren Dokumentationsstationen – mithelfen und Metallfunde – und darum handelt es sich bei PAS-Funden vorwiegend – bekanntermaßen vergleichsweise leichter zu identifizieren und klassifizieren sind als Keramikfragmente. Dies ist insbesondere der Fall, wenn – wie es das PAS schließlich tut – diese Metallfunde nahezu ebenso radikal selektiert werden wie das Keramikfundmaterial von Bendern – nur etwa 10% der FLOs vorgelegten Funde dürften es in die Datenbank schaffen – und daher in aller Regel nur gut erhaltene Stücke überhaupt als aufnahmewürdig betrachtet werden (PAS n.d.). Das erleichtert den Fundaufnahme- und Auswertungsprozess im Vergleich zu Keramikfragmenten aus nicht gut erforschten Zeitperioden und Räumen (Heege 2015, 44) zusätzlich.

Man kann also für nicht stratifizierte Bodenfunde mit einem durchschnittlichen Arbeits(zeit)aufwand von wenigstens etwa einer Stunde pro tatsächlich aufgenommenem und bearbeitetem Stück ausgehen.[7] Mehr als etwa 3 Stunden Arbeitszeit pro Stück sind hingegen in aller Regel bei unstratifizierten Funden nicht zu erwarten, insbesondere wenn sie als Massenfundkomplexe vorliegen.

Gleichzeitig ist aber auch zu bedenken, dass der Anteil der zur Dokumentation ausgewählten Funde in der Regel umso mehr ansteigt, desto kleiner die dem Bearbeiter auf einmal vorgelegten Materialmengen sind. Je kleiner der einzelne ihm vorgelegte Fundkomplex, desto eher wird die Auswahl auch nur der ein oder zwei „besten“ Stücke dazu führen, dass ein weitaus größerer Anteil des jeweiligen Komplexes dokumentiert und bearbeitet wird als bei größeren. Bei größeren Massenfundkomplexen sinkt also vergleichsweise zu kleineren die Arbeitszeit für die Aufnahme des Gesamtmaterials, weil viel radikaler größere Prozentsätze des vorgelegten Materials als – im jeweiligen Fundkomplex – vergleichsweise unbedeutend ausgeschieden werden können.

Hochrechnungen: Arbeitszeiterfordernis für Aufnahme verschiedener Bodenfunde

Damit können wir nun auf Basis der schon weiter oben angestellten Hochrechnungen zur Anzahl von Funden von Bodendenkmalen, archäologischen Bodenfunden, und allen Bodenfunden, den Arbeitszeitbedarf zur Aufarbeitung dieser verschiedenen Gattungen von Bodenfunden hochrechnen.

Geht man davon aus, dass in Österreich jedes Jahr tatsächlich zwischen ca. 2.184 und 6.552 Fundgegenstände entdeckt werden, die so „offenkundig“ bedeutende Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG sind wie „der Fund eines römerzeitlichen Bronzehelms“ (Karl et al. 2017, 112), und mit ca. 1-3 Stunden Zeit für die Erstaufnahme eines jeden derartigen Fundes zu rechnen ist, kommt man zu den folgenden Ergebnissen: für die Aufnahme dieser Funde müsste man wenigstens 2.148 und bis zu 19.656 Arbeitszeit pro Jahr veranschlagen; im Mittel wohl so um die 8.736 Arbeitsstunden pro Jahr. In Vollzeitstellen (gerechnet mit ca. 1.800 Arbeitsstunden pro Vollzeitstelle pro Jahr) wären das etwa 1,2 bis 11 Stellen, im Mittel ca. 5 Stellen.

Rechnet man hingegen für derzeit als wissenschaftlich ‚wichtig’ betrachtete archäologische Bodenfunde auf dieselbe Weise hoch, muss man mit wenigstens ca. 436.800 bis ca. 3,9 Millionen Arbeitsstunden allein für die Erstaufnahme dieser ‚wichtigen‘ Bodenfunde rechnen; im Mittel wohl so um die 1,75 Millionen Arbeitsstunden. Das wären mindestens ca. 243 Vollzeitstellen, eventuell bis zu 2.184, im Mittel vermutlich so um die 970 Posten, die man dafür bräuchte, um derartige Fundmassen komplett erstaufzunehmen.

Rechnet man schließlich hoch, wieviel Arbeitszeit es mutmaßlich kosten würde, wirklich alle Bodenfunde, die derzeit wahrscheinlich alljährlich durch MetallsucherInnen in Österreich gemacht werden, wissenschaftlich sachgerecht zu erfassen, käme man auf mindestens knapp unter 1 Million und bis zu etwas über 13 Millionen Arbeitsstunden, im Mittel wohl so um die ca. 5,25 Millionen. Das wären mindestens ca. 530 Vollzeitstellen, eventuell sogar beinahe 7.300, im Mittel etwa 2.900.

Es bedarf hier keiner weiteren Erwähnung, dass von all diesen hochrechenbaren Arbeitsstunden und dafür erforderlichen Vollzeitstellen gerade einmal die allerersten – die für Fundmeldungen bei Funden von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG – auch nur ansatzweise realistisch erscheinen. Wir können natürlich davon träumen, dass irgendwann einmal eine Bundesregierung das BDA personell mit zusätzlichen 500 ArchäologInnenposten ausstatten wird, oder sogar mehreren tausenden zusätzlichen Vollzeitstellen; weil träumen darf man schließlich noch. Aber verwirklicht werden wird dieser Traum wohl niemals, schon gar nicht in der Lebenszeit von irgendeinem heute lebenden Archäologen.

Hochrechnungen: Wie viele Fundmeldungen sind vom Administrativen her bewältigbar?

Man kann die Hochrechnung natürlich auch umgekehrt angehen und, ganz im Sinne der Wünsche des Gesetzgebers, hochzurechnen versuchen, wie viele Fundmeldungen „vom Administrativen her bewältigt werden“ (RV 1999, 39) können. Das Ergebnis ist, wenn man das tut, noch erschreckender.

