Abstract: In diesem Beitrag zeige ich, dass
es nahezu vollkommen gleichgültig ist, wie viele Fundmeldungen pro Jahr durch
MetallsucherInnen in Österreich abgegeben werden. Denn MetallsucherInnen in Österreich
machen alljährlich so viele Funde, dass es für die professionelle Archäologie
völlig unmöglich wäre, mit den eingehenden Fund- und Informationsmassen fertig
zu werden, wenn alle davon alle ihre Bodenfunde oder auch nur Funde
bedeutenderer archäologischer Gegenstände tatsächlich melden würden. Es ist
daher weit weniger die Menge der eingehenden Fundmeldungen als vielmehr die
Qualität der Auswahl der ‚richtigen‘, aus archäologisch-wissenschaftlicher und
-denkmalpflegerischer Sicht wirklich ‚wichtigen‘ Funde, die ausschlaggebend
dafür ist, ob Fundmeldungen wissenschaftlich und denkmalpflegerisch nützlich
oder schädlich sind.
Da aber die meisten Finder von Bodenfunden
keine ExpertInnen sind, stellt gerade diese notwendige Vorauswahl durch die
Finder selbst ein ernsthaftes Problem dar: die FinderInnen können in der Regel
derzeit gar nicht wissen, welche Funde sie nun melden sollen und welche nicht;
weil wir uns seit Jahrzehnten standhaft weigern, ihnen auf auch nur ansatzweise
verständliche Weise mitzuteilen, welche wir gemeldet bekommen wollen und welche
nicht. Dies ist ein rein fachintern verursachtes Problem, das auch nur durch
die Fachwissenschaft gelöst werden kann: wir müssen uns darauf einigen, was so
wichtig ist, dass wir es unbedingt brauchen, und was nicht wichtig genug ist,
um derzeit unsere stark beschränkten Ressourcen darauf verschwenden zu können.
Wenn wir das Ergebnis dieses fachinternen Bewertungsprozesses dann im Wege von
Bestimmungsbüchern mit archäologisch-wissenschaftlichen Wertangaben mit den
interessierten Laien teilen, die – ob mit oder ohne Metallsuchgerät – nach
Bodenfunden suchen (oder solche auch nur finden), dann werden wir auch viel
eher die Fundmeldungen bekommen, die wir wollen und brauchen, weil sie uns
etwas nützen.
Das müssen dafür dann nur erstaunlich wenige
sein; eben weil es nicht auf die Quantität, sondern die Qualität der durch
Meldungen gewonnenen Informationen ankommt. Damit wäre auch die Betreuung eines
systematischen Fundmeldesystems – ob nun freiwillig oder gesetzlich
vorgeschrieben – nicht allzu aufwändig: geschätzt würden dafür 11
Vollzeitstellen genügen. Ein solches System würde also kein Vermögen kosten,
sondern wäre überschaubar.
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In Österreich sind über etwa das letzte
Jahrzehnt hinweg durchschnittlich ca. 200 Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG) pro Jahr beim Bundesdenkmalamt
(BDA) eingegangen; Tendenz leicht ansteigend. Im letzten Jahr, zu dem bereits
Zahlen vorliegen, dem Jahr 2016, waren es laut den Fundberichten aus Österreich
des BDA (2016, 13) 285 (309 eingegangene Fundmeldungen abzüglich 24 ‚Leermeldungen‘). Wie eine rasche
Durchsicht zeigt, stammen die meisten davon allerdings entweder von
professionellen ArchäologInnen oder Personen, die mit der professionellen
Archäologie schon seit längerem relativ eng zusammenarbeiten und oft
‚regelmäßige‘ Melder sind; d.h. wenigstens im weiteren Sinn als
‚Heimatforscher‘ betrachtet werden können. Nur eine sehr geringe Anzahl stammt
von wirklich zufälligen Findern, d.h. entweder Bauarbeitern, die bei ihrer
Arbeit auf mögliche ‚Bodendenkmale‘ iSd § 8 Abs. 1 DMSG, oder ‚Spaziergängern‘, die bei ihren
Wanderungen auf möglicherweise denkmalschutzrelevante Bodenfunde gestoßen sind;
oder von MetallsucherInnen, die bei Ausübung ihres Hobby Funde gemacht haben,
die der gesetzlichen Meldepflicht des genannten Paragrafen unterliegen könnten.
Eine Hochrechnung: jährliche Anzahl von Bodenfunden in Österreich
In Anbetracht dieser Zahlen und der Tatsache,
dass es in Österreich derzeit mit Sicherheit wenigstens ca. 4.000 aktive
MetallsucherInnen geben dürfte (siehe dazu die aktuellen Mitgliederzahlen von FN n.d.),
potentiell sogar deutlich mehr, sind das auffällig wenige eingehende
Fundmeldungen; insbesondere von MetallsucherInnen. MetallsucherInnen finden
schließlich bekanntermaßen, da sie metallische Gegenstände mit dazu geeigneten
technischen Mess- bzw. Suchgeräten auf und unter der Erdoberfläche aufspüren,
in gehäufter Menge auch Gegenstände, die wenigstens aus Sicht der
archäologischen Wissenschaft als archäologische
Funde, wenn nicht sogar aus Sicht des archäologischen Denkmalschutzes als Funde
von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu betrachten sind.
Daraus ergeben sich mehrere Fragen, von denen
uns zuerst die Frage beschäftigen soll, wie viele Bodenfunde MetallsucherInnen[1]
jährlich bei ihren diversen Suchgängen in Österreich entdecken? Diese soll in
der Folge durch eine Hochrechnung aus durch Umfragen bzw. Schätzungen
gewonnenen Zahlen zu beantworten versucht werden. Unter dem Begriff Bodenfund wird dabei – dem allgemeinen
Sprachgebrauch entsprechend – jeder Fund eines verlorenen, vergessenen,
verlassenen oder verborgenen Gegenstandes verstanden, der auf oder unter der
Bodenoberfläche durch seinen Finder entdeckt wird. Nicht als Bodenfunde
betrachtet werden absichtlich mit Wiedergewinnungsabsicht auf dem Boden
abgestellte bzw. zeitweilig gelagerte Gegenstände, wie z.B. ein geparktes Auto
oder die auf einem Holzlagerplatz gelagerten Hölzer, sowie auf modernen
genehmigten Mülldeponien deponierter Abfall.
Eine – wenn auch schon vor einigen Jahren
durchgeführte – szeneinterne einschlägige Umfrage (n=133) hat ergeben, dass der
durchschnittliche in Österreich tätige Metallsucher an ca. 56 Tagen pro Jahr je
ca. 3,9 Stunden im Feld unterwegs ist (Achleitner 2011, 2). Dies deckt sich
auch grob mit dem Ergebnis einer separat von mir selbst, allerdings mit
wesentlich weniger TeilnehmerInnen (n=24) durchgeführten Umfrage (Karl 2011a, 120-121). Man kann also für den
Zweck der hier vorzunehmenden Hochrechnung davon ausgehen, dass jedeR der ca.
4,000 MetallsucherInnen jährlich ca. 218,4 Stunden lang dieses Hobby im Feld
ausübt.[2]
Das ergibt, hochgerechnet auf die geschätzte Mindestanzahl von ca. 4.000 in
Österreich aktiven MetallsucherInnen, mindestens ca. 873.600 Suchstunden pro
Jahr.
Wie viele Bodenfunde pro Suchstunde
MetallsucherInnen durchschnittlich entdecken, kann man ebenfalls abschätzen,
wenngleich nur auf Basis weniger verlässlicher Informationen als zu den Suchstunden
pro Jahr. Hardy (2017, 36-39) schätzt auf Basis einer Datenerhebung
von Robbins (2012), dass MetallsucherInnen in England und Wales
durchschnittlich ca. 1,1-1,91 Bodenfunde pro Suchstunde entdecken. Betrachtet
man hingegen die durchschnittliche Ausbeute von Suchgängen, die österreichische
MetallsucherInnen auf sozialen Medien veröffentlichen, ist die gezeigte
Ausbeute praktisch nie unter diesen Werten und sehr oft deutlich höher. Und
das, obwohl die hergezeigten Fundsammlungen normalerweise schon ‚bereinigt‘
wurden, d.h. ‚moderner Schrott‘ wie rostige Nägel, Getränkedosenverschlüsse,
Alupapier etc. bereits aussortiert bzw. erst gar nicht mitgenommen wurden. Eine
grobe Schätzung ergibt, dass davon auszugehen ist, dass MetallsucherInnen in
Österreich durchschnittlich wenigstens 3 Bodenfunde pro Suchstunde entdecken;
eventuell sogar um die 5 Stück pro Suchstunde. Die Hochrechnung ergibt also einen Mindestwert von
etwa 1 Bodenfund pro 55 Minuten Suchzeit; einen Mittelwert von 1 pro 20
Minuten, und einen Höchstwert von 1 pro 12 Minuten.
Daraus folgt, dass man annehmen muss, dass in
Österreich derzeit pro Jahr von MetallsucherInnen wenigstens etwa 960.960,
wahrscheinlich etwa 2.620.800, und eventuell bis zu ca. 4.368.000 Bodenfunde
entdeckt werden. Die paar Handvoll Fundmeldungen pro Jahr, die
MetallsucherInnen in Österreich gem. $ 8 Abs. 1 DMSG dem BDA schicken, sind also nur ein
verschwindend geringer, nicht nennenswerter Anteil der von ihnen aller
Wahrscheinlichkeit nach alljährlich entdeckten Funde – höchstens wohl so um die
0,02%, wahrscheinlich weniger als 0,008%, vielleicht sogar nur 0,005%.
Jährliche Anzahl von archäologischen Funden in Österreich
Streng genommen stellen diese Zahlen
gleichzeitig auch die Anzahl der alljährlich von MetallsucherInnen in
Österreich entdeckten archäologischen Funde dar, weil ja jeder Bodenfund im
oben definierten Sinn – auch wenn er praktisch aus der Gegenwart stammt – eine
materielle Hinterlassenschaft aus der Vergangenheit ist, aus dem mittels
archäologischen Methoden Erkenntnisse über die – wie auch immer kurz
zurückliegende – Vergangenheit gewonnen werden können.
Nachdem die archäologische Wissenschaft
inzwischen theoretisch jedwede zeitliche Abgrenzung ihres
Forschungsgegenstandes zur Gegenwart aufgeben hat, wären also eigentlich alle Bodenfunde
auch als archäologische Funde zu betrachten. Dennoch ist es in der Praxis so,
dass nicht unbedingt jeder Bodenfund auch tatsächlich als archäologischer Fund
im engeren Sinn betrachtet werden kann: zwar kann man aus jedem Bodenfund mit
archäologischen Methoden Erkenntnisse über die Vergangenheit gewinnen, aber
tatsächlich gewinnt die Mehrheit aller ArchäologInnen nicht Erkenntnisse aus
Müll aus den letzten paar Jahrzehnten, der irgendwo in der Landschaft
herumliegt. Vielmehr wird die überwältigende Mehrheit archäologischer
Erkenntnisse aus solchen Bodenfunden gewonnen, denen wenigstens ein gewisses
Mindestmaß an historischer Bedeutung zukommt.
Hardy (2017, 37-38) schätzt auf Basis britischer Daten,
dass MetallsucherInnen durchschnittlich ca. 0,31-0,54 Funde pro Stunde
entdecken, die, den Kriterien des britischen Portable Antiquity Scheme (PAS) entsprechend, Funde sind, die ausreichend signifikant
sind, um dokumentiert werden zu können. Das PAS erachtet jedoch normalerweise nur
vorneuzeitliche Funde als dokumentationswürdig, d.h. Gegenstände, die vor dem
Jahr 1540 hergestellt worden sein dürften; jüngere Funde werden nur
ausnahmsweise dokumentiert, wenn sie von besonderer historischer oder
gesellschaftlicher Bedeutung sind (PAS n.d.).
Im gegenwärtigen Fachverständnis in Österreich
sind aber auch neuzeitliche Gegenstände, wenigstens bis zum Beginn
industrialisierter Massenproduktion[3]
– etwa um die Zeit der napoleonischen Kriege – jedenfalls und jüngere
Bodenfunde bis inklusive der Zeit des Dritten Reichs möglicherweise auch, von
fachlichem Interesse. Es ist also für Österreich davon auszugehen, dass mehr
Bodenfunde im oben genannten Sinn als archäologische Funde zu betrachten sind
als in England und Wales. Für eine Hochrechnung der Anzahl der alljährlich in
Österreich durch MetallsucherInnen entdeckten archäologischen Funde wird hier daher
davon ausgegangen, dass von MetallsucherInnen pro Suchstunde durchschnittlich
mindestens ca. 0,5, im Mittel ca. 1.0, und maximal ca. 1,5 archäologische
Bodenfunde entdeckt werden.
Damit lässt sich hochrechnen, dass von MetallsucherInnen
in Österreich alljährlich wenigstens ca. 436.800, wahrscheinlich ca. 873.600
und eventuell bis zu 1.310.400 archäologische Bodenfunde entdeckt werden. Auch
von diesen wird daher nur ein verschwindend geringer Anteil gem. § 8 Abs. 1 DMSG dem BDA gemeldet, maximal ca. 0,05%,
wahrscheinlich weniger als 0,025%, und eventuell sogar nur ca. 0,015%.
