ÖNORM S 2411
„Identifikation und Bewertung von Risiken im Boden von Liegenschaften“
„Identifikation und Bewertung von Risiken im Boden von Liegenschaften“
Abstract: Zwar hat die Republik Österreich die Valletta-Konvention 2015
ratifiziert, die Umsetzung ihrer wichtigsten Bestimmung, die in ihrem Artikel 5
vorgesehene, vollständige Einbindung der Archäologie in den Raum- und
Bauplanungsprozess, aber bislang nicht gesetzlich umgesetzt. Eine solche
gesetzliche Umsetzung dieser vertraglichen Verpflichtung scheint auch weder
geplant noch der dafür notwendige politische Wille vorhanden zu sein. In der
Praxis stellt dies insbesondere für die archäologische Denkmalpflege ein gravierendes
Problem dar, weil die gesetzlichen Schutzbestimmungen des Denkmalschutzgesetzes
erst greifen, wenn bei Erdarbeiten zufällig archäologische Hinterlassenschaften
angetroffen werden, die iSd § 8 Abs. 1 DMSG als Bodendenkmale zu betrachten
sind. Nachdem deren rechtlich korrekte Behandlung jedoch zu gravierenden
Verzögerungen oder sogar dem Scheitern des betroffenen Entwicklungsprojektes
führen können und die die Erdarbeiten durchführenden Arbeitskräfte oft genug
auch tatsächlich hochsignifikante archäologische Hinterlassenschaften im
Erdboden nicht erkennen oder richtig deuten können, wird die angetroffene
Archäologie derzeit oft – ob nun vorsätzlich, irrtümlich oder unwissentlich –
einfach weggebaggert und damit undokumentiert vernichtet. Wird sie hingegen
nicht zerstört, sondern rechtlich korrekt behandelt, entsteht oft signifikanter
wirtschaftlicher Schaden.
Um dieses Problem für sowohl
die Entwicklungsprojekte planende bzw. diese finanzierende oder versichernde
Wirtschaft als auch die archäologische Denkmalpflege so gut als möglich zu
lösen, wurde daher nun auf Initiative der Wirtschaft die ÖNORM S 2411 „Identifikation
und Bewertung von Risiken im Boden von Liegenschaften“ entwickelt. Diese sieht
eine freiwillige, den Vorgaben des Art. 5 der Valletta-Konvention
entsprechende, frühzeitige Einbindung der Archäologie in den Raum- und
Bauplanungsprozess vor, um allfällige Risiken durch archäologische (und auch
andere relevante) Altlasten im Boden präventiv erkennen, bewerten und folglich
bei der Planung von Entwicklungsvorhaben sachgerecht berücksichtigen zu können.
Dadurch sollen Schäden, sowohl für die Wirtschaft, als auch an archäologischen
Hinterlassenschaften, möglichst minimiert oder sogar – falls möglich – gänzlich
vermieden werden. Dieser Beitrag diskutiert daher die Probleme, die zur
Entwicklung dieser ÖNORM geführt haben und stellt die in ihr normierte
Vorgehensweise zur (auch archäologischen) Vorerkennung von Risiken im Boden von
Liegenschaften vor.
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Im deutschen Sprachraum (und nicht nur in
diesem) sind wir es seit langem gewohnt, dass der Staat für die
(archäologische) Denkmalpflege zuständig ist. In Österreich steht das sogar in
der Bundesverfassung: „Bundessache ist
die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten: …;
Denkmalschutz; …“ (Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG). Der Staat – im Falle Österreichs aufgrund
der gerade zitierten Verfassungsbestimmung der Bund – hat also die für den
Denkmalschutz erforderlichen Gesetze zu erlassen und für deren Vollzug Sorge zu
tragen.
In Österreich ist der Staat dieser Aufgabe in
erster Linie zuerst durch die Erlassung des (seitdem mehrfach novellierten) Denkmalschutzgesetzes [DMSG] im Jahr 1923 und die damit verbundene
Umwandlung der seit 1853 bestehenden k.k.
Central-Commission für die Erforschung und Erhaltung der Kunst- und
historischen Denkmale
– einer Forschungseinrichtung – in das mit dem Vollzug dieses Gesetzes betraute
Bundesdenkmalamt [BDA]
nachgekommen. Zusätzlich hat die Republik Österreich infolge ihres Beitritts
zur Europäischen Union gewisse Bereiche des (archäologischen) Denkmalschutzes
auch – in Umsetzung der Richtlinie 85/337/EEC (zuletzt novelliert in Richtlinie
2014/52/EU) – in seinem im Jahr 2000 erstmals
verabschiedeten (seither mehrfach novellierten) Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) geregelt. Schließlich hat Österreich auch
noch eine Reihe internationaler (auch archäologisch relevanter)
Denkmalschutzkonventionen ratifiziert, darunter nicht zuletzt das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes
(revidiert) (CoE 1992a), die
sogenannte Valletta-Konvention.
Aber was, wenn der Staat den (archäologischen)
Denkmalschutz in Gesetzgebung und Vollziehung nicht ausreichend erledigt; z.B.
indem er gewisse Verpflichtungen, die sich aus internationalen Konventionen
ergeben, nur teilweise und unzureichend erfüllt? Was, wenn der politische Wille
für eine dringend erforderliche Änderung des DMSG nicht vorhanden ist, obwohl dessen
Novellierung in jeder Regierungsvereinbarung der letzten 10 Jahre geplant war?
Und was, wenn jahrzehntelange, ideologisch motivierte staatliche Totsparpolitik,
insbesondere im öffentlichen Dienst, dazu führt, dass die zuständige Behörde
personell einfach so extrem unterausgestattet ist, dass sie kaum noch ihre
allerwichtigsten Aufgaben, geschweige denn alle der Aufgaben, die sie zum Wohl
der Denkmale und damit der Allgemeinheit erfüllen sollte, ausreichend erledigen
kann?
Die österreichische Lösung für diese Probleme
wäre, sich beim Wirten zu treffen und herzzerreißend darüber zu jammern, wie
furchtbar denn nicht alles und wie unverständig insbesondere die nur noch der
Wirtschaft zuarbeitende Politik ist. Natürlich nicht ohne sich dabei einen
kräftigen Rausch anzutrinken und ein paar markige Sprüche von sich zu geben.
Bringen tut das allerdings leider – außer etwas Seelenhygiene – recht wenig.
Valletta und die Raum- und Bauplanung
Im österreichischen archäologischen
Denkmalschutz befindet man sich ziemlich genau in der im vorletzten Absatz in
Form von Fragen dargestellten Situation: der politische Wille zur dringend
notwendigen, grundlegenden Überarbeitung des Denkmalschutzgesetzes scheint seit
langem zu fehlen. Und Österreich hat zwar die Valletta-Konvention ratifiziert,
aber bereits in den Erläuterungen zur Vorlage zur Ratifikation angemerkt, dass
Österreich die in diesem Abkommen enthaltenen Verpflichtungen ohnehin bereits
durch das DMSG erfüllen würde und daher „Legistische
Maßnahmen … aufgrund der bestehenden rechtlichen Grundlagen im DMSG nicht
notwendig“ (Erläuterungen 2015, 1) seien.
Gerade der zuletzt zitierte Satz ist für den
Fachmann nun doch einigermaßen verwunderlich, verlangt doch die
Valletta-Konvention in ihrem Art. 5 von Vertragsparteien:
„i. danach zu streben, die jeweiligen
Erfordernisse der Archäologie und der Erschließungspläne miteinander in
Einklang zu bringen und zu verbinden, indem sie dafür Sorge trägt, dass
Archäologen beteiligt werden:
a.
an einer
Raumordnungspolitik, die auf ausgewogene Strategien zum Schutz, zur Erhaltung
und zur Förderung der Stätten von archäologischem Interesse ausgerichtet ist,
und
b.
an den
verschiedenen Stadien der Erschließungspläne;
ii. für eine systematische Konsultation
zwischen Archäologen, Städteplanern und Stadtentwicklern Sorge zu tragen:
a.
damit
Erschließungspläne, die sich auf das archäologische Erbe wahrscheinlich
nachteilig auswirken, geändert werden können;
b.
damit genügend
Zeit und Mittel für eine geeignete wissenschaftliche Untersuchung der Stätte
und für die Veröffentlichung der Ergebnisse zur Verfügung gestellt werden
können;
iii. sicherzustellen, dass bei
Umweltverträglichkeitsprüfungen und den sich daraus ergebenden Entscheidungen
die archäologischen Stätten und ihr Umfeld in vollem Umfang berücksichtigt
werden;
iv. dafür zu sorgen, dass im Zuge von Erschließungsarbeiten
gefundene Elemente des archäologischen Erbes, soweit praktisch möglich, an Ort
und Stelle erhalten bleiben;v. sicherzustellen, dass die Öffnung
archäologischer Stätten für die Öffentlichkeit, insbesondere notwendige
bauliche Vorkehrungen für die Aufnahme großer Besucherzahlen, den
archäologischen und wissenschaftlichen Charakter der Stätten und ihrer Umgebung
nicht nachteilig beeinflusst.“ (offizielle österreichische
Übersetzung, BGBl. III Nr. 22/2015).
Ungünstigerweise ist allerdings fast nichts
davon im DMSG umgesetzt; und selbst das UVP-G deckt bloß den
Punkt iii dieser Verpflichtungen ab. Mehr noch, auch die 9 österreichischen
Landesbauordnungen (z.B. Niederösterreichische Bauordnung
2014) nehmen auf die
Belange des Denkmalschutzes in der Regel nur insoweit Rücksicht, als sie gemäß
§§ 2, 2a bzw. 3 DMSG nach dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013, 2) geschützte Denkmale zwingend
berücksichtigen müssen; wobei sie in der Regel archäologische Denkmale
überhaupt nicht gesondert berücksichtigen.
Von einer vollständigen Einbindung der
Archäologie in den Raum-, Flächenwidmungs- und Bauplanungsprozess, wie sie von
der Valletta-Konvention eigentlich beabsichtigt (CoE 1992b) und
inzwischen fast überall sonst in Europa auch umgesetzt wurde, kann also
bestenfalls sehr bedingt die Rede sein. Konstitutiv geschützte archäologische
Denkmale und sogenannte Fundhoffnungsgebiete (die allerdings ebenfalls iSd § 1
Abs. 5 gem. §§ 2a oder 3 DMSG konstitutiv geschützt werden müssen, siehe
jeweils zu § 1 Abs. 5 die Erläuterungen in RV 1990; 1999) sind zwar ins Grundbuch einzutragen; und das
BDA versucht, so gut es kann, bekannte Fundstellen bei der Erstellung von
Flächenwidmungsplänen in seinen in derartigen Verfahren einzuholenden Gutachten
den Raumplanungsbehörden zur Kenntnis und Berücksichtigung zu bringen. Dennoch
muss derzeit nach dem konstitutiven Prinzip nicht denkmalgeschützte Archäologie
in Raum- und Bauplanungsverfahren praktisch nicht berücksichtigt werden und
auch keine ArchäologInnen in den Planungsprozess einbezogen werden. Nur wenn
ein konstitutiv geschütztes Denkmal betroffen wäre, müssen – nachdem für dessen
Veränderung bzw. Zerstörung eine Bewilligung durch das BDA gem. § 5 Abs. 1 DMSG erforderlich ist – ArchäologInnen konsultiert
werden; und wenn der Genehmigungsantrag gestellt wird, ist es meistens schon zu
spät, die betroffenen Denkmale im Sinne des Art. 5 Abs. iv der
Valletta-Konvention noch tatsächlich in situ erhalten zu können: die Planungen
sind zu diesem Zeitpunkt meist schon viel zu weit fortgeschritten.
Eine präventive Vorerkundung möglicherweise von
einem Projekt betroffen sein könnender archäologischer Überreste, die nicht
bereits gem. §§ 2, 2a oder 3 DMSG unter Denkmalschutz stehen, ist derzeit in
Österreich überhaupt nur bei Bau- bzw. sonstigen Entwicklungsprojekten
vorgesehen, die den Bestimmungen des UVP-G unterliegen. Der UVP-Genehmigungspflicht
unterliegen allerdings gem. Anhang 1 des UVP-G nur Großbau- und andere massive
Entwicklungsvorhaben, wie z.B. die Anlage von Großdeponien, von
Großkraftwerken, der Neubau oder die Verbreiterung von Straßen von mehr als 10
km durchgehender Länge oder Eisenbahntrassen von mehr als 10 km Länge, großangelegter
Bergbau bzw. sonstige Extraktionen von Bodenschätzen, etc. Die Errichtung von
Industrie- und Gewerbeparks unterliegt erst der UVP-Pflicht, wenn diese mehr
als 50 ha Fläche haben, städtebauliche Vorhaben erst ab einer
Flächeninanspruchnahme von mindestens 15 ha und einer Bruttogeschoßfläche von
mehr als 150 000 m2, die Errichtung von Einkaufszentren erst mit einer
Flächeninanspruchnahme von mindestens 10 ha oder mindestens 1 000 Stellplätzen
für Kraftfahrzeuge, sofern diese nicht in besonderen Schutzgebieten errichtet
werden sollen.