Das österreichische BDA beschäftigt derzeit einen archäologischen Mitarbeiter hauptsächlich für Redaktionsaufgaben, insbesondere für die ihm gesetzlich gem. § 11 Abs. 7 DMSG verpflichtend vorgeschriebene, alljährliche Publikation der Fundberichte aus Österreich (FÖ). Dieser Mitarbeiter ist, so ließe sich argumentieren, der einzige vom BDA derzeit für die Bearbeitung von Fundberichten beschäftigte Mitarbeiter, denn alle anderen Fachkräfte der Abteilung haben zahlreiche andere und – wenigstens argumentierbarerweise – wichtigere Aufgaben zu erledigen, für deren Erledigung sie sicherlich schon ganz ohne sich auch noch wissenschaftlich um Zufallsfundmeldungen kümmern zu müssen unmöglich genug Arbeitszeit zur Verfügung haben können (siehe dazu schon Karl 2011b, 5, 13-15).

Und selbst der eine Mitarbeiter, der für die FÖ und damit wenigstens mittelbar auch für die wissenschaftliche Aufarbeitung eingehender Fundmeldungen beschäftigt wird, hat eigentlich dafür gar keine Zeit. Schließlich muss er jährlich um die 600 eingehende Grabungs- und sonstige archäologische Maßnahmenberichte zu den zuletzt (BDA 2016) samt digitalem Teil insgesamt 9.515 Seiten umfassenden FÖ zusammenstellen und jedes Jahr gewöhnlich noch einige weitere Publikationen redaktionell betreuen. Maximal stehen also – und da bin ich jetzt schon auf die Kosten von Nikolaus Hofer sehr großzügig mit seiner Arbeitszeit – maximal etwa 10% seiner Arbeitszeit für die wissenschaftliche Aufnahme eingehender § 8 Abs. 1 DMSG-Fundmeldungen zur Verfügung, d.h. maximal 180 Arbeitsstunden pro Jahr. Nimmt man also die durchschnittliche Arbeitszeiterfordernis des PAS von etwa einer Stunde pro aufzunehmendem Bodenfund an, kann er pro Jahr ca. 180 derartige Funde wissenschaftlich aufnehmen; nimmt man Heeges (2015, 45) geschätzte ca. 3 Arbeitsstunden pro Fund, kommt er hingegen gerade einmal auf maximal ca. 60 Funde pro Jahr, die er wissenschaftlich aufnehmen kann. Arbeitet man mit diesen Werte, gehen jetzt schon mit den durchschnittlich 200-300 pro Jahr eingehenden derartigen Meldungen, die durchschnittlich sicher weit mehr als nur einen aufnahmewürdigen Fund enthalten, zu viele Fundmeldungen pro Jahr für dessen verfügbare Bearbeitungskapazität beim BDA ein.

Natürlich hat das BDA mehr archäologische MitarbeiterInnen als nur diesen einen, insgesamt sind es derzeit wohl so um die 14 Vollzeitstellen (zeitliche Schwankungen aufgrund von Pensionierungen und Neuanstellungen mit berücksichtigend). Darüber hinaus beschäftigen auch andere öffentliche Einrichtungen in Österreich (Museen der Gebietskörperschaften), die als alternative Meldestellen gem. § 8 Abs. 1 DMSG zulässig sind, professionelle ArchäologInnen in ihren jeweiligen Sammlungen; insgesamt sind das wohl weitere ca. 30 archäologische Fachkräfte. Nimmt man an, dass diese alle jeweils etwa 10% ihrer Arbeitszeit auf die Aufnahme und Bearbeitung von Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 DMSG aufwenden könnten – was neuerlich eigentlich völlig unrealistisch ist, weil sie alle schon mit ihren anderen dienstlichen Aufgaben mehr als zu 100% zeitlich ausgelastet sind, wie ich aus eigener Kenntnis einer Mehrheit davon mit Sicherheit weiß – wären das österreichweit ca. 7.920 Arbeitsstunden, die man in die Bearbeitung von Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 DMSG investieren könnte.

Damit könnte man also – wenn auch nur mit wenig Sicherheitspolster – die mutmaßlich derzeit alljährlich in Österreich durch MetallsucherInnen entdeckten Funde von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG wissenschaftlich aufnehmen und soweit bearbeiten, dass sie danach für weiterführende wissenschaftliche Forschungen verwendbar werden. Denn das würde bei Annahme einer Stunde Arbeitszeit pro Fundgegenstand die Aufnahme von bis zu 7.920 Fundgegenständen, bei drei Stunden hingegen immer noch von etwa 2.640, im Mittel etwa 5.280 ermöglichen, womit man wenigstens etwa im Bereich der zu erwartenden ca. 2.184 bis 6.552 pro Jahr entdeckten Bodendenkmale liegen würde (natürlich allerdings nur, wenn entweder wirklich durchschnittlich nur etwa 1 Stunde Arbeitszeit pro Fundgegenstand für die Aufnahme und Bearbeitung erforderlich ist oder die Zahl der tatsächlich eingehenden Fundgegenstände pro Jahr nahe der Untergrenze des hochgerechneten Spielraums liegt. Würde nämlich die Aufarbeitung jedes gemeldeten Gegenstandes etwa 3 Stunden dauern und alljährlich ungefähr 6.552 Funde von Bodendenkmalen gemeldet, würde deren Aufarbeitung bereits ca. 19.656 und damit beinahe das Dreifache dieser hypothetisch verfügbaren Arbeitsstunden kosten).

Laut unseren Schätzungen im Rahmen der Studie Discovering the Archaeologists of Europe 2012-2014 waren 2013 ca. 900 ArchäologInnen in Österreich auf bezahlten Posten beschäftigt (Karl & Möller 2014, 12). Wenn man annehmen will, dass diese allesamt nichts außer gem. § 8 Abs. 1 DMSG eingehende Fundmeldungen bearbeiten würden, stünden insgesamt etwa 1,6 Millionen Jahresarbeitsstunden für die Erledigung dieser Aufgabe zur Verfügung. Würde die Bearbeitung eines einzelnen Fundgegenstandes durchschnittlich nur eine Stunde dauern, würde das genügen, um die minimal jedes Jahr in Österreich von MetallsucherInnen gefundenen ca. 1 Million Bodenfunde aufzuarbeiten; oder aber die maximal ca. 1,5 Millionen einigermaßen ‚bedeutenden‘ archäologischen Bodenfunde, die in diesem Zeitraum eventuell entdeckt werden könnten. Selbst wenn man 3 Stunden durchschnittliche Aufarbeitungszeit pro ‚bedeutendem‘ archäologischen Bodenfund ansetzt, würden diese ca. 900 archäologischen Arbeitskräfte etwa 540.000 davon pro Jahr abarbeiten können; d.h. mit dem Mindestschätzwert von ca. 436.800 solchen Funden fertig werden, allerdings schon nicht mehr mit den ca. 873.600, die wahrscheinlich pro Jahr entdeckt werden. Selbst wenn man also die gesamte archäologische Arbeitskapazität, die in Österreich 2013 verfügbar war – und es ist unwahrscheinlich, dass diese Kapazität seither stark gestiegen ist – ausschließlich zur Aufarbeitung der Meldungen der Bodenfunde verwenden würde, die MetallsucherInnen jedes Jahr im Land entdecken, würde man aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal annähernd damit fertig.