Jährliche Anzahl von Funden von beweglichen Bodendenkmalen in Österreich
Wie viele bewegliche Bodendenkmale iSd § 8 Abs.
1 DMSG alljährlich in Österreich von
MetallsucherInnen entdeckt werden, lässt sich hingegen nur extrem schwer
abschätzen. Dies liegt in erster Linie an der Schwierigkeit, zu bestimmen, welche
beweglichen Fundgegenstände als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu betrachten sind (Karl 2018a, 443-444).
Folgt man der Auslegung der Legaldefinition
dieses Paragrafen durch Erika Pieler (in Karl et al. 2017, 111-112), dass „der Fund eines römerzeitlichen Bronzehelms
vermutlich jedem Finder als bedeutend erscheinen mag, […] sich die Lage etwa bei Relikten aus dem
Zweiten Weltkrieg anders“ verhalte, bleiben nur sehr wenige Bodenfunde übrig,
die wohl als bewegliche Bodendenkmale zu betrachten sind. Das entspricht auch etwa
der seit nunmehr 95 Jahren unveränderten Handhabungspraxis der relevanten
Bestimmungen des DMSG durch das BDA, das seit Inkrafttreten der
Stammfassung dieses Gesetzes im Jahr 1923 maximal eine Handvoll von beweglichen
Kleinfunden als Einzelobjekt unter Denkmalschutz gestellt hat. Soweit sich das
feststellen lässt, machen bewegliche Kleinfunde als Einzelobjekte deutlich
weniger als 1% aller unter Denkmalschutz stehenden archäologischen Denkmale in
Österreich aus, tatsächlich wohl sogar unter 0,5% (Picker et al. 2016, 287); obwohl in den letzten
Jahrzehnten allein sicherlich mehrere Millionen bewegliche archäologische
Kleinfunde entdeckt und dem BDA bekannt wurden.
Damit lässt sich hochrechnen, dass nur ein sehr
geringer Anteil aller jährlich durch MetallsucherInnen entdeckten, beweglichen
archäologischen Bodenfunde solche von Bodendenkmalen sein dürften, wohl maximal
ca. 6.552 Funde pro Jahr könnten in diese Kategorie fallen, eventuell sogar
weniger als 2.184. Davon wurden allerdings in den vergangenen Jahren, soweit
ich das erkennen kann, nur extrem wenige (bzw. eventuell sogar nicht einmal ein
Einziger) dem BDA gemeldet.
Welche Bodenfunde sollen dem BDA überhaupt gemeldet werden?
Aus diesen hochgerechneten Zahlen ergibt sich
als zweite bedeutende Frage die, welche Bodenfunde dem BDA denn überhaupt
gemeldet werden sollen?
Um diese Frage beantworten zu können, ist es
erforderlich, sich zu überlegen, welchen Sinn eine gesetzliche Meldepflicht für
Bodenfunde, archäologische Funde, bzw. wenigstens Funde von Bodendenkmalen hat,
d.h. welchen Zweck sie erfüllen soll. Diese Frage kann man entweder aus rein
verwaltungsrechtlicher, aus archäologisch-denkmalpflegerischer, oder aus
archäologisch-wissenschaftlicher Sicht betrachten, was jeweils zu anderen
Antworten auf diese Frage führt.
Der Sinn der Fundmeldepflicht für Bodendenkmale des § 8 Abs. 1 DMSG
Aus verwaltungsrechtlicher Sicht ist
grundsätzlich nur die Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG relevant, weil diese die einzige spezifisch
dem Schutz archäologischer Denkmale in der Fundsituation dient.[4]
Leider schweigen sich allerdings alle Quellen,
die man gewöhnlich dazu heranziehen würde, den Sinn dieser Bestimmung zu
erkennen, über den vom Gesetzgeber mit dieser Bestimmung verfolgten Zweck
praktisch vollständig aus. Es bleibt daher wenig anderes übrig, als den Zweck
dieser Bestimmung aus ihrem Wortlaut und dem weiteren Kontext, in dem sie im DMSG steht, zu erschließen zu versuchen. Nachdem
das DMSG laut seinem § 1 Abs. 1 letzter Satz generell
bezweckt, Denkmale vor „Zerstörung,
Veränderung oder Verbringung ins Ausland“ zu bewahren, und die Rechtsfolgen
der Entdeckung eines Bodendenkmals iSd § 8 Abs. 1 in § 9 DMSG sich primär mit der Sicherstellung beweglicher
Fundgegenstände und damit befassen, dem BDA eine Möglichkeit zur fachlichen
Beurteilung der Bedeutung und wissenschaftlichen Auswertung der entdeckten
Gegenstände einzuräumen; ist der Zweck der Fundmeldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG wohl auch dort zu suchen. Die Meldepflicht für
Funde beweglicher Bodendenkmale hätte also primär zwei Zwecke: erstens,
sicherzustellen, dass die entdeckten Bodendenkmale nicht zerstört, verändert
oder ins Ausland verbracht werden, bevor das BDA sie fachlich beurteilen
konnte; und zweitens, sicherzustellen, dass das BDA diese Beurteilung auch
tatsächlich vornimmt und diejenigen davon, die tatsächlich Denkmale iSd § 1
Abs. 1 und 2 DMSG sind, gem. § 9 Abs. 3 (dann entsprechend der
Bestimmungen für Unterschutzstellung durch Bescheid gem. § 3 Abs. 1 und ihrer
Rechtsfolgen) zeitlich unbefristet unter Denkmalschutz stellt.
Damit gibt es aber zwei Probleme: erstens mag
das zwar in der grauen rechtlichen Theorie wie eine gute Idee erscheinen, ist
aber in der Anwendungspraxis für den gewöhnlichen Normunterworfenen[5]
komplett verwirrend; und zweitens hat es aus archäologisch-wissenschaftlicher
(und damit, ein moderndes Verständnis davon vorausgesetzt, eigentlich auch aus
archäologisch-denkmalpflegerischer) Sicht praktisch keinen Sinn. Ich betrachte
diese beiden Probleme in der Folge kurz:
Wie es Pieler bereits ganz richtig ausgedrückt
hat, ist die Definition des Bodendenkmalbegriffs in § 8 Abs. 1 DMSG „nicht allgemein verständlich, verlangt sie doch vom Finder die
denkmalrechtliche Beurteilung des Fundes (Ist der Gegenstand von
geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung i. S. d. § 1 Abs. 1 DMSG?)“ (Karl et al. 2017, 111). Das erfordert jedoch
eigentlich besonderen (sowohl rechtlichen als auch
archäologisch-denkmalpflegerischen) Sachverstand, der dem gewöhnlichen
Rechtsanwender per Definition gerade fehlt.
Dieses Problem war – offensichtlich – bereits
dem Gesetzgeber von 1923 bewusst, weshalb er in die Stammfassung des Gesetzes
in die Fundmeldebestimmung das Wort „offenkundig“
(§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923) eingefügt hat. Dadurch hat er
erreicht, dass kein „allzu hoher Maßstab“
(Karl et al. 2017, 111) angenommen werden darf: es
muss dadurch darauf abgestellt werden, was ‚jeder‘ (durchschnittliche
Staatsbürger) unschwer als (wenigstens möglicherweise erhaltenswertes) Denkmal
erkennen kann. Das ist notwendig dafür, dass sich kein Finder darauf ausreden
kann, dass ihm ja der ‚besondere Sachverstand‘ dafür gefehlt hätte, zu
erkennen, dass der von ihm neu entdeckte, zweite Jüngling vom Magdalensberg (Abbildung 1) vermutlich ein schützenswertes Denkmal
ist. Schließlich kann man durchaus annehmen, dass sich jeder durchschnittliche
Staatsbürger bei einem solchen Fund denken kann, dass so eine Statue vermutlich
erhaltenswert ist.
1923 war das auch noch kein besonderes Problem,
denn die damals vorherrschende, in erster Linie noch museal orientierte,
antiquarische Archäologie war ihrerseits noch kaum an irgendwelchen unscheinbaren,
nicht ausstellungsfähigen Bodenfunden interessiert bzw. betrachtete diese
wenigstens noch nicht (auch) als ‚erhaltenswerte‘ Denkmale. Das
Denkmalverständnis des Durchschnittsbürgers unterschied sich also sicherlich
schon vom fachlichen Denkmalverständnis; aber nicht so maßgeblich, dass es in
Hinblick auf die Frage, welche Bodenfunde als meldepflichtig zu betrachten sind
und welche nicht, noch keinen großen Unterschied machte.
Abbildung 1: Der Jüngling vom Magdalensberg. Abguss aus dem 16. Jahrhundert einer 1502 am Magdalensberg in Kärnten gefundenen römischen Bronzestatue aus dem 1. Jh. v.Chr., Kunsthistorisches Museum Wien (Bild: James Steakley 2013). |
Heute klafft hingegen zwischen dem
Denkmalverständnis des Durchschnittsbürgers und dem der wissenschaftlichen und
denkmalpflegerischen archäologischen Fachwelt eine Kluft, die, etwas blumig
ausgedrückt, etwa die Dimensionen des Marianengrabens hat. Dabei hat sich
allerdings das Denkmalverständnis des Durchschnittsbürgers seit 1923 kaum
geändert; weshalb Pieler ja auch durchaus zu Recht vom „Fund eines römerzeitlichen Bronzehelms“ spricht, der „vermutlich jedem Finder als bedeutend
erscheinen mag“ (Karl et al. 2017, 112), wenigstens wenn er
einigermaßen gut erhalten ist. Die Fachwelt erachtet hingegen heute, im
Unterschied zu der von 1923, beinahe jede noch so unscheinbare Scherbe, jedes
noch so korrodierte Fragment eines jeden (und sei es nur ein paar Jahrzehnte
alten) Metallgegenstandes usw. als möglicherweise bedeutende archäologische
Quelle, die im Interesse der archäologischen Wissenschaft idealerweise
permanent erhalten werden sollte.
Das bringt uns zum zweiten genannten Problem:
eine Fundmeldebestimmung wie die des § 8 Abs. 1 DMSG, für deren Anwendung das Denkmalverständnis
des Durchschnittsbürgers ausschlaggebend ist, ist aus wissenschaftlicher ebenso
wie aus denkmalfachlicher Sicht heutzutage eigentlich vollkommen sinnlos. Denn
es entscheidet ja unter dieser Voraussetzung letztendlich der gewöhnliche
Rechtsanwender auf Basis seines Denkmalverständnisses, welche Bodenfunde er
überhaupt dem BDA zur fachlichen Begutachtung vorlegt. Damit werden aber dem
BDA in der Regel gerade nicht die Bodenfunde vorgelegt, an denen es und die
archäologische Wissenschaft besonders interessiert sind, sondern in erster
Linie das, was dem Finder seltsam oder besonders genug erscheint, dass er es
für meldewürdig hält. Die Bodendenkmale hingegen, die aus fachlicher Sicht
besonders wichtig sind – in erster Linie die unscheinbaren Bodenverfärbungen,
die fachlich als ‚ungestörte‘ Befunde betrachtet werden – erkennen die meisten
DurchschnittsbürgerInnen nicht einmal als „von
Menschen geschaffene“ Gegenstände iSd § 1 Abs. 1 DMSG, geschweige denn, dass sie sie als möglicherweise
erhaltenswerte Denkmale betrachten würden.
Natürlich ist es schön, wenn dem BDA der Fund
eines neu entdeckten zweiten Jünglings vom Magdalensberg gemeldet würde und man
diesen Fund dann im aus dem 1. Jh. v.Chr. stammenden Original neben dem Abguss
des ersten, der ja im 16. Jh. n.Chr. hergestellt wurde, ins Kunsthistorische
Museum stellen kann. Aber das bringt der archäologischen Wissenschaft recht
wenig, wenn dafür die Schichten, aus denen er stammt, nicht erhalten geblieben
sind und auch nicht bei der Bergung der Statue sachgerecht dokumentiert wurden.
Der Sinn einer Fundmeldepflicht aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht
Aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht
ist der Sinn einer Meldepflicht von Bodenfunden ein deutlich anderer als der
der Bestimmungen des § 8 Abs. 1 DMSG aus rein rechtlicher Sicht, auch wenn es
einige Überschneidungen zwischen diesen Sichtweisen gibt.
Um die Frage, wozu eine gesetzliche
Fundmeldepflicht für Bodendenkmale aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht
dient, korrekt beantworten zu können, muss man sich zuerst einmal anschauen,
welche Aufgabe der Gesetzgeber dem BDA als staatliche Vollzugsbehörde (auch) im
Bereich der archäologischen Denkmalpflege aufgetragen hat. Glücklicherweise hat
sich der Gesetzgeber dazu in der Regierungsvorlage zur Novelle des DMSG aus dem Jahr 1999 ganz explizit geäußert: „Das Denkmalschutzgesetz ging von vornherein
von einer klaren Beschränkung durch wissenschaftlich überlegte Auswahl aus. Nur
in dieser Beschränkung kann der Denkmalschutz auch jene Effizienz entfalten,
deren er bei einer zu großen Anzahl von Unterschutzstellungen verlustig gehen würde.
