In diesem Beitrag betrachte
ich den Bodendenkmalsbegriff des österreichischen Denkmalschutzgesetzes (DMSG)
als exemplarisches Beispiel für vergleichbare unbestimmte Rechtsbegriffe in
(archäologischen Bestimmungen von) Denkmalschutzgesetzen. Das meiste von dem,
was ich hier sage, lässt sich daher sinngemäß auch auf viele andere
Denkmalschutzgesetze übertragen; auch wenn diese hier nicht konkret besprochen
werden.
Die Legaldefinition des Bodendenkmalsbegriffs in § 8 Abs. 1 DMSG
Die Legaldefinition
des Rechtsbegriffs „Bodendenkmal“ findet sich im DMSG in § 8 Abs. 1, und zwar
verpackt in den ersten Satz der archäologischen Fundmeldepflicht dieses
Gesetzes. Sie lautet, nur die relevanten Bestandteile dieses ersten Satzes
herausgreifend, sinngemäß in etwa: Bodendenkmale sind „…unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ vorkommende „Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form
oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes
unterliegen könnten“ (§ 8 Abs. 1 1. Satz DMSG). Was Gegenstände sind, die
den Beschränkungen des DMSG unterliegen, wird in im ersten Satz des DMSG
genauer bestimmt: „…von Menschen
geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten
und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter
oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder
sonstiger kultureller Bedeutung („Denkmale“)“, deren „Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen
ist“ (§ 1 Abs. 1 1. Satz DMSG).
Setzt man diese
Legaldefinition des allgemeinen Denkmalsbegriffs des DMSG in die des
Bodendenkmalsbegriffs ein, kommt man also bei der folgenden Definition an:
Bodendenkmale sind „…unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ vorkommende, „[unbewegliche und bewegliche] Gegenstände [einschließlich deren Überresten
und Spuren], die infolge ihrer Lage,
Form oder Beschaffenheit offenkundig
[von Menschen geschaffen“ und „von
geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“ sind und
daher „Denkmale“ sein könnten, deren „Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen“ sein könnte und die daher
„den Beschränkungen
dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“ (Hervorhebungen: RK).
Die Definition des
Bodendenkmalsbegriffs enthält also eigentlich einen dreifachen Konjunktiv, was ihre
richtige Auslegung nicht gerade erleichtert. Diesen dreifachen Konjunktiv muss
man auch setzen, weil sonst würde der Bodendenkmalsbegriff nur bereits unter
Denkmalschutz stehende Gegenstände umfassen. Das würde den Begriff aber
weitgehend sinnlos machen, vor allem in dem Kontext der archäologischen Fundmeldepflicht,
in dem er steht: der Finder eines Gegenstandes müsste diesen ohne den
dreifachen Konjunktiv nämlich nur dann als Bodendenkmal behandeln, wenn anhand
seiner Form, Lage und Beschaffenheit offenkundig erkennbar wäre, dass er
tatsächlich schon unter Denkmalschutz steht.
Unbestimmte Rechtsbegriffe
Es handelt sich bei
diesem Bodendenkmalsbegriff um einen sogenannten „unbestimmten Rechtsbegriff“.
Sehr vereinfacht gesagt ist das ein mehr oder minder unklarer und daher
auslegungsbedürftiger Begriff in einer Rechtsquelle: der Gesetzgeber kann damit
mehrere oder sogar viele verschiedene Dinge gemeint haben, die er nicht konkret
– z.B. in Form einer vollständigen Auflistung – benannt hat; meist, weil ihm
das aufgrund der Vielfältigkeit der zu regelnden Materie zu umständlich oder
gar nicht möglich ist.
Im Denkmalrecht ist Letzteres
beim Bodendenkmalsbegriff klarerweise der Fall: man kann nicht jede einzelne
Sache, ja nicht einmal nur jeden Typ von Sache, die ein Bodendenkmal ist (oder
gar nur sein könnte), in eine vollständige Liste aufnehmen. Denn eine derartige
Liste wäre schon allein deshalb, weil ja stets neue, zuvor noch gänzlich
unbekannte Typen von Sachen entdeckt werden könnten, die der Gesetzgeber
ebenfalls als Denkmale schützen können will, notwendigerweise immer
unvollständig. Die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs ist also in
diesem Regelungsbereich unumgänglich.
Dadurch, dass der
Gesetzgeber bei der Erlassung eines Gesetzes statt einer genauen
Legaldefinition einen unbestimmten Rechtsbegriff verwendet, spart er sich also
– was ihm meist sehr willkommen ist – sich schon zum Zeitpunkt seiner
Verschriftlichung genau überlegen zu müssen, was alles von dem Begriff umfasst
werden soll. Er hält das Gesetz dadurch aber auch einigermaßen flexibel und
dennoch anwendbar, ohne es dauernd novellieren zu müssen. Das macht es nicht
nur für ihn, sondern auch für alle, die es dann anwenden müssen, erheblich
leichter, sich an es zu halten: ein Denkmalschutzgesetz, das sich alle paar
Monate ändert, weil neue Fundtypen in die Liste der geschützten Bodendenkmale
aufgenommen werden, würde nämlich selbst professionelle JuristInnen und
ArchäologInnen völlig überfordern, um vom Durchschnittsbürger erst gar nicht zu
reden.
Probleme der Unbestimmtheit
Unbestimmte
Rechtsbegriffe haben aber in der Anwendungspraxis auch einen nicht
unbedeutenden Nachteil; insbesondere wenn sie, wie der Bodendenkmalsbegriff,
notwendigerweise gemäß dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013) anzuwenden
sind.
Denn das
deklaratorische Prinzip macht es erforderlich, dass der gewöhnliche Normunterworfene
– d.h. der Durchschnittsbürger – idealerweise noch an Ort und Stelle bei der
Entdeckung seines Neufundes den Bodendenkmalsbegriff auch korrekt auslegen
kann; d.h. – wenigstens zumeist – richtig erkennt, ob der gerade entdeckte
Gegenstand nun ein Bodendenkmal im Sinne des DMSG ist oder nicht. Weil ist er
das, muss ihn der Normunterworfene auch rechtlich als solches behandeln, d.h. ihn
gem. § 8 DMSG dem Bundesdenkmalamt (BDA) melden und die Schutzvorschriften des
§ 9 für neu entdeckte Bodendenkmale beachten. Ist er das hingegen nicht, kann
er die denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen völlig ignorieren und sollte das
sogar: schließlich will der Gesetzgeber nicht, dass das BDA durch unzählige
fälschlich erstattete Fundmeldungen mit Arbeit überlastet wird, für die er ihm
gar nicht die erforderlichen Personalressourcen zur Verfügung gestellt hat.
Aber auch das im
österreichischen Verfassungsrecht normierte Rechtsstaatsprinzip macht es erforderlich,
dass Gesetze eine gewisse Bestimmtheit haben müssen, damit sich der Bürger überhaupt
an sie halten und die staatlichen Behörden sie auch korrekt anwenden können.
Denn Art. 18 Abs. 1 B-VG bestimmt, dass „[d]ie
gesamte staatliche Verwaltung […] nur
auf Grund der Gesetze ausgeübt werden“ darf. Daraus folgt, dass der
Gesetzgeber insbesondere seinen Verwaltungsbehörden keinen zu breiten Auslegungsspielraum
einräumen darf, aufgrund dessen sie die zu unbestimmten Bestimmungen – und sei
es auch nur völlig unbeabsichtigt – verfassungswidrig anwenden könnten.
