Wie die meisten Gesetze, ist auch das
österreichische Denkmalschutzgesetz (DMSG) einigermaßen unverständlich
geschrieben. Beim DMSG beginnen die Probleme mit der Allgemeinverständlichkeit
schon bei der Frage, auf welche Dinge und Handlungen die Bestimmungen dieses
Gesetzes überhaupt angewendet werden können bzw. müssen. Das liegt daran, dass
die beiden zentralen Begriffe des DMSG – der in § 1 Abs. 1 definierte Begriff Denkmal
und der in § 8 Abs. 1 definierte Begriff Bodendenkmal – in einer Weise bestimmt sind,
dass selbst die für die Exekution dieses Gesetzes zuständige Bundesbehörde –
das Bundesdenkmalamt (BDA) – Probleme bei ihrer Anwendung hat.
In diesem Beitrag soll daher kurz und
hoffentlich allgemeinverständlich erklärt werden, was diese beiden Begriffe
bedeuten. Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass das BDA entweder erhebliche
Leseverständnisprobleme hat; oder aber die Unverständlichkeit der gesetzlichen
Bestimmungen gezielt dazu nutzt, im Bereich des Denkmalschutzes seinen eigenen
Willen (statt den des Gesetzgebers) durchzusetzen.
Betrachten wir dazu zuerst die Fragen, wann ein
sogenanntes Denkmal ein Denkmal und wann ein
sogenanntes Bodendenkmal ein Bodendenkmal
ist. Die Schriftfarbgebung dient in diesem Beitrag zur Unterscheidung, wann von
einem Ding die Rede ist, das Denkmal bzw. Bodendenkmal genannt wird, und wann von
einem Denkmal bzw. Bodendenkmal
die Rede ist, auf das die Bestimmungen des DMSG angewendet werden können, um die
Verständlichkeit des DMSG zu verbessern.
Wann ist ein Denkmal ein Denkmal?
Denkmale genannt
werden laut § 1 Abs. 1 DMSG „von Menschen
geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten
und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter
oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder
sonstiger kultureller Bedeutung“. „Die
in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen“ finden jedoch auf solche Denkmale nur
dann „Anwendung, wenn ihre Erhaltung
dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist“. Mit „Erhaltung“ ist die „Bewahrung“ der Denkmale „vor Zerstörung, Veränderung oder
Verbringung ins Ausland“ gemeint.
Die Erhaltung eines Denkmals ist laut § 1 Abs. 2 im
öffentlichen Interesse gelegen, wenn es sich bei ihm „um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des
österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität
sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde.
Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht
werden kann“. Rechtswirksam wird das öffentliche Interesse – und somit das Denkmal
zum Denkmal – laut § 1 Abs. 4 „kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2) oder
durch Verordnung des Bundesdenkmalamtes (§ 2a) oder durch Bescheid des
Bundesdenkmalamtes (§ 3)“.
Allgemeinverständlich ausgedrückt bedeutet das,
dass in Österreich alle absichtlich von Menschen erzeugten Dinge und alle ihre
Überreste vom Gesetzgeber Denkmale genannt werden. Das DMSG kann aber nur auf Denkmale angewendet werden, die „denkmalschutzrelevant“ sind. Welche das
sind, entscheidet normalerweise das Bundesdenkmalamt (BDA) dadurch, dass es sie
unter Denkmalschutz stellt. Erst durch seine Unterschutzstellung wird das DMSG
auf dieses Denkmal anwendbar. Mit allen
anderen Denkmalen
hingegen darf jeder (im Rahmen der sonstigen Gesetze) machen, was er will.
Oder, noch einfacher gesagt:
Ein (Ding, das der Gesetzgeber) Denkmal (nennt) ist ein Denkmal (auf das man das
DMSG anwenden kann und muss), wenn es vom
BDA unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Wann ist ein Bodendenkmal
ein Bodendenkmal?