Aus diesem Grund ist es eine der schwierigsten Aufgaben des Bundesdenkmalamtes,
jene Auswahl in jenem Umfang für die Unterschutzstellungen zu treffen, die vom
Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden
kann“ (RV 1999, 39; siehe dazu schon Karl 2018b).
Diese Aufgabe des BDA ist es, die aus
archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht insbesondere auch die Fundmeldepflicht
des § 8 Abs. 1 DMSG erforderlich macht: werden zuvor noch gänzlich
unbekannte Gegenstände gefunden, die Denkmale iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG sein könnten, aber es nicht unbedingt sind,
konnte das BDA logischerweise vor ihrer Entdeckung nicht beurteilen, ob sie
rechtlich vor jeder ansonsten möglichen Zerstörung, Veränderung oder
Verbringung ins Ausland geschützt werden müssen. Sie müssen daher (so nah als
irgend möglich) am Zeitpunkt ihrer Entdeckung dem BDA bekannt gegeben werden,
damit dieses entscheiden kann, ob es vom Fachlichen her erforderlich und
gleichzeitig vom Administrativen her bewältigbar ist, sie gem. §§ 2a, 3 bzw. 9
Abs. 3 DMSG zeitlich unbefristet unter Denkmalschutz zu
stellen oder nicht.
Das BDA muss nun jedoch aus
archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht genau die Denkmale iSd § 1 Abs. 1 und
2 DMSG aus den tatsächlich gefundenen Gegenständen
auswählen, bei denen fachliche Erhaltungserfordernis und administrative Bewältigbarkeit
zusammenfallen, weil nur das gewährleistet schließlich, dass es tatsächlich die
Denkmale erhalten kann, bei denen dies der Fall ist. Das bedeutet nun aber,
dass es eigentlich nicht die Bodenfunde vorgelegt bekommen muss, die der Finder
subjektiv für ausreichend bedeutend für die Erhaltung als Denkmale hält.
Vielmehr muss es eigentlich jene Bodenfunde vorgelegt bekommen, die tatsächlich
– sozusagen ‚objektiv‘ betrachtet – von derart beschaffener geschichtlicher,
künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung
aufgrund dieser Bedeutung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Ob ein neu entdeckter Gegenstand so bedeutend
ist, dass seine Erhaltung aufgrund dieser Bedeutung im öffentlichen Interesse
gelegen ist, ist nun jedoch „eine
Tatsache, die idR durch einen Sachverständigenbeweis zu ermitteln ist“
(Bazil et al. 2015, 22). Für die Feststellung dieser Bedeutung ist dabei „die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend. Sie ist insbesondere durch
Bedachtnahme auf den Wissens- und Kenntnisstand sachverständiger Kreise zu ermitteln (VwGH 20.11.2001, 2001/09/0072; VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178)“ (Bazil et al. 2015, 22-23; Hervorhebungen:
Original). Das bedeutet also, dass dem BDA durch Fundmeldungen wenigstens, und
zwar idealerweise genau, die Bodenfunde von ihren Findern bekannt gemacht
werden sollten, die entsprechend der in der Fachwelt vorherrschenden Meinung
derart bedeutend sind, dass ihre Erhaltung von Fachlichen her erforderlich,
aber gleichzeitig auch vom Administrativen her bewältigbar sind.
Auch damit gibt es aber gleich zwei Probleme: erstens
ist das in der Realität praktisch und rechtlich völlig unmöglich und zweitens hat
das aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht praktisch keinen Sinn. Ich
betrachte neuerlich beide Probleme kurz:
Wie gerade ausgeführt, erfordert die aus
archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht ‚objektiv‘ richtige Beurteilung der
geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung eines neu
aufgefundenen Bodenfundes besonderen Sachverstand, um die in sachverständigen
Kreisen vorherrschende Meinung korrekt bewerten zu können. Genau dieser
besondere Sachverstand fehlt jedoch dem durchschnittlichen Finder, weil die
meisten Bodenfunde ja eben gerade nicht von Fachleuten, sondern von
durchschnittlichen StaatsbürgerInnen gefunden werden. Das Problem lässt sich
auch nicht dadurch lösen, dass man die Frage, ob der aufgefundene Gegenstand
tatsächlich ein iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG erhaltenswertes Denkmal ist, durch die Frage,
ob er ein solches sein könnte ersetzt: weiß der Finder nicht, was sicher ein
und was sicher kein erhaltenswertes Denkmal ist, kann er auch nicht richtig
beurteilen, was ein erhaltenswertes Denkmal sein könnte.
Nachdem das den Finder vor ein unlösbares
Problem stellen würde, musste der Gesetzgeber eben, wie schon oben ausgeführt,
schon 1923 das Wort „offenkundig“ in
den Wortlaut der damals (idF BGBl. 533/1923) noch in § 9 Abs. 1 DMSG
enthaltenen Fundmeldepflicht einfügen. Dies führt dann, wie ebenfalls schon
oben ausgeführt, aus rein rechtlicher Sicht dazu, dass eben kein „allzu hoher Maßstab“ (Karl et al. 2017, 111) angenommen werden darf,
sondern ein Finder nur solche Bodenfunde dem BDA melden muss, die ‚jeder‘
(durchschnittliche Staatsbürger) unschwer als (wenigstens möglicherweise
erhaltenswertes) Denkmal erkennen kann. Denn aus rein rechtlicher Sicht ist es
sowohl essentiell, dass der Staatsbürger mit (wenigstens einigermaßen hoher)
Sicherheit diese Bestimmung richtig auslegen und anwenden kann, als auch, dass
weder Finder noch das BDA unnötig durch Unmengen an ‚falschen‘ Meldungen mit
sinnloser Arbeit belastet werden.
Aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht
stellt sich die Sachlage jedoch maßgeblich anders dar: nachdem der Finder selbst
die erforderliche Beurteilung gar nicht richtig vornehmen kann, weil ihm dazu
der notwendige Sachverstand ja per Definition fehlt, das BDA aber alle Denkmale
unter Denkmalschutz stellen muss, die den gesetzlichen Anforderungen genügen,
muss der Finder – nachdem er sich ja stets im Zweifel befinden muss, ob das,
was er gefunden hat, nicht doch ein Denkmal iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG sein könnte – jeden Bodenfund
melden. Aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht ist es also iSd § 8 Abs. 1
DMSG „offenkundig“, dass absolut jeder
Bodenfund, bei dem auch nur die entfernteste Chance besteht, dass er ein
Denkmal sein könnte, auch tatsächlich dem BDA im Wege einer Fundmeldung zur
Kenntnis gebracht wird, damit es aus diesen die auswählen kann, deren Erhaltung
„vom Fachlichen her erforderlich ist und
vom Administrativen her bewältigt werden kann“ (RV 1999, 39).
Das schlägt sich dann auch in Rechtsauskünften
nieder, die das BDA potentiell betroffenen BürgerInnen gibt, die nachfragen,
welche Arten von Bodenfunden sicher nicht gem. § 8 Abs. 1 DMSG gemeldet werden müssen. Dazu das BDA im
Wortlaut an einen interessierten Bürger: „Ziel
des Denkmalschutzes ist, alle von
Menschen geschaffenen beweglichen und unbeweglichen Gegenstände von
geschichtlicher, künstlerischer und kultureller Bedeutung für die Zukunft zu
erhalten. … Der im Denkmalschutzgesetz normierte Denkmalbegriff setzt allerdings
kein bestimmtes Alter des Gegenstandes voraus, sodass eine Spezifizierung von
Fund- und Befundarten, welche eine Einschränkung des gesetzlichen
Denkmalbegriffes bedeuten würde, vom Bundesdenkmalamt nicht vorgenommen werden
kann. Eine Rechtssicherheit für BürgerInnen ist bei einer – an sich einfachen –
Anzeige ohnedies gegeben“ (BDA 13.3.2012, GZ 841/12/2012; Hervorhebung: RK).
Dass es – in Anbetracht der oben
hochgerechneten Zahlen – vom Administrativen her sicherlich nicht bewältigbar
wäre, wenn alle Finder alle ihre Bodenfunde dem BDA melden würden, versteht
sich von selbst; ich werde aber später noch einmal auf diesen Punkt
zurückkommen. Hier sei dazu nur erwähnt, dass das BDA das natürlich weiß und
daher MetallsucherInnen bei einschlägigen Informationsveranstaltungen auf die
Frage, welche Bodenfunde sie denn nun melden sollen, empfiehlt, sie sollten
doch einfach ihren gesunden Menschenverstand benutzen (pers. Komm. B. Hebert,
BDA). Soviel zum Thema „Rechtssicherheit“
für betroffene BürgerInnen.
Gleichzeitig führt uns das aber zum zweiten
Problem, dass es nämlich aus archäologisch-wissenschaftlicher Perspektive auch
weitgehend sinnlos ist, wenn BürgerInnen nur jene von ihnen entdeckten
Bodenfunde melden, von denen sich später herausstellen wird, daß sie Denkmale
iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG sind. Denn für die moderne Archäologie ist
zwar die körperlich unveränderte Erhaltung archäologischer Bodenfunde in
Erscheinung und Substanz nicht vollkommen unwesentlich; aber im Prinzip ist
diese weit weniger wichtig, als dass alle archäologischen Bodenfunde der
wissenschaftlichen Fachwelt bekannt und von ihr bzw. für sie sachgerecht
dokumentiert werden, damit wenigstens die wissenschaftlich relevanten
Informationen über sie, und optimalerweise auch sie selbst, für die derzeitige
und zukünftige wissenschaftliche archäologische Forschung zur Verfügung stehen.
Nachdem aber nicht vorhersehbar ist, was zukünftig wissenschaftlich wichtig
werden wird, genügt eine wie auch immer sachverständige Auswahl auf Basis der
gegenwärtigen Bedeutungszuweisung durch noch so sachverständige Kreise nicht.
Der Sinn einer Fundmeldepflicht aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht
Damit kommen wir zur dritten möglichen
Bestimmung des Zwecks einer archäologischen Fundmeldepflicht, nämlich aus der
Sicht der archäologischen Wissenschaft. Diese führt neuerlich zu einer anderen
Antwort auf die Frage, welche Bodenfunde denn nun dem BDA gemeldet werden
sollten, die sich ihrerseits teilweise mit der
archäologisch-denkmalpflegerischen Sicht überschneidet.
Aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht sind
alle Bodenfunde, und zwar sowohl solche beweglicher Kleinfunde als auch
unbeweglicher Bodenbefunde, potentielle Erkenntnisquellen und daher auch
wenigstens potentiell wissenschaftlich wichtig. Nun lässt sich jedoch aus
erkenntnislogischen Gründen nicht ex ante
beurteilen, ob ein bestimmter Bodenfund sich dereinst einmal
wissenschaftlich als bedeutsam erweisen wird oder nicht; eine solche
Beurteilung ist vielmehr immer erst ex
post nach erfolgreichem Abschluss der Forschungen, für deren erfolgreiche
Durchführung dieser bestimmte Bodenfund wichtig war, möglich (siehe dazu auch
schon Karl 2018c, 101-102). Nachdem die
Wissenschaft, auch die archäologische, in Bezug auf ihre möglichen
Forschungsfragen offen ist, und gerade in der Archäologie aufgrund der
bisherigen Fachentwicklung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
davon auszugehen ist, dass auch die gegenwärtig entstehenden archäologischen Überreste
im Boden zukünftig archäologisch-wissenschaftliche Bedeutung erlangen werden,
bedeutet das zwingend, dass die archäologische Wissenschaft wenigstens einer
sachgerechten Dokumentation, und idealerweise auch der körperlich in
Erscheinung und Substanz unveränderten Erhaltung, aller Bodenfunde bedarf, die
überhaupt gemacht werden.
Aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht ist
also der Sinn einer Fundmeldepflicht, dass wirklich alle Bodenfunde, ob nun
beweglich oder unbeweglich, dem BDA gemeldet werden und auch alle beweglichen
Kleinfunde zumindest sachgerecht dokumentiert, wenn nicht sogar einer
öffentlichen Sammlung einverleibt werden; und alle unbeweglichen Bodenfunde,
wenn sie ansonsten zerstört oder verändert würden, sachgerecht archäologisch
untersucht (und idealerweise irgendwann auch ausgegraben) werden. Dafür muss
die Fachwelt – im Wege des BDA – bei jeder Fundmeldung, die eingeht, entsprechend
informiert und personell einbezogen werden, weil von fachlichen Laien
schließlich nicht erwartet werden kann, dass sie archäologisch relevant seiende
oder zukünftig werden könnende Bodenfunde sachgerecht behandeln.
Ungünstigerweise gibt es aber auch damit zwei besonders
maßgebliche Probleme: erstens ist das rechtlich so gut wie völlig unmöglich,
und zweitens – und noch wichtiger – praktisch wirklich vollständig unmöglich.