Selbst bei derart großen Bauvorhaben ist es –
aufgrund des erbärmlichen Zustands der archäologischen Landesaufnahme, die, um
das hier wieder einmal zu erwähnen, keineswegs die Schuld des BDA, sondern
vielmehr die Folge seiner stets absolut inadäquaten Ausstattung durch die Politik
mit archäologischem Fachpersonal ist – recht unwahrscheinlich, bei der
Erstellung der Umweltverträglichkeitserklärung gem. § 6 UVP-G auf Hinweise auf bekannte archäologische
Überreste zu stoßen, die eine Notwendigkeit für weitere archäologische
Vorerkundungen auslösen könnten. Schließlich sind in Österreich dem BDA pro
Quadratkilometer gerade einmal durchschnittlich 0,26 archäologische Fundstellen
bekannt (pers. Komm. B. Hebert, BDA, 22.5.2018; zum Vergleich: in Wales sind es
4,81 pro km2). Bei Anlage eines 50 ha Fläche großen Industrie- und
Gewerbeparks ist also die Wahrscheinlichkeit, dass von der betroffenen Fläche
bereits eine archäologische Fundstelle bekannt ist, gerade einmal ca. 13%, bei
einem städtebaulichen Vorhaben von 15 ha Fläche sogar nur ca. 4%. Das bedeutet
natürlich keineswegs, dass sich auf der betroffenen Bodenfläche keine
archäologischen Überreste befinden: es sind nur von dort bisher keine bekannt.
Die von der Valletta-Konvention in ihrem Art. 5
Abs. ii genannte „systematische
Konsultation zwischen Archäologen, Städteplanern und Stadtentwicklern“, die
dafür sorgen soll, dass „genügend Zeit
und Mittel für eine geeignete wissenschaftliche Untersuchung der Stätte und für
die Veröffentlichung der Ergebnisse zur Verfügung gestellt werden können“ (BGBl. III Nr. 22/2015), findet also derzeit in Österreich meistens
nicht statt. Das ist in einem Land, in dem jedes Jahr durchschnittlich ca. 70
km2 an Grünland verbaut werden (UBA 2001; 2004; 2007; 2010; 2013; 2016), um von bereits zuvor verbautem Boden erst
gar nicht zu reden, klarerweise hochgradig problematisch: natürlich beträgt die
Dichte tatsächlich vorhandener archäologischer Fundstellen in Österreich sicher
nicht nur ca. 0,26 pro km2, sondern liegt wohl – wie beinahe überall
in seit der Urzeit einigermaßen konstant dicht besiedelten Gebieten
Mitteleuropas – so eher um die ca. 12 Fundstellen pro km2. Man kann
bzw. muss also damit rechnen, dass in Österreich jedes Jahr allein durch die
Grünlandneuverbauung ca. 850 archäologische Fundstellen betroffen sind; und
vermutlich noch viele mehr durch die ebenfalls stetige stattfindende
Braunlandneuverbauung. Das bedeutet natürlich keineswegs, dass man in jeder
Baugrube, die ausgehoben wird, auf archäologische Überreste trifft; aber doch
in vielen.
Die ‚böse Wirtschaft‘ als Ursache des Fehlens einer gesetzlichen Regelung?
Wir ArchäologInnen bzw. archäologischen
DenkmalpflegerInnen sind es gewohnt, die Schuld am Fehlen einer gesetzlichen
Regelung, die eine Beteiligung der Archäologie am Bauplanungsprozess regelt,
der ‚bösen Wirtschaft‘ anzulasten, die dagegen ja angeblich massives Lobbying
betreibt. Schließlich erlaubt das Fehlen einer systematischen Berücksichtigung
der Archäologie es (wenigstens angeblich) Bauherren und Bauunternehmern,
unliebsame archäologische Überreste, die beim Ausbaggern der Baugrube zufällig
angetroffen werden, einfach schnell wegzubaggern und sich damit die
unerwünschten Kosten für ‚teure archäologische Untersuchungen‘ zu ersparen. Und
das stimmt vermutlich auch; wenigstens bis zu einem gewissen Grad.
Der Grad, bis zu dem es jedenfalls stimmt, ist
der, dass Bauherren bzw. Bauunternehmen Archäologie gerne rasch wegbaggern
lassen (würden), wenn sie zufällig und unerwartet beim Ausheben einer Baugrube
auf archäologische Überreste stoßen. Das liegt allerdings nicht daran, dass die
zufällige Entdeckung archäologischer Überreste bei Bauarbeiten samt – wenn sie
denn stattfindet – gesetzlich gem. § 8 Abs. 1 erforderlicher Fundmeldung
allfällig dabei entdeckter Bodendenkmale[1]
eventuell ‚teure archäologische Untersuchungen‘ auslösen kann. Vielmehr liegt
es in erster Linie daran, dass die durch die Rechtsfolgen der Fundmeldung gem.
§ 9 DMSG und eventuell dann erforderlich werdenden
archäologischen Notbergungen ausgelösten Bau- bzw. Arbeitsverzögerungen die
gesamte Bauplanung über den Haufen werfen können und die Stehzeiten enorme
Kosten verursachen: die Baufirma muss schließlich ihr Personal weiter bezahlen,
auch wenn die Baustelle für ein paar Tage, Wochen oder gar Monate steht. Und
auch die Geräte wie Bagger, die dann ungenutzt unproduktiv herumstehen, kosten
einen Haufen Geld, ohne irgendwelche Einnahmen hereinzubringen. Anders gesagt:
es sind nicht hauptsächlich die für die archäologischen Untersuchungen
anfallenden Kosten, die der Bauwirtschaft wehtun, weil diese im Vergleich zum
gesamten Bauvolumen normalerweise nicht einmal die sprichwörtlichen peanuts sind, sondern die durch
Stehzeiten verursachten Kosten. Diese Letzteren können die Baufirma potentiell
wirtschaftlich umbringen, und kein Wirtschaftstreibender will, dass seine Firma
und damit auch er selbst durch ‚dummen Denkmalschutz‘ gefährdet oder gar ruiniert
wird.
Dass die Bauwirtschaft tatsächlich kein Problem
damit hat, die Kosten für archäologische Ausgrabungen zu tragen, zeigt sich in
aller wünschenswerten Deutlichkeit in Österreich daran, dass sie das seit
vielen Jahrzehnten ohne großes Murren tut, ohne – außer vielleicht im Rahmen
von UVP-Verfahren – überhaupt gesetzlich oder sonstwie dazu verpflichtet zu
sein. Denn das österreichische DMSG kennt bekanntlich das Prinzip der Erhaltung von Denkmalen durch wissenschaftliche Dokumentation ihrer Veränderung bzw.
Zerstörung überhaupt nicht. Vielmehr kennt es nur das Prinzip der in Erscheinung und Substanz (und damit
physisch) unveränderten Erhaltung von
Denkmalen als authentische Quelle (siehe §§ 1 Abs. 1, 5, 6, 8 und 10, 4
Abs. 1, 5 Abs. 1, 9 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 5, 31 sowie 37 Abs. 1-3 und 6 DMSG; cf. RV 1999, 40; VwGH 16.1.1975, 1799/74; 8.11.1975, 1072/73; 8.9.1977, 1113/77). Kein Grundeigentümer, Bauherr oder Bauträger
kann daher zum Tragen der Kosten von archäologischen Ausgrabungen verpflichtet
werden, weil die Ausgrabung eines Denkmals lt. § 11 Abs. 5 DMSG „zwangsläufig“ mit „Veränderungen
oder Zerstörungen“ seiner Erscheinung und Substanz verbunden und daher
gerade keine Maßnahme zur Erhaltung
des betroffenen Denkmals iSd § 1 Abs. 1 DMSG ist. Die „denkmalspezifische
Erhaltungspflicht“ (Bazil et al. 2015, 43-44) des DMSG erstreckt sich nämlich stets nur auf die
Erhaltung des Denkmals in dem physischen Zustand, in dem es sich zum Zeitpunkt
der Unterschutzstellung befunden hat (§ 1 Abs. 6 DMSG); und ist stets nur passiv, nie aktiv (Bazil
et al. 2015, 16, 43-44). Noch dazu ist sie durch die wirtschaftliche
Zumutbarkeit begrenzt, die unter Berücksichtigung des Ertrags- oder
Verwertungspotentials des Denkmals selbst (nicht des Grundstücks, auf dem es
sich befindet!) zu bestimmen ist (Bazil et al. 2015, 44; VwGH 26.1.1963, 2182/62),
das in aller Regel (vor allem) bei (unbeweglichen) archäologischen Denkmalen
nahezu gleich Null ist. Kein Grundeigentümer, Bauherr oder Bauträger muss daher
für Grabungskosten aufkommen, und selbst wenn er dafür aufkommen müsste, wäre
seine Zahlungspflicht auf praktisch Null gedeckelt, weil das Denkmal in den
allermeisten Fällen weder Ertrag abwirft noch ein nennenswertes
Verwertungspotential hat.
Das wissen natürlich die Anwälte der Wirtschaft
ebenso gut wie ich, die daher auch jeden Versuch des BDA, ihren Klienten
Grabungskosten aufzubürden, problemlos vor Gericht abschmettern könnten.
Dennoch zahlen Wirtschaftsbetriebe, deren bodenverändernde Tätigkeiten
archäologische Ausgrabungen verursachen, seit Jahrzehnten ohne mit der Wimper
zu zucken die Grabungskosten. Das war sogar schon so, als man sich noch nicht
einmal auf die ohnehin eher unspezifische Forderung in Art. 6 Abs. ii lit. a
der Valletta-Konvention (CoE 1992a; b, 6-7) stützen konnte, „dass die Deckung der Gesamtkosten etwaiger
notwendiger archäologischer Arbeiten im Zusammenhang mit großangelegten
öffentlichen oder privaten Erschließungsvorhaben aus Mitteln der öffentlichen
Hand beziehungsweise der Privatwirtschaft vorgesehen“ werden solle, weil es
diese Konvention noch gar nicht gab. Dennoch wurden selbst in den späten
1980ern die sogenannten „Rettungsgrabungen“
des BDA, auf denen ich – damals noch als junger Student – selbst viele Monate
mitgearbeitet habe, bereits (nahezu) vollständig weitgehend ‚freiwillig‘ von
der Bau- und Bodenschatzgewinnungswirtschaft bezahlt, obwohl diese das ganz
sicher nicht musste.
Wobei die Wirtschaft das natürlich nicht wirklich
gänzlich freiwillig tut: vielmehr tut sie das in erster Linie deshalb, um
vermeiden zu können, dass das BDA archäologische Überreste, die beim Aushub von
Baugruben bzw. anderen Erdarbeiten zu ökonomischen Profitzwecken zufällig
entdeckt und gem. § 8 Abs. 1 als Bodendenkmale
gemeldet werden, gem. § 9 Abs. 3 als Denkmale
iSd § 1 Abs. 1 DMSG unter Schutz stellt. Denn werden sie das, dann steht die Baustelle nicht
nur gem. § 9 Abs. 3 DMSG für maximal 6 Wochen ab Abgabe der
Fundmeldung; sondern eventuell dauerhaft; bzw. wenigstens, bis ein Antrag auf
Veränderung oder Zerstörung des dann geschützten Denkmals gem. § 5 Abs. 1 DMSG erfolgreich zur Aufhebung des Denkmalschutzes
geführt hat. Das kann dann – nachdem das Verfahren dafür eventuell den gesamten
Instanzenzug bis zum Verwaltungs- [VwGH] bzw. Verfassungsgerichtshof [VfGH]
durchlaufen muss – leicht mehrere Jahre dauern. Und das ist für einen
Wirtschaftsbetrieb, der eventuell Fristen einhalten und vor allem Gewinne
machen muss, ganz, ganz schlecht.