Der zweite Begriff ist noch schwieriger zu
verstehen. Bodendenkmale genannt werden laut § 8 Abs. 1 DMSG „Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form
oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes
unterliegen könnten“, die sich „unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ befinden. Dass nicht
allgemeinverständlich ist, welche Dinge das sind, anerkennen sogar auf
Denkmalschutzfragen spezialisierte Juristinnen (Pieler 2017, 111-112); gehen
jedoch davon aus, dass die Frage, ob ein Gegenstand in den Bereich dieser
Begriffsdefinition fällt, von jedem Durchschnittsbürger (d.h. ohne besondere
Fachkenntnis) beantwortet werden können muss und daher kein hoher Beurteilungsmaßstab
angesetzt werden kann. Werden Bodendenkmale – und zwar auch, wenn
sie „lediglich durch Ereignisse wie
Regen, Pflügen oder dergleichen zufällig teilweise oder vollständig an die
Oberfläche“ gelangt sind – entdeckt,
sind sie (wenn sie zufällig entdeckt wurden) laut § 8 Abs.1 bzw. (wenn sie
vorsätzlich bei „Nachforschungen an Ort
und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung“ im Sinne des § 11
Abs. 1 entdeckt wurden) laut § 11 Abs. 4 dem BDA anzuzeigen.
„(V)om
Zeitpunkt des Auffindens“ bis „zum
Abschluss der in Abs. 4 umschriebenen Arbeiten, längstens aber auf die Dauer
von sechs Wochen ab Abgabe der Fundmeldung (§ 8 Abs. 1)“ unterliegen solche
Bodendenkmale laut § 9 Abs. 3 dann „den Beschränkungen“ des DMSG, stehen
also zeitweilig „einheitlich gemäß den
Bestimmungen bei Unterschutzstellungen durch Bescheid (§ 3 Abs. 1)“ unter
Denkmalschutz und sind somit gleichzeitig auch Bodendenkmale. Ihre zeitweilige Unterschutzstellung
dient aber laut § 9 Abs. 3 nur einem Zweck: „(b)is
zum Ende dieser Frist hat das Bundesdenkmalamt auch in jenen Fällen, in denen
es sich um Gegenstände handelt, für die ohnehin die Bestimmungen des § 2 Abs. 1
zum Tragen kämen, zu entscheiden, ob diese Bodendenkmale weiterhin den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes
(in allen Fällen nach den Rechtsfolgen für Unterschutzstellungen durch Bescheid
gemäß § 3 Abs. 1) unterliegen“. Diese Entscheidung muss durch einen schriftlichen „Bescheid“ erfolgen, gegen den auch
Rechtsmittel ergriffen werden können. Der Zweck von alledem ist also, dem BDA
Zeit dafür zu geben, zu entscheiden, ob das Bodendenkmal ein Denkmal ist.
Allgemeinverständlich ausgedrückt
bedeutet das, dass in Österreich alle Dinge (und deren Überreste), bei denen jeder
aufgrund ihrer sichtbaren Eigenschaften erkennen kann, dass sie absichtlich von Menschen geschaffen
worden sein könnten, die sich im Boden oder unter der Wasseroberfläche befinden oder
befunden haben, vom Gesetzgeber Bodendenkmale genannt werden. Das
DMSG ist auf ein solches Ding aber nur vom Zeitpunkt seiner Entdeckung bis höchstens
sechs Wochen nachdem diese dem BDA angezeigt wurde anwendbar, d.h. es ist nur
während dieser Zeit ein Bodendenkmal. Während dieser Frist muss das BDA entscheiden, ob das
Bodendenkmal ein Denkmal ist, oder ob es das
nicht ist. Mit allen anderen Bodendenkmalen hingegen darf jeder (im Rahmen der
sonstigen Gesetze) machen, was er will.
Oder, um es noch einfacher
auszudrücken:
Ein (Ding, das der
Gesetzgeber) Bodendenkmal (nennt) ist ein Bodendenkmal (auf das man das DMSG
anwenden kann) vom Zeitpunkt seiner
Entdeckung bis das BDA (spätestens sechs Wochen ab Abgabe der Fundmeldung) entschieden hat, ob es als Denkmal geschützt wird.
Zwischenresümee: wann ist nun das DMSG anzuwenden?
Für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des DMSG
im Bereich der archäologischen Denkmalpflege bedeutet das nun kurz
zusammengefasst das Folgende (siehe auch Abb. 1):
Anwendbar sind die Bestimmungen des DMSG auf Bodendenkmale vom
Zeitpunkt ihrer Entdeckung bis zur höchstens
binnen 6 Wochen ab Abgabe der diesbezüglichen Fundmeldung zu treffenden Entscheidung des BDA über ihre
Denkmalschutzwürdigkeit sowie auf
rechtskräftig unter Denkmalschutz gestellte Denkmale.