Auch noch kurz zu diesen beiden Problemen:
Rechtlich geht das ganze de facto nicht, weil
man alle Bodenfunde schützen müsste, ohne dafür mehr als den völlig
hypothetischen Grund anbieten zu können, dass sie irgendwann einmal für
irgendeine wissenschaftliche Forschung wichtig werden könnten; und dafür
zahlreiche Rechte aller jetzt lebenden Menschen massiv beschränken. Denn um das
zu erreichen, was die archäologische Wissenschaft braucht (oder wenigstens zu
brauchen glaubt) müsste man ja eigentlich allen Menschen, die nicht
professionelle ArchäologInnen sind, jede Handlung verbieten, die auch nur möglicherweise
dazu führen könnte, dass irgendwelche Bodenfunde nicht sachgerecht
dokumentiert, geborgen und aufbewahrt werden. Das würde bedeuten, dass z.B. Bauern
ihre Felder nicht mehr bestellen dürften, weil dadurch archäologische
Bodenfunde zerstört oder verändert werden könnten, Waldarbeit müsste ebenso
verboten werden; ja es dürfte nicht einmal mehr jemand in seinem eigenen
Schrebergarten eine Tulpenzwiebel einsetzen; geschweige denn, dass irgendetwas
gebaut werden dürfte. Ebenso dürfte niemand mehr irgendwelche Bodenfunde suchen
(übrigens etwas, was die archäologische Fachgemeinschaft seit langem fordert),
weil durch alle diese Handlungen Bodenfunde zerstört oder verändert werden
könnten. Selbst das bloße Spazierengehen müsste man untersagen, weil es könnte
ja der nicht ordentlich ausgebildete Spaziergänger völlig unabsichtlich einen
auf der Erdoberfläche liegenden Bodenfund nicht rechtzeitig bemerken, ihn
unabsichtlich zertreten, und damit möglicherweise eine irgendwann einmal für
irgendeinen Wissenschafter zur Beantwortung irgendeiner noch völlig
unvorhersehbaren Forschungsfrage wichtig werden könnende Quelle für immer
vernichten. Dass das rechtlich nicht geht, versteht sich von selbst.
Und praktisch geht es sowieso nicht: würde man
das tatsächlich machen, würde das menschliche Leben zwangsweise vollständig zum
Erliegen kommen, weil niemand mehr irgendwelche Feldfrüchte anbauen oder
Nutztiere halten dürfte, weil sowohl Ackerbau als auch Viehzucht selbstverständlich
stets archäologische Bodenfunde gefährden. Wir würden also alle recht rasch
verhungern. Da ist dann die Fundmeldepflicht für „Zufallsfunde“ auch völlig
egal, weil tote ArchäologInnen forschen auch nichts mehr.
Wie viel Zeit braucht die Bearbeitung von Bodenfunden?
In Anbetracht der oben hochgerechneten Zahlen
und der Tatsache, dass die Antwort auf die Frage, welche Bodenfunde denn
überhaupt gemeldet werden sollten, davon abhängt, ob man sie aus
verwaltungsrechtlicher, archäologisch-denkmalpflegerischer oder archäologisch-wissenschaftlicher
Sicht betrachtet und dann, je nachdem, „praktisch keine“, „alle wichtigen“,
oder „absolut alle“ lautet, sollte man sich der Sache vielleicht besser zuerst
umgekehrt nähern, indem man die Frage stellt: wie viel Zeit braucht man
eigentlich für die archäologisch-wissenschaftliche Bearbeitung von Bodenfunden?
Weil letztendlich geht es ja, wenigstens aus
archäologisch-wissenschaftlicher und archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht, aber
eigentlich auch aus verwaltungsrechtlicher Sicht, beim Schutz von Bodenfunden
durch denkmalrechtliche Fundmeldepflichten vorwiegend (oder wenigstens auch) um
die Erhaltung der Denkmale als wissenschaftliche Forschungsquellen. Das heißt
zwar keineswegs, dass das der einzige Grund ist, warum man wenigstens manche
Bodenfunde als Denkmale erhalten will – Denkmale haben schließlich auch noch
andere Funktionen – aber dennoch ist ihr Wert als Erkenntnisquelle (schon Riegl 1903 zufolge) jedenfalls einer, wenn nicht sogar
der wichtigste, ihrer Denkmalwerte. Damit dieser Denkmalwert aber wirklich
relevant wird, muss man ihn auch tatsächlich realisieren, d.h. das Denkmal auch
erforschen. Erforscht man es nämlich nicht, bleibt der ihm innewohnende
Erkenntniswert nicht mehr als ein hypothetisches Potential, das zwar eventuell
– wenn man es für die Erforschung durch künftige Generationen tatsächlich
unverändert in Erscheinung und Substanz unverändert erhält – langfristig
erhalten bleibt, aber nicht in reale Erkenntnis umgewandelt wird und damit
nutz- und somit auch praktisch wertlos bleibt.
Die Erforschung von Denkmalen braucht jedoch
wenigstens Zeit (um von finanziellen und anderen Ressourcen erst gar nicht zu
reden); und diese Zeit muss auch tatsächlich investiert werden, damit man das
Erkenntnispotential, das in einem Denkmal steckt, in tatsächliche gewonnene und
damit nutzbringende Erkenntnis umwandeln kann. Zeit ist aber – nicht anders als
archäologische Bodenfunde – keine unbegrenzte Ressource, sondern steht zu jedem
konkreten Zeitpunkt bzw. in jedem konkreten Zeitraum nur in beschränkter Menge
zur Verfügung. Ermittelt man also, wie viel Zeit die
archäologisch-wissenschaftliche Bearbeitung von Bodenfunden durchschnittlich
kostet, kann man entweder hochrechnen, wie viel archäologisch-wissenschaftliche
Bearbeitungskapazität bereitgestellt werden muss, um alle tatsächlich entdeckten
Bodenfunde wissenschaftlich bearbeiten zu können, wenn alle gemeldet werden
würden; bzw. umgekehrt, wie viele Bodenfunde bei bekannter
Bearbeitungskapazität gemeldet werden sollten, damit die archäologische
Wissenschaft damit auch fertig wird. Aus einer Kombination von beiden oder
wenigstens letzterer Hochrechnung lässt sich dann eventuell ermitteln, wie
viele Bodenfunde gemeldet werden sollten; und dann mittelbar die Frage
beantworten, welche gemeldet werden sollten.
Durchschnittliche Bearbeitungszeiten für Bodenfunde
Glücklicherweise kann man im Bereich der
Archäologie auf langjährige Erfahrungswerte zurückgreifen, wie viel Zeit für
die wissenschaftliche Bearbeitung von Bodenfunden erforderlich ist. Aus diesen
Erfahrungswerten – die zwar nur in seltenen Fällen niedergeschrieben und
publiziert werden, aber manchmal glücklicherweise doch – lässt sich ein
Durchschnittswert wenigstens im Sinne einer ersten Näherung bestimmen, den wir
dann für unsere Hochrechnungen verwenden können.
Bearbeitungszeiten für Bodenfunde: das britische PAS
Einen gerade für die Abschätzung der
durchschnittlich erforderlichen Bearbeitungszeit für durch durchschnittliche
BürgerInnen an archäologische Fundmeldeeirichtungen gemeldete Bodenfunde bis zu
einem Punkt, an dem sie wissenschaftlich sinnvoll verwertbar werden, nutzbaren
Ausgangspunkt bieten die Zahlen des bereits erwähnten PAS. Dabei handelt es sich
bekanntermaßen um ein (großteils auf freiwilliger Basis funktionierendes)
Meldesystem, bei dem Finder – insbesondere MetallsucherInnen – ihre in England
und Wales entdeckten Bodenfunde melden können. Das PAS operiert inzwischen seit über 20
Jahren und hat in diesem Zeitraum insgesamt (Stand: 15/2/2019, 17:00 GMT)
1.393.209 Einzelfunde in seiner Datenbank registriert.
Den Zahlen des letzten bisher vorliegenden
Berichts des PAS für das Jahr 2017 zufolge, wurden in diesem Jahr 79.353 Funde
in die Datenbank des PAS eingegeben (PAS 2017, 35). Die dafür notwendige Bearbeitung und
Dateneingabe wurde dabei hauptsächlich von den Finds Liaison Officers (FLO) des
PAS selbst vorgenommen, teilweise unterstützt durch freiwillige
MitarbeiterInnen, insbesondere bei größeren Dokumentationsereignissen wie
Fundbestimmungtagen für MetallsucherInnen. Jeder (vollständige)
Datenbankeintrag in der PAS-Datenbank stellt eine grundlegende Bearbeitung des
Fundes entsprechend fachlichen Vorstellungen dar; d.h. entspricht etwa dem, was
man im deutschen Sprachraum in der Archäologie in einer Fundvorlage in einer
Fachpublikation erwarten würde (Fundort, Beschreibung, Maßangaben, typologische
Ansprache, Datierung, Verweise auf Parallelen und/oder Fachliteratur,
maßstabsgetreue Abbildung). 2017 beschäftigte das PAS für vorwiegend diese
Aufgabe 40 Funds Liaison Officers, unterstützt von 11 weiteren Mitarbeitern
(FundspezialistInnen, etc.; PAS 2017, 5).
Gemittelt lässt sich der Einfachheit halber annehmen,
dass der durchschnittliche Vollzeit-FLO pro Jahr etwa 1,600-2,000 (durchschnittlich
1,800) Funde in die Datenbank des PAS einzuarbeiten schafft.[6]
Das entspricht – bei ca. 1,800 Jahresarbeitsstunden pro MitarbeiterIn –
durchschnittlich etwa einem aufgenommenem Fund pro Arbeitsstunde, bzw. zwischen
ca. 53 und 67 Minuten Aufnahmezeit pro Fund.
Massenfundbearbeitungszeiten: deutscher Sprachraum
Im Tagungsband des Fachgesprächs des BDA im
Jahr 2014 zur Problematik des Umgangs mit Massenfunden und Fundmassen findet
sich ein interessanter Beitrag von Andreas Heege (2015), in dem dieser den Zeitaufwand für die
Bearbeitung von Keramikmassenfunden anhand von Beispielen aus dem deutschen
Sprachraum diskutiert.
Von besonderem Interesse für uns ist dabei sein
Beispiel über die Auswertung der Keramikfunde von den Grabungen und
Bauuntersuchungen am Kirchhügel von Bendern in Liechtenstein (Heege 2015, 44-48). Denn diese Arbeiten wurden
zwischen 1968 und 1990 durch den Lehrer Georg Malin nur bedingt sachgemäß
durchgeführt, insbesondere wurden die Fundmaterialien nicht stratigrafisch,
sondern nur nach Grabungsschnitten getrennt, das vorliegende Material ist also
ähnlich wie durch Fundmeldungen bekanntwerdende Fundgegenstände nicht mehr
bestimmten archäologischen Kontexten zuzuordnen. Von den 54.442 Keramikfragmenten
aus dem 12.-20. Jh. n.Chr. wurden nur 3,4% in die Materialvorlage aufgenommen.
Dabei ergab sich pro Katalog- und Tafelnummer eine archäologisch-wissenschaftliche
Gesamtauswertungszeit eines routinierten Bearbeiters von etwa 2 Stunden, plus
etwa eine weitere Stunde Hilfstätigkeiten wie Waschen, Zusammensetzen etc. und
Zeichnen der als publikationswürdig erachteten Funde. Bei einem weniger
routinierten Bearbeiter, der sich noch in Materie und Methodik einarbeiten
muss, rechnet Heege (2015, 44-45) damit, dass man die Arbeitszeit mit
einem Faktor von 1,5-2 multiplizieren muss.
Heege rechnet seine Ergebnisse aus der Analyse
der Aufarbeitung der Keramikfunde von Bendern bequemerweise auch noch gleich
um: „Bei 10.000 Fragmenten und ca. 4 %
Katalogauswahl fallen mindestens 70.000 Arbeitsminuten oder 1.166 Stunden an.
Es ist mit mindestens 400 zu zeichnenden oder zu fotografierenden Stücken zu
rechnen, was als Gesamtarbeitszeit für den Archäologen mindestens 800 Stunden
ergibt. Je 1 % zusätzlicher Katalogauswahl ergeben sich 200 zusätzliche
Arbeitsstunden des Auswerters und 150 Stunden eines Zeichners oder ca. 37
Stunden eines Fotografen/Bildbearbeiters.“ (Heege 2015, 46). Gleichzeitig verweist er aber
auch auf die von derartiger „Keramik-Fließbandarbeit“ ausgehende psychologische
Belastung des Bearbeiters und dass diese kaum längerfristig mit vergleichbarer
Intensität geleistet werden kann.
Die weiteren Beispiele Heeges (2015, 48-50), die stratifizierten Funde aus einer
Grabung in einem Stadtquartier aus dem 12.-16. Jh. n.Chr. in Einbeck in
Niedersachsen und ebenfalls stratifizierten Funde aus einer Grabung in einer
römischen Glashütte und mittelalterlichen Wüstung in Hambach im Rheinland
erforderten hingegen etwa die doppelte bis Dreifache Bearbeitungszeit wie das
unstratifizierte Material aus Bendern; weil die Zuordnung zu einzelnen
Kontexten einen weniger radikalen Umgang mit dem Fundmaterial erforderlich
macht. Dabei bleibt die tatsächliche Bearbeitungszeit pro in den Katalog
aufgenommenen Fundgegenstand selbstverständlich gleich, aufgrund der jeweils
pro Kontext deutlich geringeren Fundzahlen ist jedoch eine ebenso radikale
Ausscheidung von Ausschuss wie bei unstratifizierten Materialien nicht möglich,
sondern es müssen eventuell 8-10% des Gesamtfundmaterials aufgenommen und
ausgewertet werden. Dadurch, dass pro 10.000 Fragmenten damit 800-1.000
bearbeitet werden müssen, steigt logischerweise der Arbeitszeitbedarf
entsprechend an.