Hinzu kommt, dass –
nachdem die Missachtung der denkmalrechtlichen Vorschriften bei Funden von
Bodendenkmalen auch gem. § 37 Abs. 3 DMSG unter Strafe gestellt wird – der
Normunterworfene auch im Sinne des staatsrechtlichen
Bestimmtheitsgrundsatzes
– wenigstens normalerweise – korrekt bestimmen können muss, ob er ein
Bodendenkmal entdeckt hat oder nicht. Schließlich ist im Sinne des § 1 Abs. 1
Verwaltungsstrafgesetz (VStG) und des Art. 7 Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) auch zu beachten, "dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor
ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das
strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen" (VwGH
25.1.2005, 2004/02/0284). Kann der Normunterworfene also aufgrund der Unbestimmtheit
einer Bestimmung nicht richtig erkennen können, wann er sie zu beachten hat,
kann er für ihre Missachtung auch dann nicht bestraft werden, wenn er sie
eigentlich beachten hätte müssen.
Hinreichend bestimmte unbestimmte Rechtsbegriffe
Dieses Problem kann
der Gesetzgeber dadurch umgehen bzw. zu umgehen versuchen, dass er in der
Legaldefinition des Begriffs die charakteristischen Eigenschaften der von ihm
gemeinten Sachen beschreibt, durch die sie sich von beliebigen anderen Sachen unterscheiden.
Ist diese Beschreibung ausreichend verständlich formuliert, dass sie die
Gesetzesanwender auch – wenigstens zumeist – richtig interpretieren können, bezeichnet
man den unbestimmten Rechtsbegriff als „hinreichend bestimmt“: sein objektiver
Sinn (d.h. was der Gesetzgeber jetzt wirklich exakt mit dem Begriff meint) erschließt
sich zwar nicht unmittelbar, aber ist genau genug – eben hinreichend – erkennbar,
dass jene, die den Rechtsbegriff anwenden sollen, ihn in der Regel auch richtig
anwenden können.
Im Fall des
Bodendenkmalbegriffs des § 8 Abs. 1 DMSG bestimmt der Gesetzgeber drei solche
Eigenschaften bzw. Kriterien, anhand derer sich jene Sachen, die in den Bereich
seiner Legaldefinition fallen, von beliebigen anderen Sachen unterscheiden bzw.
unterscheiden lassen sollten:
- „unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“: damit eine Sache ein Bodendenkmal sein kann, muss sie sich bis (wenigstens) kurz vor dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung im Boden oder unter Wasser befunden haben oder noch befinden. Damit scheiden alle Sachen, die sich schon seit längerem nicht mehr dort befinden, aus der Menge der vom Bodendenkmalbegriff umfassten Sachen aus.
- Denkmaleigenschaft: damit die Sache ein Bodendenkmal sein kann, muss sie eine sein, die iSd § 1 Abs. 1 DMSG ein Denkmal sein könnte, d.h. von Menschen geschaffen oder gestaltend verändert wurde. Damit scheiden alle zweifelsfrei „natürlich“ entstandenen Sachen aus.
- öffentliches Erhaltungsinteresse: damit eine Sache ein Bodendenkmal sein kann, muss ihre historische, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung – nach der in sachverständigen Kreisen vorherrschenden Meinung (Bazil et al. 2015, 22-23) – derart beschaffen sein, dass ihre Erhaltung deswegen im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte. Das schließt alle Sachen aus, die sicherlich so unbedeutend sind, dass ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung nicht bestehen kann.
Damit glaubt der
Gesetzgeber, den unbestimmten Rechtsbegriff "Bodendenkmal"
hinreichend genau bestimmt zu haben, um all jenen, die das DMSG korrekt
anwenden sollen, wenigstens normalerweise die richtige Auslegung dieses
Begriffs zu ermöglichen. Er erläutert sogar, wie Normunterworfene bei der
Auslegung des Begriffs vorgehen sollen: sie sollen die Sache anhand ihrer
sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften, d.h. Form, Lage oder Beschaffenheit,
beurteilen und jene ausscheiden, die wenigstens einem der drei genannten Kriterien
nicht entsprechen. Alle Sachen, die nach diesem Ausscheidungsverfahren
übrigbleiben, sind Bodendenkmale im Sinne des DMSG, die entsprechend der dafür
vorgesehenen denkmalrechtlichen Schutzvorschriften zu behandeln sind.
Ermessensspielräume
Nun ist aber von den
drei Kriterien nur eines für sich betrachtet einigermaßen eindeutig, nämlich
das erste: ob eine Sache unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche entdeckt wurde
bzw. erst kurz vor ihrer Entdeckung an diese gelangt ist, ist tatsächlich normalerweise
aufgrund ihrer Lage und oft auch ihrer Beschaffenheit einigermaßen eindeutig
erkennbar. Liegt die Sache bei ihrer Entdeckung noch unter der Erd- bzw.
Wasseroberfläche, ist das ohnehin offensichtlich; und ist sie erst kurz zuvor
an die Erdoberfläche gelangt, ist sie normalerweise mit Erde verklebt, d.h. man
sieht ob ihrer Beschaffenheit in der Regel sofort, dass sie noch vor kurzem
unter der Erdoberfläche gelegen sein dürfte.
Schon ob eine Sache
von Menschen geschaffen oder gestaltend verändert sein könnte ist aber in
vielen Fällen – gerade bei Bodenfunden – nur recht schwer bestimmbar. Zwar gibt
es viele Sachen, die eindeutig von Menschen geschaffen wurden, wie z.B. Münzen,
Schmuck, Kleidungsbestandteile, Waffen, Werkzeuge und sonstiges Gerät, die sich
– einigermaßen akzeptablen Erhaltungszustand vorausgesetzt – problemlos von
jedem als solche erkennen lassen. Aber es gibt auch viele Sachen, bei denen nicht
offensichtlich erkennbar ist, dass sie von Menschen geschaffen wurden oder auch
nur geschaffen worden sein könnten: ein steinzeitliches, in Abschlagtechnik
erzeugtes Steingerät lässt sich ohne besonderen Sachverstand nicht von
natürlich gebrochenen Steinen unterscheiden; und stark fragmentierte oder
sonstwie schlecht erhaltene „Überreste“ von Sachen sind auch nicht immer leicht
als Menschenwerk erkenntlich.
Daher ergibt sich für
den Rechtsanwender schon bei der Beurteilung des zweiten Kriteriums das, was
man einen Ermessensspielraum nennt: es gibt manche Sachen, die offensichtlich
von Menschen geschaffen worden sind, und manche, die das ebenso offensichtlich sicher
nicht sind. Aber es gibt auch wenigstens manche, wenn nicht sogar viele Sachen,
die sich nicht eindeutig einer dieser beiden Gruppen zuweisen lassen. Liegt die
konkret zu beurteilende Sache in diesem Mittelfeld, liegt es im Ermessen des
Rechtsanwenders, ob er sie als Bodendenkmal betrachtet. Entscheidet er sich
dagegen, kann er sie als beliebige (nicht denkmalrechtlichen Beschränkungen
unterworfene) Sache behandeln.
Noch viel schwieriger
ist es – gerade bei Bodenfunden – zu bestimmen, ob diese aufgrund ihrer Form
oder Beschaffenheit derart bedeutend sind, dass ihre Erhaltung dessentwegen im
öffentlichen Interesse gelegen sein könnte. Auch an dieser Stelle eröffnet sich
also für den zur korrekten Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Bodendenkmal"
Verpflichteten ein Ermessensspielraum. Es ist insbesondere dieser
Ermessensspielraum, der ein bedeutendes Problem verursacht und mit dem wir uns
daher in weiterer Folge noch genauer beschäftigen müssen.