Nicht anwendbar sind die Bestimmungen des DMSG
hingegen auf Bodendenkmale vor ihrer
Entdeckung und nach der Entscheidung des BDA über ihre Schutzwürdigkeit
oder aber spätestens 6 Wochen nach
Anzeige ihrer Entdeckung an das BDA, und auf Denkmale, die derzeit nicht unter Denkmalschutz stehen.
Abb. 1: Anwendbarkeit des DMSG |
Das ist zugegebenermaßen etwas kompliziert, aber eigentlich nicht besonders. Um zu wissen, ob die Bestimmungen des DMSG in Bezug auf eine beliebige Sache angewendet werden können, muss man eigentlich nur wissen, ob diese 1) unter oder auf der Erd- bzw. unter der Wasseroberfläche aufgefunden wurde, aufgrund ihrer sichtbaren Eigenschaften von jedem als Gegenstand erkannt werden würde, der absichtlich von Menschen geschaffen worden sein könnte, und dem BDA erst seit weniger 6 Wochen durch Fundmeldung bekannt (d.h. ein Bodendenkmal) ist oder sie 2) bereits rechtskräftig unter Denkmalschutz steht (d.h. ein Denkmal ist). Ist die Antwort auf eine dieser beiden Fragen positiv, kann man die Bestimmungen des DMSG auf diese bestimmte Sache anwenden. Ist hingegen die Antwort auf beide Fragen negativ, kann man die Bestimmungen des DMSG auf diese bestimmte Sache nicht anwenden.
Man sollte also davon ausgehen können, dass hochqualifizierte und eigens für die Wahrnehmung von Denkmalschutzaufgaben geschulte Fachkräfte des BDA durchaus ohne größere Schwierigkeiten dazu im Stande sein sollten, diese Frage in jedem konkreten Einzelfall korrekt zu entscheiden. Tatsächlich scheint das jedoch nicht immer der Fall zu sein, wie in der Folge anhand der scheinbar höchst unsicheren Anwendung der Bestimmungen des DMSG durch die Behörde gezeigt werden soll.
Probleme in der Anwendung des DMSG durch die Behörde
Man sollte also davon ausgehen können, dass hochqualifizierte und eigens für die Wahrnehmung von Denkmalschutzaufgaben geschulte Fachkräfte des BDA durchaus ohne größere Schwierigkeiten dazu im Stande sein sollten, diese Frage in jedem konkreten Einzelfall korrekt zu entscheiden. Tatsächlich scheint das jedoch nicht immer der Fall zu sein, wie in der Folge anhand der scheinbar höchst unsicheren Anwendung der Bestimmungen des DMSG durch die Behörde gezeigt werden soll.
§ 11 Abs. 1 DMSG bestimmt in seinem ersten Satz
das Folgende: „Die Nachforschung durch
Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung) und
sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und
Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale
unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche dürfen nur mit Bewilligung des
Bundesdenkmalamtes vorgenommen werden, soweit Abs. 2 und 9 nichts anderes
vorsehen (Forschungsgrabung)“. Im Rahmen des bisher Erläuterten sollte
daher eigentlich vollständig klar sein, dass diese Bestimmung ausschließlich
auf Denkmale anwendbar ist, daher auch die
entsprechende Hervorhebung des Begriffs im zitierten Gesetzeswortlaut.
Allerdings lautet die Überschrift über dem
gesamten § 11 „Bewilligungen und
Verpflichtungen bei Grabungen nach Bodendenkmalen“.
Das verkompliziert die Sache scheinbar maßgeblich; obgleich an dieser Stelle
dem entsprechend geschulten Leser eigentlich völlig klar verständlich sein
sollte – darum auch hier die entsprechende Hervorhebung des relevanten
Begriffes – dass die Bestimmung des § 11 Abs. 1 auf Bodendenkmale
gar nicht anwendbar sein kann.