Diese Zahlen zeigen in erschreckender Deutlichkeit, was – bzw. genauer gesagt, wie wenig – derzeit in Österreich „vom Administrativen her“ (RV 1999, 39) an alljährlich eingehenden Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 DMSG bewältigt werden kann. Mit viel Glück schafft man – wenn man die von den Gebietskörperschaften in dafür vorgesehenen Einrichtungen beschäftigten professionellen ArchäologInnen 10% ihrer gesamten Jahresarbeitszeit auf die Behandlung von eingehenden Fundmeldungen verwenden lässt – mit der hochgerechneten Anzahl von Funden von Bodendenkmalen aus verwaltungsrechtlicher Sicht fertig zu werden; und dafür müsste man ihnen sicher irgendwelche anderen Aufgaben wegnehmen, die sie derzeit im Rahmen ihrer Dienstpflichten erfüllen müssen. In Wahrheit würde die österreichische archäologische Fachwelt also nicht einmal mit den Fundmeldungen fertig, die alljährlich beim BDA oder anderen gem. § 8 Abs. 1 DMSG zulässigen archäologischen Fundmeldestellen abgegeben werden müssten, wenn alle MetallsucherInnen die Bestimmungen des § 8 Abs. 1 DMSG in jedem Einzelfall richtig auslegen und sich auch tatsächlich an die dadurch vorgesehene Fundmeldepflicht halten würden.

Lauwarme politische Luft

Es wäre also derzeit nicht einmal „vom Administrativen her“ (RV 1999, 39) bewältigbar, wenn alle Normunterworfenen tatsächlich die einschlägigen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 DMSG anwenden würden, wie es der Gesetzgeber von 1923 (und jeder weitere seither, der die einschlägige Bestimmung nicht geändert hat) angewendet sehen wollte. Das sagt eigentlich ohnehin schon alles, was man über die politische Wertschätzung des archäologischen Denkmalschutzes in Österreich wissen muss: diese Wertschätzung existiert nur am Papier und in mehr oder minder schönen, wohlwollenden, aber letztendlich inhaltlich substanzlosen Worten, die in der Praxis nichts wert sind. Denn wären sie etwas wert, müsste die Bundesregierung im BDA wenigstens ca. 11 archäologische Fachkräfte ausschließlich dafür vollzeitbeschäftigen, dass sie sich um eingehende Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 DMSG kümmern. Tatsächlich stellt sie hingegen nicht einmal 10% der Arbeitszeit eines einzigen solchen Mitarbeiters dafür zur Verfügung.

Wie viele Fundmeldungen braucht das Land?

Aber was bedeutet das für die eingangs dieses Artikels gestellte Frage, wie viele Fundmeldungen das Land (Österreich) tatsächlich brauchen würde?

Schließlich kann es weder aus archäologisch-denkmalpflegerischer noch aus archäologisch-wissenschaftlicher, ja nicht einmal aus denkmalverwaltungsrechtlicher Sicht wirklich befriedigen, wenn alljährlich so um die 200-300 Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 DMSG beim BDA eingehen, von denen noch dazu die überwiegende Mehrheit nicht einmal wirklich Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG betrifft, sondern eigentlich eher nur (mehr oder minder archäologisch ‚bedeutsame‘) Bodenfunde, die absehbarerweise niemals gem. §§ 2a, 3 bzw. 9 Abs. 3 DMSG zeitlich unbefristet unter Denkmalschutz gestellt werden könnten. Schon gar nicht in Anbetracht der Tatsache, dass jedes Jahr wohl ungefähr 4.500 bewegliche Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG, um die 875.000 aus derzeitiger Sicht archäologisch einigermaßen ‚bedeutende‘ und ungefähr 2,6 Millionen wenigstens zukünftig eventuell archäologisch bedeutsam werden könnende Bodenfunde von MetallsucherInnen aus dem Boden entnommen werden.

Gleichzeitig ist es aber umgekehrt völlig sinnlos, in Anbetracht der tatsächlich verfügbaren archäologischen Kapazitäten zur Aufnahme und wenigstens grundlegenden Bearbeitung eingehender Fundmeldungen, als wissenschaftliches Fach oder Denkmalbehörde danach zu rufen, dass idealerweise alljährlich die ca. 2,6 Millionen Bodenfunde, die irgendwann einmal in der Zukunft archäologisch bedeutsam werden könnten, oder auch nur die etwa 875.000, die aus derzeitiger fachlicher Sicht wenigstens einigermaßen ‚bedeutend‘ sind, gemeldet werden sollten. Wir würden schließlich derzeit nicht einmal mit den ca. 4.500 Funden von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG (in streng rechtlichem Sinn) fertig, wenn diese tatsächlich gemeldet würden.

Und wir können auch nicht ernsthaft wollen, dass jährlich zusätzlich auch nur 875.000 zusätzliche ‚bedeutende‘, geschweige denn ca. 2,6 Millionen derzeit mehrheitlich aus wissenschaftlicher Sicht (noch) vollkommen unbedeutende Bodenfunde in unseren ohnehin schon aus allen Nähten platzenden Depots eingelagert werden. Wir haben dafür einfach nicht den Platz, sondern müssten ganz im Gegenteil schon unsere derzeit bestehenden Sammlungen kräftig aussortieren, damit wir überhaupt noch mit ihnen arbeiten und die Funde, die (absehbarerweise) wirklich wichtig sind, tatsächlich längerfristig erhalten können (siehe dazu schon Karl 2015; 2016). Selbst die gesamte prähistorische Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien enthält derzeit wohl deutlich weniger als 2,6 und vermutlich kaum mehr als 875.000 archäologische Funde; welchen Sinn sollte es da haben, jedes Jahr wenigstens noch einmal so viel, wie schon da ist, hinzuzufügen? Wir kommen ja nicht einmal ansatzweise mit der wissenschaftlichen Auswertung der schon bestehenden Sammlungen, geschweige denn der der alljährlich eingehenden Grabungsergebnisse nach. Millionen zusätzliche, unstratifizierte Funde pro Jahr schaden da eher, als sie helfen.