Also zahlt der Wirtschaftstreibende, der sein
bereits in Angriff genommenes Projekt, für das ihm bereits bedeutende Kosten
angefallen sind und noch viele weitere Kosten anfallen werden, lieber
‚freiwillig‘ die peanuts, die eine
Ausgrabung zur zeitnahen ‚Entsorgung‘ der archäologischen ‚Altlasten‘ kostet,
statt monate-, wenn nicht sogar jahrelange Stehzeiten seines Projekts zu
riskieren. Denn die Planungssicherheit, d.h. wenigstens die Sicherheit, sein
Projekt – und sei es auch nur mit gewissen, verschmerzbaren Verzögerungen – zu
einem erfolgreichen Abschluss bringen zu können, ist für ihn unendlich viel
wichtiger als die geringfügigen zusätzlichen Kosten, die ihm für die ‚Entsorgung‘
der archäologischen ‚Altlasten‘ anfallen. So lange er sicher das Projekt erfolgreich
abschließen kann, reduzieren diese Entsorgungskosten zwar eventuell seinen
Gewinn, aber, wenn er schlau ist, nicht einmal das, weil er sie entweder dem
Endverbraucher als Zusatzkosten übertragen oder sich gegen solche unerwarteten Ereignisse
versichern kann.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Wirtschaft
seit vielen Jahrzehnten mehr oder minder ‚freiwillig‘ für archäologische
Ausgrabungen bezahlt, die sie aufgrund der Rechtslage in Österreich gar nicht
bezahlen muss (bzw. bei Maßnahmen, die unter die UVP-Pflicht fallen – wenn
überhaupt, weil auch das ist keineswegs sicher – erst seit Inkrafttreten des UVP-G zahlen muss), ist das Argument, dass sich die
‚böse Wirtschaft‘ aus Kostengründen gegen die gesetzliche Regelung einer
Beteiligung der Archäologie am Bauplanungsprozess wehrt, nicht wirklich aufrechtzuerhalten.
Wenn sie sich also doch dagegen wehren sollte – und ich würde das stark
bezweifeln, warum erläutere ich gleich noch – müsste das also einen anderen
Grund als die Grabungskosten haben. Solche anderen Gründe sind jedoch derzeit
nicht erkenntlich, einzig mit Ausnahme des Grundes, dass die Wirtschaft
Arbeitsverzögerungen und die ihr dadurch entstehenden Kosten vermeiden will.
Valletta und die vorausschauende Planung
Solche Arbeitsverzögerungen treten in aller
Regel jedoch nur ein, wenn Archäologie gerade nicht in die Bauplanung mit
einbezogen wird, sondern erst dann unerwartet entdeckt wird, wenn die für das
jeweilige Entwicklungsprojekt erforderlichen Geländearbeiten bereits begonnen
haben; man also gerade nicht mehr sinnvoll allfällig erforderliche
archäologische Arbeiten an Ort und Stelle einplanen kann. Tritt die Archäologie
erst dann in den Weg der erforderlichen Arbeiten, ist es zu spät; und
wegbaggern für den Grundeigentümer, Bauherrn oder Bauträger eventuell die
(kosten-) günstigste Möglichkeit, die unerwartet angetroffenen archäologischen
‚Altlasten‘ zu entsorgen.
Das hat man auf europäischer Ebene schon lange
erkannt; und genau diese Tatsache – dass, wenn der Bagger schon in der
Archäologie drinnen steht, es eigentlich zu spät ist, ihn (doch noch) zu
stoppen – ist der hauptsächliche Grund, warum Art. 5 überhaupt in der
Valletta-Konvention (CoE 1992a; b, 5-6) drinnen
steht. Tatsächlich hat Willem J.H. Willems, einer der Hauptautoren der
Valletta-Konvention und des zugehörigen erläuternden Berichts, in einem seiner
letzten wichtigeren Fachartikel ganz explizit erläutert, worum es bei der
Verfassung der Valletta-Konvention eigentlich ging: darum, „Rettungsgrabungen“
möglichst durch präventive archäologische Maßnahmen – insbesondere
Prospektionen, Modellrechnungen, detaillierte regionale
Fundstellenverzeichnisse und vergleichbare Mittel – vermeiden zu können; indem vorausschauend
ermittelt wird, wo archäologische Fundstellen vorkommen. Das sollte erlauben, Entwicklungsprojekte
so planen zu können, dass dabei Bodenflächen vermieden werden können, auf denen
bekanntermaßen oder mutmaßlich archäologische Denkmale bzw. Überreste vorkommen
(könnten) (Willems 2012, 1). Ist für die archäologische Denkmalpflege
der Hauptzweck dieser Vorgehensweise, dass Archäologie möglichst unverändert in situ erhalten bleibt; ist ihr
Hauptzweck auf der wirtschaftlichen Seite, dass Entwicklungsprojekte billiger
werden (Willems 2012, 3), weil Rettungsgrabungen vermieden werden
und daher Grundeigentümern, Bauherrn bzw. Bauträgern keine unkalkulierbaren
Zusatzkosten entstehen.
Ziel des Art. 5 der Valletta-Konvention war und
ist also nicht, der zahlungsunwilligen, ‚bösen‘ Wirtschaft die Kosten für
archäologische Ausgrabungen aufzuzwingen, die sie durch ihre profitorientieren
Handlungen verursacht. Vielmehr war und ist es das ausdrücklich erklärte Ziel
der Einbindung der Archäologie in den Planungsprozess in der
Valletta-Konvention der schon seit langem, überwiegend ‚freiwillig‘, für die
‚Entsorgung‘ unerwartet bei Erdarbeiten angetroffener archäologischer
‚Altlasten‘ zahlenden Wirtschaft die dadurch anfallenden Kosten möglichst zu
ersparen. Diese Kostenersparnis für die Wirtschaft soll dadurch erreicht werden
und wird auch tatsächlich dadurch erreicht, dass durch systematische Vorerkundung und Bewertung archäologischer Risiken
im Boden von Liegenschaften eine derartig vorausschauende Planung von
Entwicklungsprojekten möglich wird, die das Eintreten des der Wirtschaft
unangenehmen Schadensfalles der unerwarteten Entdeckung und dadurch notwendigen
‚Entsorgung‘ archäologischer ‚Altlasten‘ bei der praktischen Umsetzung dieser
Entwicklungsprojekte möglichst verhindert. Das kann der vorausschauend
planenden Wirtschaft gar nicht unrecht sein; und ist es auch tatsächlich nicht.
Ganz im Gegenteil; jeder auch nur halbwegs vernünftig planende Wirtschaftstreibende
will primär einmal Planungssicherheit, weil er dann sein geplantes Projekt
vorausschauend richtig kalkulieren kann; d.h. aller Voraussicht nach das Ziel
erreichen kann, das er sich bei seinen Planungen und seinem wirtschaftlichen
Handeln selbst gesetzt hat: durch die Umsetzung seiner Pläne Gewinn zu erwirtschaften.
Nun sehen aber das österreichische DMSG und dessen ursprünglich im und noch für die
Verhältnisse des späten 19. bzw. bestenfalls des frühen 20. Jahrhunderts
entwickelten Schutzbestimmungen, insbesondere jene für die Entdeckung von „Zufallsfunden“ von „Bodendenkmalen“ gem. § 8 und die sich daraus ergebenden
Rechtsfolgen gem. § 9 (insb. Abs. 1 und 3) DMSG nur Bestimmungen für den Fall vor, dass die
präventive archäologische Denkmalpflege im Sinne des Art. 5 der
Valletta-Konvention (CoE 1992a) versagt hat und bei der Durchführung der
geplanten Erdarbeiten unerwartet doch Archäologie entdeckt wird, die
erhaltenswert ist. Es fehlt daher der Wirtschaft jedwede Anleitung, wie sie die
Archäologie am besten in ihre vorausschauende Planung integriert und dass sie
sie in diese Planung in ihrem eigenen Interesse integrieren sollte. Schlimmer
noch: der Gesetzgeber scheint nicht die mindeste Absicht zu haben, daran
irgendetwas zu ändern und die Einbindung einer präventiven Archäologie in den
vorausschauenden Planungsprozess gesetzlich zu regeln, wenigstens solange
geplante Entwicklungsmaßnahmen nicht der UVP-Pflicht unterliegen. Er lässt die
Wirtschaft vielmehr mit dem durch die unzeitgemäßen Bestimmungen des DMSG verursachten Problemen allein.
Und das ist der Punkt, an dem die ÖNORM S 2411 „Identifikation und Bewertung von Risiken im
Boden von Liegenschaften“ ins Spiel kommt.
Die ÖNORM S 2411
Vorab ist in aller Deutlichkeit festzustellen,
dass die Entwicklung dieser ÖNORM nicht etwa eine Idee der Archäologie oder
archäologischen Denkmalpflege gewesen ist. Vielmehr ist der Anstoß dafür aus der
Wirtschaft gekommen, und zwar in erster Linie aus den Bereichen der Wirtschaft,
die insbesondere etwas mit der Finanzierung von Entwicklungsprojekten zu tun
haben, nämlich dem Banken- und dem Versicherungssektor.
Das ist purem (ökonomischem) Eigennutzen
geschuldet: die meisten Entwicklungsprojekte werden schon seit langem von den
Banken durch Kredite vorfinanziert und von den Versicherungen gegen Schäden
durch unerwartet eintretende Verzögerungen in der Durchführung des Projekts
versichert. Muss also ein Entwicklungsprojekt aufgrund unerwartet bei dessen Durchführung
entdeckter archäologischer ‚Altlasten‘ gänzlich aufgegeben werden und geht der,
der dieses Projekt umsetzen wollte, daher in Bankrott, bleibt letztendlich
zumeist die das Projekt kreditfinanziert habende Bank auf dem finanziellen
Schaden sitzen. Kommt es hingegen dadurch nur zu Projektverzögerungen, die
wirtschaftliche Schäden verursachen, sind es gewöhnlich die Versicherungen, die
auf dem finanziellen Schaden sitzen bleiben. Beide wollen das nicht, daher
haben sie ein Interesse daran, dass Risiken im Boden von Liegenschaften
möglichst frühzeitig im Planungsprozess identifiziert und wenigstens soweit als
möglich eliminiert bzw. die Kosten für ihre Elimination einkalkuliert werden
können.
Aber auch aus der Bauwirtschaft gab es
Interesse an der Entwicklung einer solchen ÖNORM; nicht zuletzt, weil eine
präventive Bodenrisikovorerkundung die Wahrscheinlichkeit, dass die
Durchführung eines Bauprojekts scheitert, verringert. Das ist natürlich für
Baufirmen viel besser, als dass Projekte scheitern, selbst wenn sie durch ein
solches Scheitern nicht in den Konkurs getrieben werden sollten.
‚Die Archäologie‘ ist, bzw. genauer, ich als
Archäologe – und ich war ‚der Archäologe‘ in der Arbeitsgruppe, die diese Norm
ausgearbeitet hat – bin zu diesem Normungsvorhaben wie die Jungfrau zum Kind
gekommen: ich wurde durch einen persönlichen Freund, der auch promovierter
Archäologe ist, aber seine Karriere im Bankensektor gemacht hat, dazu eingeladen.
Ich habe dann meinerseits mit dem BDA Rücksprache gehalten, ob es nicht (auch)
einen Vertreter in den Normungsausschuss entsenden wolle, was es nicht wollte,
sondern damit zufrieden war, dass ich die Archäologie bei der Erstellung dieser
Norm vertreten würde. Und ich habe das Normungsvorhaben auch der Fachwelt bei
einem der ‚runden Tische‘ des BDA vor einigen Jahren vorgestellt und KollegInnen
um Mithilfe bzw. wenigstens Kommentare zu einigen relevanten Punkten gebeten,
allerdings bis zum Vorliegen des derzeit vorliegenden Konsultationsentwurfs der
Norm (und auch seither, der Entwurf ist seit 1.2.2019 in öffentlicher
Konsultation) keine Reaktion zugesandt bekommen. Kurz gesagt: das Interesse aus
der Fachwelt war endenwollend.
Was ist und wie funktioniert eine ÖNORM?
Das liegt vielleicht auch daran, dass den
meisten ArchäologInnen nicht so ganz klar ist, was eine ÖNORM (und jede andere vergleichbare
Norm, wie DIN, EN, ISO-Normen etc.) überhaupt ist und wofür sie gut ist. Das
ist per se auch keineswegs überraschend, weil gewöhnlich haben wir in der
Archäologie mit solchen Normen wenig bis gar nichts zu tun. Wir sind vielmehr
an gesetzliche Regelungen gewohnt, oder wenigstens an zwar an sich
unverbindliche, aber in Verbindung mit Bescheiden dann doch rechtsverbindlich
werdende, Richtlinien wie jene des
BDA (2018), an die wir uns auch brav halten, selbst wenn
sie inhaltlich teilweise offensichtlich rechtswidrig waren (vgl. BDA 2016, 6; BVwG 11.9.2017, W183 2168814-1/2E).
