In einem auf den
Webseiten des Landesamts für Denkmalpflege Hessen (LfDH) vorveröffentlichten,
jüngeren Beitrag unter den Titel „Jeder kann graben“? diskutiert Dimitrij Davydov (2017) das Spannungsfeld zwischen Partizipation
und Gefahrenabwehr im Kontext des archäologischen Erbes; insbesondere die
Reichweite der sowohl in Deutschland (Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz) als auch in Österreich (Art. 17 Staatsgrundgesetz) als Jedermannsrecht garantierten
Forschungsfreiheit.
Er kommt dabei zum
Ergebnis, dass – die Wissenschaftlichkeit von „Nachforschungen“ im Sinne der
verfassungsgerichtlichen Judikatur (siehe Davydov 2017, 7-8; für Österreich im
Wesentlichen ident, siehe Berka 1999, 343) vorausgesetzt – „stets eine Abwägung der Wissenschaftsfreiheit mit dem
verfassungsrechtlichen Staatsziel (Boden-) Denkmalschutz zu erfolgen“
(Davydov 2017, 10) habe. Soweit ganz generell die Bürgerbeteiligung an der
archäologischen Feldforschung betroffen ist, kommt er zum Schluss, dass „(d)ie Grenze einer sinnvollen Partizipation
[…]dort überschritten“ werden dürfte,
„wo durch die mit der Einbindung Privater
verbundene Entlastung der Denkmalbehörde in eine Belastung umschlägt, weil ein
Ausbildungs- und Betreuungsaufwand generiert wird, der zu ihrer primären
Aufgabe – für eine „geordnete und wissenschaftlich fundierte“
Bodendenkmalpflege zu sorgen – in keinem vernünftigen Verhältnis mehr steht“
(Davydov 2017, 11).
Ein archäologisches Feldforschungsvorrecht der Denkmalbehörden?
Davydov bringt damit –
auch wenn er das in seinem Beitrag nirgendwo explizit ausspricht – die in der
deutschsprachigen und insbesondere der deutschen staatlichen archäologischen
Denkmalpflege weit verbreitete und populäre Vorstellung zum Ausdruck, dass der
Staat zum Schutz des archäologischen Erbes seinen Denkmalschutzbehörden im
Bereich der archäologischen Feldforschung ein Forschungsprivileg eingeräumt hat
und auch einräumen darf. Nach dieser Sichtweise finden die
verfassungsgesetzlich vorbehaltlos garantierte Forschungsfreiheit ebenso wie
andere bürgerliche Grundrechte ihre Schranken am ihr (bzw. ihnen)
entgegenstehenden Staatsziel des Denkmalschutzes; das diese derart
grundsätzlich und regelhaft überwiegt (so z.B. explizit auch Strobl &
Sieche 2010, 266-267), dass eigentlich nur der Staat selbst – mittels seiner
Denkmalfachbehörden – archäologische Feldforschung betreiben darf. Dritten,
insbesondere „Privaten“ wäre hingegen unter dieser Sichtweise die
archäologische Feldforschung grundsätzlich verboten und könne ihnen nur in
besonders begründeten Ausnahmefällen erlaubt werden (vgl. dazu auch Krischok
2016, 128-129, mit diametral entgegengesetzter Ansicht).
Wer ist hier ArchäologIn? (Bild: R. Karl 2007) |
Daraus folgt dann auch
Davydovs Ansicht zur Frage der Grenzen einer „sinnvollen“ Bürgerbeteiligung: Bürgerbeteiligung dient aus diesem
Blickwinkel einzig und allein als Hilfe für den Staat, seine
denkmalschützerischen Aufgaben besser, effektiver und nicht zuletzt für das
Staatsbudget kostengünstiger erfüllen zu können, als er das ohne die –
selbstverständlich rein freiwillige – bürgerliche Unterstützung könnte. Wird
der Bürger hingegen für die Denkmalbehörde zu einer Belastung, weil er einen „in keinem vernünftigen Verhältnis“ mit
der primären Aufgabe der Behörde – laut Davydov (2017, 11) wenigstens sinngemäß
die wissenschaftliche Qualitätssicherung in der Bodendenkmalpflege – stehenden „Ausbildungs- und Betreuungsaufwand“
verursacht, hat sie nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, eine klare
Grenze zu ziehen und jedwedes selbstständige bürgerliche Engagement zu
unterbinden. Nicht nur das: es obliegt auch allein der Behörde selbst, zu
bestimmen, wo sie die Grenze zwischen erwünschter bürgerlicher Unterstützung
und unerwünschter Belastung durch bürgerliche Hilfsangebote ziehen möchte.