Denn es geht schließlich in der Bestimmung des
§ 11 Abs. 1 DMSG um Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung (und Untersuchung)
von – vor der Durchführung dieser Nachforschungen – noch gar nicht entdeckten
Sachen. Bodendenkmale
werden jedoch, wie oben gezeigt, überhaupt erst durch ihre Entdeckung zu Bodendenkmalen, deren zeitweilige Erhaltung nach
ihrer Entdeckung der Gesetzgeber überhaupt nur deshalb bezweckt, damit das BDA
beurteilen kann, ob das entdeckte Bodendenkmal
tatsächlich ein Denkmal ist, an dessen
dauerhaft unveränderter Erhaltung ein öffentliches Interesse im Sinne des § 1
Abs. 2 DMSG besteht.
Diese Beurteilung wiederum kann das BDA
überhaupt erst vornehmen, wenn die Sache, die es zu beurteilen hat, bereits
entdeckt wurde, weil zu jeder sachverständigen Beurteilung die Kenntnis des zu
beurteilenden Sachverhalts eine unabdingbare Voraussetzung ist. Nachdem aus der
hier einzig relevanten rechtlichen Sicht vor der Entdeckung einer Sache noch
überhaupt nichts vorliegt, das sachverständig beurteilt werden kann, kann die
Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 DMSG zum einzig relevanten Zeitpunkt – dem,
an dem das BDA über den Antrag in der Sache entscheiden müsste – unmöglich
greifen, weil ihm die für die Entscheidung erforderlichen Informationen noch
gänzlich fehlen.
Das gleiche gilt auch, wenn man im § 11 Abs. 1
DMSG statt Denkmale Denkmale lesen will.
Schließlich will der Gesetzgeber nicht alle Denkmale schützen, sondern
nur jene Denkmale, deren Erhaltung im öffentlichen
Interesse gelegen ist. Das setzt aber genauso voraus, dass der
entscheidungsbefugten Behörde der entscheidungswesentliche Sachverhalt – eben
das Denkmal,
dessen geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung es zu
beurteilen gilt – bekannt ist; und genau das kann hier auch für die Behörde
nicht der Fall sein.
Damit bleibt nur eine Möglichkeit, wann man
Nachforschungen zum Zweck der Entdeckung und Untersuchung von einer
Genehmigungspflicht abhängig machen kann, nämlich, wenn diese an Orten
durchgeführt werden sollen, wo Denkmale
vorkommen, die bereits unter Denkmalschutz stehen. Inwieweit diese bereits
bekannten und ob ihrer bereits beurteilten Bedeutung geschützten Denkmale durch dort, wo sie sich befinden,
geplante Grabungen und sonstige Nachforschungen gefährdet werden könnten, kann
das BDA tatsächlich sachverständig beurteilen. Es folgt daher zwingend, dass
das Wort Denkmale im § 11 Abs. 1 DMSG auch
tatsächlich so und nicht als Denkmale, Bodendenkmale
oder gar Bodendenkmale
verstanden werden muss.
Die behördlichen Leseverständnisprobleme in der Anwendungspraxis
Betrachtet man jedoch die behördliche
Anwendungspraxis, zeigen sich recht rasch deutliche Probleme der Behörde mit
dem Leseverständnis.
In seinen Richtlinien
für archäologische Maßnahmen (BDA 2018) spezifiziert das BDA genauer,
welche „archäologischen Maßnahmen“ seiner Rechtsansicht nach seiner Bewilligung
gem. § 11 Abs. 1 DMSG bedürfen. Als bewilligungspflichtig weist es dabei
generell „invasive, d. h. mit
Bodeneingriffen einhergehende Prospektionen sowie systematische Prospektionen
als intendierte Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und
Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Bodendenkmale unter der Erd-
bzw. Wasseroberfläche“ (BDA 2018, 10) aus.
Das kann zwar, wie gerade gezeigt, bei
richtiger sinnerfassender Lesung der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG
unmöglich stimmen. Für die Analyse der Leseverständnisprobleme des BDA muss man
aber diese Tatsache bis auf weiteres vernachlässigen, weil das BDA schließlich
davon ausgehen muss, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG von ihm selbst
sinnrichtig erfasst werden. Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 DMSG wäre daher aus
Sicht des BDA sinnrichtig eigentlich entgegen seinem eigentlichen Wortlaut wie
folgt zu lesen:
„Die
Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser
(Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der
Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Bodendenkmale
unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche dürfen nur mit Bewilligung des
Bundesdenkmalamtes vorgenommen werden, soweit Abs. 2 und 9 nichts anderes
vorsehen (Forschungsgrabung)“.