Unbestimmte Rechtsbegriffe und die archäologische Denkmalpflege
Aber bevor wir das
tun, ein kleiner Exkurs:
Wie schon oben gesagt
wurde, ist es für den Gesetzgeber sehr bequem, unbestimmte Rechtsbegriffe in
Gesetze zu schreiben; und beim Bodendenkmalbegriff bleibt ihm aufgrund der
Natur der zu regelnden Materie auch gar nichts anderes übrig. Es ist aber auch
der archäologischen Denkmalpflege sehr recht, dass der Gesetzgeber den für sie besonders
relevanten Rechtsbegriff nicht genau genug bestimmen kann, um ihn anders denn
als unbestimmten Rechtsbegriff zu fassen. Denn damit räumt er ihr einen
Ermessensspielraum ein; und das scheint aus Sicht der mit der archäologischen
Denkmalpflege betrauten Verwaltungsbehörden für deren Zwecke besonders
praktisch zu sein.
Denn schließlich hat
der Staat damit – wenigstens scheinbar – diese Behörden mit der Autorität bzw.
der Machtbefugnis ausgestattet, den Bedeutungsgehalt dieses Rechtsbegriffs
genauer auszugestalten, d.h. zu entscheiden, was nun tatsächlich ein
Bodendenkmal ist. Und das ist ihnen sehr willkommen, denn sie haben gerade im
Bereich der archäologischen Denkmalpflege schließlich ein nicht unbedeutendes
Problem: sie stehen, scheinbar aufgrund der Natur der archäologischen Denkmale,
tatsächlich jedoch aufgrund des Fehlens einer archäologischen
Denkmalwerttheorie (siehe dazu schon Die Bewertung archäologischer
Denkmale), vor dem
Problem, gar nicht ex ante bestimmen zu können, ob eine bestimmte Sache nun
überhaupt ein besonders bedeutendes archäologisches Denkmal ist oder nicht;
oder glauben wenigstens vor diesem zu stehen.
Erkenntnislogik und Denkmalwertbestimmung
Dieses Problem wird
noch dadurch verschärft, dass sich die Frage, ob eine Sache eine „bedeutende“
archäologische Quelle (und damit womöglich ein Denkmal) ist, aus derzeitiger fachlicher
Sicht überhaupt erst beantworten lässt, wenn wenigstens sie (aber eigentlich
überhaupt alle möglicherweise archäologischen Quellen vollständig)
wissenschaftlich ausgewertet ist (bzw. sind).
Abbildung 1: Gerichteter archäologischer Erkenntnisprozess
nach Hoernes (1892, 26)
samt korrespondierender fachlicher Bedeutungszuweisung. |
Ursache dafür ist die
neopositivistische Erkenntnislogik, die insbesondere für die österreichische
Archäologie charakteristisch ist. Die österreichische Archäologie versteht sich
nämlich traditionellerweise als induktive Beobachtungswissenschaft, die aus
Untersuchung und Vergleich von vielen, jeweils für sich weitgehend
unbedeutenden, Einzelbeobachtungen und deren dadurch mögliche Verallgemeinerung
bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnt (Hoernes 1892, 43; Abb. 1).
Man kann also aus fachlicher Sicht immer erst im Nachhinein – also im
rechtlichen Sinn ex post – beurteilen, ob eine Sache eine „bedeutende“
archäologische Quelle war (Abb. 2), niemals hingegen im Voraus – also im
rechtlichen Sinn ex ante –, ob sie eine solche ist bzw. zukünftig als solche
erweisen wird.
Daher versuchen die
archäologischen Denkmalbehörden schon seit langem, möglichst alle Sachen, die
Quellen der archäologischen Wissenschaft sein könnten, den archäologischen
Schutzbestimmungen der Denkmalschutzgesetze zu unterwerfen. Denn aus diesem Blickwinkel
ist der ideale archäologische Denkmalschutz ein totaler Denkmalschutz: nachdem man
ex ante nicht wissen kann, was sich ex post als wertvoll erweisen wird, muss
man ex ante einfach alles schützen, weil dann kann man (scheinbar) nichts
falsch machen.
Totaler Denkmalschutz und der unbestimmte Rechtsbegriff "Bodendenkmal"
Nun ist aber ein
totaler Denkmalschutz rechtlich nicht möglich (und noch viel weniger praktisch):
der Gesetzgeber kann nicht auf bloßen, gänzlich unbegründeten und nahezu immer
falschen Verdacht hin, dass sich jede beliebige Sache bei retrospektiver
Betrachtung als so bedeutend erweisen könnte, dass ihre Erhaltung im
öffentlichen Interesse gelegen ist, einfach alle Sachen, die es gibt, unter
Denkmalschutz stellen. Nicht nur würde das die verfassungsgesetzliche
Eigentumsgarantie völlig aushöhlen; sondern es würde das moderne Leben zum
Erliegen bringen und wäre auch administrativ überhaupt nicht bewältigbar.
In diesem Kontext – die
Behörde glaubt, alles unter archäologischen Denkmalschutz stellen zu müssen,
kann das aber unmöglich – scheint ein unbestimmter Rechtsbegriff wie der des
Bodendenkmals den archäologischen Denkmalbehörden besonders gelegen zu kommen,
und zwar umso gelegener, je unbestimmter er ist. Denn je unbestimmter er ist,
desto größer ist ihr Ermessensspielraum bei seiner Auslegung. Und je größer dieser
ist, desto mehr Sachen, die sich retrospektiv als wichtige archäologische
Quellen und somit schutzwürdige Denkmale erweisen könnten, scheint man in den
Bereich der Legaldefinition ziehen und sie damit den archäologischen
Schutzbestimmungen des DMSG unterwerfen zu können.
Aus dem Blickwinkel
der archäologischen Denkmalpflegebehörde scheint es also ideal zu sein, im
Gesetz einen maximal unbestimmten Bodendenkmalsbegriff stehen zu haben und sich
auch selbst möglichst gar nicht festlegen zu müssen, was denn jetzt – und sei
es nur aus Sicht der Behörde – konkret ein Bodendenkmal ist oder auch nur sein
könnte. Daher versucht das BDA schon seit langem, den Bodendenkmalsbegriff so
schwammig als irgendwie möglich zu halten.
Das Problem der unzureichenden Bestimmtheit
Nun ist es aber so,
dass aufgrund des staatsrechtlichen
Bestimmtheitsgrundsatzes
auch unbestimmte Rechtsbegriffe hinreichend bestimmt sein müssen, damit das – diese
Begriffe verwendende – Gesetz überhaupt anwendbar bleibt. Maximale Unbestimmtheit,
wie sie sich die archäologischen Denkmalbehörden wünschen, ist also nur
innerhalb eines gewissen Rahmens erreichbar: wird das Gesetz zu unbestimmt, als
dass es noch als hinreichend bestimmt betrachtet werden könnte, wird es völlig
nutzlos, weil man es dann gar nicht mehr anwenden kann.