Gleichzeitig besteht aber auch das Problem, dass all diese Bodenfunde, die MetallsucherInnen alljährlich machen, auch keineswegs in situ erhalten bleiben werden, wenn man sie einfach dort belässt, wo sie derzeit noch sind. Wie erst jüngsthin gezeigt, muss man schließlich annehmen, dass die überwältigende Mehrheit all dieser Bodenfunde nicht aus tieferliegenden, ‚ungestörten‘ archäologischen Stratifikationen im Boden stammt (siehe dazu Karl 2018d), sondern aus dem modern gestörten und ständig weiter verändert werdenden Oberboden. Dass sich diese dort erhalten, bis wir – vielleicht – in ein paar hundert, wenn nicht erst in tausend Jahren dereinst dazu kommen, sie professionell auszugraben (Karl 2019), das kann wohl niemand wirklich ernsthaft glauben.

Das unlösbare Problem der Archäologie

Tatsächlich stehen wir als ArchäologInnen und archäologische DenkmalpflegerInnen schon seit langem vor einem unlösbaren Problem: wir können einfach nicht alles erhalten, was wir gerne erhalten würden, weil uns dazu sowohl die Kapazität, als auch die Mittel, als auch der notwendige Lagerraum fehlt; und wir können auch unmöglich überall sein, wo Archäologie durch irgendwelche natürlichen Ereignisse oder irgendwelche menschlichen Handlungen gefährdet werden könnte. Diesem Problem – dass es nie genug ArchäologInnen geben wird, um alles rechtzeitig sachgerecht erforschen, ausgraben und gleichzeitig physisch in Erscheinung und Substanz unverändert erhalten zu können – müssen wir uns endlich ernsthaft stellen; und endlich damit aufhören, uns eine bequeme Schutzbehauptung nach der anderen auszudenken, um uns dem eigentlichen Problem nicht stellen zu müssen, das wir unzweifelhaft haben.

Es nützt nichts, sich selbst – und anderen – vorzulügen, dass man, wenn nur die ‚bösen‘ MetallsucherInnen davon abgehalten werden könnten, selbstständig Löcher in den Boden zu graben, um Metallfunde aus dem Boden zu holen, diese Metallfunde dort erhalten bleiben würden, bis wir sie irgendwann in einer fernen Zukunft professionell retten können. Ebenso wenig nützt es, sich vorzulügen, dass Archäologie am besten in situ erhalten wird, wenn wir sie nicht tatsächlich in situ erhalten können, sondern sie nur einfach dort unbemerkt vor die Hunde geht. Das ist nicht mehr und nicht weniger als vergnügliche Liedchen zu fiedeln, während Rom draußen vor dem Fenster schon lichterloh brennt. Und aus diesem Grund ist auch die Frage vollkommen sinnlos, wie viele Fundmeldungen das Land brauchen würde, wenn wir weder die Kapazität noch die Ressourcen haben, mit diesen irgendetwas anzufangen, wenn wir sie bekommen würden.

Das Problem, dass mehr Archäologie kaputt geht, als wir professionellen ArchäologInnen und DenkmalpflegerInnen retten können, wird durch keinen noch so elaboraten Selbst- und Fremdbetrug gelöst werden können. Wenn wir also das Beste für die Archäologie wollen, müssen wir an das Problem ganz anders herangehen als bisher: nicht uns ebenso heldenhaft wie dumm gegen die unaufhaltsame Flut zu stemmen versuchen; sondern das zu retten versuchen, was wir vorhersehbarerweise derzeit und zukünftig wirklich noch brauchen können. Und so weh uns das auch tun mag, das bedeutet, dass das, was nicht gerettet werden kann, auch aufgegeben werden muss.

Unser Problem ist, dass es nicht, wie wir uns seit über einem Jahrhundert selbst einreden, zu wenig Archäologie gibt, sondern viel zu viel. Wir müssen daher endlich lernen, das aufzugeben, das zu viel für uns ist; und uns stattdessen auf das zu konzentrieren beginnen, mit dem wir auch wirklich (noch) etwas anfangen können. Oder, wie es der Gesetzgeber ganz richtig ausgedrückt hat: auf das, was „vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39).

Wir brauchen Meldungen über die Funde, die wir brauchen

Was Fundmeldungen durch MetallsucherInnen und andere gewöhnliche BürgerInnen betrifft, ist daher auch nicht so sehr die Frage relevant, wie viele davon bei uns eingehen, sondern vielmehr primär die Frage, welche bei uns eingehen. Denn betrachtet man das Problem aus dem zuletzt genannten Blickwinkel – dem der unausweichlich notwendigen fachlichen Auswahl des Wichtigeren aus dem Unwichtigeren – ist die Antwort auf die Frage „Welche Fundmeldungen brauchen wir?“ die, dass wir die Fundmeldungen brauchen, die wir brauchen.

Das ist mehr als eine bloße Tautologie: es ist im Prinzip nahezu völlig egal, ob wir – wie bisher – alljährlich nur 200-300 Fundmeldungen von Findern von irgendwelchen Bodenfunden übermittelt bekommen, oder ob wir alljährlich alle geschätzt ca. 4,5 Millionen Funde gemeldet bekommen, die MetallsucherInnen und andere BürgerInnen maximal finden dürften. Weil bei den 200-300, die bislang alljährlich einlangen, sind die Funde, die wir wirklich wollen und brauchen würden, nicht dabei; und würden alljährlich 4,5 Millionen davon eingehen, würden wir sie in der eingehenden Masse von Fundmeldungen, die wir in der uns verfügbaren Zeit nicht einmal auch nur oberflächlich durchschauen könnten, aller Wahrscheinlichkeit nach einfach alle übersehen. Das Ergebnis wäre also das Gleiche: die, die wir wirklich brauchen, würden verloren gehen, entweder weil wir gleich gar nicht von ihnen erfahren oder weil sie in der eingehenden Informationsflut untergehen. Wir brauchen auch nicht eine bestimmte Anzahl, also z.B. nur die ca. 4.500, für die wir vielleicht derzeit genug verfügbare Kapazität hätten. Wir brauchen vielmehr die richtigen, d.h. die ‚Wichtigsten‘, mit denen wir auch mit unserer verfügbaren Kapazität tatsächlich fertig werden, ob das jetzt die ‚wichtigsten‘ 200, 2.000 oder 200.000 sind.