Österreichische Normen sind sehr ähnlich wie
die Richtlinien des BDA (2016; 2018),
sind allerdings im Gegensatz zu den Richtlinien nicht im Bereich des
öffentlichen, sondern insbesondere im Bereich des Privatrechts relevant. Austrian Standards, die Einrichtung,
die in Österreich solche Normen erstellt und veröffentlicht, beschreibt sie
grundlegend wie folgt:
„Eine ÖNORM ist eine
von Austrian Standards International veröffentlichte nationale Norm. ÖNORMEN
sind freiwillige Standards, die in Normungsgremien (Komitees) bei Austrian Standards
International erarbeitet werden. Angeregt wird ihre Entwicklung entweder durch
interessierte Kreise, oder sie werden im Rahmen der europäischen und
internationalen Normung (z. B. CEN/CENELEC, ISO/IEC) als nationale Norm übernommen.
ÖNORMEN werden von Austrian Standards International herausgegeben.“ (https://www.austrian-standards.at/infopedia-themencenter/infopedia-artikel/oenorm/
[5/2/2019]).
Das österreichische Normungswesen ist seit 2016
durch das Bundesgesetz über das
Normenwesen [NormG 2016] geregelt, weil es – wie der Denkmalschutz
auch – gem. Art. 10 Abs. 1 Z 5 B-VG eine Bundeskompetenz in Gesetzgebung und
Vollziehung ist. Rein österreichische Normen können gem. § 9 NormG 2016 durch Gesetz oder Verordnung zur Gänze oder teilweise verbindlich
erklärt werden, sind aber ansonsten gem. § 5 Abs. 1 Z 6 NormG 2016 dem Prinzip der Freiwilligkeit der Anwendung
verpflichtet. Sie müssen gem. § 5 Abs. 1 NormG 2016 durch neutrale Gemeinschaftsarbeit mit der
Möglichkeit einer Mitarbeit aller interessierten Kreise, kohärent, transparent,
offen, im Wege eines Konsenses, unabhängig von Einzelinteressen erstellt
worden, effizient und gesetzeskonform sein und die wirtschaftlichen
Auswirkungen (Kosten/Nutzen) ihrer Anwendung berücksichtigen.
Der Zweck einer Norm ist es, den Gegenstand der
Norm – z.B. Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen – zu vereinheitlichen,
z.B. die Gebrauchstauglichkeit oder Sicherheit eines Prozesses, der von
verschiedenen Personen oder Personengruppen auf viele unterschiedlich effektive
Arten gestaltet werden könnte, zu erhöhen. Die im Normungsverfahren erstellten
Regeln können auch und geben oft den allgemein von Fachkreisen anerkannten Stand
der Technik in einem bestimmten Fachgebiet wieder bzw. definieren einen solchen
überhaupt erst. Normung (bzw. Standardisierung) ist von großer Bedeutung für
die Funktionsfähigkeit der freien Wirtschaft und insbesondere die Freizügigkeit
der Märkte; und wird daher auch insbesondere von der Wirtschaft
industriepolitisch verwendet: sie gibt dem freien Markt gewisse, allgemein
anerkannte, aber von den Betroffenen selbst geschaffene Regeln, die für einen
möglichst fairen Wettbewerb wichtig sind.
ArchäologInnen und archäologische
DenkmalpflegerInnen werden sich an dieser Stelle vielleicht fragen: was bringt
eine unverbindliche Norm, deren Anwendung vollkommen freiwillig ist? Wenn man
niemanden dazu zwingen kann, sich an die in der Norm festgelegten Regeln zu
halten, mag es durchaus auf den ersten Blick so erscheinen, also ob eine Norm
nicht einmal das Papier wert wäre, auf das sie gedruckt ist.
Das missversteht allerdings, dass die Frage, ob
eine Norm in einem bestimmten Kontext zur Anwendung gebracht wird oder nicht,
nicht rein eine des freien Willens des Einzelnen ist: Normen finden eben
insbesondere in privatrechtlichen Rechtsverhältnissen Anwendung; und an solchen
sind immer wenigstens zwei Parteien beteiligt. Als solches wird der freie Wille
jeder einzelnen beteiligten Partei durch den der anderen, am geplanten
Rechtsverhältnis beteiligten, Partei(en), bei der Planung des und Übereinkunft
über dieses Rechtsverhältnis eingeschränkt: damit es überhaupt zu Stande kommt,
müssen sich die beteiligten Parteien schließlich (freiwillig) auf die genaue
Form und den genauen Inhalt des Rechtsverhältnisses einigen. Ist also eine der
beteiligten Parteien nur unter der Voraussetzung dazu bereit, freiwillig ein
bestimmtes Rechtsverhältnis mit der anderen Partei einzugehen, dass dieses
Rechtsverhältnis den Bestimmungen einer bestimmten Norm unterworfen ist, dann
kann sich die andere Partei nicht aussuchen, ob sie in diesem Rechtsverhältnis
dieser Norm unterworfen sein will. Sie kann vielmehr nur (noch) freiwillig darüber
entscheiden, ob sie dieses spezifische, der bestimmten Norm unterworfene,
Rechtsverhältnis eingehen will oder nicht eingehen will. Will sie es nicht
eingehen, braucht sie sich auch nicht an die Norm halten, aber es kommt das
geplante Rechtsverhältnis gar nicht zustande. Geht sie es ein, ist die Norm in
diesem Rechtsverhältnis hingegen für beide beteiligten Parteien bindend, weil
sie sich ja freiwillig darauf geeinigt haben, dass die Norm in diesem
Verhältnis verbindlich gilt.
Ein ganz einfaches Beispiel dafür ist, wenn man
Druckerpapier kaufen will. Will man z.B. 100 Packungen Druckerpapier kaufen,
einigt sich mit dem Lieferanten aber nicht darauf, in welchem Format dieses
Druckerpapier sein soll, kann der Lieferant Papier in jedem beliebigen Format
liefern. Passt das Papier, das er liefert, dann nicht in den Drucker, in dem
man es verwenden will, ist das nicht das Problem des Lieferanten, sondern
einzig das dessen, der nicht genau genug bestellt hat. Einigt man sich hingegen
mit dem Lieferanten darauf, dass er einem 100 Packungen Druckerpapier im Format
DIN A4[2]
liefert, dann muss der Lieferant auch Papier im Format DI A4 liefern: er hat
schließlich freiwillig akzeptiert, dass diese deutsche Industrienorm in diesem
Rechtsverhältnis verbindlich gilt. Passt das gelieferte Papier dann nicht in
den Drucker, für den man es bestellt hat, weil es eben nicht im Format DIN A4
ist, dann kann sich der, der es bestellt hat, am Lieferanten schadlos halten.
Im Prinzip ist das also genau dasselbe wie mit
den Richtlinien des BDA (2018). Diese Richtlinien
sind ebenfalls vollkommen unverbindlich, solange jemand keine Handlungen setzen
will, für die er eine Genehmigung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG braucht oder haben will. Will oder braucht er
jedoch eine Genehmigung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG, und das BDA erteilt diese Genehmigung nur
unter der Voraussetzung, dass die Richtlinien
im Rahmen genehmigter Handlungen anzuwenden sind, dann wird die Beachtung der Richtlinien bei diesen Handlungen für
ihn verbindlich. Er hat nicht mehr die Wahl, ob er die Richtlinien beachten will oder nicht, sondern nur noch die Wahl, ob
er die Genehmigung zur richtlinienkonformen Durchführung seiner geplanten
Handlungen nutzen will, oder ob er die Genehmigung ungenutzt verfallen lässt.
Die Freiwilligkeit der Anwendung von Normen
oder Richtlinien (BDA 2018) ist also in beiden Fällen nicht unilateral,
sondern bilateral. Will eine beteiligte Partei, dass das Rechtsverhältnis, um
das es geht, bestimmten Normen oder Richtlinien unterworfen ist, ist die
Freiwilligkeit der anderen darauf beschränkt, das zu akzeptieren oder nicht zu
akzeptieren; wobei im letzteren Fall das angestrebte Rechtsverhältnis einfach
nicht zu Stande kommt.
Einzelfallspezifische amtliche Richtlinien und allgemeinverbindliche Normen
Tatsächlich gibt es allerdings wenigstens einen
sehr maßgeblichen Unterschied zwischen Richtlinien
wie jenen des BDA (2018) und Normen wie z.B. einer nationalen Norm.
Dieser betrifft insbesondere die Reichweite bzw. den Wirkungsbereich einer
amtlichen Richtlinie und einer nationalen Norm, die bei letzterer bedeutend
höher ist als bei ersterer.
Richtlinien wie jene des BDA (2018) werden, wie bereits erwähnt, erst dadurch
verbindlich, dass sie vom BDA einem seiner Bescheide als Auflage angeschlossen
werden. Ein Bescheid regelt aber immer nur ein Rechtsverhältnis in einem
konkreten Einzelfall und ist niemals und auf keine Weise allgemeinverbindlich.
Tatsächlich sind die Richtlinien des
BDA (2018) stets nicht mehr als eine Empfehlung und
können auch nicht mehr als eine solche sein, bis nicht der Antragsteller, der
um eine Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 DMSG angesucht hat, sie als verbindlich geltende
Bescheidauflage akzeptiert hat oder gerichtlich rechtskräftig festgestellt
wurde, dass ihre verpflichtende Einhaltung gesetzlich erforderlich ist.
Gerade letzteres ist aber rechtlich durch das
BDA gar nicht so einfach durchzusetzen, wie man es vielleicht glauben mag. Das
liegt insbesondere daran, dass die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG dazu dient, „die Vorgangsweise bei der Durchführung bewilligter wissenschaftlicher
Grabungen“ (RV 1990, 20) zu regeln. Damit greift diese
Genehmigungspflicht jedoch notwendigerweise und auch explizit intentional in
das verfassungsgesetzlich vorbehaltlos garantierte Grundrecht des Art. 17 Abs.
1 StGG ein, d.h. in die Wissenschaftsfreiheit.
Dadurch wird es zwingend erforderlich, dass im jeweiligen Einzelfall nicht nur
zwischen dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung besonders bedeutender
archäologischer Denkmale und dem Recht des einzelnen Wissenschafters, seine
archäologischen Forschungen möglichst uneingeschränkt durch staatliche
Eingriffe durchführen zu können, abgewogen wird. Vielmehr wird es insbesondere
auch erforderlich, die Freiheit des Wissenschafters über die Wahl seiner
Forschungsmethoden nicht mehr als unbedingt erforderlich durch staatliche
Vorgaben einzuschränken, weil gerade diese Freiheit der Methodenwahl einer der
Teile des unmittelbaren Wesensgehaltes der Wissenschaftsfreiheit ist (Berka
1999, 342-346, insbesondere 344).
Das BDA kann daher, auch wenn es das vielleicht
gerne wollen würde, die vom einzelnen Wissenschafter selbst gewählte
Vorgehensweise nicht einfach willkürlich ablehnen und stattdessen auf der
Einhaltung der Richtlinien (BDA 2018) bestehen. Es kann vielmehr nur die Einhaltung
der Richtlinien empfehlen, muss
jedoch dem einzelnen Wissenschafter das Recht belassen, wenigstens im Rahmen
des bestehenden fachlichen Methodenkanons frei zwischen verschiedenen
methodischen Vorgehensweisen zu wählen oder sogar neue methodische
Vorgehensweisen zu entwickeln bzw. anzuwenden zu versuchen. Denn gerade das BDA
als staatliche Einrichtung hat keine wie auch immer geartete Kompetenz, die
wissenschaftliche Vorgehensweise zu normieren; denn das würde einer
Fremdbestimmung der Wissenschaft gleichkommen, die zu verhindern der ureigene
Zweck der Wissenschaftsfreiheit ist (Berka 1999, 342). Das weiß auch das BDA
selbst, weshalb es auch in seinen Richtlinien, wenn auch in unverständlich
verklausulierter und etwas irreführender Darstellungsweise[3]
bzw. gut im Kleingedruckten versteckt (BDA 2018, 2-3, 49, 51), Antragstellern die Möglichkeit
zur Beantragung einer nicht richtlinienkonformen Vorgehensweise einräumt.[4]
Richtlinien wie jene des BDA entfalten ihre regelnde
Wirkung also, wenn überhaupt, immer nur im konkreten Einzelfall in Verbindung
mit einem an eine konkrete Person oder Personenkreis ergangenen Bescheid (BDA 2018, 2). Allgemeinverpflichtend oder in
irgendeiner Weise außerhalb des in einem konkreten Bescheid geregelten
Rechtsverhältnisses sind sie nicht, und können das auch nie sein, weil sie
sonst eine generelle Rechtsnorm wären,
die sich an einen allgemeinen Personenkreis richtet. Das würde sie aber in der
österreichischen Rechtsordnung wenigstens zu einer Verordnung[5]
machen, und das BDA hat als nachgeordnete Dienststelle des Bundeskanzleramtes
keine eigenständige Verordnungskompetenz.