Dies entspricht auch
der in der staatlichen archäologischen Denkmalpflege weit verbreiteten
Sichtweise der Stellung „privater“ archäologischer Grabungsfirmen, die seit
etwa zwei Jahrzehnten zunehmend die „angewandte Denkmalpflege“ im Bereich der
archäologischen Feldforschung (oft gegen nicht unbedeutenden Widerstand durch
die Behörde) übernehmen bzw. übernommen haben, diesen Behörden gegenüber. Diese
Privatunternehmen werden oft von den Denkmalfachbehörden mehr oder minder als
„behördliche Subunternehmer“ betrachtet, deren Aufgabe es ist, auf ihr eigenes ökonomisches
Risiko privatwirtschaftlich die Lücken zu stopfen, die der Staat durch die
notorische Unterfinanzierung der Denkmalbehörden aufgerissen hat.[1]
Als zuarbeitende Hilfskräfte willkommen (oder wenigstens zähneknirschend als
notwendiges Übel akzeptiert), räumen die Behörden dennoch den Grabungsfirmen –
und zwar insbesondere was wissenschaftlich mit der angetroffenen Archäologie
geschehen soll – keinerlei signifikante Entscheidungsbefugnisse oder gar
wissenschaftliche Rechte ein. Davydovs eigene Behörde, das LfDH, ging dabei bis
vor kurzem sogar soweit, ohne jedwede Rechtsgrundlage dafür die Erteilung von
NFGs per Grabungsrichtlinien und Bescheidauflage mit der Übertragung von
Publikationsrechten an das LfDH (2015, 4) zu verbinden: eine Enteignung
privater geldwerter Rechte Dritter durch eine staatliche Behörde zu ihren
eigenen Gunsten.
Manche Denkmalbehörden
glauben also, dass alle Rechte, und insbesondere alle wissenschaftlichen
Rechte, im Bereich der archäologischen Feldforschung exklusiv bei ihnen selbst
liegen. Andere, ob nun „gewöhnliche“ BürgerInnen oder auch archäologische Privatunternehmen,
haben hingegen keinerlei Rechte, sondern sind – sofern sie sich unentgeltlich
„ehrenamtlich“ oder entgeltlich „zu privatwirtschaftlich
drittmittelfinanzierten Erwerbszwecken“ an der archäologischen Feldforschung
beteiligen wollen – der staatlichen Denkmalbehörde dienstpflichtig. Ihre
Beteiligung ist allerdings nur möglich, wo sie der Denkmalbehörde hilfreich
sind und dieser sinnvoll erscheinen, d.h. wo ihre Hilfsleistungen der
Bequemlichkeit und dem Vorteil der Behörde dienen. So etwas wie Anspruchsrechte
außenstehender Dritter auf Beteiligung an der archäologischen Denkmalpflege
sind hingegen vollkommen ausgeschlossen, insbesondere, wo sie zu einer
Belastung der Behörde führen würden.
Anders gesagt:
BürgerInnen dürfen sich aus behördlicher Sicht an der archäologischen
Feldforschung und Denkmalpflege beteiligen, wie, wo, und wann es der
staatlichen Denkmalbehörde recht ist, zu den Konditionen, die der staatlichen
Denkmalbehörde angemessen erscheinen, solange es dieser nützt und sie nicht
belastet. Die staatliche Denkmalbehörde hat hingegen gegenüber den BürgerInnen
überhaupt keine Verpflichtungen, sondern ist ausschließlich „ihrer primären Aufgabe – für eine
„geordnete und wissenschaftlich fundierte“ Bodendenkmalpflege zu sorgen –“ (Davydov
2017, 11) verpflichtet.