Die zwei Probleme mit der Bestimmung, welche Funde gemeldet werden sollen

Mit der Bestimmung, welche Bodenfunde jetzt tatsächlich ‚die Wichtigsten‘ sind, die daher gemeldet werden sollten, gibt es nun allerdings wiederum zwei bedeutende Probleme.

Das erste davon ist, dass man, um richtig bestimmen zu können, welche Bodenfunde wichtiger sind als andere Bodenfunde, besonderen archäologisch-wissenschaftlichen Sachverstand braucht; und dass selbst dieser nur bedingt hilft, wenn sich nicht die Fachgemeinschaft in ihrer Gesamtheit wenigstens halbwegs darauf geeinigt hat, was sie als Kollektiv und nicht nur man selbst als sachverständiges Individuum derzeit für das Fach in seiner Gesamtheit am wichtigsten hält. Das muss man daher in der Fachgemeinschaft diskutieren; und diese Diskussion fehlt bisher, wenigstens in Österreich, noch praktisch vollständig.

Das zweite Problem ist hingegen, dass der durchschnittliche Finder von irgendwelchen irgendwo in der Landschaft im Boden verborgenen oder an der Erdoberfläche herumliegenden Bodenfunden nicht eine archäologische Fachkraft ist, sondern ein durchschnittlicher Staatsbürger, dem ebendieser besondere Sachverstand fehlt und der auch keinerlei Kenntnis von (ohnehin innerfachlich noch nicht einmal ausdiskutierten) fachlichen Prioritätensetzungen hat. Der durchschnittliche Finder weiß daher nicht, und kann auch gar nicht wissen, welche Bodenfunde aus fachlicher Sicht so wichtig sind, dass er sie auf jeden Fall melden sollte, und welche sicher so unwichtig sind, dass er sich die Meldung besser erspart, um uns nicht in einer sinnlosen Informationsflut untergehen zu lassen. Damit er überhaupt eine Chance hat, richtig zu erkennen, was wir brauchen und was wir überhaupt nicht haben wollen, müssen wir ihm daher sagen, welche Bodenfunde wir für wichtiger und unwichtiger halten, und zwar in einer Art, die er auch verstehen kann. Auch das haben wir bisher praktisch überhaupt nicht getan.

Der Weg zur Problemlösung

Beide diese Probleme kann niemand anderer für uns lösen; und auch kein Gesetz, schon gar nicht eines, dass die Aufgaben, die wir nicht erledigt haben, einfach dem durchschnittlichen Finder aufbürdet.

Es bringt nichts, den Betroffenen vorzuschreiben, dass sie die Funde melden sollen, die bedeutend sind; und auch nichts, ihnen durch § 8 Abs. 1 DMSG aufzutragen, die zu melden, die wichtig sein könnten; und noch viel weniger, ihnen zu schreiben (z.B. BDA 13.3.2012, GZ 841/12/2012), dass sie alle Funde melden sollen, oder ihnen zu sagen, dass sie einfach ihren gesunden Menschenverstand gebrauchen sollen. Es bringt auch nichts, so zu tun, als ob ohnehin deshalb, weil ja archäologische Funde in öffentlichen Museen ausgestellt werden, ohnehin jedem klar wäre, welche Funde er melden muss und welche nicht. Denn Museen nehmen keine Bewertung im oben genannten Sinn vor, einmal abgesehen davon, dass sie unzählige verschiedenste Sachen aus den verschiedensten Gründen ausstellen, von denen höchstens ein kleiner Anteil überhaupt Bodendenkmalcharakter haben kann oder archäologisch wirklich so dringend gebraucht wird, dass man ihn als einen der ‚wichtigsten‘ Bodenfunde melden müsste. Einmal völlig abgesehen davon, dass ein Metallsucher sich archäologische Museen kaum ins Feld mitnehmen kann, um dort im Bedarfsfall rasch einmal nachschauen zu können, ob er das, was er gerade gefunden hat, jetzt melden soll oder nicht.

Was die BürgerInnen, die heutzutage am ehesten archäologische Bodenfunde entdecken, und die auch mit gewaltigem Abstand die meisten Funde machen, die die archäologische Wissenschaft und Denkmalpflege wirklich brauchen könnten, brauchen, sind konkrete Hilfestellungen. Wie solche Hilfestellungen z.B. ausschauen könnten, kann man sich insbesondere von der Biologie abschauen, die genauso wie die Archäologie nicht genug Fachkräfte und Ressourcen hat, um alle Daten zu erheben, die sie braucht und daher schon seit langem auf die freiwillige Hilfe durch interessierte Laien setzt.

Dafür gibt es daher schon seit langem Bestimmungsbücher, die zur Arten-Bestimmung von Tieren, Pflanzen, Pilzen oder sonstigen Organismen dienen. Manche davon richten sich gezielt an ein interessiertes Laienpublikum, um diesem sowohl selbst die Möglichkeit zu geben, solche Bestimmungen aus eigenem Interesse vorzunehmen, als auch um von Feldbeobachtungen durch derartige selbstgebildete Laien profitieren zu können; sozusagen von Artenfundmeldungen (siehe z.B. RSPB 2019). Selbst in der Wikipedia kann man nachlesen, wie solche  Bestimmungsbücher für interessierte Laien gemacht sind: „Für den interessierten Laien steht eine Vielzahl reichhaltig bebilderter Bestimmungsbücher zur Verfügung, in denen die Bestimmung von Arten in erster Linie über das Gesamterscheinungsbild oder charakteristische, einfach zu erkennende Einzelmerkmale (z. B. Blütenfarbe von Pflanzen) erfolgt. Je nach Ausführlichkeit des Bestimmungsbuches wird diese Bestimmung nach dem Gesamthabitus für leicht zu verwechselnde Arten noch durch Illustrationen und/oder Beschreibungen charakteristischer Einzelmerkmale ergänzt (z. B. Blattzähnung von Pflanzen, Details des Vogelgefieders).“ (Wikipedia: „Bestimmungsbuch“ [17/2/2019]). Dadurch unterscheiden sie sich signifikant von Bestimmungsbüchern für Fachleute, die in der Regel nicht nur weniger reich bebildert sind, sondern auch nach anderen Prinzipien aufgebaut sind.