Bei nationalen (und auch internationalen) Normen
verhält sich die Sachlage hingegen maßgeblich anders, denn diese sind
grundsätzlich immer Regelungen von Gegenständen, die in unterschiedlichen
Zusammenhängen an verschiedenen Orten von verschiedenen nicht näher individuell
bestimmten Personenkreisen gebraucht werden; richten sich also an einen
allgemeinen Personenkreis. Damit sind sie – wenngleich im Bereich des
Privatrechts – weit eher mit einer Verordnung
als mit einem konkreten Bescheid in Form von Auflagen angeschlossenen Richtlinien wie jenen des BDA (2018) vergleichbar. Zwar wird die Norm ähnlich wie
die Richtlinien normalerweise nur
dann rechtswirksam, wenn sich die an einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis
Beteiligten darauf einigen. Aber das liegt an der Natur des Privatrechts, in
dem eben – im Unterschied zum öffentlichen Recht – keine der involvierten
Parteien die Staatsgewalt ausüben kann, die es der einen Seite gestatten würde,
der anderen unilateral irgendwelche Regeln aufzuzwingen, sondern sich alle
beteiligten Parteien auf anzuwendende Regeln einigen müssen.
Nachdem sich Normen eben an einen allgemeinen
Personenkreis wenden und wenigstens manche davon auch einen allgemein von
Fachkreisen anerkannten Stand der Technik in einem bestimmten Fachgebiet
darstellen oder überhaupt erst definieren, entfalten sie eine bedeutend weitere
Wirkung als die Richtlinien des BDA (2018).
Zwar fehlt Normen eine direkte Rechtsverbindlichkeit, sie sind aber rechtlich wenigstens
mittelbar relevant. Geht es nämlich in Streitfällen um die Frage, ob etwas
ordentlich bzw. wie man es allgemein erwarten kann erledigt wurde oder nicht;
z.B. eine bestimmte Arbeit fachgerecht durchgeführt wurde oder nicht; ein
Produkt Mängel aufweist oder nicht; etc.; ist selbstverständlich auch vor
Gericht relevant, ob es einen allgemein anerkannten Stand der Technik gibt und
ob dieser eingehalten wurde.
Die Tatsache, dass eine Norm in einem
Streitfall – d.h. im Endeffekt dann in einem Gerichtsverfahren – zur
Beurteilung der Frage herangezogen werden kann, ob etwas von einer beklagten
Partei ordentlich bzw. wie man es allgemein erwarten kann erledigt wurde,
ändert nichts an der grundsätzlichen Freiwilligkeit der Normenbefolgung. Es
gibt schließlich oft viele verschiedene Wege, wie man eine Sache so erledigen
kann, dass das Ergebnis ihrer Erledigung allgemein zufriedenstellend ist; und
das Vorliegen einer Norm zwingt einen nicht, diese Sache so zu erledigen, wie
es die Norm vorschreibt. So lange das, was im Endeffekt dabei herauskommt, von
solcher Qualität ist, dass es die andere Partei in einem privatrechtlichen
Rechtsverhältnis zufriedenstellt, ist es vollkommen gleichgültig, wie die eine
Partei das die Andere zufriedenstellende Ergebnis erreicht hat; normkonform
oder nicht.
Dennoch entfaltet eine Norm normalerweise
allgemein regulative Wirkung. Weil auch wenn man eventuell auf beliebig vielen
verschiedenen Wegen zu einem allgemein zufriedenstellenden Ergebnis angelangen
kann: das bedeutet weder zwingend, dass die andere Partei dann mit diesem
Ergebnis auch tatsächlich zufrieden ist. Noch bedeutet es, dass man als dann
eventuell beklagte Partei nachweisen kann, dass man auf dem beliebigen Weg, den
man gewählt hat, ein Ergebnis erreicht hat, das allgemein als zufriedenstellend
betrachtet werden muss.
Hat man hingegen nachweislich die in einer
allgemein anerkannten Norm definierten Regeln befolgt, d.h. den Weg gewählt,
der dem fachlichen Stand der Technik in diesem Bereich entspricht, kann man
einigermaßen leicht nachweisen, dass man alles so gemacht hat, wie es allgemein
erwartet werden kann, und damit wenigstens normalerweise wohl auch das Ergebnis
erreicht haben wird, das allgemein als zufriedenstellend betrachtet werden
muss. Hält man sich also an die normierten Regeln, muss die allfällig trotzdem
mit dem Ergebnis unzufriedene andere Partei nachweisen, dass das Ergebnis, das
man erreicht hat, aus irgendeinem nur in diesem konkreten Einzelfall
relevanten, besonderen Grund dennoch allgemein nicht zufriedenstellend ist.
Das macht es für jeden sinnvoll, der nicht
riskieren will, (erfolgreich) verklagt werden zu können, obwohl er alles
richtiggemacht hat, sich gänzlich freiwillig an alle seine Arbeit betreffenden
Normen zu halten. Denn diese Normen sagen eben, wie man allgemein in anerkannter
Weise in den normierten Bereichen alles richtigmacht, und damit ist man auf der
sicheren Seite.
Weniger Staat, mehr privat?
Damit kommen wir endlich tatsächlich bei der
ÖNORM S 2411 an, die derzeit zur öffentlichen Konsultation steht. Denn das
Mittel der Normung bietet sich ideal zur Lösung des weiter oben geschilderten,
derzeit bestehenden Problems an, dass sowohl die Archäologie und archäologische
Denkmalpflege als auch die Wirtschaft eigentlich ein Mittel wollen, um die
Archäologie möglichst frühzeitig an der vorausschauenden Planung von
Entwicklungsvorhaben im Sinne des Art. 5 der Valletta-Konvention (CoE 1992a) zu beteiligen, aber der politische Wille
dafür zu fehlen scheint, dies im Wege einer gesetzlichen Regelung zu erreichen.
Schließlich ist das Mittel der Normung das
Mittel, das der Wirtschaft ohnehin besser liegt und lieber ist, weil es (aus
Sicht der Wirtschaft meist unnötiger und störender) verpflichtender staatlicher
Regelung vorbeugt und es der Privatwirtschaft selbst überlässt, wie sie die für
ihre Bedürfnisse geeigneten Regeln gestalten will. Gleichzeitig ist aber das
Mittel der Normung – bei all seiner dann doch wieder nicht ganz so freiwilligen
Freiwilligkeit – in seiner Funktionsweise einer Verordnung oder einem Gesetz an
sich sehr ähnlich und damit auch gut dafür geeignet, den Bedürfnissen der
Archäologie und archäologischen Denkmalpflege Rechnung zu tragen, auch wenn die
Anwendung einer Norm nicht ganz so einfach rechtlich durchzusetzen ist wie die
eines Gesetzes oder einer Verordnung.
Hinzu kommt auch noch, dass die präventive
Archäologie heutzutage sowohl europaweit als auch in Österreich Großteils von
privatwirtschaftlichen Anbietern und nicht (mehr) vom Staat bzw. dessen
Denkmalschutzbehörden erledigt wird, auch wenn das in vielen
ArchäologInnenköpfen noch nicht in allen damit verbundenen Konsequenzen und
Möglichkeiten angekommen ist. Dennoch: wenn ohnehin sowohl die vorausschauende
Planung von Entwicklungsvorhaben als auch die praktische präventive Archäologie
beide so gut wie komplett privatwirtschaftlich organisiert sind; und der Staat,
der sich eigentlich um die Einbindung der Letzteren in die Erstere kümmern
sollte, das nicht tut; warum ihn nicht einfach durch eine ÖNORM so weit möglich
umgehen und selbst dafür sorgen, dass die planende und die archäologische
Wirtschaft so in einander integriert werden, dass beide besser funktionieren
als ohne diese Integration?
Die Identifikation und Bewertung von Risiken im Boden von Liegenschaften
Wie man eine raum- und bauplanungsbegleitende
archäologische Denkmalpflege privatwirtschaftlich organisiert, ist an sich gut
bekannt, weil es in Europa inzwischen bereits (wenigstens mehr oder minder) gut
funktionierende Beispiele gibt. Ja, man muss nicht einmal ins Ausland schauen,
weil das ja selbst in Österreich bereits im UVP-Verfahren der Fall ist. Alles,
was man braucht, um die von der Wirtschaft gewünschte Planungssicherheit
einigermaßen verlässlich zu erreichen und gleichzeitig weitaus bessere
Bedingungen für die präventive archäologische Denkmalpflege zu schaffen, ist,
diese bereits gut funktionierenden Beispiele herzunehmen und in Form einer
ÖNORM nicht nur für UVP-pflichtige Entwicklungsprojekte, sondern für alle
Entwicklungsprojekte vorsehen.
Die gewünschte verbesserte Planungssicherheit
erreicht man, indem man, statt auf die zufällige Entdeckung von möglicherweise
Bauverzögerungen auslösenden Altlasten bei der Durchführung der erforderlichen
Erdarbeiten zu warten, bereits in einer frühen Phase des oder noch besser sogar
vor Beginn des eigentlichen Planungsprozesses versucht, das Risiko, dass am
geplanten Ort des Entwicklungsprojektes Bauverzögerungen auslösende Altlasten
im Boden vorkommen, zu identifizieren, zu bewerten und dann entsprechend in der
vorausschauenden Planung mit einzukalkulieren. Wenn man weiß, wo welche
Altlasten im Boden zu erwarten sind, kann man entweder sein Entwicklungsprojekt
so planen, dass man diese einfach im Boden (archäologisch gesprochen: in situ)
lassen kann, wo sie sich befinden, und sich damit alle Entsorgungskosten
ersparen (Willems 2012, 1-3). Oder aber man kann eben die dafür mutmaßlich
anfallen werdenden Entsorgungskosten von Anfang an in seine Projektplanung mit
einkalkulieren und die Entsorgung dieser Altlasten so in den Projektverlauf einplanen,
dass man Stehzeiten oder noch schlimmere Schadensfälle weitgehend ausschließen
und somit sein Projekt erfolgreich zum Abschluss bringen kann.
Der Ablauf des Risikovorerkennungs- und
Bewertungsprozesses ist dabei noch dazu für alle bekanntermaßen potentiell
vorkommenden Altlasten im Prinzip gleich:
In einem ersten Schritt ist es sinnvoll, zuerst
einmal durch Untersuchung bereits vorhandener Archivunterlagen zu erheben, ob
und wenn ja wo auf der ins Auge gefassten Bodenfläche bzw. Liegenschaft und in
ihrer unmittelbaren (und eventuell auch weiteren) Umgebung bekanntermaßen
Altlasten im Boden vorkommen. In der Archäologie sehen dafür daher sowohl die Lausanne-Charter (Art. 4; ICOMOS 1990), die Valletta-Konvention
(Art. 2 Abs. i; CoE 1992a; b, 4) als auch
das DMSG (§ 11 Abs. 7) verpflichtend die Führung von
archäologischen Fundstellenverzeichnissen vor; das BDA empfiehlt in seinen Richtlinien auch die Durchführung
derartiger Archivuntersuchungen vor gem. § 11 Abs. 1 DMSG genehmigungspflichtigen archäologischen
Feldforschungen (BDA 2018, 8, 48).
Die ÖNORM S 2411 – wenn sie angewendet wird –
schreibt eine derartige Erhebung von Archivunterlagen vor jedem geplanten
Entwicklungsprojekt als ersten Schritt in der Bodenrisikovorerkennung
verpflichtend vor. Natürlich nicht nur für die Archäologie, sondern für alle im
Planungsbereich bekanntermaßen häufig relevant werdenden Bodenrisiken, nämlich
insbesondere technische Einbauten, historische Hinterlassenschaften (inklusive
Archäologie und Kriegsrelikte), Umweltrisiken, geologische und geotechnische
Risiken. Dies gilt für alle Entwicklungsvorhaben, bei denen erwartungsgemäß
unter den Zerstörungshorizont, d.h. den Teil des Bodens, der durch Eingriffe in
jüngerer Zeit (insbesondere nach 1945) verändert wurde, in den Erdboden
eingegriffen wird (ÖNORM S 2411, 5). Diese Erhebung muss durch qualifiziertes
Fachpersonal durchgeführt werden (ÖNORM S 2411, 6).