Das ist in der Regel
wenigstens solange kein ernsthaftes Problem, als das betreffende Gesetz nach
dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) anzuwenden ist: in diesem Fall muss seine
Auslegung ja nur durch die zuständige Behörde vorgenommen werden. Der
Durchschnittsbürger muss hingegen nicht selbstständig entscheiden, ob er eine
von der richtigen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abhängige
gesetzliche Vorschrift befolgen muss oder nicht. Vielmehr muss ihm die
zuständige Behörde erst einmal mitteilen, dass eine bestimmte Sache in den
Bedeutungsbereich des relevanten unbestimmten Rechtsbegriffs fällt, d.h., im
konkreten Fall, dass eine bestimmte Sache tatsächlich ein Bodendenkmal ist.
Erst wenn diese Mitteilung in der dafür gesetzlich vorgesehenen Weise erfolgt
ist, muss der Normunterworfene die Sache entsprechend behandeln, d.h. die Bodendenkmale
betreffenden gesetzlichen Schutzvorschriften beachten. Daher kann, weil die
Verwaltungsbehörde für die Feststellung der Tatsache, ob eine Sache ein
Bodendenkmal ist, entsprechend qualifiziertes Personal beschäftigt, der
relevante unbestimmte Rechtsbegriff sehr unbestimmt und zu seiner richtigen
Auslegung besonderer Sachverstand erforderlich sein.
Zu einem erheblich
größeren Problem wird die Unbestimmtheit eines Rechtsbegriffs jedoch dann, wenn
das Gesetz nach dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013) anzuwenden ist. Denn
damit eine nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierende gesetzliche
Bestimmung dem staatsrechtlichen
Bestimmtheitsgrundsatz
genügen kann, muss der durchschnittliche Normunterworfene in der Regel dazu im
Stande sein, sie (ohne Anleitung durch den Staat bzw. seine Behörden)
selbstständig ex ante korrekt auszulegen. Damit ist es aber unmöglich, seine
korrekte Auslegung vom besonderen Sachverstand von ExpertInnen abhängig zu
machen, der dem Durchschnittsbürger ja per Definition fehlen muss. Vielmehr
muss die Legaldefinition so allgemeinverständlich gefasst sein, dass auch der
Durchschnittsbürger ohne besonderen Sachverstand dazu fähig ist, Sachen, die
unter sie fallen, von Sachen, die das nicht tun, richtig zu unterscheiden.
Nun muss aber der
Bodendenkmalsbegriff nach dem deklaratorischen Prinzip anzuwenden sein, damit
er überhaupt einen Sinn haben kann: schließlich dient er dem konkreten Zweck,
Sachen, die ihr Finder soeben erst (erstmals) entdeckt hat, einer Meldepflicht
an die Denkmalbehörden unterwerfen und auch erforderlichenfalls ihre
Fundumstände so lange möglichst unverändert erhalten zu können, bis diese das
BDA bzw. dessen Beauftragte in situ inspizieren und sachverständig beurteilen
konnten. Die Legaldefinition muss also so allgemeinverständlich verfasst sein,
dass sie der Finder eines möglicherweise denkmalschutzrelevanten
Fundgegenstandes noch an Ort und Stelle korrekt auslegen und
erforderlichenfalls die Schutzvorschriften für Bodendenkmale auf sie anwenden
kann.
Die unzureichende Bestimmtheit des Bodendenkmalbegriffs des § 8 Abs. 1 DMSG
Damit kommen wir zum
unbestimmten Rechtsbegriff Bodendenkmal des § 8 Abs. 1 DMSG und den drei
Kriterien zu seiner korrekten Bestimmung zurück.
Von diesen kann selbst
der deutlich unterdurchschnittliche Finder das erste in der Regel aufgrund
seiner Offensichtlichkeit sicher korrekt beurteilen. Beim zweiten wird es zwar
schon bedeutend schwieriger: hier ist der Ermessensspielraum schon recht groß,
der zwischen der Untergrenze des sicherlich von Menschen geschaffenen und der
Obergrenze des sicher nie von Menschen auch nur veränderten Gegenstandes liegt.
Aber das Problem ist für den Normunterworfenen noch lösbar, wenn man die
Grenze, ab wann ein Fund als (mögliches) Bodendenkmal zu betrachten ist, an der
Untergrenze ansetzt. Denn auch er wird in der Regel noch korrekt erkennen
können, dass eine noch einigermaßen gut erhaltene und daher „offenkundig“ als
solche erkennbare Münze, Schmuck, Waffe, etc. von Menschen geschaffen worden
ist und er sie daher auch in diesem Beurteilungsschritt noch als mögliches
Bodendenkmal betrachten muss.
Im dritten Schritt des
Ausscheidungsprozesses stößt der Durchschnittsbürger dann allerdings auf ein
für ihn selbst gänzlich unlösbares Problem: in diesem soll er nun schließlich
korrekt beurteilen, ob sein Fund aufgrund der in Fachkreisen vorherrschenden
Wertschätzung seiner Bedeutung ein Denkmal ist, dessen Erhaltung deswegen im
öffentlichen Interesse gelegen ist (Bazil et al. 2015, 22-23) oder liegen
könnte. Die selbstständige Beurteilung dieser Frage setzt aber nun gerade jenen
besonderen Sachverstand voraus, der vom Durchschnittsbürger gerade nicht
erwartet werden kann.
Dass das ein Problem
ist, wird auch gelegentlich in der Fachliteratur anerkannt, z.B. wenn Pieler
(2017, 111) feststellt, dass der Bodendenkmalbegriff nicht allgemein
verständlich ist, weil er vom Finder die denkmalrechtliche Beurteilung seines
Fundes verlangt. In der reinen Theorie könnte (und müsste) man an dieser Stelle
eigentlich schon jede weitere Überlegung abbrechen und feststellen, dass der
Bodendenkmalsbegriff des § 8 Abs. 1 DMSG daher im rechtlichen Sinn eben gerade
nicht hinreichend bestimmt ist, um dem staatsrechtlichen
Bestimmtheitsgrundsatz
zu genügen: seine in der Regel richtige Auslegung verlangt vom
Normunterworfenen eine rechtliche Beurteilung, die er überhaupt nicht richtig
vornehmen kann. De facto verlangt der Gesetzgeber von ihm, dass er ex ante
etwas richtig errät, was erst von Sachverständigen ex post beurteilt werden
kann.
Der Umgehungsversuch in der Praxis
In der Praxis können
und wollen sich BDA, Ministerium und denkmalschutzfreundliche JuristInnen aber
natürlich einen der zwei zentralen, unbestimmten Rechtsbegriffe des DMSG nicht
einfach wegnehmen lassen, bloß, weil dieser in staatsrechtlichem Sinn nicht
hinreichend bestimmt ist. Denn das hätte – insbesondere aus
archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht – absolut katastrophale Folgen: fällt nämlich
der Bodendenkmalsbegriff des § 8 Abs. 1 als unanwendbar aus, fallen schließlich
auch alle Schutzbestimmungen der §§ 8-11 DMSG aus. Man versucht daher, diesem
Problem mit Umgehungslösungen beizukommen, die zwar rechtlich fragwürdig sind,
aber in der Anwendungspraxis durchaus erfolgreich funktionieren können.
Die beliebteste Lösung
ist die, einfach so zu tun, als ob der Normunterworfene den dritten Schritt im
Ausscheidungsprozess doch durchführen könne, wenn ein eher niedriger Maßstab
dafür angesetzt wird, was denn nun ein Bodendenkmal iSd § 8 Abs. 1 sei. Ein
Paradebeispiel dafür ist Pielers in früheren Beiträgen schon mehrfach zitiertes
Argument, dass „der Fund eines
römerzeitlichen Bronzehelms vermutlich jedem Finder als bedeutend erscheinen
mag“ (Pieler 2017, 112). Ein anderes findet sich in einer der zentralen
Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs für die archäologische Denkmalpflege.