Internationale Übereinkommen und völkerrechtliche Verpflichtungen
Davydov (2017) gibt in
seinem Beitrag zur Begründung dieser Ansicht einen handlichen Überblick über
internationale Übereinkommen, ethische Standards, etc., für die
Bodendenkmalpflege und den Kulturgüterschutz (die übrigens praktisch alle
direkt aus der Feder staatlicher DenkmalpflegerInnen stammen). In dieser
Begründung weist er zwar durchaus auf die zunehmende Betonung von
Bürgerbeteiligung in internationalen Übereinkommen hin, relativiert diese aber
auch gleich wieder.
Er hält fest, dass
selbst bei der Betrachtung der Faro-Konvention (Europarat 2005) nicht aus dem
Auge verloren werden dürfe, dass diese „laut
ihrer Präambel als eine Fortentwicklung der vorangegangenen Europäischen
Übereinkommen zum Schutz des kulturellen Erbes, darunter auch der Konvention
von La Valetta, verstanden“ (Davydov 2017, 3) sein wolle und „daher nichts an dem der Konvention von La
Valetta zugrunde liegenden Konzept des effektiven staatlichen
Bodendenkmalschutzes, der u. a. durch den Vorrang der Erhaltung in situ
gekennzeichnet“ (ibid.) sei, ändere. Er kommt daher zum Zwischenergebnis, „dass weder in den international anerkannten
Grundsatzdokumenten und Positionspapieren zur Bodendenkmalpflege noch in den
europäischen Übereinkommen zum Schutz des kulturellen (archäologischen) Erbes –
von ihrer jeweiligen innerstaatlichen Geltung in Deutschland einmal abgesehen –
eine Freiheit der archäologischen Forschung postuliert wird, die Jedermann dazu
berechtigen würde, ohne staatliche Überwachung Nachforschungen oder
Ausgrabungen durchzuführen.“ (ibid.).
Wie üblich ist aber
die behördliche Lesung (siehe schon „Behördliche Lesenverständnisprobleme“) der völkerrechtlichen Grundlagen
bemerkenswert selektiv. Denn gerade die Faro-Konvention verweist bereits in
ihrer Präambel, noch ehe sie auf ältere europäische Übereinkommen im Bereich
des Kulturgüterschutzes verweist, zuerst einmal darauf, dass „…jeder Mensch das Recht hat, sich mit dem
Kulturerbe seiner Wahl unter Achtung der Rechte und Freiheiten der anderen zu
befassen“ (Europarat 2005). Dieses Jedermannsrecht wiederum leitet sich
laut ebendieser Präambel aus dem Menschenrecht „auf freie Teilhabe
am kulturellen Leben,
das in der
Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte der Vereinten Nationen (1948) verankert ist und vom
Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966)
gewährleistet wird“ (ibid.) ab (sinngemäß auch noch einmal wiederholt in
Art. 1a der Konvention).
Mehr noch, in ihrem
Art. 4 führt die Faro-Konvention explizit aus, dass die Vertragsparteien
anerkennen, dass „a. jeder Mensch,
einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen, das Recht besitzt, einen Nutzen aus
dem Kulturerbe zu ziehen und zu seiner Bereicherung beizutragen; b. jeder
Mensch, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen, die Verpflichtung besitzt,
das Kulturerbe anderer genauso zu achten wie das eigene Kulturerbe und folglich
auch das gemeinsame Erbe Europas; c. die Ausübung des Rechtes auf Kulturerbe
nur jenen Beschränkungen unterworfen werden kann, welche in einer
demokratischen Gesellschaft zum Schutz des öffentlichen Interesses sowie der Rechte
und Freiheiten Dritter notwendig sind.“ (ibid.).
Davydovs Lesung des
Völkerrechts ist übrigens auch ähnlich selektiv wie die der Landesverfassungen
und Bundesverfassung durch diverse Denkmalbehörden und ihre JuristInnen: diese
verweisen zwar regelhaft und gerne auf die Kulturstaatsklauseln der jeweiligen
Landesverfassungen, vergessen aber regelhaft darauf, zu erwähnen, dass die
Landesverfassungen ebenso wie die Bundesverfassung in der Regel die
Wissenschaftsfreiheit vorbehaltlos schützen und selbst die Kulturstaats- bzw. Denkmalschutzklauseln
der Landesverfassungen oft auch die Förderung der wissenschaftlichen
Erforschung oder Nutzung des Kulturerbes zum Staatsziel erklären.[2]
Interessanterweise scheinen das die Juristen der Denkmalbehörden regelmäßig zu
überlesen, ebenso wie Davydov im konkreten Fall wohl gänzlich unabsichtlich
jene Teile der Präambel und der allgemeinen Eingangsbestimmungen der
Faro-Konvention übersehen hat, die das Gegenteil von dem sagen, was er in der
archäologischen Denkmalpflege gerne hätte.