Die Ergebnisse der Erhebung sind in einem
zweiten Schritt in Form einer strukturierten Beschreibung darzustellen, die
alle möglicherweise relevanten Informationen beinhaltet. Zusätzlich ist
gegebenenfalls zu begründen, weshalb zu einzelnen Risikoaspekten allfällig
nicht eingeholte Informationen nicht eingeholt wurden (ÖNORM S 2411, 9).
In einem dritten Schritt sind dann die durch
die Erhebung gewonnenen Informationen in Hinblick auf die Frage zu prüfen, ob
in den zu berücksichtigenden Bereichen mit dem Vorhandensein von Gefahren für
die Durchführung des geplanten Entwicklungsprojekts zu rechnen ist (d.h. Bodenrisiken
bestehen). Diese Überprüfung ist neuerlich von Personen mit entsprechender
Fachexpertise – gegebenenfalls fachbereichsübergreifend durch mehrere Experten
unterschiedlicher Fachgebiete gemeinsam – durchzuführen. Jedes Prüfungsergebnis
– auch der Ausschluss eines Risikos – ist eigens zu begründen. Ergibt die
Prüfung, dass eines oder mehrere relevante Risiken bestehen, sind erforderliche
weitere Maßnahmen zur Verifikation (Nachweis/Erkundung) festzulegen (ÖNORM S 2411, 9-10).
Wurden in der Prüfung mögliche Risiken
identifiziert, sind in einem vierten Schritt die soeben genannten Maßnahmen zum
Nachweis bzw. der genaueren Erkundung dieses Risikos durchzuführen. Dies sollte
vorzugsweise mit zerstörungsfreien Untersuchungs- bzw. Prospektionsmethoden
erfolgen; soweit erforderlich, sind aber auch Bodeneingriffe wie Beprobungen
vorzunehmen oder auch Schurfe oder Testschnitte anzulegen. Ziel dieses
Verfahrensschrittes ist es, zusätzliche Informationen zu identifizierten
potentiellen Risiken, zu denen ausreichende Unterlagen bzw. Informationen
(noch) fehlen, zu generieren.
In der Archäologie sprechen wir in diesem Zusammenhang
in erster Linie von Prospektionen bzw. Surveys, weil aus Sicht der Norm
Erkundungsmethoden dann nicht geeignet sind, „wenn absehbar ist, dass durch die Erkundung ein bereits
identifiziertes Risiko schlagend werden kann oder Schäden an Einbauten,
archäologischen Hinterlassenschaften u. Ä. entstehen können“ (ÖNORM S 2411, 10). Das entspricht der Forderung der Lausanne-Charter (Art. 5, ICOMOS 1990), dass möglichst nicht destruktive
Prospektionsmethoden zur Erkundung des archäologischen Erbes gewählt werden
sollen, ebenso wie der sinngemäß gleichen Forderung der Valletta-Konvention
(Art. 3 Abs. i lit. b; CoE 1992a; b, 2, 4). Wie
ebenfalls von beiden genannten Konventionen vorgesehen, haben diese Erkundungen
mittels anerkannter Verfahren oder Methoden durch Fachfirmen oder Experten mit
einschlägiger Ausbildung und praktischer Erfahrung im jeweiligen Fachbereich
des Risikoaspektes aus dem jeweiligen Fachgebiet zu erfolgen (ÖNORM S 2411, 10).
In einem fünften Schritt sind anschließend alle
relevanten Risiken auf der Grundlage der Ergebnisse der im vorherigen
Verfahrensschritt durchgeführten Erkundungen fachlich zu bewerten. Methodisch
ist gemäß ONR 49002-2[6] vorzugehen; was ebenfalls fachliche Expertise
voraussetzt (ÖNORM S 2411, 10).
Schließlich sind in einem sechsten,
abschließenden Verfahrensschritt sachverständige, begründete Schlussfolgerungen
aus den Ergebnissen des Identifikations- und Bewertungsverfahrens zu ziehen. Diese
müssen geeignet sein, ein umfassendes, fundiertes und nachvollziehbares Bild
über vorhandene bzw. nicht vorhandene Bodenrisiken zu geben (ÖNORM S 2411, 10).
Erforderlichenfalls bzw. wenn so gewünscht,
können auch Empfehlungen abgegeben werden, wie vom das Entwicklungsprojekt Planenden
allfällig identifizierte und bewertete Risiken am besten minimiert oder
ausgeschaltet werden können. Im Bereich der Archäologie wäre das dann wohl eine
Empfehlung, zeitgerecht eine professionelle archäologische Ausgrabung
durchführen zu lassen, um vorhandene archäologische Altlasten zeitgerecht vor
Beginn der eigentlichen Durchführung des Entwicklungsprojekts sachgerecht
entsorgen zu lassen. Allfällig bei Prospektionen im Verfahrensschritt Erkundung
neu entdeckte Bodendenkmale sind selbstverständlich wie durch §§ 8 Abs. 1 bzw.
11 Abs. 4 und 6 DMSG vorgesehen dem BDA zu melden, das auf Basis
der eingegangenen Fundmeldungen die neu entdeckten Bodendenkmale zu begutachten
und erforderlichenfalls binnen 6 Wochen ab Abgabe der Fundmeldung dauerhaft
unter Denkmalschutz zu stellen hat.
Durch dieses – vollständig mit der
Lausanne-Charter (ICOMOS 1990) und der Valletta-Konvention (CoE 1992a; b) in Einklang
stehende – Risikovorerkundungs- und -bewertungsverfahren werden also präventive
archäologische Vorerkundungen in den vorausschauenden Planungsprozess
vollständig integriert, ganz ohne dass der Gesetzgeber auch nur einen Finger zu
rühren hatte. De facto setzt dieses
normierte Verfahren also die Forderungen des Art. 5 der Valletta-Konvention um,
ohne diese irgendjemandem de jure
vorzuschreiben. Die Wirtschaft – sowohl die Entwicklungspojekte planende als
auch die archäologische – kann auf diesem Weg also aller Voraussicht nach die
Kosten bzw. Schäden, die durch die viel zu spät im Bauprozess greifenden
Schutzbestimmungen des DMSG – sowohl an der Archäologie als auch den
finanziellen Interessen der Wirtschaft – verursacht werden, so weit als möglich
minimieren und einen besseren archäologischen Denkmalschutz als auf
gesetzlichem Weg erreichen.
Die ÖNORM S 2411 und unfreiwillige Freiwilligkeit
Damit bleibt als mögliches Problem für die
praktische Umsetzung dieses Verfahrens eigentlich nur noch die Tatsache, dass
die Anwendung von ÖNORMEN freiwillig ist. Man muss also darauf hoffen, dass die
planende Wirtschaft dieses Verfahren aus eigenem Interesse – das ja wie gesagt,
wenigstens teilweise, sicher durchaus gegeben ist – übernimmt und anwendet;
weil zwingen kann man ja niemanden dazu.
Aber ganz so freiwillig, wie es bei
oberflächlicher Betrachtung ausschaut, wird die Anwendung der Norm durch die planende
Wirtschaft dann wohl doch wieder nicht sein. Weil wie schon gesagt: die
Initiative für die Entwicklung dieser ÖNORM ging keineswegs von der Archäologie
bzw. der archäologischen Denkmalpflege aus, die sogar nicht einmal ein klares
Interesse an ihrer Entwicklung durch Beteiligung am Entwicklungsprozess dieser
Norm zum Ausdruck gebracht haben, sondern eigentlich von den Banken und dem
Versicherungssektor. Weil es sind die Banken und die
Entwicklungsprojekt-Rückversicherer, die nicht auf den finanziellen Schäden
sitzen bleiben wollen, die durch zu spät entdeckte Altlasten und dadurch
bedingte Projektverzögerungen oder gar dem Scheitern ganzer
Entwicklungsprojekte entstehen; und die daher wollen, dass die Bauwirtschaft
möglichst frühzeitig im Planungsprozess durch Altlasten entstehende Risiken
vorerkennt und möglichst vermeidet, minimiert oder ganz ausschaltet. Und wie
ebenfalls schon gesagt: die meisten Entwicklungsprojekte werden heutzutage von
den Banken durch Kredite vorfinanziert und von den Versicherungen gegen Schäden
durch unerwartet eintretende Verzögerungen der Projektabwicklung versichert.
Man darf also wohl davon ausgehen, dass, sobald
die ÖNORM S 2411 veröffentlicht und damit in Kraft getreten sein wird, die
Banken die Verpflichtung zu ihrer Beachtung in Kreditverträge zur Finanzierung
von Entwicklungsprojekten aufnehmen werden. Ebenso darf man wohl davon
ausgehen, dass Versicherungen es von der Einhaltung dieser Norm abhängig machen
werden, ob sie Entwicklungsprojekte gegen durch unerwartet bei der Durchführung
des Projekts angetroffene Altlasten verursachte Schäden versichern; bzw. die
Übernahme der Schäden einfach verweigern werden, wenn der Versicherungsnehmer nicht
bei der Planung seines Projektes eine normgemäße Bodenrisikovorerkennung
durchgeführt und deren Ergebnisse daher bei seinen Planungen nicht
berücksichtigt hat.
Will also jemand die Durchführung eines
Entwicklungsprojekts mittels eines Bankkredits finanzieren; und sich auch gegen
Schäden durch unerwartet bei dessen Durchführung angetroffene Altlasten
versichern, dann wird er wohl kaum umhinkommen, freiwillig eine
Risikovorerkennung entsprechend den Vorgaben der ÖNORM S 2411 durchzuführen, ob
er das will oder nicht. Weil entschließt er sich nicht freiwillig dazu, das zu
tun, dann wird er wohl weder den erforderlichen Kredit noch die erwünschte
Versicherung bekommen. Und das kann uns auch ganz egal sein, weil der
Archäologie kein zusätzlicher Schaden erwächst, wenn das Projekt einfach
abgesagt wird und allfällige archäologische Hinterlassenschaften, die auf der
im Auge gefassten Liegenschaft im Boden verborgen schlummern, einfach weiter unentdeckt
und in situ verbleiben.
Die Anwendung der ÖNORM S 2411 wird also für
die Entwicklungsprojekte vorausschauend planende Wirtschaft etwa ebenso
freiwillig sein, wie sie sich freiwillig dafür entscheiden, die
Vertragsbestimmungen für den Kredit zu unterschreiben, den jemand für den Bau eines
Einfamilienhauses braucht, oder die Lizenzvertragsbestimmungen zu akzeptieren,
damit man ein bestimmtes Computerprogramm, das man braucht, auch tatsächlich
verwenden kann. Oder anders gesagt: aufgrund der unabdingbaren Erforderlichkeit
eher unfreiwillig freiwillig.
Die ÖNORM S 2411 und die archäologische Nachforschungsgenehmigungpflicht
Was die Vorerkennung archäologischer Risiken im
Boden von Liegenschaften betrifft, bleibt allerdings ein gewisses, wenn auch
vielleicht glücklicherweise nicht besonders gravierendes, Problem mit der
Gesetzeslage bestehen: die Nachforschungs- bzw. Grabungsgenehmigungspflicht des
DMSG.
Diese macht es bekanntermaßen erforderlich, dass „Die
Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser
(Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der
Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der
Erd- bzw. Wasseroberfläche“ (§
11 Abs. 1 DMSG) nur mit Genehmigung durch das BDA
durchgeführt werden.
Diese Genehmigungspflicht wurde vom BDA
jahrzehntelang als universelle Genehmigungspflicht für alle archäologischen
Untersuchungen ausgelegt, die an Ort und Stelle durchgeführt werden,
gleichgültig welche Untersuchungsmethode verwendet wird, und ebenso
gleichgültig, an welchem Ort sie durchgeführt wird (so z.B. noch BDA 2016, 6, 11-15). Inzwischen ist es davon ein wenig
abgerückt und erläutert allgemein in seinen Richtlinien
nun nur noch, dass „Voraussetzung für
die Aufnahme bewilligungspflichtiger archäologischer Tätigkeiten […] das Vorliegen eines bewilligenden Bescheides
des Bundesdenkmalamtes gemäß § 11 Abs. 1 DMSG“ (BDA 2018, 6) sei; führt allerdings deutlich
irreführenderweise weiterhin praktisch alle Prospektionsmethoden, die im
Schritt Verifikation (Nachweis/Erkundung) des in der ÖNORM S 2411 normierten
Risikovorerkennungsverfahrens zur Erkundung archäologischer Altlasten im Boden
zur Anwendung gebracht werden könnten, unter der Überschrift „2.1.2. Bewilligungspflichtige
Prospektionsmethoden“ (cf. ÖNORM S 2411, 9-10; BDA 2018, 10-14) auf. Insbesondere gehören zu diesen
Methoden die systematische Begehung einer Liegenschaft zur Aufnahme von
Oberflächenfunden, die Absuche des über dem Zerstörungshorizont (ÖNORM S 2411, 5) liegenden Oberbodens mittels
Metallsuchgeräten zur Entdeckung allfällig vorhandener metallischer Kleinfunde,
sowie alle geophysikalischen Methoden wie Geomagnetik, Bodenradar,
Bodenwiderstandsmessungen und elektromagnetische Induktionsmessungen. (BDA 2018, 10-14).