Bestimmungsbücher

Ein solches Bestimmungsbuch gibt es seit kurzem sogar für moderne Architektur (Fröbe 2018); aber handliche Taschenbuchformate zum Mitnehmen und Benutzen in der freien Wildbahn findet man vor allem im Bereich der Pflanzen-, Insekten- und Vogelbestimmung (z.B. Kremer 2017; Bellmann 2018; Dierschke 2017). Tatsächlich gibt es ganze Buchverlage, die von der Produktion und dem Verkauf von Bestimmungsbüchern leben. Die MetallsucherInnen haben sich sogar inzwischen selbst teilweise solche Bestimmungsbücher für ihre Zwecke generiert, die man vielleicht nicht in der nächsten Buchhandlung, aber wenigstens im gut sortierten Metallsuchgerätzubehörhandel erwerben kann (z.B. Gesink 2018, 249-317; Steinmann 2007a; b; 2010; Whitehead 1996); wo man auch fachliche Bestimmungsbücher erwerben kann, die es – wenn auch nur vergleichsweise selten – auch durchaus für archäologisches Fundmaterial gibt (z.B. Landesstelle 2013; 2017).

Dabei soll gar nicht in Abrede gestellt werden, dass die zuletzt genannten fachlichen Bestimmungsbücher zur Bestimmung von archäologischen Sammlungsbeständen geeignet sind, für die sie auch konzipiert sind, auch für Laien. Dennoch: man merkt ihnen an, dass sie primär nicht mit Laien als Zielpublikum konzipiert wurden; schon gar nicht MetallsucherInnen. Letzteres erkennt man schon allein daran, dass sie mit dem Ende des Früh- oder spätestens im Hochmittelalter enden (Landesstelle 2013; 2017); während der Großteil der Funde, die MetallsucherInnen machen, aus deutlich späteren Zeiten stammt (cf. Steinmann 2007a; b; 2010; Whitehead 1996). Vor allem aber sagen sie ihren BenutzerInnen zwar vielleicht, was das Objekt ist, das sie vor sich haben, und wie sie es richtig ansprechen können; aber nicht wie wichtig diese Art von Objekt im Vergleich zu anderen Objekten ist. Das schränkt ihre Nützlichkeit gerade für jenes Laienpublikum ein, das sie am ehesten benutzen könnte, um im Feld zu bestimmen, ob ein Bodenfund nun gemeldet werden sollte oder nicht.

Bestimmungsbücher aus der Szene selbst sind hier wenigstens insofern nützlicher, als sie – wenigstens manchmal – wenigstens Hinweise auf den normalen Marktwert einer bestimmten Art von Fundgegenstand geben. Aus archäologischer Sicht ist dieser Marktwert zwar vollkommen irrelevant, aber es ist wenigstens irgendeine Methode zur relativen Bewertung der Gegenstände, die dem Benutzer seine Funde wenigstens in einer Hinsicht relativ zueinander zu vergleichen gestattet. Will man daher erreichen, dass Finder ihre Funde nicht anhand eines ‚szeneinternen‘ Bestimmungsbuches bestimmen und auf dessen Basis den ungefähren relativen Marktwert ihrer Funde ermitteln und diesen zur Grundlage ihres weiteren Umgangs mit ihren Funden machen, muss man ihnen ein anderes Bewertungssystem bieten.

Archäologische Bestimmungsbücher mit wissenschaftlichen Wertangaben?

Was man also braucht, um Finder von Bodenfunden die Mittel in die Hand zu geben, um selbstständig möglichst die davon auswählen zu können, die wir tatsächlich gemeldet bekommen wollen, weil wir sie tatsächlich wissenschaftlich brauchen, sind Bestimmungsbücher für Bodenfunde mit wissenschaftlichen Wertangaben in einem Geldwert entsprechenden System.

Wie dieses System zur Angabe des relativen Werts verschiedener Arten von Bodenfunden funktioniert, ist dabei letztendlich nahezu vollkommen gleichgültig: ob nun einfach auf einer Skala von 0 bis 10, in der Null für ‚zu entsorgender Mist‘ und 10 für ‚ist so bedeutend, dass es unbedingt gemeldet werden muss‘ steht; oder ein nach oben offenen Punktesystem, bei dem alles über einer gewissen Punktezahl gemeldet werden soll; der Benutzer eines solchen Bestimmungsbuches muss nur die relative Wichtigkeit neu entdeckter Gegenstände damit ermitteln können. Kann er das, und ist ein bestimmter Grenzwert festgelegt, ab dem eine Meldung zu machen ist (den die zuständigen Stellen auch von Jahr zu Jahr oder jederzeit ändern können, je nachdem, wieviel Kapazität sie zur Verfügung haben, um mit eingehenden Fundmeldungen fertig zu werden), dann kann er auch tatsächlich bestimmen, ob er einen bestimmten Fundgegenstand melden soll oder nicht. Damit lässt sich dann erreichen, dass wir tatsächlich nicht alle Funde, sondern hauptsächlich die, die wirklich wichtig genug sind, gemeldet bekommen.

Aber dazu muss sich zuerst einmal die Fachwelt auf ein wissenschaftliches Wertangabesystem einigen, und sich darauf einigen, welchen Arten von Bodenfunden sie welchen Wert zuweisen will. Weil das ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass man diese Wertangaben auch in Bestimmungsbücher aufnehmen kann, damit Finder den relativen Wert eines von ihnen gemachten Fundes selbstständig bestimmen und daraus ableiten können, welche davon sie jetzt melden sollen oder nicht. Es wird daher dringend Zeit, dass wir uns dieser Aufgabe stellen, so schwer sie uns fallen mag und so ungern wir sie erledigen wollen.