Pro Fundgegenstand, der es in die eigentliche
Materialvorlage schafft – der also im Falle das PAS in dessen Online-Datenbank
eingepflegt würde – ist laut diesen Berechnungen also mit etwa 175 Minuten
Arbeitszeit zu rechnen. Dies ist, wie leicht erkennbar ist, etwa die dreifache
Zeit, die PAS-FLOs pro Fundgegenstand brauchen.
Durchschnittlicher Arbeitsaufwand pro Fundgegenstand
Diese Diskrepanz lässt sich aber in erster
Linie dadurch erklären, dass einerseits die FundmelderInnen den FLOs regelhaft
bereits einiges an Vorarbeit (wie z.B. das Reinigen von Funden) abgenommen
haben, oft auch als Freiwillige bei der Fundaufnahme – mehr oder minder
tatsächlich in einer Art „Fließbandarbeit“ mit mehreren Dokumentationsstationen
– mithelfen und Metallfunde – und darum handelt es sich bei PAS-Funden
vorwiegend – bekanntermaßen vergleichsweise leichter zu identifizieren und
klassifizieren sind als Keramikfragmente. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
– wie es das PAS schließlich tut – diese Metallfunde nahezu ebenso radikal selektiert
werden wie das Keramikfundmaterial von Bendern – nur etwa 10% der FLOs
vorgelegten Funde dürften es in die Datenbank schaffen – und daher in aller
Regel nur gut erhaltene Stücke überhaupt als aufnahmewürdig betrachtet werden (PAS n.d.). Das erleichtert den Fundaufnahme- und
Auswertungsprozess im Vergleich zu Keramikfragmenten aus nicht gut erforschten
Zeitperioden und Räumen (Heege 2015, 44) zusätzlich.
Man kann also für nicht stratifizierte
Bodenfunde mit einem durchschnittlichen Arbeits(zeit)aufwand von wenigstens
etwa einer Stunde pro tatsächlich aufgenommenem und bearbeitetem Stück
ausgehen.[7]
Mehr als etwa 3 Stunden Arbeitszeit pro Stück sind hingegen in aller Regel bei
unstratifizierten Funden nicht zu erwarten, insbesondere wenn sie als
Massenfundkomplexe vorliegen.
Gleichzeitig ist aber auch zu bedenken, dass
der Anteil der zur Dokumentation ausgewählten Funde in der Regel umso mehr
ansteigt, desto kleiner die dem Bearbeiter auf einmal vorgelegten
Materialmengen sind. Je kleiner der einzelne ihm vorgelegte Fundkomplex, desto
eher wird die Auswahl auch nur der ein oder zwei „besten“ Stücke dazu führen,
dass ein weitaus größerer Anteil des jeweiligen Komplexes dokumentiert und
bearbeitet wird als bei größeren. Bei größeren Massenfundkomplexen sinkt also
vergleichsweise zu kleineren die Arbeitszeit für die Aufnahme des Gesamtmaterials,
weil viel radikaler größere Prozentsätze des vorgelegten Materials als – im
jeweiligen Fundkomplex – vergleichsweise unbedeutend ausgeschieden werden
können.
Hochrechnungen: Arbeitszeiterfordernis für Aufnahme verschiedener Bodenfunde
Damit können wir nun auf Basis der schon weiter
oben angestellten Hochrechnungen zur Anzahl von Funden von Bodendenkmalen,
archäologischen Bodenfunden, und allen Bodenfunden, den Arbeitszeitbedarf zur
Aufarbeitung dieser verschiedenen Gattungen von Bodenfunden hochrechnen.
Geht man davon aus, dass in Österreich jedes
Jahr tatsächlich zwischen ca. 2.184 und 6.552 Fundgegenstände entdeckt werden,
die so „offenkundig“ bedeutende
Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG sind wie „der
Fund eines römerzeitlichen Bronzehelms“ (Karl et al. 2017, 112), und mit ca. 1-3 Stunden Zeit
für die Erstaufnahme eines jeden derartigen Fundes zu rechnen ist, kommt man zu
den folgenden Ergebnissen: für die Aufnahme dieser Funde müsste man wenigstens 2.148
und bis zu 19.656 Arbeitszeit pro Jahr veranschlagen; im Mittel wohl so um die
8.736 Arbeitsstunden pro Jahr. In Vollzeitstellen (gerechnet mit ca. 1.800
Arbeitsstunden pro Vollzeitstelle pro Jahr) wären das etwa 1,2 bis 11 Stellen,
im Mittel ca. 5 Stellen.
Rechnet man hingegen für derzeit als
wissenschaftlich ‚wichtig’ betrachtete archäologische Bodenfunde auf dieselbe
Weise hoch, muss man mit wenigstens ca. 436.800 bis ca. 3,9 Millionen Arbeitsstunden
allein für die Erstaufnahme dieser ‚wichtigen‘ Bodenfunde rechnen; im Mittel
wohl so um die 1,75 Millionen Arbeitsstunden. Das wären mindestens ca. 243
Vollzeitstellen, eventuell bis zu 2.184, im Mittel vermutlich so um die 970
Posten, die man dafür bräuchte, um derartige Fundmassen komplett
erstaufzunehmen.
Rechnet man schließlich hoch, wieviel
Arbeitszeit es mutmaßlich kosten würde, wirklich alle Bodenfunde, die derzeit
wahrscheinlich alljährlich durch MetallsucherInnen in Österreich gemacht werden,
wissenschaftlich sachgerecht zu erfassen, käme man auf mindestens knapp unter 1
Million und bis zu etwas über 13 Millionen Arbeitsstunden, im Mittel wohl so um
die ca. 5,25 Millionen. Das wären mindestens ca. 530 Vollzeitstellen, eventuell
sogar beinahe 7.300, im Mittel etwa 2.900.
Es bedarf hier keiner weiteren Erwähnung, dass
von all diesen hochrechenbaren Arbeitsstunden und dafür erforderlichen
Vollzeitstellen gerade einmal die allerersten – die für Fundmeldungen bei Funden
von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG – auch nur ansatzweise realistisch erscheinen.
Wir können natürlich davon träumen, dass irgendwann einmal eine Bundesregierung
das BDA personell mit zusätzlichen 500 ArchäologInnenposten ausstatten wird,
oder sogar mehreren tausenden zusätzlichen Vollzeitstellen; weil träumen darf
man schließlich noch. Aber verwirklicht werden wird dieser Traum wohl niemals,
schon gar nicht in der Lebenszeit von irgendeinem heute lebenden Archäologen.
Hochrechnungen: Wie viele Fundmeldungen sind vom Administrativen her bewältigbar?
Man kann die Hochrechnung natürlich auch
umgekehrt angehen und, ganz im Sinne der Wünsche des Gesetzgebers,
hochzurechnen versuchen, wie viele Fundmeldungen „vom Administrativen her bewältigt werden“ (RV 1999, 39) können. Das Ergebnis ist, wenn man das
tut, noch erschreckender.
Das österreichische BDA beschäftigt derzeit
einen archäologischen Mitarbeiter hauptsächlich für Redaktionsaufgaben,
insbesondere für die ihm gesetzlich gem. § 11 Abs. 7 DMSG verpflichtend vorgeschriebene,
alljährliche Publikation der Fundberichte
aus Österreich (FÖ). Dieser Mitarbeiter ist, so ließe sich argumentieren,
der einzige vom BDA derzeit für die Bearbeitung von Fundberichten beschäftigte
Mitarbeiter, denn alle anderen Fachkräfte der Abteilung haben zahlreiche andere
und – wenigstens argumentierbarerweise – wichtigere Aufgaben zu erledigen, für
deren Erledigung sie sicherlich schon ganz ohne sich auch noch wissenschaftlich
um Zufallsfundmeldungen kümmern zu müssen unmöglich genug Arbeitszeit zur
Verfügung haben können (siehe dazu schon Karl 2011b, 5, 13-15).
Und selbst der eine Mitarbeiter, der für die FÖ
und damit wenigstens mittelbar auch für die wissenschaftliche Aufarbeitung
eingehender Fundmeldungen beschäftigt wird, hat eigentlich dafür gar keine
Zeit. Schließlich muss er jährlich um die 600 eingehende Grabungs- und sonstige
archäologische Maßnahmenberichte zu den zuletzt (BDA 2016) samt digitalem Teil
insgesamt 9.515 Seiten umfassenden FÖ zusammenstellen und jedes Jahr gewöhnlich
noch einige weitere Publikationen redaktionell betreuen. Maximal stehen also –
und da bin ich jetzt schon auf die Kosten von Nikolaus Hofer sehr großzügig mit
seiner Arbeitszeit – maximal etwa 10% seiner Arbeitszeit für die
wissenschaftliche Aufnahme eingehender § 8 Abs. 1 DMSG-Fundmeldungen zur Verfügung, d.h. maximal 180
Arbeitsstunden pro Jahr. Nimmt man also die durchschnittliche
Arbeitszeiterfordernis des PAS von etwa einer Stunde pro aufzunehmendem
Bodenfund an, kann er pro Jahr ca. 180 derartige Funde wissenschaftlich
aufnehmen; nimmt man Heeges (2015, 45) geschätzte ca. 3 Arbeitsstunden pro Fund,
kommt er hingegen gerade einmal auf maximal ca. 60 Funde pro Jahr, die er
wissenschaftlich aufnehmen kann. Arbeitet man mit diesen Werte, gehen jetzt
schon mit den durchschnittlich 200-300 pro Jahr eingehenden derartigen Meldungen,
die durchschnittlich sicher weit mehr als nur einen aufnahmewürdigen Fund
enthalten, zu viele Fundmeldungen pro Jahr für dessen verfügbare
Bearbeitungskapazität beim BDA ein.
Natürlich hat das BDA mehr archäologische
MitarbeiterInnen als nur diesen einen, insgesamt sind es derzeit wohl so um die
14 Vollzeitstellen (zeitliche Schwankungen aufgrund von Pensionierungen und
Neuanstellungen mit berücksichtigend). Darüber hinaus beschäftigen auch andere
öffentliche Einrichtungen in Österreich (Museen der Gebietskörperschaften), die
als alternative Meldestellen gem. § 8 Abs. 1 DMSG zulässig sind, professionelle ArchäologInnen
in ihren jeweiligen Sammlungen; insgesamt sind das wohl weitere ca. 30
archäologische Fachkräfte. Nimmt man an, dass diese alle jeweils etwa 10% ihrer
Arbeitszeit auf die Aufnahme und Bearbeitung von Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 DMSG aufwenden könnten – was neuerlich eigentlich
völlig unrealistisch ist, weil sie alle schon mit ihren anderen dienstlichen
Aufgaben mehr als zu 100% zeitlich ausgelastet sind, wie ich aus eigener
Kenntnis einer Mehrheit davon mit Sicherheit weiß – wären das österreichweit
ca. 7.920 Arbeitsstunden, die man in die Bearbeitung von Fundmeldungen gem. § 8
Abs. 1 DMSG investieren könnte.
Damit könnte man also – wenn auch nur mit wenig
Sicherheitspolster – die mutmaßlich derzeit alljährlich in Österreich durch
MetallsucherInnen entdeckten Funde von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG wissenschaftlich aufnehmen und soweit
bearbeiten, dass sie danach für weiterführende wissenschaftliche Forschungen
verwendbar werden. Denn das würde bei Annahme einer Stunde Arbeitszeit pro
Fundgegenstand die Aufnahme von bis zu 7.920 Fundgegenständen, bei drei Stunden
hingegen immer noch von etwa 2.640, im Mittel etwa 5.280 ermöglichen, womit man
wenigstens etwa im Bereich der zu erwartenden ca. 2.184 bis 6.552 pro Jahr
entdeckten Bodendenkmale liegen würde (natürlich allerdings nur, wenn entweder
wirklich durchschnittlich nur etwa 1 Stunde Arbeitszeit pro Fundgegenstand für
die Aufnahme und Bearbeitung erforderlich ist oder die Zahl der tatsächlich
eingehenden Fundgegenstände pro Jahr nahe der Untergrenze des hochgerechneten
Spielraums liegt. Würde nämlich die Aufarbeitung jedes gemeldeten Gegenstandes
etwa 3 Stunden dauern und alljährlich ungefähr 6.552 Funde von Bodendenkmalen
gemeldet, würde deren Aufarbeitung bereits ca. 19.656 und damit beinahe das
Dreifache dieser hypothetisch verfügbaren Arbeitsstunden kosten).