Dies erweckt irreführenderweise den Eindruck,
als ob die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG von der geplanten Verwendung bestimmter – eben
wenigstens der genannten – Untersuchungsmethoden ausgelöst würde. Dadurch
würden alle durch die ÖNORM S 2411 vorgesehenen Erkundungen dieser
Genehmigungspflicht unterliegen; wenigstens solange sie dem Zweck dienen, die
Präsenz archäologischer Hinterlassenschaften im Boden der betroffenen
Liegenschaft zu identifizieren und zu Bewertungszwecken in Bezug auf ihre
räumliche Verteilung und Verbreitung auf der Liegenschaft und Art genauer zu
bestimmen, d.h. zu untersuchen. Zwar wäre auch das im Prinzip kein Problem –
bindet man die Archäologie ausreichend frühzeitig in den Planungsprozess von
Entwicklungsprojekten ein, kann man auf die Ergebnisse der archäologischen
Risikovorerkennung auch die durchschnittlich wohl nicht mehr als 6-8 Wochen,
die es gewöhnlich dauert, eine solche Genehmigung zu erhalten, die das BDA in
Anbetracht ihres Zweckes und der Tatsache, dass sie mit zerstörungsfreien
Methoden durchgeführt werden soll, ohnehin nicht verweigern kann – würde aber
dennoch eine vollkommen unnötige und zusätzliche Kosten für den Planenden
bedeutende bürokratische Hürde darstellen, die sowohl dem Zweck der ÖNORM S
2411 als auch dem des DMSG diametral zuwiderläuft. Schließlich geht es
bei beiden Normen, der verpflichtenden gesetzlichen wie auch der freiwilligen
privatwirtschaftlichen, darum, Schaden zu vermeiden, der durch Erdarbeiten (im
Falle der ÖNORM wenigstens auch) an archäologischen Denkmalen im Boden der
Liegenschaft entstehen könnte und damit für verbesserte Möglichkeiten zu ihrer
Erhaltung zu sorgen.
Tatsächlich ist die Genehmigungspflicht des §
11 Abs. 1 DMSG jedoch auf allfällig durchgeführte Erkundungen
mit iSd ÖNORM S 2411 (10) geeigneten Methoden zur Verifikation
eines möglicherweise bestehenden Risikos durch im Boden der Liegenschaft
befindliche archäologische oder sonstige historische Hinterlassenschaften
gewöhnlich nicht anwendbar, und zwar gleich aus mehreren Gründen.
Der erste und gleichzeitig wichtigste dieser
Gründe ist, dass der Zweck einer derartigen Erkundung iSd ÖNORM S 2411 eben
gerade nicht die für die Erfüllung des Anknüpfungstatbestands zur Auslösung der
Genehmigungspflicht erforderliche „Entdeckung
und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw.
Wasseroberfläche“ (§ 11 Abs. 1 DMSG) ist, sondern vielmehr die Verifikation und
nachfolgende Bewertung gemäß ONR 49002-2 eines möglicherweise bestehenden Risikos für
geplante Erdarbeiten auf der betroffenen Liegenschaft durch dort potentiell im
Boden befindliche (archäologische) Altlasten. Laut der relevanten
Regierungsvorlage ist der Zweck der Bestimmungen des § 11 DMSG, „die
Vorgangsweise bei der Durchführung bewilligter wissenschaftlicher Grabungen“
zu regeln, weshalb er viele Bestimmungen enthalte, „die eine für die Wissenschaft notwendig geregelte Vorgangsweise bei
der Durchführung der Grabungen, der Durchführung der Meldungen usw.“ (RV 1990, 20) vorsehen würden. Nachdem Veränderungen
der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser aber „Schäden an Einbauten, archäologischen Hinterlassenschaften u. Ä.“ (ÖNORM S 2411, 10) verursachen könnten, sind sie iSd der
ÖNORM S 2411 keine geeigneten Erkundungsmaßnahmen; und ein wissenschaftlicher
Erkenntniszweck wird bei der Erkundung von Bodenrisiken ebenfalls nicht
verfolgt; ebensowenig wie der Zweck der Entdeckung von Denkmalen. Eine
Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG auf iSd ÖNORM S 2411 geeignete
Erkundungsmethoden scheidet daher sowohl aufgrund des Wortlautes als auch des
Sinns der Grabungsgenehmigungspflicht dieses Paragrafen aus.
Der zweite und beinahe ebenso wichtige Grund
ist, dass, wenn man hingegen argumentiert, dass die Erkundung von
archäologischen Bodenrisiken doch Forschung und daher auch ein
Entdeckungsversuch im Sinne des DMSG sei und daher den Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 erfüllt, die
Nachforschung mit rein zerstörungsfreien Methoden dieser Genehmigungspflicht
dennoch nicht unterliegen kann. Denn einerseits ist der gem. § 1 Abs. 1
explizite und ausschließliche Zweck des DMSG, erhaltenswerte Denkmale zu erhalten, d.h. vor
Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland zu schützen. Nachdem
dieses gesetzliche Schutzziel durch die Verwendung rein zerstörungsfreier
Vorerkundungsmethoden unmöglich gefährdet werden kann, kann eine die Verwendung
solcher Methoden beschränkende Genehmigungspflicht weder dafür geeignet,
geschweige denn dafür erforderlich, noch das dem Gesetzgeber verfügbare
gelindeste Mittel dafür sein, dieses gesetzliche Schutzziel eher zu erreichen
als ohne sie. Damit würde diese Genehmigungspflicht einerseits jedoch das
Prinzip der Verhältnismäßigkeit staatlicher Reaktion (Berka 1999, 156-163)
verletzen und wäre damit verfassungswidrig. Und andererseits würde diese
Genehmigungspflicht dann ohne nachvollziehbaren Grund – es wird schließlich
durch die Verwendung dieser Methoden kein Denkmal in irgendeiner Weise
gefährdet, geschweige denn ernsthaft – die Wissenschaftsfreiheit des Art. 17
Abs. 1 StGG intentional beschränken, was ebenfalls verfassungswidrig
wäre (Berka 1999, 344-346). Damit kann diese Genehmigungspflicht auch gerade
dann nicht auf geeignete Erkundungsmethoden iSd der ÖNORM S 2411 angewendet
werden, wenn sie den Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 DMSG erfüllt.
Der dritte Grund ist schließlich, dass in aller
Regel die Durchführung von genaueren Erkundungen iSd ÖNORM S 2411 (9-10) nur dann erforderlich wird, wenn nicht
bereits durch die Archivrecherche festgestellt wurde, dass sich im Boden der
betroffenen Liegenschaft tatsächlich ein gem. §§ 2a, 3 bzw. 9 Abs. 3 DMSG geschütztes Denkmal befindet. Befindet sich
nämlich ein solches auf dieser Liegenschaft, wurde ja bereits durch die
Archivuntersuchung geklärt, dass dem tatsächlich der Fall ist, und daher das
Risiko, bei der Durchführung von geplanten Erdarbeiten auf dieser Liegenschaft
auf archäologische Altlasten zu treffen, 100% ist. Im Wesentlichen das Gleiche
gilt, wenn sich auf der Liegenschaft archäologische Hinterlassenschaften
befinden, deren Denkmaleigenschaft aufgrund bekannter, konkreter Hinweise
wenigstens wahrscheinlich ist. Nachdem aber laut dem Verwaltungsgerichtshof die
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG nur anwendbar sind, wenn aufgrund des
Vorliegens bekannter, konkreter Hinweise darauf das Vorkommen von Denkmalen iSd
§ 1 Abs. 1 DMSG wenigstens wahrscheinlich ist (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, RN 17-18), dass bei der Durchführung von
Nachforschungen auf der betreffenden Liegenschaft tatsächlich Denkmale entdeckt
oder untersucht werden würden, kann für erforderlich werdende Erkundungen iSd ÖNORM S 2411 (9-10) diese Genehmigungspflicht in der Regel
nicht bestehen.
Ebenso ausgeschlossen ist die Anwendbarkeit der
Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG auf die Entnahme von Bodenproben oder die
Anlage von Schurfen oder Testschnitten zur Verifikation (Nachweis/Erkundung)
von anderen als archäologischen Bodenrisiken. Diese ist schließlich bei
normkonformem Vorgehen erst dann möglich, wenn durch die Archivuntersuchungen
bzw. archäologische Erkundungen festgestellt wurde, dass im Boden der
betroffenen Liegenschaft nicht mit dem Vorkommen archäologischer bzw.
historischer Hinterlassenschaften zu rechnen ist (ÖNORM S 2411, 10). Damit kann für nachfolgende, nicht auf
die Entdeckung und Untersuchung an Ort und Stelle schließlich positiv nicht
vermuteter archäologischer Überreste, geschweige denn archäologischer Denkmale
gerichtete Entnahme von Bodenproben bzw. Anlage von Schurfen oder Testschnitten
der Anknüpfungstatbestand des § 11 Abs. 1 DMSG in keiner vorstellbaren Weise erfüllt werden:
es wird weder nach archäologischen Denkmalen gesucht noch deren Vorhandensein
vermutet, ganz im Gegenteil, ihr hypothetisch mögliches Vorhandensein wurde bereits
zuvor durch die Ergebnisse einer sachverständigen archäologischen Überprüfung –
soweit möglich – ausgeschlossen. Werden dann dennoch – unvorhersehbarer Weise –
bei der Anwendung invasiver Erkundungsmethoden zu anderen als archäologischen
Entdeckungszwecken Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG entdeckt, sind diese vielmehr als Zufallsfunde
zu melden und die Rechtsfolgen ihrer Entdeckung gem. § 9 Abs. 3 DMSG zu beachten.
Einzig in dem wohl sehr ungewöhnlichen und
sicherlich nur vergleichsweise selten eintretenden Fall, dass ein geplantes
Entwicklungsprojekt auf einer bestimmten Liegenschaft durchgeführt werden soll,
auf der sich ein bereits geschütztes Denkmal oder bereits bekanntermaßen
denkmalschutzwürdige archäologische Hinterlassenschaften befinden, bezüglich
derer der begründete Verdacht besteht, dass sie sich räumlich über ihre bereits
bekannten Teile hinaus im Boden der Liegenschaft fortsetzen, könnte eventuell
die Beantragung einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 bzw. Abs. 8 DMSG vor der Anwendung von geeigneten
Erkundungsmethoden iSd ÖNORM S 2411 (10) für ihre rechtmäßige Durchführung
erforderlich sein. Selbst in diesem Fall ist das aber kein Problem, weil das
BDA eine allfällig beantragte, derartige Genehmigung jedenfalls erteilen muss,
da Zweck der iSd ÖNORM
S 2411 durchzuführenden Erkundungen schließlich der verbesserte
Schutz der sich dort möglicherweise befindlichen, noch unbekannten Teile des geschützten
Denkmals bzw. der wahrscheinlich denkmalschutzwürdigen archäologischen
Hinterlassenschaften ist und diese aufgrund der Zerstörungsfreiheit der
normkonform zu verwendenden Methoden auch gar nicht durch Zerstörung,
Veränderung oder Verbringung ins Ausland gefährdet werden können. Für solche –
und nur solche – denkmalrechtlich genehmigten Erkundungen gelten dann nicht die
Fundmeldebestimmungen des § 8 samt deren Rechtsfolgen gem. § 9, sondern die
dazu parallelen Bestimmungen des § 11 Abs. 3, 4 und 6 DMSG.