Tatsächlich ist das auch praktisch exakt der
Wortlaut, in dem das BDA z.B. in seiner Druckfassung der 4. Fassung der
Richtlinien (BDA 2016, 6) den Wortlaut des § 11 Abs. 1 in verkürzter und
unrichtiger Form zitiert hat, bis ich es im Frühjahr 2016 darauf aufmerksam
gemacht habe und es in der elektronischen Fassung diesen Fehler dann korrigiert
hat. Man muss daher also davon ausgehen, dass das BDA tatsächlich – trotz
meiner dagegen vorgebrachten Argumente – davon überzeugt ist, dass zwar im
Wortlaut des § 11 Abs. 1 am relevanten Ort „Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“
steht, aber der Gesetzgeber damit eigentlich Bodendenkmale gemeint hat.
Geht man davon aus, dass diese Lesart stimmt,
hat das natürlich Rechtsfolgen, insbesondere, wenn jemand „entgegen den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 Nachforschungen (Grabungen)
ohne die hiefür vorgesehene Genehmigung durchführt“ (§ 37 Abs. 2 Z 2 DMSG).
So jemand ist nämlich laut § 37 Abs. 2 Z 2, „sofern
die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden
strafbaren Handlung bildet, mit Geldstrafe bis 25 400 Euro zu bestrafen“.
Das versucht das BDA auch tatsächlich zu
erreichen, z.B. wenn es darauf aufmerksam gemacht wird, dass MetallsucherInnen
bei der Suche bzw. Grabung nach Bodenfunden beobachtet wurden und deren
Personalien dem Anzeigenden bekannt oder für das BDA ermittelbar sind. Diese
zeigt es nämlich bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden wegen Verstoßes
gegen die Bestimmungen der §§ 8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 an und nimmt in den daraus
resultierenden Verwaltungsverfahren auch (wenigstens manchmal), wie durch § 37
Abs. 8 vorgesehen, Stellung, gewöhnlich zu Ungunsten des Tatverdächtigen (für
die Diskussion eines Beispiels siehe z.B. Karl 2016, 9-10).
Was wären die weiteren Folgen dieser Lesart?
Geht man allerdings davon aus, dass die obige
Lesart des BDA korrekt ist, hat das auch andere Rechtsfolgen: es geht dann
schließlich um Nachforschungen zur Entdeckung von Bodendenkmalen. Das bedeutet
aber, dass – insbesondere, wenn diese „entgegen
den Grabungsbestimmungen des § 11 durchgeführt“ (§ 9 Abs. 5 DMSG) wurden,
wie das BDA ja zu meinen scheint – jedenfalls auch die Bestimmungen des § 9
Abs. 3 DMSG zur Anwendung zu bringen sind. Es werden daher alle betroffenen Bodendenkmale
automatisch zu Bodendenkmalen.
Ausschlaggebend ist hier selbstverständlich die
Anzeige des Tatverdächtigen an das BDA, denn diese stellt zweifellos im Sinne
der §§ 8 DMSG und 400 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) auch die in
diesem Fall relevante Fundmeldung dar. Das BDA geht schließlich, wenn es die
Strafverfolgung des Tatverdächtigen anstrengt, davon aus, dass er nicht nur Bodendenkmale
gesucht hat, sondern dort auch tatsächlich Bodendenkmale
vorkommen, denn sonst dürfte es ihn gar nicht der Strafverfolgung aussetzen: gerade
das BDA muss wissen, dass der Gesetzgeber nicht alle Grabungen und sonstigen
Nachforschungen überall in ganz Österreich verhindern will, sondern Denkmale schützen, d.h. – wie er das auch ganz
explizit in § 1 Abs. 1 ausdrückt – vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung
ins Ausland bewahren. Das DMSG dient also der Gefahrenabwehr, und wo sich
nichts befindet, das gefährdet werden kann, bedarf es auch keiner Abwehr dieser
Gefahr.