In diesem Fall ging es darum, ob eine Nachforschung mittels Metallsuchgerät,
bei der der Metallsucher 8 römische Münzen entdeckt hatte, der NFG-Pflicht des
§ 11 Abs. 1 unterlag. In diesem Fall wurde nicht nur von allen Beteiligten
stillschweigend akzeptiert, dass römische Münzen Bodendenkmale sind, sondern
der VwGH hat in seinem Erkenntnis auch explizit (wenn auch nur die Darstellung
der Berufungsinstanz zitierend) festgestellt, dass es sich „[b]ei den aufgefundenen Gegenständen […] jedenfalls um Kulturgüter [handle], die den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes unterlägen…“ (VwGH
24.6.1985, 84/12/0213, 3).
Beides scheint auf den
ersten Blick sowohl vernünftig als auch nachvollziehbar, vor allem, wenn man
professioneller Archäologe ist oder wie Pieler wenigstens auch Archäologie
studiert hat. Es wird hier sozusagen auf das „Allgemeinwissen“ darüber
abgestellt, was denn nun „bedeutende“ Denkmale sind oder wenigstens sein
könnten. Weil man Allgemeinwissen auch beim Durchschnittsbürger voraussetzen
kann, könnte daher auch dieser – wenigstens, wenn man einen niedrigen Maßstab
ansetzt – einigermaßen richtig bestimmen, ob eine von ihm gefundene Sache nun
ein Denkmal sein könnte und daher ein Bodendenkmal ist. Das leuchtet dann
normalerweise auch RichterInnen ein, die natürlich auch selbst ein Verständnis
des Denkmalbegriffs ins Verfahren mitbringen (das allerdings durch ihre
juristische Ausbildung überdurchschnittlich entwickelt ist) und daher der
Versicherung des BDA glauben, dass Allgemeinwissen zur richtigen Beurteilung
des Bodendenkmalbegriffs ausreicht.
Das Denkmalverständnis des Durchschnittsbürgers
Tatsächlich ist diese
Annahme jedoch bedenklich, denn bis zu einer jüngeren Untersuchung (Karl et al.
2014) lagen überhaupt keine Daten vor, was denn die österreichische Bevölkerung
unter dem Denkmalbegriff überhaupt versteht. Deren Ergebnisse zeigen, dass man nicht
davon ausgehen kann, dass anhand des Allgemeinwissens der Bodendenkmalsbegriff
des § 8 Abs. 1 DMSG von durchschnittlichen Normunterworfenen richtig ausgelegt
werden würde (Abb. 3).
Abbildung 3: Subjektives Denkmalempfinden eines
Zufallssamples der österreichischen Bevölkerung
(n=500; Karl et al. 2014, 9). |
Zwar zeigen die
Umfrageergebnisse, dass der Durchschnittsbürger durchaus mit wenigstens ca. 58%
Wahrscheinlichkeit römische Münzen als Bodendenkmale betrachten würde; alte
Gräber sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 73%, und das römische
Carnuntum sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 81% (Abb. 3). Aber das
sind alles niedrige Wahrscheinlichkeiten, wenn der Normunterworfene dazu fähig
sein muss, den Bodendenkmalbegriff in der Regel – d.h. in nahezu allen Fällen,
in denen er ihn anwenden muss – richtig auszulegen: selbst bei Carnuntum würde
es zu einer Fehlauslegung pro ca. 4 richtigen kommen, bei römischen Münzen
sogar schon in beinahe jedem zweiten Fall, in dem eine entdeckt wird; wobei wir
noch gar nicht davon reden, ob der Finder eine bodenfrische Fundmünze überhaupt
als römisch erkennen würde, selbst wenn sie tatsächlich eine ist.
Noch weitaus
problematischer sind jedoch die noch viel geringeren Prozentsätze bei weniger
bekannten Denkmalen wie z.B. dem Großmugl (ca. 19%) und dem Kultwagen von
Strettweg (ca. 28%), die tatsächlich besonders bedeutende Denkmale und nicht
„nur“ Bodendenkmale sind. Nachdem die Umfrage großteils im Großraum Wien
durchgeführt wurde, sollte man eigentlich annehmen können, dass der Großmugl
einem nicht unbedeutenden Teil der ortsansässigen Bevölkerung bekannt ist; und
beim Kultwagen von Strettweg ist schon die Bezeichung als Kultwagen ein
deutlicher Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine besonders bedeutende
Sache handeln dürfte, d.h. wohl ein Denkmal.
Am problematischsten
ist jedoch das Ergebnis, dass nur ca. 11% der Befragten „kaputte alte Sachen in der Landschaft“ (Abb. 3) als Denkmale
verstehen. Denn der durchschnittliche archäologische Fund in situ ist
schließlich nichts anderes als eine solche kaputte alte Sache, wenigstens
soweit sich das offenkundig für seinen Finder anhand seiner Lage (in der
Landschaft), Form (anscheinend alt) und Beschaffenheit (kaputt) erkennen lässt.
Denn es kommt schließlich in der Regel weder der römische Bronzehelm Pielers in
makellosem Zustand und auch römische Münzen praktisch nie prägefrisch und
poliert aus dem Boden. Dass der Durchschnittsbürger daher noch in situ korrekt
erkennen könnte, dass ein kleines, annähernd rundliches Metallstück, das er am
oder im Boden entdeckt hat, eine römische Münze ist, bzw. sich ein größeres
Blechknäuel mit Bruchkanten nach der Restaurierung als antiker Helm erweisen
wird, erscheint nahezu ausgeschlossen.
Nun ist aber ein
unbestimmter Rechtsbegriff, der vom Normunterworfenen, der ihn richtig anwenden
soll, wahrscheinlich nur in etwa 11% aller Fälle richtig ausgelegt werden wird,
nicht nur sicher im Sinne des staatsrechtlichen
Bestimmtheitsgrundsatzes nicht hinreichend genau bestimmt, sondern auch nicht für seine
Anwendung in der Praxis. Vielmehr ist er ein viel zu unzureichend bestimmter
unbestimmter Rechtsbegriff, der vom Normunterworfenen in der Regel falsch
ausgelegt werden wird, wenn er ihn eigentlich richtig auslegen sollte. Man kann
sich also gerade in der Praxis überhaupt nicht darauf verlassen, dass der
Durchschnittsbürger aufgrund seines Allgemeinwissens den gesetzlichen
Bodendenkmalbegriff richtig auslegen und daher auch richtig zur Anwendung
bringen kann.
Probleme mit dem Allgemeinwissen
Das Problem wird aber
noch viel größer, wenn man bedenkt, dass selbst das Allgemeinwissen des
Durchschnittsbürgers – wenn überhaupt – nur ex post als Maßstab für die Beurteilung der Frage herangezogen
werden kann, ob ein konkreter Fundgegenstand tatsächlich als Bodendenkmal behandelt
werden hätte müssen.
Das hilft aber dem
Normunterworfenen nur sehr bedingt. Denn der Durchschnittsbürger muss ja auch ex ante die – für ihn eventuell
ebenfalls relevante – Frage, welche Sachen er denn nun überhaupt suchen darf,
in der Regel richtig beantworten können. Denn das BDA besteht ja seit vielen
Jahrzehnten darauf, dass die NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1 DMSG für alle „Nachforschungen an Ort und Stelle zum
Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher
Bodendenkmale“ (zuletzt wieder wörtlich in BDA 2018, 10) gilt.