Weil tun wir das nicht, dann werden wir nie die Fundmeldungen bekommen, die wir tatsächlich brauchen – nämlich die über jene Funde, über die zu erfahren „vom Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39) – egal wie viele Fundmeldungen bei uns eingehen. Wenn wir als Fach wollen, dass uns interessierte Laien jene ihrer Bodenfunde vorlegen wollen, die für uns wichtig sind, dann werden wir uns dazu bequemen müssen, diesen Laien auch zu sagen, welche das sind.

Schlussfolgerungen: welche Fundmeldungen braucht das Land?

Wie in diesem Beitrag gezeigt wurde, kann nur die archäologische Fachwelt das Problem mit den unzureichenden Fundmeldungen lösen, das derzeit wenigstens in Österreich besteht. Die einzige mögliche Lösung dieses Problems ist die, dass die Fachwelt interessierten Laien, die archäologische Funde in der Landschaft entdecken – insbesondere MetallsucherInnen – in klarer und allgemeinverständlicher Weise erklärt, welche Arten von Funden gemeldet werden müssen und welche nicht gemeldet werden sollen.

Der bisher dafür gewählte Weg, die betroffenen BürgerInnen, von denen wir Meldungen bekommen wollen, einfach auf Basis ihres eigenen Kenntnisstandes wild raten zu lassen was ‚wichtig sein könnte‘,  und darauf zu hoffen, dass diese dann schon richtig erraten werden, was gemeldet werden soll und was nicht, hat auf ganzer Linie versagt. Denn es bleiben dem Betroffenen bei einer solchen ‚Meldepflicht auf gut Glück‘ eigentlich nur zwei Arten, sein Verhalten zu gestalten: weil er sich immer im Zweifel befinden muss, ob ein Bodenfund der gesetzlichen Meldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG unterliegt oder nicht, muss er entweder alle seine Funde melden, oder keinen Einzigen, egal wie wichtig der sein mag. Damit sind alle Möglichkeiten, wie BürgerInnen ihr Meldeverhalten gestalten können, gleichermaßen unbefriedigend: entweder Finder melden praktisch gar nichts und damit viel zu wenig, oder praktisch alles und damit viel zu viel, oder das was ihnen subjektiv, aber nicht der Fachwelt ‚objektiv‘, wichtig erscheint und damit mehrheitlich das Falsche. Nichts davon bringt etwas, schon gar nicht für die Archäologie und ihre Erhaltung.

Die einzige Möglichkeit, das bestehende Problem tatsächlich zu lösen, ist also jenen interessierten Laien geeignete Bestimmungsbücher für archäologische Bodenfunde in die Hand zu geben, die diesen den relativen wissenschaftlichen Wert eines von ihnen entdeckten Fundgegenstandes und nicht nur seinen finanziellen Wert selbstständig zu ermitteln gestatten. Kann man diesen auch numerisch ausdrücken, gestattet ein solcher sogar ein aktives Fundmeldemanagement: hat man gerade zu wenig Kapazität, um mit den eingehenden Fundmeldungen fertig zu werden, kann man den Grenzwert, ab dem Funde gemeldet werden sollen, einfach nach oben setzen und damit die Anzahl der eingehenden Fundmeldungen senken. Hat man hingegen mehr Kapazitäten zur Aufarbeitung eingehender Funde als Fundmeldungen einlangen, kann man den Grenzwert für Meldungen heruntersetzen und damit die Anzahl der eingehenden Meldungen erhöhen.

Man muss dafür natürlich akzeptieren, dass viele archäologisch wichtige oder irgendwann einmal wichtig werden könnende Fundgegenstände aufgegeben werden; und – noch wichtiger – dass nicht alle archäologischen Funde genau gleich – nämlich jeweils unendlich – wertvoll sind; sondern manche für die archäologische Wissenschaft und Denkmalpflege wichtiger und andere weniger wichtig. Wir müssen uns daher – und zwar im Voraus als Fachgemeinschaft – entscheiden, welche Arten von Bodenfunden so viel wichtiger sind als alle anderen Arten von Bodenfunden, dass wir sie unbedingt retten und daher auch von ihrer Entdeckung durch Fundmeldung erfahren müssen, und welche das nicht sind und daher – wenigstens solange die Kapazität zu ihrer Bearbeitung nicht ausreichend verfügbar ist – verworfen werden müssen. Das wird man innerfachlich zuerst einmal aushandeln müssen, und zwar dringlich, weil solange das nicht ausgehandelt ist, kann das Fundmeldewesen überhaupt nicht ordentlich funktionieren (es sei denn, man will auf reine Zufallssamples setzen, die sich bisher als nicht besonders verlässlich erwiesen haben).

Hat man ein solches System erst einmal erstellt, dann kann man sich überlegen, wie viele Fundmeldungen das Land eigentlich braucht bzw. wie viele es mit den derzeitig verfügbaren Kapazitäten überhaupt sinnvoll bewältigen kann. In Österreich sind diese Kapazitäten derzeit so knapp beschränkt, dass de facto eigentlich gar keine Fundmeldungen hinreichend bearbeitet werden können, um wissenschaftlich verwertbar zu werden. Man kann sich also eigentlich das alles ersparen, weil solange wir diese Fundmeldungen nicht bearbeiten können, brauchen wir auch gar nicht darüber zu jammern, dass sie nicht bei uns eingehen, weil das ohnehin bloß sowohl die Zeit der Melder als auch unsere Zeit verschwenden würde. Dies ist aber weder aus archäologisch-wissenschaftlicher noch aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht wirklich befriedigend. Mittelfristig ist daher – nach erfolgreicher Einführung eines stark geänderten Systems zur Fundmeldung in Österreich auf Basis eines Wertangabesystems wie diskutiert – eine entsprechende Aufstockung der Kapazität zur Aufnahme und Bearbeitung von Fundmeldungen durch interessierte BürgerInnen anzustreben.

Eine solche Kapazität muss dabei keineswegs besonders hoch sein: geht man davon aus, dass etwa 1.000 MetallsucherInnen in Österreich jedes Jahr ihre jeweils 10 wichtigsten Bodenfunde dem BDA melden, also etwa 10.000 Fundmeldungen pro Jahr eingehen würden, würde das genügen, um eine annähernd systematische archäologische Landesaufnahme in Österreich zu erreichen. Geht man davon aus, dass diese MetallsucherInnen einigermaßen gleichmäßig über das Bundesgebiet verteilt sind und auch einigermaßen zufällig unterschiedliche Flächen begehen, und auch die wichtigsten Funde gleichmäßig verteilt sind, wäre das pro Jahr ein gemeldeter Fund pro 8,4 km2.  Man würde damit dann in etwa 20 Jahren wohl eine sehr vergleichbare Fundstellendichte erzeugen, wie sie das britische PAS erreicht hat, und hätte gleichzeitig einen weit besseren Überblick über die Verteilung von ‚wichtigem‘ Fundmaterial in Österreich. Für das Fach und für die archäologische Denkmalpflege wäre beides ein bedeutender Schritt vorwärts.