Erlangt das BDA aber nun Kenntnis davon, dass
an einem konkreten Ort tatsächlich Bodendenkmale vorkommen bzw. sogar
aufgefunden worden sein dürften – und sei es nur, weil jemand dort nach ihnen
gesucht hat, weil wenigstens dieser scheint ja Grund zur Annahme gehabt zu
haben, dass dort welche vorkommen (siehe in etwa diesem Sinn auch VwGH 2017, 4)
– beginnt die Frist des § 9 Abs. 3 zu laufen, womit das BDA bescheidmäßig zu
entscheiden hat, ob es sich dabei um Denkmale
handelt. Die Pflicht des BDA, diese Frage binnen 6 Wochen zu entscheiden,
besteht nämlich laut § 9 Abs. 3 nur dann nicht, wenn die angetroffenen
Gegenstände bereits Denkmale sind, in
welchem Fall sich selbstverständlich die neuerliche bescheidmäßige Entscheidung
erübrigt.
Kommt das BDA nun aber bescheidmäßig zur
Entscheidung, dass die betroffenen Bodendenkmale
keine Denkmale sind, stellt es fest, dass an
der Erhaltung der betreffenden Sachen kein öffentliches Interesse besteht. Dem
gleichzuhalten ist auch, wenn das BDA die Entscheidung einfach unter- und
keinen Bescheid erlässt; wie sich auch aus der Regierungsvorlage zur Novelle
des DMSG aus dem Jahr 1990 ergibt, die explizit feststellt, dass die
betroffenen Bodendenkmale dann „nicht
mehr geschützt sind“ (RV 1990, 20). Daraus folgt aber, dass das DMSG auch
zu keiner Zeit auf sie anwendbar gewesen ist: weder hätte der Tatverdächtige
einer Genehmigung gem. § 11 Abs. 1 bedurft, noch hätte er seine Funde melden
müssen, noch sich an sonstige Bestimmungen des DMSG halten, denn das DMSG
bezweckt den Schutz der Denkmale, nicht
irgendwelcher beliebiger, gewöhnlicher Sachen. Daher sieht § 37 Abs. 6 DMSG
auch vor, dass ein allfällig bereits laufendes Strafverfahren einzustellen ist,
wenn das BDA „bescheidmäßig feststellt,
dass ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Denkmals tatsächlich nicht
besteht oder bestanden hat“.
Das aber bedeutet wiederum, dass das BDA nun
von sich aus eine allfällig von ihm selbst erstattete Anzeige gegen den
Tatverdächtigen zurückzuziehen hat. Wird es hingegen von der
Strafverfolgungsbehörde, wie durch § 37 Abs. 8 DMSG in durch Dritte angezeigten
Fällen vorgesehen, um Äußerung ersucht, hat es dieser – gegebenenfalls nachdem
es den relevanten Sachverhalt ermittelt hat – mitzuteilen, dass im Sinne des §
37 Abs. 6 ein öffentliches Interesse an der Erhaltung allfällig am Ort der
Tathandlung vorkommender Denkmale nicht besteht. Damit hat in beiden Fällen
die Strafverfolgungsbehörde das Strafverfahren gegen den Tatverdächtigen gemäß § 37 Abs. 6 DMSG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) einzustellen, weil „die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat
[…] keine Verwaltungsübertretung bildet“.
Genau das tut aber nun das BDA alles nicht.
Vielmehr weist es ganz im Gegenteil in seinen Äußerungen gem. § 37 Abs. 8 DMSG
im Strafverfahren die Strafverfolgungsbehörde darauf hin, dass Angaben von
Tatverdächtigen, keine Denkmale gesucht und
auch keine gefunden zu haben, unglaubwürdig seien, weil Metallsucher gewöhnlich
wüssten, dass auch auf nicht unter Denkmalschutz stehenden Bodenflächen mit dem
Vorkommen von Bodendenkmalen zu rechnen sei (Karl 2016, 9-10).
Schrödingers Gesetzeswortlaut
Das stellt uns nun vor ein gravierendes
Problem.