Das macht es für jeden
Bürger erforderlich, der irgendwo Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung und
Untersuchung beliebiger beweglicher und/oder unbeweglicher Sachen durchführen
will, den Bodendenkmalsbegriff vor Beginn ihrer Durchführung richtig
auszulegen. Dazu muss er aber ermitteln können, was nun Bodendenkmale im Sinne
des DMSG sind; und dazu genügt der Rückgriff auf ein angeblich existierendes
Allgemeinwissen nicht aus. Denn was Allgemeinwissen ist, kann man nirgendwo
nachlesen, nicht einmal im Internet. Der Normunterworfene müsste sich also erst
recht auf seinen eigenen Kenntnisstand verlassen, der gerade nicht
Allgemeinwissen ist, sondern eben nur, was er als einzelnes Individuum weiß
oder zu wissen glaubt.
Auch ein Ausweichen auf
bewegliche Fundgegenstände in Museen nutzt dafür nichts. Denn viele Museen
stellen auch zahllose Sachen aus, die sicherlich nicht als Bodendenkmale zu
betrachten sind, wie moderne, industriell gefertigte Nägel, Knöpfe, Münzen,
etc. Die meisten archäologischen Sammlungen enden hingegen spätestens mit dem
Ende des Mittelalters, wenn nicht sogar noch früher, und enthalten daher viele
bewegliche Sachen nicht, die im Sinne der Legaldefinition dieses Begriffs sehr
wohl Bodendenkmale sind oder wenigstens sein könnten. Und da rede ich noch gar
nicht davon, dass Museen fast nur bewegliche Sachen ausstellen, nicht auch
unbewegliche Sachen, die der Normunterworfene ja durchaus auch suchen können
wollte.
Um bei all diesem
Wirrwarr ex ante beurteilen zu können, welche von den beweglichen Sachen, die
nichtarchäologische Museen ausstellen und archäologische Museen nicht, nun
Bodendenkmale sind, müsste also der Normunterworfene erst recht über jenen
besonderen Sachverstand verfügen, der ihm per Definition fehlen muss. Damit
scheidet auch der Rückgriff auf in Museen ausgestellte Objekte für den
Durchschnittsbürger als Mittel zur ex ante erforderlichen Beantwortung der
Frage, welche Sachen er nun – weil sie Bodendenkmale sind – ohne Genehmigung
des BDA gem. § 11 Abs. 1 – die er gar nicht erteilt bekommen darf – nicht
suchen darf und welche schon.
Die Selbstbindung der Verwaltung durch ihre Entscheidungspraxis
Damit bleibt
eigentlich für den Durchschnittsbürger nur eine Möglichkeit, wie er – und sei
es auch nur hypothetisch – ex ante ermitteln könnte, ob die Sachen, die er
suchen will, Bodendenkmale im Sinne des DMSG sind oder nicht sind; nämlich der
Blick auf die bisherige Entscheidungspraxis der für Denkmale zuständigen
staatlichen Behörde. Denn diese Behörde ist ja die staatliche Einrichtung, die
die zentrale denkmalrechtliche Frage, die der Durchschnittsbürger selbstständig
ex ante beantworten soll – nämlich ob eine bestimmte Art von Sache ein Denkmal
ist oder wenigstens sein kann –, bezüglich aller Sachen abschließend zu
beantworten und auch die gesetzlichen Bestimmungen des DMSG durchzusetzen hat.
Es ist daher auch die Behörde, die – wenn sie Kenntnis von einer mutmaßlichen
Übertretung der denkmalrechtlichen Vorschriften erlangt – den dafür Verantwortlichen
bei den Strafverfolgungsbehörden anzeigen muss. Es ist also die
Entscheidungspraxis dieser Behörde, die für den Normunterworfenen besonders
relevant ist: folgt er dieser, kann er sich ex ante einigermaßen sicher sein,
dass er sich keiner Übertretung der denkmalschutzrechtlichen Vorschriften
schuldig machen kann, d.h. rechtmäßig handelt.
Dabei kommt dem
Normunterworfenen zu Hilfe, dass der Behörde durch den Gleichheitsgrundsatz des
Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG jedwede Ungleichbehandlung rechtlich gleicher
Sachverhalte verboten ist (Berka 1999, 487-551, insbesondere 504, 543-548) und
sie sich zusätzlich aufgrund des verfassungsrechtlichen
Vertrauensschutzprinzips (Berka 1999, 537-543) durch ihre langjährige
Entscheidungspraxis wenigstens bis zu einem gewissen Grad selbst bindet. Denn
der Normunterworfene – vor allem, wenn er vom Gesetzgeber zur selbstständigen
richtigen Auslegung und Anwendung des Gesetzes verpflichtet wurde – muss sich,
um die für ihn erforderliche Rechtssicherheit zu erhalten, normalerweise darauf
verlassen können, dass er rechtmäßig handelt, wenn er sich so verhält, wie es
die zuständige staatliche Behörde bis dato für richtig befunden hat.
Das schließt zwar
keineswegs eine Änderung der behördlichen Entscheidungspraxis aus, wenn dafür
gute Gründe vorliegen und diese bzw. zumindest die Tatsache, dass sie ihre
Praxis ändert, auch in geeigneter Weise den Normunterworfenen kommuniziert
wird; schließt aber jedenfalls willkürliche und nicht geeignet kommunizierte
Änderungen ihrer Entscheidungspraxis aus. Der durchschnittliche
Normunterworfene kann sich also und muss sich im Zweifelsfall auch an der
bisherigen Entscheidungspraxis des BDA orientieren können, wenn er nach dem
deklaratorischen Prinzip selbstständig denkmalrechtliche Bestimmungen
auszulegen und anzuwenden hat.
Unterschutzstellungen als Beurteilungsmaßstab
Dafür ist selbstverständlich
primär die bisherige Entscheidungspraxis des BDA im Bereich der Unterschutzstellung
von Denkmalen relevant: Bodendenkmale sind schließlich nichts anderes als
Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG, deren geschichtliche, künstlerische oder sonstige
kulturelle Bedeutung derart beschaffen sein könnte, dass ihre Erhaltung
deswegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ob eine zufällig neu entdeckte
oder zu suchen beabsichtigte Sache also als Bodendenkmal zu beurteilen ist, ist
daher vom Normunterworfenen anhand der bisherigen Entscheidungspraxis des BDA
in Unterschutzstellungsverfahren zu entscheiden.
Konkreter gesagt würde
das bedeuten: eine gefundene oder zu suchen beabsichtigte Sache ist ein
Bodendenkmal, wenn das BDA schon in der Vergangenheit eine ihr gleiche oder
wenigstens sehr ähnliche Sache tatsächlich rechtskräftig unter Denkmalschutz
gestellt hat. Denn wenn eine Art von Sache grundsätzlich denkmalschutzwürdig
sein könnte, muss davon ausgegangen werden, dass sich normalerweise bereits
wenigstens irgendein konkretes Exemplar dieser Art von Sache auch tatsächlich
bei der sachverständigen Beurteilung durch das BDA als tatsächlich schutzwürdig
herausgestellt hat.