Die dafür erforderlichen Personalressourcen wären hingegen überschaubar. Rechnet man mit dem Mittelwert von 2 Arbeitsstunden zur Aufnahme und Bearbeitung jedes eingehenden Fundes, kosten ca. 10.000 Fundmeldungen pro Jahr etwa 20.000 Arbeitsstunden. Das wären etwa 11 Vollzeitposten, die man neu schaffen bzw. durch Umschichtungen von Arbeitsaufgaben dafür gewinnen müsste. Natürlich: mehr wäre schöner. Aber derzeit gibt es viel weniger Fundmeldungen als das, und ohnehin nicht einmal annährend die ausreichende Kapazität, um auch nur mit 10.000 gemeldeten Fundgegenständen fertig zu werden. Eine Verbesserung wäre dadurch also allemal erreicht. Und wer weiß, wenn ein solches System funktioniert, vielleicht lässt es sich ja zu späterer Zeit, wenn sein Erfolg offensichtlich erkennbar wird, auch mit zusätzlichem Personal und Ressourcen aufstocken.

Es ist also an sich ziemlich egal, dass in Österreich von MetallsucherInnen alljährlich vermutlich um die 2,6, wenn nicht sogar 4,5 Millionen Bodenfunde entdeckt werden. Würden davon auch nur die 10.000 wichtigsten gemeldet – d.h. weniger als 0,4%, potentiell sogar nur 0,2% davon – würde das aller Wahrscheinlichkeit nach bereits völlig genügen, um den wissenschaftlichen und denkmalpflegerischen Kenntnisstand über die Archäologie Österreichs in einem bis zwei Jahrzehnten vollkommen zu revolutionieren. Wenigstens wenn es die richtigen Funde sind, die gemeldet werden, nämlich die, die wir wirklich wissenschaftlich und denkmalpflegerisch brauchen; und die nicht nur alter Schrott sind.

Statt sinnlosen Zwangsbestimmungen in irgendwelchen Gesetzen, an die sich ohnehin scheinbar niemand hält, würde es dafür auch völlig genügen, ein weitgehend freiwilliges Fundmeldesystem zu haben, auch wenn natürlich eine ‚gesetzliche Fundmeldepflicht‘ besser klingt. Dennoch: mit ein wenig konstruktiver Zusammenarbeit wäre vermutlich weit mehr erreicht als jemals durch die derzeitige ideologische Eiszeit erreicht werden kann, die auch gar nix bringt, weil wir dadurch auch nicht erreichen, was wir wollen, aber unmöglich erreichen können: alle archäologischen Bodenfunde zu retten geht einfach nicht.

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[1] In weiterer Folge werden für diesen Beitrag nur MetallsucherInnen und die von ihnen gemachten Funde betrachtet, weil andere Kategorien von Findern – ob nun Spaziergänger, Bauarbeiter oder auch HeimatforscherInnen, die ohne Metallsuchgerät nach Bodenfunden suchen – vergleichsweise nur verschwindend geringe Mengen von Bodenfunden entdecken. Die Ergebnisse dieser Studie sind dann allerdings auch auf alle anderen Gruppen von Findern, bzw. wenigstens alle Gruppen von Findern, die intentional nach (archäologischen) Bodenfunden suchen, übertrag- und anwendbar.

[2] Für einen internationalen Vergleich zur durchschnittlichen Anzahl von Stunden pro Jahr, die MetallsucherInnen ihrem Hobby im Feld nachgehen, siehe die Zusammenstellung verschiedener Survey-Ergebnisse aus verschiedenen Ländern bei Hardy (2017, 25-36). Für die hiesige Frage irrelevant sind die bisher ungezählten Stunden, die MetallsucherInnen außerdem z.B. zuhause, in Vereinen, bei der Aufarbeitung, Säuberung, etc. von Funden oder anderen mit dem Hobby in Verbindung stehenden Tätigkeiten aufwenden.  

[3] Siehe dazu auch die Bestimmungen des § 2 DMSG zur automatischen Unterschutzstellung Kraft gesetzlicher Vermutung von im öffentlichen Eigentum oder dem Eigentum bestimmter Körperschaften (wie z.B. anerkannter Religionsgemeinschaften) stehender beweglicher Gegenstände, in der eine Altersgrenze von 100 Jahren vor der Gegenwart festgesetzt ist.

[4] Damit unterscheidet sie sich maßgeblich von den ebenfalls bestehenden, aber eigentlich nur eigentumsrechtlich relevanten, Fundmeldepflichten der §§ 388-401 ABGB, die für alle 'herrenlosen' Güter gilt, die man finden kann ohne zu wissen ob es noch einen Eigentümer gibt - und daher z.B. einem Fundamt zu melden hat.

[5] Der gewöhnliche Normunterworfene ist der durchschnittliche, vernünftige gewöhnliche Staatsbürger.

[6] Diese Vereinfachung vernachlässigt einerseits, dass PAS FLOs auch noch andere Aufgaben als nur die Einpflegung von Fundmeldungen in die PAS-Datenbank haben, andererseits aber auch, dass den FLOs einige Finds Specialists zur Seite stehen und es inzwischen zahlreiche ‚self-reporters‘ gibt, die ihre Funde (und teilweise auch die von Bekannten) selbstständig in die PAS-Datenbank einpflegen. Laut persönlichen Mitteilungen durch mehrere FLOs entspricht der hier geschätzte Wert von ca. 1 Stunde Arbeitszeit pro eingepflegtem Fund auch gut ihren eigenen Erfahrungen; d.h. sie arbeiten auch selbst mit einem Schätzwert von ca. 1 Stunde pro eingepflegtem Fund.

[7] Diese Schätzung beinhaltet bereits den Arbeitsaufwand für die Selektion dokumentationswürdiger Funde.

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