Denn das BDA darf nur dann alle zuletzt
beschriebenen Schritte unterlassen, wenn es, wenn ihm das Vorkommen
mutmaßlicher Bodendenkmale an einem bestimmten Ort bekannt wird, nicht gem. § 9
Abs. 3 DMSG bescheidmäßig entscheiden muss, ob allfällig (auch nur von ihm
selbst im Rahmen seiner Untersuchungen gem. §§ 9 Abs. 1 und/oder 30 Abs. 1
DMSG) an Ort und Stelle aufgefundene Bodendenkmale
tatsächlich Denkmale sind. Diese
Entscheidung muss es jedoch nur dann nicht treffen, wenn es bereits zu früherer
Zeit die betroffenen Denkmale rechtskräftig
unter Denkmalschutz gestellt hat.
Damit muss es aber, damit es zur Ansicht kommen
kann, dass es keine Ermittlungs- und bescheidmäßige Entscheidungspflicht gem. §
9 Abs. 3 DMSG trifft, mit allen sich daraus notwendigerweise ergebenden
Rechtsfolgen, zwingend dort, wo im § 11 Abs. 1 DMSG „Denkmale“ steht, auch
tatsächlich Denkmale lesen und verstehen,
nicht Bodendenkmale.
Man muss also davon ausgehen, dass das BDA der Ansicht ist, dass es die
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 sinnrichtig erfasst, wenn es in dieser Bestimmung
tatsächlich „Denkmale
unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ liest.
Das widerspricht sich nun aber diametral mit
dem, was wir oben festgestellt haben, weil das BDA ja überhaupt nur zu der
Ansicht gelangen kann, die es in seinen Richtlinien
(BDA 2018, 10) und dadurch, dass es z.B. Metallsucher auch dann für ihre
angeblichen Übertretungen der Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 anzeigt, in
aller möglichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, wenn es das ausschlaggebende
Wort in dieser Bestimmung als Bodendenkmale versteht. Würde es dieses nämlich als Denkmale verstehen, wären die Bestimmungen des §
11 Abs. 1 auf Grabungen und sonstige Nachforschungen auf nicht denkmalgeschützten
Bodenflächen gar nicht anwendbar.
Wir finden uns also in der höchstgradig
ungewöhnlichen Situation, dass das BDA dasselbe Wort im Gesetzeswortlaut gleichzeitig
im Sinn Bodendenkmal
und im Sinn Denkmal zu verstehen scheint.
Der vom Gesetzgeber verwendete Begriff Denkmal scheint also so etwas wie die Katze in Schrödingers
Black Box zu sein: nicht ein
unbestimmter Rechtsbegriff, der von der Behörde in der Handhabungspraxis
genauer auszugestalten ist, sondern ein Begriff, der sich in einem – sozusagen
rechtsquantenmechanischen – Katzenzustand (bzw. in der Superposition) zwischen
den beiden mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu verstehenden Bedeutungen Bodendenkmal
und Denkmal befindet.
Dieser rechtliche Katzenzustand ‚kollabiert‘
(im Sinne der Kopenhagener Deutung) sozusagen erst dann, wenn er in der
Anwendungspraxis durch das BDA mit der Wirklichkeit zu interagieren beginnt;
und zwar dann jedenfalls immer in beide verschiedenen Einzelzustände. Diese
sind einerseits der Einzelzustand der Strafbarkeit der durch den
Tatverdächtigen vorgenommenen Handlung gem. § 37 Abs. 2 Z 2, in dem der im
Gesetzeswortlaut zu findende Begriff nun als Bodendenkmal zu verstehen ist
und daher die Genehmigungspflicht des § 11 Abs. 1 verletzt wurde; und
andererseits der Einzelzustand der das BDA treffenden Entscheidungspflicht gem.
§ 9 Abs. 3, in dem der im Gesetzeswortlaut zu findende Begriff nun als Denkmal zu verstehen ist und daher das BDA keine
bescheidmäßige Entscheidung treffen und daher ein allfällig schon laufendes
Strafverfahren gegen einen Tatverdächtigen gem. §§ 37 Abs. 6 bzw. 45 Abs. 1 Z 1
VStG auch dann nicht eingestellt werden muss, wenn an der Erhaltung der
betroffenen Gegenstände ein öffentliches Interesse nicht besteht.
Schlussfolgerungen: behördliche Leseverständnisprobleme
Es zweifellos enorm spannend und eine sehr
bedeutende neue Erkenntnis, dass sich in diesem Fall scheinbar
rechtsquantenmechanische Effekte auf makroskopischer Ebene beobachten lassen.