Denn bei Sachen, deren
Erhaltung zwar hypothetisch im öffentlichen Interesse gelegen sein könnte, aber
noch nie tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der
Durchschnittsbürger nicht davon ausgehen müssen, dass sie dennoch schutzwürdige
Denkmale iSd § 1 Abs. 1 sein könnten und daher Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1
sind. Denn solange keine gleichartige Sache schon unter Denkmalschutz gestellt
wurde, hat der Normunterworfene gar keine Hinweise darauf, dass sachverständige
Kreise die Bedeutung dieser Art von Sache als derart beschaffen betrachten
könnten, dass ihre Erhaltung deshalb im öffentlichen Interesse gelegen sein
könnte.
Die bisherige Entscheidungspraxis des BDA bei Unterschutzstellungen
Seit Inkrafttreten der
Erstfassung des DMSG 1923 sind inzwischen 95 Jahre vergangen, es gibt also eine
lange Geschichte der einschlägigen Entscheidungspraxis des BDA. Betrachtet man
diese, zeigt sich rasch, welche Arten von unbeweglichen und beweglichen
Bodenfunden als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 DMSG zu betrachten sind:
Seit 1923 bis zum Ende
des Kalenderjahres 2015 hat das BDA 1.033 archäologische Denkmale unter
Denkmalschutz gestellt (Ployer 2014, 34; Pollak 2014, 34; 2015). In den seither
vergangenen ca. 2 Jahren wird es wohl noch weitere ca. 30-40 unter
Denkmalschutz gestellt haben (genaue Zahlen liegen noch nicht vor).
Hauptsächlich stehen Fundstellen unter Denkmalschutz, die sich in die
Kategorien „Siedlungswesen“ (etwas 2/3 aller geschützten archäologischen
Denkmale) und „Bestattungswesen“ (ca. 1/3) einordnen lassen (Picker et al.
2016, 287). Aus chronologischer Sicht stammen diese in erster Linie aus
urgeschichtlicher bis mittelalterlicher Zeit, seltener aus der Neuzeit und
praktisch überhaupt nicht aus dem 20. Jahrhundert. Daraus ließe sich eventuell
ableiten, dass Siedlungsfundstellen und Bestattungsplätze, hauptsächlich aus
der ferneren Vergangenheit, als Bodendenkmale zu betrachten wären, die den
Schutzbestimmungen der §§ 8-11 DMSG unterliegen.
Andere archäologische
Denkmale hat das BDA bisher in den 95 Jahren seiner Entscheidungspraxis bisher nur
extrem selten unter Denkmalschutz gestellt. In der Kategorie „Wirtschaftswesen“
(z.B. prähistorischer Bergbau, mittelalterliche Glashütten) hat das BDA selbst
einen „enormen Aufholbedarf“
festgestellt (Picker et al. 2016, 287). Daraus ließe sich eventuell ableiten,
dass auch Fundstellen, die der wirtschaftlichen Produktion dienten,
Bodendenkmale sind: hier hat das BDA sozusagen eine geplante Änderung seiner
bisherigen Entscheidungspraxis bekanntgegeben, wenngleich auch wohl kaum in für
Durchschnittsbürger erkenntlicher Form.
Die Unterschutzstellungpraxis des BDA bei beweglichen Kleinfunden
Keinen Aufholbedarf
scheint das BDA hingegen in den Kategorien „Depotfunde“ und „Einzelfunde“ zu
sehen. Tatsächlich sind mir bisher überhaupt keine Fälle bekannt, in denen ich
nachvollziehbarerweise ermitteln konnte, dass das BDA einen Depot- oder gar
Einzelfund tatsächlich unter Denkmalschutz gestellt hätte. Laut seinen eigenen
Angaben ist allerdings die Anzahl der bisher unter Denkmalschutz gestellten,
derartigen Denkmale nur „verschwindend
gering“ (Picker et al. 2014. 287), was impliziert, dass es doch den einen
oder anderen Depot- und Einzelfund gibt, den das BDA tatsächlich unter
Denkmalschutz gestellt hat.
Aus den letztgenannten
beiden Kategorien lässt sich aber keinesfalls die Schlussfolgerung ableiten,
dass entsprechend der bisherigen Entscheidungspraxis des BDA daher auch Depot-
und Einzelfunde als Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1 zu betrachten sind. Das zeigt sich
schon daran, dass das BDA selbst, trotz der Tatsache, dass die Anzahl
derartiger, unter Denkmalschutz gestellter, beweglicher Denkmale verschwindend
gering ist, keinen besonderen Aufholbedarf für Unterschutzstellungen solcher
Denkmale sieht. Das BDA geht also wohl selbst in der Regel davon aus, dass
Depot- und Einzelfunde keine Denkmale iSd § 1 Abs. 1 DMSG sind, an deren
Erhaltung aufgrund ihrer Bedeutung tatsächlich ein öffentliches Interesse
bestehen kann.
Dies gilt insbesondere
für Einzelfunde, von denen mit Sicherheit in der Vergangenheit häufig
wenigstens mehrere tausende nicht nur gemacht, sondern dem BDA auch gemeldet
wurden. Insbesondere bei den schon weiter oben erwähnten römischen Münzen zeigt
sich anhand der Münzfundberichte in den Fundberichten aus Österreich, die das
BDA ab dem Jahr 1985 aufgrund der zu hohen Anzahl gemeldeter Einzelfunde
(jeweils viele hunderte, in manchen Jahren sogar mehrere tausende) nicht mehr
weitergeführt hat, dass das BDA, trotz inzwischen vieler tausender Einzelfunde
davon, wenigstens soweit ich das nachvollziehen kann, niemals auch nur eine
unter Denkmalschutz gestellt hat. Der Durchschnittsbürger muss also schon
allein aufgrund dieser Tatsache davon ausgehen, dass wenigstens Einzelfunde von
römischen Münzen niemals Denkmale iSd § 1 Abs. 1 sein können, an deren
Erhaltung aufgrund ihrer Bedeutung ein öffentliches Interesse auch nur bestehen
könnte.
Davon völlig abgesehen
sind Kategorien wie „Einzelfunde“ auch aus denkmalrechtlicher Sicht vollkommen
sinnlos, denn diese Kategorie würde, wenn sie verallgemeinert werden könnte,
neuerlich nichts anderes als alle Funde von beweglichen, möglicherweise von
Menschen geschaffenen Sachen umfassen, die der Gesetzgeber keineswegs alle
schützen wollen kann. Damit würde aber vom Durchschnittsbürger neuerlich
besonderer Sachverstand für die Beurteilung der Frage verlangt, ob nun ein
bestimmter Einzelfund ein möglicherweise schützenswertes Denkmal und damit ein
Bodendenkmal iSd § 8 Abs. 1 ist, oder ob er das nicht ist.
Es folgt also
zwingend, dass der Durchschnittsbürger aus der bisherigen, seit 95 Jahren
gleichartigen, Entscheidungspraxis des BDA und dessen öffentlich (wenn auch in
ungeeigneter Form) bekanntgegebenen Einschätzung des Fehlens eines bedeutenden
Nachholbedarfs im Bereich der Unterschutzstellung beweglicher Kleinfunde
ableiten muss, dass bewegliche Kleinfunde keine Bodendenkmale iSd § 8 Abs. 1
DMSG sein können.