Laut unseren Schätzungen im Rahmen der Studie Discovering the
Archaeologists of Europe 2012-2014 waren 2013 ca. 900 ArchäologInnen in
Österreich auf bezahlten Posten beschäftigt (Karl & Möller 2014, 12). Wenn man annehmen will, dass
diese allesamt nichts außer gem. § 8 Abs. 1 DMSG eingehende Fundmeldungen bearbeiten würden,
stünden insgesamt etwa 1,6 Millionen Jahresarbeitsstunden für die Erledigung
dieser Aufgabe zur Verfügung. Würde die Bearbeitung eines einzelnen
Fundgegenstandes durchschnittlich nur eine Stunde dauern, würde das genügen, um
die minimal jedes Jahr in Österreich von MetallsucherInnen gefundenen ca. 1
Million Bodenfunde aufzuarbeiten; oder aber die maximal ca. 1,5 Millionen
einigermaßen ‚bedeutenden‘ archäologischen Bodenfunde, die in diesem Zeitraum
eventuell entdeckt werden könnten. Selbst wenn man 3 Stunden durchschnittliche
Aufarbeitungszeit pro ‚bedeutendem‘ archäologischen Bodenfund ansetzt, würden
diese ca. 900 archäologischen Arbeitskräfte etwa 540.000 davon pro Jahr
abarbeiten können; d.h. mit dem Mindestschätzwert von ca. 436.800 solchen
Funden fertig werden, allerdings schon nicht mehr mit den ca. 873.600, die
wahrscheinlich pro Jahr entdeckt werden. Selbst wenn man also die gesamte
archäologische Arbeitskapazität, die in Österreich 2013 verfügbar war – und es
ist unwahrscheinlich, dass diese Kapazität seither stark gestiegen ist –
ausschließlich zur Aufarbeitung der Meldungen der Bodenfunde verwenden würde,
die MetallsucherInnen jedes Jahr im Land entdecken, würde man aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal annähernd damit fertig.
Diese Zahlen zeigen in erschreckender
Deutlichkeit, was – bzw. genauer gesagt, wie wenig – derzeit in Österreich „vom Administrativen her“ (RV 1999, 39) an alljährlich eingehenden Fundmeldungen
gem. § 8 Abs. 1 DMSG bewältigt werden kann. Mit viel Glück schafft
man – wenn man die von den Gebietskörperschaften in dafür vorgesehenen
Einrichtungen beschäftigten professionellen ArchäologInnen 10% ihrer gesamten
Jahresarbeitszeit auf die Behandlung von eingehenden Fundmeldungen verwenden
lässt – mit der hochgerechneten Anzahl von Funden von Bodendenkmalen aus
verwaltungsrechtlicher Sicht fertig zu werden; und dafür müsste man ihnen
sicher irgendwelche anderen Aufgaben wegnehmen, die sie derzeit im Rahmen ihrer
Dienstpflichten erfüllen müssen. In Wahrheit würde die österreichische
archäologische Fachwelt also nicht einmal mit den Fundmeldungen fertig, die
alljährlich beim BDA oder anderen gem. § 8 Abs. 1 DMSG zulässigen archäologischen Fundmeldestellen
abgegeben werden müssten, wenn alle MetallsucherInnen die Bestimmungen des § 8
Abs. 1 DMSG in jedem Einzelfall richtig auslegen und sich
auch tatsächlich an die dadurch vorgesehene Fundmeldepflicht halten würden.
Lauwarme politische Luft
Es wäre also derzeit nicht einmal „vom Administrativen her“ (RV 1999, 39) bewältigbar, wenn alle Normunterworfenen
tatsächlich die einschlägigen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 DMSG anwenden würden, wie es der Gesetzgeber von
1923 (und jeder weitere seither, der die einschlägige Bestimmung nicht geändert
hat) angewendet sehen wollte. Das sagt eigentlich ohnehin schon alles, was man
über die politische Wertschätzung des archäologischen Denkmalschutzes in
Österreich wissen muss: diese Wertschätzung existiert nur am Papier und in mehr
oder minder schönen, wohlwollenden, aber letztendlich inhaltlich substanzlosen
Worten, die in der Praxis nichts wert sind. Denn wären sie etwas wert, müsste
die Bundesregierung im BDA wenigstens ca. 11 archäologische Fachkräfte
ausschließlich dafür vollzeitbeschäftigen, dass sie sich um eingehende
Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 DMSG kümmern. Tatsächlich stellt sie hingegen nicht
einmal 10% der Arbeitszeit eines einzigen solchen Mitarbeiters dafür zur
Verfügung.
Wie viele Fundmeldungen braucht das Land?
Aber was bedeutet das für die eingangs dieses
Artikels gestellte Frage, wie viele Fundmeldungen das Land (Österreich)
tatsächlich brauchen würde?
Schließlich kann es weder aus archäologisch-denkmalpflegerischer
noch aus archäologisch-wissenschaftlicher, ja nicht einmal aus
denkmalverwaltungsrechtlicher Sicht wirklich befriedigen, wenn alljährlich so
um die 200-300 Fundmeldungen gem. § 8 Abs. 1 DMSG beim BDA eingehen, von denen noch dazu die
überwiegende Mehrheit nicht einmal wirklich Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG betrifft, sondern eigentlich eher nur (mehr
oder minder archäologisch ‚bedeutsame‘) Bodenfunde, die absehbarerweise niemals
gem. §§ 2a, 3 bzw. 9 Abs. 3 DMSG zeitlich unbefristet unter Denkmalschutz
gestellt werden könnten. Schon gar nicht in Anbetracht der Tatsache, dass jedes
Jahr wohl ungefähr 4.500 bewegliche Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG, um die 875.000 aus derzeitiger Sicht
archäologisch einigermaßen ‚bedeutende‘ und ungefähr 2,6 Millionen wenigstens
zukünftig eventuell archäologisch bedeutsam werden könnende Bodenfunde von
MetallsucherInnen aus dem Boden entnommen werden.
Gleichzeitig ist es aber umgekehrt völlig
sinnlos, in Anbetracht der tatsächlich verfügbaren archäologischen Kapazitäten
zur Aufnahme und wenigstens grundlegenden Bearbeitung eingehender Fundmeldungen,
als wissenschaftliches Fach oder Denkmalbehörde danach zu rufen, dass idealerweise
alljährlich die ca. 2,6 Millionen Bodenfunde, die irgendwann einmal in der
Zukunft archäologisch bedeutsam werden könnten, oder auch nur die etwa 875.000,
die aus derzeitiger fachlicher Sicht wenigstens einigermaßen ‚bedeutend‘ sind,
gemeldet werden sollten. Wir würden schließlich derzeit nicht einmal mit den
ca. 4.500 Funden von Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG (in streng rechtlichem Sinn) fertig, wenn
diese tatsächlich gemeldet würden.
Und wir können auch nicht ernsthaft wollen,
dass jährlich zusätzlich auch nur 875.000 zusätzliche ‚bedeutende‘, geschweige
denn ca. 2,6 Millionen derzeit mehrheitlich aus wissenschaftlicher Sicht (noch)
vollkommen unbedeutende Bodenfunde in unseren ohnehin schon aus allen Nähten
platzenden Depots eingelagert werden. Wir haben dafür einfach nicht den Platz,
sondern müssten ganz im Gegenteil schon unsere derzeit bestehenden Sammlungen
kräftig aussortieren, damit wir überhaupt noch mit ihnen arbeiten und die
Funde, die (absehbarerweise) wirklich wichtig sind, tatsächlich längerfristig
erhalten können (siehe dazu schon Karl 2015; 2016). Selbst die gesamte prähistorische Sammlung
des Naturhistorischen Museums in Wien enthält derzeit wohl deutlich weniger als
2,6 und vermutlich kaum mehr als 875.000 archäologische Funde; welchen Sinn
sollte es da haben, jedes Jahr wenigstens noch einmal so viel, wie schon da
ist, hinzuzufügen? Wir kommen ja nicht einmal ansatzweise mit der
wissenschaftlichen Auswertung der schon bestehenden Sammlungen, geschweige denn
der der alljährlich eingehenden Grabungsergebnisse nach. Millionen zusätzliche,
unstratifizierte Funde pro Jahr schaden da eher, als sie helfen.
Gleichzeitig besteht aber auch das Problem,
dass all diese Bodenfunde, die MetallsucherInnen alljährlich machen, auch
keineswegs in situ erhalten bleiben werden, wenn man sie einfach dort belässt,
wo sie derzeit noch sind. Wie erst jüngsthin gezeigt, muss man schließlich
annehmen, dass die überwältigende Mehrheit all dieser Bodenfunde nicht aus
tieferliegenden, ‚ungestörten‘ archäologischen Stratifikationen im Boden stammt
(siehe dazu Karl 2018d), sondern aus dem modern gestörten
und ständig weiter verändert werdenden Oberboden. Dass sich diese dort
erhalten, bis wir – vielleicht – in ein paar hundert, wenn nicht erst in
tausend Jahren dereinst dazu kommen, sie professionell auszugraben (Karl 2019),
das kann wohl niemand wirklich ernsthaft glauben.
Das unlösbare Problem der Archäologie
Tatsächlich stehen wir als ArchäologInnen und
archäologische DenkmalpflegerInnen schon seit langem vor einem unlösbaren
Problem: wir können einfach nicht alles erhalten, was wir gerne erhalten
würden, weil uns dazu sowohl die Kapazität, als auch die Mittel, als auch der
notwendige Lagerraum fehlt; und wir können auch unmöglich überall sein, wo
Archäologie durch irgendwelche natürlichen Ereignisse oder irgendwelche
menschlichen Handlungen gefährdet werden könnte. Diesem Problem – dass es nie
genug ArchäologInnen geben wird, um alles rechtzeitig sachgerecht erforschen,
ausgraben und gleichzeitig physisch in Erscheinung und Substanz unverändert
erhalten zu können – müssen wir uns endlich ernsthaft stellen; und endlich
damit aufhören, uns eine bequeme Schutzbehauptung nach der anderen auszudenken,
um uns dem eigentlichen Problem nicht stellen zu müssen, das wir unzweifelhaft haben.
Es nützt nichts, sich selbst – und anderen –
vorzulügen, dass man, wenn nur die ‚bösen‘ MetallsucherInnen davon abgehalten
werden könnten, selbstständig Löcher in den Boden zu graben, um Metallfunde aus
dem Boden zu holen, diese Metallfunde dort erhalten bleiben würden, bis wir sie
irgendwann in einer fernen Zukunft professionell retten können. Ebenso wenig nützt
es, sich vorzulügen, dass Archäologie am besten in situ erhalten wird, wenn wir
sie nicht tatsächlich in situ erhalten können, sondern sie nur einfach dort
unbemerkt vor die Hunde geht. Das ist nicht mehr und nicht weniger als
vergnügliche Liedchen zu fiedeln, während Rom draußen vor dem Fenster schon
lichterloh brennt. Und aus diesem Grund ist auch die Frage vollkommen sinnlos,
wie viele Fundmeldungen das Land brauchen würde, wenn wir weder die Kapazität
noch die Ressourcen haben, mit diesen irgendetwas anzufangen, wenn wir sie
bekommen würden.
Das Problem, dass mehr Archäologie kaputt geht,
als wir professionellen ArchäologInnen und DenkmalpflegerInnen retten können,
wird durch keinen noch so elaboraten Selbst- und Fremdbetrug gelöst werden
können. Wenn wir also das Beste für die Archäologie wollen, müssen wir an das
Problem ganz anders herangehen als bisher: nicht uns ebenso heldenhaft wie dumm
gegen die unaufhaltsame Flut zu stemmen versuchen; sondern das zu retten
versuchen, was wir vorhersehbarerweise derzeit und zukünftig wirklich noch
brauchen können. Und so weh uns das auch tun mag, das bedeutet, dass das, was
nicht gerettet werden kann, auch aufgegeben werden muss.
Unser Problem ist, dass es nicht, wie wir uns
seit über einem Jahrhundert selbst einreden, zu wenig Archäologie gibt, sondern
viel zu viel. Wir müssen daher endlich lernen, das aufzugeben, das zu viel für
uns ist; und uns stattdessen auf das zu konzentrieren beginnen, mit dem wir
auch wirklich (noch) etwas anfangen können. Oder, wie es der Gesetzgeber ganz
richtig ausgedrückt hat: auf das, was „vom
Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden
kann“ (RV 1999, 39).
Wir brauchen Meldungen über die Funde, die wir brauchen
Was Fundmeldungen durch MetallsucherInnen und
andere gewöhnliche BürgerInnen betrifft, ist daher auch nicht so sehr die Frage
relevant, wie viele davon bei uns eingehen, sondern vielmehr primär die Frage,
welche bei uns eingehen. Denn betrachtet man das Problem aus dem zuletzt
genannten Blickwinkel – dem der unausweichlich notwendigen fachlichen Auswahl
des Wichtigeren aus dem Unwichtigeren – ist die Antwort auf die Frage „Welche Fundmeldungen brauchen wir?“
die, dass wir die Fundmeldungen brauchen, die wir brauchen.
Das ist mehr als eine bloße Tautologie: es ist
im Prinzip nahezu völlig egal, ob wir – wie bisher – alljährlich nur 200-300
Fundmeldungen von Findern von irgendwelchen Bodenfunden übermittelt bekommen,
oder ob wir alljährlich alle geschätzt ca. 4,5 Millionen Funde gemeldet
bekommen, die MetallsucherInnen und andere BürgerInnen maximal finden dürften.