Aber so spannend das ist, so unbefriedigend ist es aus rechtlicher Sicht. Denn
aus letzterer Sicht darf es einen rechtsquantenmechanischen Katzenzustand nicht
geben: der Gesetzgeber kann mit demselben Wort Denkmal im selben Satz nicht gleichzeitig Bodendenkmal
und Denkmal meinen, sondern nur entweder das
eine oder das andere.
Schon gar nicht kann der Gesetzgeber gewollt
haben, dass das BDA die betreffende Bestimmung des DMSG in Bezug auf das
Handeln außenstehender Dritter (d.h. der Staatsbürger) systematisch anders
interpretiert als es diese in Bezug auf die für es selbst daraus erwachsenden
rechtlichen Pflichten auslegt. Am allerwenigsten kann der Gesetzgeber aber
gewollt haben, dass das BDA dieselbe Bestimmung in der Außenwirkung so
versteht, dass es Staatsbürger dadurch der Strafverfolgung aussetzen kann,
während es sie in der Innenwirkung nicht nur, sondern konkret so, anders
versteht, dass dadurch diese Strafverfolgung nicht vereitelt werden kann.
Dass derartige rechtsquantenmechanischen
Effekte dennoch einzutreten scheinen, zeigt deutlich, dass die Behörde
erhebliche Probleme mit dem Leseverständnis hat, wenn sie den Wortlaut des
Gesetzes liest, das sie exekutieren soll. Das liegt wohl zweifellos daran, dass
der Wortlaut des Gesetzes so unglücklich bzw. ungeschickt gefasst ist, dass
gerade seine absolut zentralen Rechtsbegriffe, die Begriffe Denkmal
und Denkmal sowie Bodendenkmal und Bodendenkmal, offensichtlich nicht nur nicht
ausreichend allgemeinverständlich, sondern nicht einmal für die mit der
Anwendung des Gesetzes betrauten Fachbeamten ausreichend verständlich sind.
Es besteht daher in der archäologischen
Denkmalpflege in Österreich intensiver und dringender Reformbedarf,
insbesondere was die gesetzlichen Bestimmungen und den Gesetzeswortlaut
betrifft, durch die dieser Bereich geregelt werden soll. Denn obwohl ich hoffe,
mit diesem Beitrag ein wenig dazu beigetragen zu haben, die
Allgemeinverständlichkeit der archäologischen Bestimmungen des DMSG zu
verbessern: ich wage zu bezweifeln, dass dieser kleine Beitrag dafür genügen
wird, einen sowohl sinnvollen als auch effektiven archäologischen Denkmalschutz
in Österreich zu erreichen.
Literaturverweise
ABGB. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch. [2.2.2018].
BDA 2016. Richtlinien für archäologische Maßnahmen. 4.
Fassung – 1. Jänner 2016. Wien: BDA
BDA 2018. Richtlinien für archäologische Maßnahmen. 5.Fassung – 1. Jänner 2018. Wien: BDA [2.2.2018].
DMSG. Bundesgesetz betreffend den Schutz von Denkmalen wegenihrer geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung(Denkmalschutzgesetz - DMSG). [2.2.2018].
Karl, R. 2016. Obrigkeit und Untertan im denkmalpflegerischen Diskurs.Standesdenken als Barriere für eine Citizen Science? Forum Kritische Archäologie 5, 2016, 1-15.
Pieler, E.
2017. Der archäologische Fund im geltenden Recht – Ein Überblick mit Ausblick.
In: S. Karl, I. Koch, E. Pieler, Revidierung der gesetzlichen Vorschriften zu
archäologischen Funden und Schätzen in der österreichischen Monarchie zwischen
1834 und 1846. Mit einem Ausblick auf die heutige Situation. Österreichische Zeitschrift für Kunst und
Denkmalpflege LXXI/1, 86-119.
RV 1990. Regierungsvorlage.Bundesgesetz vom XX.XXXXX, mit welchem das Bundesgesetz betreffend Beschränkungenin der Verfügung über Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oderkultureller Bedeutung (Denkmalschutzgesetz) geändert wird. 1275 der
Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP [2.2.2018].
VStG. Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG. [2.2.2018].
VwGH 2017. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom23.2.2017 zu Zahl Ro 2016/09/0008. Wien: Verwaltungsgerichtshof [2.2.2018].
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