Die Kritik des Rechnungshofs an der Unterschutzstellungspraxis des BDA
Abschließend scheint
es auch noch angebracht, einen kurzen Blick auf die vor etwa einem Jahr in
seinem Prüfbericht veröffentlichte Kritik des Rechnungshofs an der
Unterschutzstellungspraxis des BDA zu werfen (RH 2017, 41-47). In dieser ging
der Rechnungshof spezifisch auf die mangelnde Transparenz der
Unterschutzstellungskriterien ein, die das BDA weder intern definiert noch
extern bekannt gemacht habe. Daher empfahl der Rechnungshof, dass „das BDA für die Bevölkerung die im Gesetz
genannten Kriterien (Qualität, Vielfalt, Vielzahl und Verteilung), die für die
Beurteilung, ob ein Denkmal schützenswert ist, herangezogen werden, konkreter
beschreiben sollte, um ihr aufzuzeigen, wie es im Allgemeinen diese Kriterien
auslegt“ (RH 2017, 47).
Gerade im Zusammenhang
mit dem bisher Gesagten erweist sich das als fundamentales Problem: selbst dem
Rechnungshof scheint es so, als ob die Unterschutzstellungspraxis des BDA und die
dafür herangezogenen Kriterien vollkommen intransparent wären. Wie da ein
Durchschnittsbürger, der selbstständig den Bodendenkmalsbegriff des § 8 Abs. 1
DMSG mit seinem dreifachen Konjunktiv richtig auslegen soll – den er, weil er
die Bestimmungen der §§ 8-11 ja nach dem deklaratorischen Prinzip anwenden
muss, auch ex ante richtig auslegen können muss – ist nicht erkennbar. Anhand
einer völlig intransparenten behördlichen Entscheidungspraxis kann der
durchschnittliche Normunterworfene aber unmöglich erkennen können, ob eine
Sache, die er gefunden hat oder zu finden beabsichtigt, ein Bodendenkmal im
Sinne der Legaldefinition des DMSG ist oder nicht; und diesen Rechtsbegriff
auch nicht richtig auslegen können.
Ein nicht hinreichend bestimmter unbestimmter Rechtsbegriff
Somit erweist sich der
Bodendenkmalsbegriff des § 8 Abs. 1 DMSG als jedenfalls nicht hinreichend
bestimmt, um dem staatsrechtlichen
Bestimmtheitsgrundsatz
zu genügen. Denn der durchschnittliche Normunterworfene kann diesen Begriff normalerweise
weder ex ante, d.h. bevor er Nachforschungen zur Entdeckung einer bestimmten
Art von Sache durchführt, noch ex post, d.h. nachdem er – ob nun vorsätzlich
oder rein zufällig – eine konkrete Fundsache entdeckt hat, richtig auslegen
können.
Er kann das nicht
einmal dann, wenn er die zuständige Behörde um die Manuduktion ersucht,
zu der diese gem. § 13a AVG gesetzlich verpflichtet ist, ganz besonders in
einem Fall, in dem er selbstständig einen unbestimmten Rechtsbegriff richtig
auslegen und dann darauf basierende gesetzliche Bestimmungen anzuwenden hat.
Denn die Behörde hat selbst im Prüfungsverfahren durch den Rechnungshof darauf
bestanden, dass sich die Kriterien für die Entscheidung der – in diesem Kontext
absolut zentralen – Rechtsfrage „aus dem
DMSG und der Judikatur“ ergeben würden und die „vom RH monierten Vorgaben für die Anwendung“ dieser Kriterien „der ständigen Rechtsprechung“ widersprechen
würden (RH 2017, 46).
Dadurch, dass der
unbestimmte Rechtsbegriff "Bodendenkmal" nicht hinreichend bestimmt
ist und sich das BDA nun auch schon seit Jahrzehnten systematisch weigert, ihn
im Rahmen des ihm dadurch erwachsenden Ermessensspielraums genauer zu
bestimmen; und sich auch aus der 95-jährigen Entscheidungspraxis des BDA keine
für den Durchschnittsbürger selbst nachvollziehbaren Kriterien für seine
korrekte Auslegung ex ante ableiten lassen; ist aber nicht nur die
Legaldefinition des Bodendenkmalbegriffs verfassungswidrig. Mit dem Begriff
selbst kippen zwingend auch die mit ihm verbundenen Schutzbestimmungen für
Bodendenkmale der §§ 8-9 bzw. sogar 8-11 DMSG.
Denn nachdem der
Normunterworfene gar nicht richtig beurteilen können kann, ob eine von ihm
zufällig gefundene Sache ein Bodendenkmal ist, kann er auch in keinem Fall zur
Fundmeldung gem. § 8 noch zur Beachtung ihrer Rechtsfolgen gem. § 9
verpflichtet sein. D.h. es kippt auch automatisch die Verpflichtung des § 9
Abs. 1 zur Einstellung aller Arbeiten an der Fundstelle auf bis zu 5 Werktage;
die Verpflichtung des Finders gem. § 9 Abs. 2 zur Bergung der Funde bei
sonstiger Gefahr deren Verlustes; selbstverständlich auch die zeitweilige
automatische Unterschutzstellung zufällig entdeckter Bodendenkmale des § 9 Abs.
3; und natürlich auch das Recht des BDA, gem. § 9 Abs. 4 neu entdeckte
bewegliche Bodendenkmale für bis zu zwei Jahre befristet zur wissenschaftlichen
Bearbeitung einzuziehen. Ebenso kippen die eigentumsrechtlichen
Sonderregelungen für Funde beweglicher Bodendenkmale des § 10 samt den
Vorankaufsrechten der Gebietskörperschaften für Funde, die auf ihrem
Grundeigentum oder bei aus ihren Mitteln finanzierten Grabungen auf privatem
Grund entdeckt wurden.
Und schließlich kippen
auch die Bestimmungen für vorsätzliche Nachforschungen zum Zwecke der
Entdeckung und Untersuchung von Bodendenkmalen; selbstverständlich inklusive
der NFG-Pflicht des § 11 Abs. 1, wenn diese NFG-Pflicht tatsächlich so
ausgelegt werden kann, wie das BDA (2018, 10-20) das glaubt. Denn gilt diese
NFG-Pflicht für alle an Ort und Stelle durchgeführten Nachforschungen „zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung
von beweglichen und unbeweglichen Bodendenkmalen“ (BDA 2018, 10), aber kann
der Normunterworfene nicht richtig bestimmen können, welche Sachen, deren
Entdeckung er tatsächlich bezweckt, Bodendenkmale sind, muss er auch für keine
seiner geplanten Nachforschungen eine Genehmigung des BDA gem. § 11 Abs. 1
beantragen.
Dadurch, dass sich das
BDA nun seit Jahrzehnten hinter dem maximal unbestimmten Rechtsbegriff
Bodendenkmal des § 8 Abs. 1 DMSG zu verstecken versucht hat, hat es
letztendlich das Gegenteil von dem erreicht, was es eigentlich erreichen
wollte. Die dadurch erzeugte Rechtsunsicherheit führt nämlich nicht etwa dazu,
dass der totale Denkmalschutz, den es erhofft hat, erreicht wird. Es muss sich
nämlich deshalb nicht jeder Normunterworfene – weil er sich stets im Zweifel
befinden muss – immer an alle Bestimmungen der §§ 8-11 halten, weil ja alle
Fundsachen Bodendenkmale sein und überall Bodendenkmale vorkommen könnten.
Vielmehr führt sie nur in eine Verletzung des staatsrechtlichen
Bestimmtheitsgrundsatzes,
was zur Folge hat, dass der Normunterworfene den Bodendenkmalsbegriff nicht
richtig auslegen und daher auch nicht wissen können kann, wann er die
Bestimmungen der §§ 8-11 zu beachten hat. Und da er das nicht kann, muss er sie
gar nicht beachten.
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