Weil bei den 200-300, die bislang alljährlich einlangen, sind die Funde, die
wir wirklich wollen und brauchen würden, nicht dabei; und würden alljährlich
4,5 Millionen davon eingehen, würden wir sie in der eingehenden Masse von
Fundmeldungen, die wir in der uns verfügbaren Zeit nicht einmal auch nur
oberflächlich durchschauen könnten, aller Wahrscheinlichkeit nach einfach alle
übersehen. Das Ergebnis wäre also das Gleiche: die, die wir wirklich brauchen,
würden verloren gehen, entweder weil wir gleich gar nicht von ihnen erfahren
oder weil sie in der eingehenden Informationsflut untergehen. Wir brauchen auch
nicht eine bestimmte Anzahl, also z.B. nur die ca. 4.500, für die wir
vielleicht derzeit genug verfügbare Kapazität hätten. Wir brauchen vielmehr die
richtigen, d.h. die ‚Wichtigsten‘, mit denen wir auch mit unserer verfügbaren
Kapazität tatsächlich fertig werden, ob das jetzt die ‚wichtigsten‘ 200, 2.000 oder
200.000 sind.
Die zwei Probleme mit der Bestimmung, welche Funde gemeldet werden sollen
Mit der Bestimmung, welche Bodenfunde jetzt
tatsächlich ‚die Wichtigsten‘ sind, die daher gemeldet werden sollten, gibt es
nun allerdings wiederum zwei bedeutende Probleme.
Das erste davon ist, dass man, um richtig
bestimmen zu können, welche Bodenfunde wichtiger sind als andere Bodenfunde,
besonderen archäologisch-wissenschaftlichen Sachverstand braucht; und dass
selbst dieser nur bedingt hilft, wenn sich nicht die Fachgemeinschaft in ihrer
Gesamtheit wenigstens halbwegs darauf geeinigt hat, was sie als Kollektiv und
nicht nur man selbst als sachverständiges Individuum derzeit für das Fach in
seiner Gesamtheit am wichtigsten hält. Das muss man daher in der Fachgemeinschaft
diskutieren; und diese Diskussion fehlt bisher, wenigstens in Österreich, noch
praktisch vollständig.
Das zweite Problem ist hingegen, dass der
durchschnittliche Finder von irgendwelchen irgendwo in der Landschaft im Boden
verborgenen oder an der Erdoberfläche herumliegenden Bodenfunden nicht eine
archäologische Fachkraft ist, sondern ein durchschnittlicher Staatsbürger, dem
ebendieser besondere Sachverstand fehlt und der auch keinerlei Kenntnis von
(ohnehin innerfachlich noch nicht einmal ausdiskutierten) fachlichen
Prioritätensetzungen hat. Der durchschnittliche Finder weiß daher nicht, und
kann auch gar nicht wissen, welche Bodenfunde aus fachlicher Sicht so wichtig
sind, dass er sie auf jeden Fall melden sollte, und welche sicher so unwichtig
sind, dass er sich die Meldung besser erspart, um uns nicht in einer sinnlosen
Informationsflut untergehen zu lassen. Damit er überhaupt eine Chance hat,
richtig zu erkennen, was wir brauchen und was wir überhaupt nicht haben wollen,
müssen wir ihm daher sagen, welche Bodenfunde wir für wichtiger und unwichtiger
halten, und zwar in einer Art, die er auch verstehen kann. Auch das haben wir
bisher praktisch überhaupt nicht getan.
Der Weg zur Problemlösung
Beide diese Probleme kann niemand anderer für
uns lösen; und auch kein Gesetz, schon gar nicht eines, dass die Aufgaben, die
wir nicht erledigt haben, einfach dem durchschnittlichen Finder aufbürdet.
Es bringt nichts, den Betroffenen
vorzuschreiben, dass sie die Funde melden sollen, die bedeutend sind; und auch
nichts, ihnen durch § 8 Abs. 1 DMSG aufzutragen, die zu melden, die wichtig sein
könnten; und noch viel weniger, ihnen zu schreiben (z.B. BDA 13.3.2012, GZ
841/12/2012), dass sie alle Funde melden sollen, oder ihnen zu sagen, dass sie
einfach ihren gesunden Menschenverstand gebrauchen sollen. Es bringt auch
nichts, so zu tun, als ob ohnehin deshalb, weil ja archäologische Funde in
öffentlichen Museen ausgestellt werden, ohnehin jedem klar wäre, welche Funde
er melden muss und welche nicht. Denn Museen nehmen keine Bewertung im oben
genannten Sinn vor, einmal abgesehen davon, dass sie unzählige verschiedenste
Sachen aus den verschiedensten Gründen ausstellen, von denen höchstens ein
kleiner Anteil überhaupt Bodendenkmalcharakter haben kann oder archäologisch
wirklich so dringend gebraucht wird, dass man ihn als einen der ‚wichtigsten‘ Bodenfunde
melden müsste. Einmal völlig abgesehen davon, dass ein Metallsucher sich
archäologische Museen kaum ins Feld mitnehmen kann, um dort im Bedarfsfall
rasch einmal nachschauen zu können, ob er das, was er gerade gefunden hat,
jetzt melden soll oder nicht.
Was die BürgerInnen, die heutzutage am ehesten
archäologische Bodenfunde entdecken, und die auch mit gewaltigem Abstand die
meisten Funde machen, die die archäologische Wissenschaft und Denkmalpflege
wirklich brauchen könnten, brauchen, sind konkrete Hilfestellungen. Wie solche
Hilfestellungen z.B. ausschauen könnten, kann man sich insbesondere von der
Biologie abschauen, die genauso wie die Archäologie nicht genug Fachkräfte und
Ressourcen hat, um alle Daten zu erheben, die sie braucht und daher schon seit
langem auf die freiwillige Hilfe durch interessierte Laien setzt.
Dafür gibt es daher schon seit langem
Bestimmungsbücher, die zur Arten-Bestimmung von Tieren, Pflanzen, Pilzen oder
sonstigen Organismen dienen. Manche davon richten sich gezielt an ein
interessiertes Laienpublikum, um diesem sowohl selbst die Möglichkeit zu geben,
solche Bestimmungen aus eigenem Interesse vorzunehmen, als auch um von
Feldbeobachtungen durch derartige selbstgebildete Laien profitieren zu können;
sozusagen von Artenfundmeldungen (siehe z.B. RSPB 2019).
Selbst in der Wikipedia kann man nachlesen, wie solche Bestimmungsbücher für interessierte Laien
gemacht sind: „Für den interessierten
Laien steht eine Vielzahl reichhaltig bebilderter Bestimmungsbücher zur
Verfügung, in denen die Bestimmung von Arten in erster Linie über das
Gesamterscheinungsbild oder charakteristische, einfach zu erkennende
Einzelmerkmale (z. B. Blütenfarbe von Pflanzen) erfolgt. Je nach
Ausführlichkeit des Bestimmungsbuches wird diese Bestimmung nach dem
Gesamthabitus für leicht zu verwechselnde Arten noch durch Illustrationen und/oder
Beschreibungen charakteristischer Einzelmerkmale ergänzt (z. B. Blattzähnung
von Pflanzen, Details des Vogelgefieders).“ (Wikipedia: „Bestimmungsbuch“ [17/2/2019]). Dadurch unterscheiden
sie sich signifikant von Bestimmungsbüchern für Fachleute, die in der Regel
nicht nur weniger reich bebildert sind, sondern auch nach anderen Prinzipien
aufgebaut sind.
Bestimmungsbücher
Ein solches Bestimmungsbuch gibt es seit kurzem
sogar für moderne Architektur (Fröbe 2018); aber handliche Taschenbuchformate
zum Mitnehmen und Benutzen in der freien Wildbahn findet man vor allem im
Bereich der Pflanzen-, Insekten- und Vogelbestimmung (z.B. Kremer 2017;
Bellmann 2018; Dierschke 2017). Tatsächlich gibt es ganze Buchverlage, die von
der Produktion und dem Verkauf von Bestimmungsbüchern leben. Die
MetallsucherInnen haben sich sogar inzwischen selbst teilweise solche
Bestimmungsbücher für ihre Zwecke generiert, die man vielleicht nicht in der
nächsten Buchhandlung, aber wenigstens im gut sortierten
Metallsuchgerätzubehörhandel erwerben kann (z.B. Gesink 2018, 249-317; Steinmann
2007a; b; 2010; Whitehead 1996); wo man auch fachliche Bestimmungsbücher
erwerben kann, die es – wenn auch nur vergleichsweise selten – auch durchaus
für archäologisches Fundmaterial gibt (z.B. Landesstelle 2013; 2017).
Dabei soll gar nicht in Abrede gestellt werden,
dass die zuletzt genannten fachlichen Bestimmungsbücher zur Bestimmung von
archäologischen Sammlungsbeständen geeignet sind, für die sie auch konzipiert
sind, auch für Laien. Dennoch: man merkt ihnen an, dass sie primär nicht mit
Laien als Zielpublikum konzipiert wurden; schon gar nicht MetallsucherInnen.
Letzteres erkennt man schon allein daran, dass sie mit dem Ende des Früh- oder
spätestens im Hochmittelalter enden (Landesstelle 2013; 2017); während der
Großteil der Funde, die MetallsucherInnen machen, aus deutlich späteren Zeiten
stammt (cf. Steinmann 2007a; b; 2010; Whitehead 1996). Vor allem aber sagen sie
ihren BenutzerInnen zwar vielleicht, was das Objekt ist, das sie vor sich
haben, und wie sie es richtig ansprechen können; aber nicht wie wichtig diese
Art von Objekt im Vergleich zu anderen Objekten ist. Das schränkt ihre
Nützlichkeit gerade für jenes Laienpublikum ein, das sie am ehesten benutzen
könnte, um im Feld zu bestimmen, ob ein Bodenfund nun gemeldet werden sollte
oder nicht.
Bestimmungsbücher aus der Szene selbst sind
hier wenigstens insofern nützlicher, als sie – wenigstens manchmal – wenigstens
Hinweise auf den normalen Marktwert einer bestimmten Art von Fundgegenstand
geben. Aus archäologischer Sicht ist dieser Marktwert zwar vollkommen
irrelevant, aber es ist wenigstens irgendeine Methode zur relativen Bewertung
der Gegenstände, die dem Benutzer seine Funde wenigstens in einer Hinsicht
relativ zueinander zu vergleichen gestattet. Will man daher erreichen, dass
Finder ihre Funde nicht anhand eines ‚szeneinternen‘ Bestimmungsbuches
bestimmen und auf dessen Basis den ungefähren relativen Marktwert ihrer Funde
ermitteln und diesen zur Grundlage ihres weiteren Umgangs mit ihren Funden
machen, muss man ihnen ein anderes Bewertungssystem bieten.
Archäologische Bestimmungsbücher mit wissenschaftlichen Wertangaben?
Was man also braucht, um Finder von Bodenfunden
die Mittel in die Hand zu geben, um selbstständig möglichst die davon auswählen
zu können, die wir tatsächlich gemeldet bekommen wollen, weil wir sie
tatsächlich wissenschaftlich brauchen, sind Bestimmungsbücher für Bodenfunde
mit wissenschaftlichen Wertangaben in einem Geldwert entsprechenden System.
Wie dieses System zur Angabe des relativen
Werts verschiedener Arten von Bodenfunden funktioniert, ist dabei letztendlich
nahezu vollkommen gleichgültig: ob nun einfach auf einer Skala von 0 bis 10, in
der Null für ‚zu entsorgender Mist‘ und 10 für ‚ist so bedeutend, dass es
unbedingt gemeldet werden muss‘ steht; oder ein nach oben offenen Punktesystem,
bei dem alles über einer gewissen Punktezahl gemeldet werden soll; der Benutzer
eines solchen Bestimmungsbuches muss nur die relative Wichtigkeit neu
entdeckter Gegenstände damit ermitteln können. Kann er das, und ist ein
bestimmter Grenzwert festgelegt, ab dem eine Meldung zu machen ist (den die
zuständigen Stellen auch von Jahr zu Jahr oder jederzeit ändern können, je
nachdem, wieviel Kapazität sie zur Verfügung haben, um mit eingehenden
Fundmeldungen fertig zu werden), dann kann er auch tatsächlich bestimmen, ob er
einen bestimmten Fundgegenstand melden soll oder nicht. Damit lässt sich dann
erreichen, dass wir tatsächlich nicht alle Funde, sondern hauptsächlich die,
die wirklich wichtig genug sind, gemeldet bekommen.
Aber dazu muss sich zuerst einmal die Fachwelt
auf ein wissenschaftliches Wertangabesystem einigen, und sich darauf einigen,
welchen Arten von Bodenfunden sie welchen Wert zuweisen will. Weil das ist
unabdingbare Voraussetzung dafür, dass man diese Wertangaben auch in Bestimmungsbücher
aufnehmen kann, damit Finder den relativen Wert eines von ihnen gemachten
Fundes selbstständig bestimmen und daraus ableiten können, welche davon sie
jetzt melden sollen oder nicht. Es wird daher dringend Zeit, dass wir uns
dieser Aufgabe stellen, so schwer sie uns fallen mag und so ungern wir sie
erledigen wollen.