Die ÖNORM S 2411 kann also tatsächlich nahezu vollständig ohne
Erfordernis, irgendwelche staatliche Behörden in den archäologischen
Denkmalschutzprozess einzubeziehen, durch frühzeitige Beteiligung der
Archäologie an Planungen von Entwicklungsprojekten angewendet werden. Einzig im
zuletzt genannten Fall kann eine Genehmigung durch das BDA gem. § 11 Abs. 1
bzw. Abs. 8 DMSG erforderlich werden, die aber jedenfalls zu
erteilen ist. Damit ist eine nahezu rein privatwirtschaftlich selbstregulierte
präventive archäologische Denkmalpflege möglich, die für die planenden
Wirtschaft unnötige Kosten und für die Archäologie vermeidbaren Schaden
abzuwenden erlaubt.
Schlussfolgerungen: was BürgerInnen nicht selbst machen…
Die Republik Österreich hat zwar 2015
letztendlich doch noch die Valletta-Konvention (CoE 1992a) ratifiziert, der politische Wille, für die
für eine zeitgemäße, präventive archäologische Denkmalpflege notwendigen
legistischen Maßnahmen zur Umsetzung ihres wichtigsten Artikels 5 (CoE 1992a; b) zu sorgen,
hat bislang jedoch ebenso gefehlt wie der, die archäologische Abteilung des BDA
auch nur annähernd adäquat personell und finanziell auszustatten, dass diese ihre
vielfältigen Aufgaben auch ordentlich und vor allem auch transparent, bürger-
und wirtschaftsfreundlich erfüllen kann. Politische Lippenbekenntnisse von
mehreren aufeinanderfolgenden, zuständigen MinisterInnen unterschiedlicher
parteipolitischer Zugehörigkeit hin oder her: ein zeitgemäßer archäologischer
Denkmalschutz und eine auch nur annähernd adäquate archäologische Denkmalpflege
brauchen weit mehr Personal und Ressourcen, als die Republik Österreich dafür zur
Verfügung zu stellen bereit zu sein scheint.
Zu einer solchen zeitgemäßen, auch tatsächlich
effektiven archäologischen Denkmalpflege gehört insbesondere die möglichst
frühzeitige Einbindung der Archäologie in den Raum- und Bauplanungsprozess im
Sinne des Art. 5 der Valletta-Konvention (CoE 1992a; b), denn nur
dadurch wird es möglich, die Kosten und den Aufwand für den Umgang mit
archäologischen Altlasten für die planende Wirtschaft ebenso möglichst gering
zu halten wie den Schaden an archäologischen Hinterlassenschaften, insbesondere
von bisher noch weitgehend bis vollständig unbekannten solchen, im Boden von
Liegenschaften möglichst zu vermeiden oder wenigstens so weit es geht zu
minimieren. Diese sollte nun tatsächlich – am Staat, der Politik, die
offensichtlich nicht dazu im Stande ist, dies im Wege einer gesetzlichen
Regelung zu erreichen, und der öffentlichen Verwaltung vorbei – durch die
Anwendung der auf Initiative der Wirtschaft entwickelten ÖNORM S 2411 auch in Österreich möglich werden.
Statt auf die zufällige Entdeckung von
Bodendenkmalen iSd § 8 Abs. 1 DMSG bei der Durchführung erforderlicher Erdarbeiten
zur Abwicklung eines Entwicklungsprojektes zu warten und dann durch die
Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG unerwartete Arbeitsverzögerungen in Kauf nehmen
zu müssen, wird durch die ÖNORM S 2411 für die vorausschauende Planung von
Entwicklungsvorhaben eine Vorgehensweise für die Vorerkundung von durch (unter
anderem archäologische) Altlasten verursachten Risiken im Boden von
Liegenschaften normativ vorgeschrieben. Diese Risikovorerkennung ist jeweils von
in den möglicherweise relevanten Risikobereichen sachverständigen ExpertInnen
bzw. derartige ExpertInnen beschäftigenden Dienstleistungsunternehmen
sachgerecht durchzuführen; d.h. im Bereich der präventiven archäologischen
Denkmalpflege primär durch Archivuntersuchungen und, sofern diese nicht
ausreichend aussagekräftig sind, durch Erkundung der Liegenschaft mit
zerstörungsfreien archäologischen Prospektionsmethoden. Die Ergebnisse dieser –
gegebenenfalls mit Sachverständigen aus anderen Risikobereichen koordiniert und
aufeinander abgestimmt durchzuführenden – Vorerkundung sind anschließend von
der vorausschauend planenden Wirtschaft in ihren Planungen entsprechend zu
berücksichtigen und identifizierte und als relevant bewertete Risiken möglichst
frühzeitig zu minimieren bzw. durch sachgerechte Entsorgung der identifizierten
Altlasten auszuschalten.
Aus der Sicht der Entwicklungsprojekte
planenden Wirtschaft minimiert dies das Schadensrisiko, maximiert die
Planungssicherheit und erlaubt die Kosten für die Abwicklung von
Entwicklungsprojekten zu senken, nicht nur indem – ganz im Sinne der
Valletta-Konvention (Willems 2012, 1-3) – teure Altlastenentsorgungskosten
verursachende Liegenschaften vermieden und stattdessen weniger
altlastenverseuchte Liegenschaften als Standort des geplanten
Entwicklungsprojekts gewählt werden können. Aus der Sicht der archäologischen
Denkmalpflege bedeutet das hingegen die Umsetzung eines zeitgemäßen,
präventiven archäologischen Denkmalschutzes, durch den allfällig durch
Entwicklungsprojekte gefährdet werden könnende archäologische
Hinterlassenschaften im Boden von Liegenschaften vorausschauend erkannt und
entweder – vorzugsweise – in situ oder wenigstens zeitgerecht, damit unter
weniger Termindruck und somit sachgerechter, durch wissenschaftliche
Dokumentation erhalten werden können. Damit ist nicht nur allen beteiligten
Seiten gedient, sondern es wird auch eine bessere Möglichkeit zur Inwertsetzung
des kulturellen Erbes in der weiteren Gesellschaft im Sinne der Faro-Konvention
(CoE 2005) und somit eine verbesserte Förderung des
Allgemeinwohls erreicht als bisher auf rein gesetzlichem Weg erreicht werden
konnte. Oder anders gesagt: alle gewinnen, niemand verliert; genau wie es sein
sollte.
Man kann daher aus diesem Beispielsfall eine
allgemeinere Lektion lernen: will der Staat sich nicht um eine zeitgemäße,
präventive archäologische Denkmalpflege kümmern, weil der politische Wille
dafür fehlt, dann müssen – und können sich glücklicherweise auch – die Entwicklungsprojekte
planende private Wirtschaft, private Archäologieunternehmen, sogar eigentlich
im Ausland tätige Universitätsprofessoren und die BürgerInnen als
Privatpersonen selbst darum kümmern. Es ist nicht notwendig, auf den Staat zu
warten, wenn der einfach mit anderen Aufgaben zu überlastet, durch politische
Streitigkeiten blockiert oder entscheidungsunfähig, oder schlicht und einfach zu
bequem ist, sich um den Denkmalschutzauftrag zu kümmern, den er sich selbst
durch Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG und die Ratifikation der Valletta- und der
Faro-Konventionen (CoE 1992a; 2005) gegeben hat. Denn letztendlich ist in
modernen, demokratischen Staaten nicht die staatliche Verwaltung, sondern die
BürgerInnen der Souverän, und wenn die staatliche Verwaltung als deren Diener ihre
Arbeit nicht schafft oder nicht machen will oder kann, dann können nicht nur,
sondern müssen sogar, die BürgerInnen sich selbst darum kümmern, dass sie das
bekommen, was sie wollen. Wer sich nicht selbst hilft, dem wird auch nicht geholfen.
Literaturverzeichnis
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Beschränkungen in der Verfügung über Gegenstände von geschichtlicher,
künstlerischer oder kultureller Bedeutung (Denkmalschutzgesetz – DMSG) geändert
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[1] n.b.: Bodendenkmale iSd § 8
Abs. 1 DMSG sind nicht dasselbe wie archäologische Überreste:
zwar sind alle Bodendenkmale archäologische Überreste, aber keineswegs alle
archäologischen Überreste auch Bodendenkmale. Die Legaldefinition bezeichnet
als Bodendenkmale nämlich nur solche „unter
der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ aufgefundenen „Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses
Bundesgesetzes unterliegen könnten“ (§ 8 Abs. 1 DMSG; Hervorhebung: RK). Der Meldepflicht dieses
Paragrafen und ihren Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG unterliegen also nur jene Funde
archäologischer Überreste, bei denen jeder gewöhnliche
Staatsbürger unschwer und ohne Anleitung durch Fachleute erkennen kann,
dass die Erhaltung des aufgefundenen Gegenstandes im öffentlichen Interesse
gelegen sein dürfte. Das ist der neuen Präsidentin des BDA, Erika Pieler, zufolge
z.B. ein (gut erhaltener und daher überhaupt noch als solcher erkennbarer)
römischer Bronzehelm (Karl et al. 2017, 111-112), nicht hingegen irgendwelche unauffälligen
Kleinfunde oder gar irgendwelche für den Laien gar nicht als von Menschen
geschaffen, historisch bedeutend erkennbare Bodenformationen wie archäologische
Ablagerungen (Verfärbungen) im Boden.
[2] Bekanntermaßen ist das Format DIN A4 eines der gängigsten Formate für
Druckerpapier. Dabei steht DIN für das Deutsche
Institut für Normung, das dieses Format erstmals am 18.8.1922 in der
DIN-Norm DIN 476 festgelegt hat. Diese ursprünglich rein deutsche Norm für
Papierformate wurde inzwischen durch die europäische bzw. internationale EN ISO
216 in ihren Formatfestlegungen übernommen.
[3] „Inhaltliche Abweichungen von den
gegenständlichen »Richtlinien für archäologische Maßnahmen« können aufgrund
besonderer Rahmenbedingungen, besonderer Befundsituationen oder besonderer
Projektziele sinnvoll sein oder auch von äußeren Umständen erzwungen werden. Im
Falle einer bewilligungspflichtigen archäologischen Maßnahme hat der/die
AntragstellerIn die bereits vor Projektbeginn bekannten Gründe für inhaltliche
Abweichungen von den gegenständlichen »Richtlinien für archäologische
Maßnahmen« in dem mit dem Antrag zur Erteilung einer Bewilligung gemäß § 11
DMSG einzureichenden Konzept fachlich ausreichend darzustellen.“ (BDA 2018, 2-3).
[4] In der Praxis würde das z.B. bedeuten, dass die Beantragung des
Vorgehens „in der Abstichgrabungsmethode
(nach Gersbach 1998, 29-31)“ nicht nur möglich wäre, sondern mit Gewissheit
auch von BDA genehmigt werden müsste, weil diese Methode immer noch eine anerkannte
wissenschaftliche Grabungsmethode ist und auch im benachbarten Deutschland noch
derzeit in Verwendung steht. Welche wissenschaftlich anerkannte Grabungsmethode
der Antragsteller wählt, ist nämlich aufgrund der Freiheit der Methodenwahl
allein seine Sache und dem BDA daher verfassungsgesetzlich direkt verboten,
seine entsprechende Wahl zu beschränken oder abzulehnen. Ablehnen kann und darf
das BDA nur solche Methoden, die nicht in den anerkannten Kanon wissenschaftlicher
Methoden fallen; und auch das nur, wenn der Antragsteller nicht glaubhaft
machen kann, dass eine nicht in den anerkennten Kanon fallende, von ihm
gewählte Methode nicht eine Neuentwicklung ist, die – und sei es nur um zu
überprüfen, ob sie erfolgreich zu wissenschaftlicher Erkenntnis führen kann –
daher zuzulassen ist. Letzteres ist insbesondere relevant, weil das BDA (und
auch jede andere staatliche Einrichtung) auch nicht die auf wissenschaftlichem
Weg erfolgende Weiter- bzw. Neuentwicklung bislang noch nicht anerkannter wissenschaftlicher
Methoden untersagen darf, weil auch die Methodenentwicklung durch die
Forschungsfreiheit geschützt ist.
[5] Eine Verordnung ist im österreichischen Recht eine von der staatlichen
Verwaltung (d.h. der Exekutive, nicht der Legislative) einseitig in der
Außenwirkung erlassene generelle Rechtsnorm, die sich an einen allgemeinen
Personenkreis richtet. Verordnungskompetenz kommt gem. Art. 18 Abs. 2 B-VG
nur Verwaltungsbehörden nur auf Grund der Gesetze und nur innerhalb ihres
Wirkungsbereiches zu.
[6] „ONR (ON-Regeln) sind rasch
verfügbare normative Dokumente, die in ihrem Entwicklungsprozess nicht alle
Anforderungen an eine "klassische" Norm erfüllen müssen.“ (Austrian
Standards Themencenter [6/2/2019]).
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