Weil tun wir das nicht, dann werden wir nie die
Fundmeldungen bekommen, die wir tatsächlich brauchen – nämlich die über jene
Funde, über die zu erfahren „vom
Fachlichen her erforderlich ist und vom Administrativen her bewältigt werden
kann“ (RV 1999, 39) – egal wie viele Fundmeldungen bei uns
eingehen. Wenn wir als Fach wollen, dass uns interessierte Laien jene ihrer
Bodenfunde vorlegen wollen, die für uns wichtig sind, dann werden wir uns dazu
bequemen müssen, diesen Laien auch zu sagen, welche das sind.
Schlussfolgerungen: welche Fundmeldungen braucht das Land?
Wie in diesem Beitrag gezeigt wurde, kann nur
die archäologische Fachwelt das Problem mit den unzureichenden Fundmeldungen
lösen, das derzeit wenigstens in Österreich besteht. Die einzige mögliche
Lösung dieses Problems ist die, dass die Fachwelt interessierten Laien, die
archäologische Funde in der Landschaft entdecken – insbesondere
MetallsucherInnen – in klarer und allgemeinverständlicher Weise erklärt, welche
Arten von Funden gemeldet werden müssen und welche nicht gemeldet werden
sollen.
Der bisher dafür gewählte Weg, die betroffenen
BürgerInnen, von denen wir Meldungen bekommen wollen, einfach auf Basis ihres
eigenen Kenntnisstandes wild raten zu lassen was ‚wichtig sein könnte‘, und darauf zu hoffen, dass diese dann schon
richtig erraten werden, was gemeldet werden soll und was nicht, hat auf ganzer
Linie versagt. Denn es bleiben dem Betroffenen bei einer solchen ‚Meldepflicht
auf gut Glück‘ eigentlich nur zwei Arten, sein Verhalten zu gestalten: weil er
sich immer im Zweifel befinden muss, ob ein Bodenfund der gesetzlichen
Meldepflicht des § 8 Abs. 1 DMSG unterliegt oder nicht, muss er entweder alle
seine Funde melden, oder keinen Einzigen, egal wie wichtig der sein mag. Damit
sind alle Möglichkeiten, wie BürgerInnen ihr Meldeverhalten gestalten können,
gleichermaßen unbefriedigend: entweder Finder melden praktisch gar nichts und
damit viel zu wenig, oder praktisch alles und damit viel zu viel, oder das was
ihnen subjektiv, aber nicht der Fachwelt ‚objektiv‘, wichtig erscheint und
damit mehrheitlich das Falsche. Nichts davon bringt etwas, schon gar nicht für
die Archäologie und ihre Erhaltung.
Die einzige Möglichkeit, das bestehende Problem
tatsächlich zu lösen, ist also jenen interessierten Laien geeignete
Bestimmungsbücher für archäologische Bodenfunde in die Hand zu geben, die
diesen den relativen wissenschaftlichen Wert eines von ihnen entdeckten
Fundgegenstandes und nicht nur seinen finanziellen Wert selbstständig zu
ermitteln gestatten. Kann man diesen auch numerisch ausdrücken, gestattet ein
solcher sogar ein aktives Fundmeldemanagement: hat man gerade zu wenig
Kapazität, um mit den eingehenden Fundmeldungen fertig zu werden, kann man den
Grenzwert, ab dem Funde gemeldet werden sollen, einfach nach oben setzen und
damit die Anzahl der eingehenden Fundmeldungen senken. Hat man hingegen mehr
Kapazitäten zur Aufarbeitung eingehender Funde als Fundmeldungen einlangen,
kann man den Grenzwert für Meldungen heruntersetzen und damit die Anzahl der
eingehenden Meldungen erhöhen.
Man muss dafür natürlich akzeptieren, dass
viele archäologisch wichtige oder irgendwann einmal wichtig werden könnende
Fundgegenstände aufgegeben werden; und – noch wichtiger – dass nicht alle
archäologischen Funde genau gleich – nämlich jeweils unendlich – wertvoll sind;
sondern manche für die archäologische Wissenschaft und Denkmalpflege wichtiger
und andere weniger wichtig. Wir müssen uns daher – und zwar im Voraus als
Fachgemeinschaft – entscheiden, welche Arten von Bodenfunden so viel wichtiger
sind als alle anderen Arten von Bodenfunden, dass wir sie unbedingt retten und
daher auch von ihrer Entdeckung durch Fundmeldung erfahren müssen, und welche
das nicht sind und daher – wenigstens solange die Kapazität zu ihrer
Bearbeitung nicht ausreichend verfügbar ist – verworfen werden müssen. Das wird
man innerfachlich zuerst einmal aushandeln müssen, und zwar dringlich, weil
solange das nicht ausgehandelt ist, kann das Fundmeldewesen überhaupt nicht
ordentlich funktionieren (es sei denn, man will auf reine Zufallssamples
setzen, die sich bisher als nicht besonders verlässlich erwiesen haben).
Hat man ein solches System erst einmal
erstellt, dann kann man sich überlegen, wie viele Fundmeldungen das Land
eigentlich braucht bzw. wie viele es mit den derzeitig verfügbaren Kapazitäten
überhaupt sinnvoll bewältigen kann. In Österreich sind diese Kapazitäten
derzeit so knapp beschränkt, dass de facto eigentlich gar keine Fundmeldungen
hinreichend bearbeitet werden können, um wissenschaftlich verwertbar zu werden.
Man kann sich also eigentlich das alles ersparen, weil solange wir diese
Fundmeldungen nicht bearbeiten können, brauchen wir auch gar nicht darüber zu
jammern, dass sie nicht bei uns eingehen, weil das ohnehin bloß sowohl die Zeit
der Melder als auch unsere Zeit verschwenden würde. Dies ist aber weder aus
archäologisch-wissenschaftlicher noch aus archäologisch-denkmalpflegerischer
Sicht wirklich befriedigend. Mittelfristig ist daher – nach erfolgreicher Einführung
eines stark geänderten Systems zur Fundmeldung in Österreich auf Basis eines
Wertangabesystems wie diskutiert – eine entsprechende Aufstockung der Kapazität
zur Aufnahme und Bearbeitung von Fundmeldungen durch interessierte BürgerInnen
anzustreben.
Eine solche Kapazität muss dabei keineswegs
besonders hoch sein: geht man davon aus, dass etwa 1.000 MetallsucherInnen in
Österreich jedes Jahr ihre jeweils 10 wichtigsten Bodenfunde dem BDA melden,
also etwa 10.000 Fundmeldungen pro Jahr eingehen würden, würde das genügen, um
eine annähernd systematische archäologische Landesaufnahme in Österreich zu erreichen.
Geht man davon aus, dass diese MetallsucherInnen einigermaßen gleichmäßig über
das Bundesgebiet verteilt sind und auch einigermaßen zufällig unterschiedliche
Flächen begehen, und auch die wichtigsten Funde gleichmäßig verteilt sind, wäre
das pro Jahr ein gemeldeter Fund pro 8,4 km2. Man würde damit dann in etwa 20 Jahren wohl
eine sehr vergleichbare Fundstellendichte erzeugen, wie sie das britische PAS
erreicht hat, und hätte gleichzeitig einen weit besseren Überblick über die
Verteilung von ‚wichtigem‘ Fundmaterial in Österreich. Für das Fach und für die
archäologische Denkmalpflege wäre beides ein bedeutender Schritt vorwärts.
Die dafür erforderlichen Personalressourcen
wären hingegen überschaubar. Rechnet man mit dem Mittelwert von 2
Arbeitsstunden zur Aufnahme und Bearbeitung jedes eingehenden Fundes, kosten
ca. 10.000 Fundmeldungen pro Jahr etwa 20.000 Arbeitsstunden. Das wären etwa 11
Vollzeitposten, die man neu schaffen bzw. durch Umschichtungen von Arbeitsaufgaben
dafür gewinnen müsste. Natürlich: mehr wäre schöner. Aber derzeit gibt es viel
weniger Fundmeldungen als das, und ohnehin nicht einmal annährend die
ausreichende Kapazität, um auch nur mit 10.000 gemeldeten Fundgegenständen
fertig zu werden. Eine Verbesserung wäre dadurch also allemal erreicht. Und wer
weiß, wenn ein solches System funktioniert, vielleicht lässt es sich ja zu
späterer Zeit, wenn sein Erfolg offensichtlich erkennbar wird, auch mit
zusätzlichem Personal und Ressourcen aufstocken.
Es ist also an sich ziemlich egal, dass in
Österreich von MetallsucherInnen alljährlich vermutlich um die 2,6, wenn nicht
sogar 4,5 Millionen Bodenfunde entdeckt werden. Würden davon auch nur die
10.000 wichtigsten gemeldet – d.h. weniger als 0,4%, potentiell sogar nur 0,2%
davon – würde das aller Wahrscheinlichkeit nach bereits völlig genügen, um den
wissenschaftlichen und denkmalpflegerischen Kenntnisstand über die Archäologie
Österreichs in einem bis zwei Jahrzehnten vollkommen zu revolutionieren. Wenigstens
wenn es die richtigen Funde sind, die gemeldet werden, nämlich die, die wir
wirklich wissenschaftlich und denkmalpflegerisch brauchen; und die nicht nur
alter Schrott sind.
Statt sinnlosen Zwangsbestimmungen in
irgendwelchen Gesetzen, an die sich ohnehin scheinbar niemand hält, würde es
dafür auch völlig genügen, ein weitgehend freiwilliges Fundmeldesystem zu
haben, auch wenn natürlich eine ‚gesetzliche Fundmeldepflicht‘ besser klingt.
Dennoch: mit ein wenig konstruktiver Zusammenarbeit wäre vermutlich weit mehr
erreicht als jemals durch die derzeitige ideologische Eiszeit erreicht werden
kann, die auch gar nix bringt, weil wir dadurch auch nicht erreichen, was wir
wollen, aber unmöglich erreichen können: alle archäologischen Bodenfunde zu
retten geht einfach nicht.
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[1] In weiterer Folge werden für
diesen Beitrag nur MetallsucherInnen und die von ihnen gemachten Funde
betrachtet, weil andere Kategorien von Findern – ob nun Spaziergänger,
Bauarbeiter oder auch HeimatforscherInnen, die ohne Metallsuchgerät nach
Bodenfunden suchen – vergleichsweise nur verschwindend geringe Mengen von
Bodenfunden entdecken. Die Ergebnisse dieser Studie sind dann allerdings auch
auf alle anderen Gruppen von Findern, bzw. wenigstens alle Gruppen von Findern,
die intentional nach (archäologischen) Bodenfunden suchen, übertrag- und
anwendbar.
[2] Für einen internationalen
Vergleich zur durchschnittlichen Anzahl von Stunden pro Jahr, die
MetallsucherInnen ihrem Hobby im Feld nachgehen, siehe die Zusammenstellung
verschiedener Survey-Ergebnisse aus verschiedenen Ländern bei Hardy (2017, 25-36). Für die hiesige Frage irrelevant sind
die bisher ungezählten Stunden, die MetallsucherInnen außerdem z.B. zuhause, in
Vereinen, bei der Aufarbeitung, Säuberung, etc. von Funden oder anderen mit dem
Hobby in Verbindung stehenden Tätigkeiten aufwenden.
[3] Siehe dazu auch die
Bestimmungen des § 2 DMSG zur automatischen Unterschutzstellung Kraft
gesetzlicher Vermutung von im öffentlichen Eigentum oder dem Eigentum
bestimmter Körperschaften (wie z.B. anerkannter Religionsgemeinschaften)
stehender beweglicher Gegenstände, in der eine Altersgrenze von 100 Jahren vor
der Gegenwart festgesetzt ist.
[4] Damit unterscheidet sie sich
maßgeblich von den ebenfalls bestehenden, aber eigentlich nur eigentumsrechtlich
relevanten, Fundmeldepflichten der §§ 388-401 ABGB, die für alle 'herrenlosen' Güter gilt, die man
finden kann ohne zu wissen ob es noch einen Eigentümer gibt - und daher z.B.
einem Fundamt zu melden hat.
[5] Der gewöhnliche
Normunterworfene ist der durchschnittliche, vernünftige gewöhnliche
Staatsbürger.
[6] Diese Vereinfachung vernachlässigt
einerseits, dass PAS FLOs auch noch andere Aufgaben als nur die Einpflegung von
Fundmeldungen in die PAS-Datenbank haben, andererseits aber auch, dass den FLOs
einige Finds Specialists zur Seite stehen und es inzwischen zahlreiche ‚self-reporters‘
gibt, die ihre Funde (und teilweise auch die von Bekannten) selbstständig in
die PAS-Datenbank einpflegen. Laut persönlichen Mitteilungen durch mehrere FLOs
entspricht der hier geschätzte Wert von ca. 1 Stunde Arbeitszeit pro eingepflegtem
Fund auch gut ihren eigenen Erfahrungen; d.h. sie arbeiten auch selbst mit
einem Schätzwert von ca. 1 Stunde pro eingepflegtem Fund.
[7] Diese Schätzung beinhaltet
bereits den Arbeitsaufwand für die Selektion dokumentationswürdiger Funde.
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