Gerade in diesem
Zusammenhang ist es auch durchaus relevant, die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte (AEMR; Vereinte Nationen 1948) etwas genauer zu betrachten,
nachdem die Faro-Konvention explizit auf diese verweist. Denn die AEMR stellt
in Art. 27 Abs. 1 fest: „Jeder hat das
Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den
Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen
Errungenschaften teilzuhaben“. Das
ist zwar nicht per se völkerrechtlich verbindlich, aber bestimmt doch sehr
genau, wie das Recht auf Beteiligung am kulturellen Erbe der Faro-Konvention zu
interpretieren ist: sicherlich nicht nur als Recht, den staatlichen
Denkmalbehörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben dienstbar zu sein; sondern
sicherlich auch sich selbstbestimmt am Prozess der „Bestimmung, Erforschung, Deutung, des Schutzes, Bewahrung und
Darstellung des Kulturerbes“ (Art. 12 a Europarat 2005) beteiligen zu
können.
Dies gilt nur umso
mehr, als Art. 6 a der Faro-Konvention explizit bestimmt, dass „(k)eine Bestimmung dieses Übereinkommens
[…] so auszulegen“ sei, „dass dadurch: a. die Menschenrechte und
Grundfreiheiten, die durch internationale Rechtsakte, insbesondere die Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte und das Übereinkommen zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten geschützt werden, begrenzt oder untergraben werden“
(Europarat 2005). Aber selbst, wenn das nicht explizit in der Faro-Konvention
stünde oder sich Davydov auf den Standpunkt zurückziehen wollte, dass
Deutschland dieses internationale Übereinkommen noch nicht ratifiziert hätte
und daher an seine Bestimmungen (noch) nicht gebunden wäre, würde das wenig
nutzen, um ein bürgerliches Anspruchsrecht auf selbstbestimmte Beteiligung am kulturellen
Erbe und seiner wissenschaftlichen Erforschung wegargumentieren zu können. Denn
ebendieses Anspruchsrecht ist schon völkerrechtlich verbindlich durch Art. 15
(insbesondere Abs. 1 und 3) des internationalen Paktes über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte gewährleistet worden, den sowohl Deutschland (BGBl. 1973 II S. 1569) als auch Österreich (BGBl. Nr. 590/1978) schon lange ratifiziert haben.
Es versteht sich von
selbst, dass auch internationale Kulturgüterschutzabkommen wie die Charta von
Lausanne oder die Valetta-Konvention nicht derart interpretiert werden können,
dass sie die Begrenzung oder Untergrabung von Menschenrechten wie des Rechts
auf Teilhabe am kulturellen Leben der Gemeinschaft gestatten. Die Achtung und
Durchsetzung der Menschenrechte ist schließlich nicht nur eines der höchsten
Staatsziele sowohl Deutschlands als auch Österreichs, sondern auch eines der
höchsten Ziele der Europäischen Union und der Vereinten Nationen. Alle
europäischen und auch UNESCO-Übereinkommen sind daher jedenfalls stets so zu
interpretieren, dass ihre Bestimmungen nicht direkt dem für Kulturerbe
relevanten Menschenrecht widersprechen.
Dementgegen scheint es
nachgerade absurd, wie Davydov (2017) in internationalen und nationalen
Rechtsquellen nach einem spezifischen Recht auf „archäologische“
Forschungsfreiheit und Bürgerbeteiligung zu suchen. Anspruchsrechte auf
selbstbestimmte wissenschaftliche Forschung und Kulturbeteiligung werden
schließlich bereits generell völker- und verfassungsrechtlich allen Menschen in
allen Bereichen der wissenschaftlichen Forschung und der Beteiligung an allen
Bereichen des kulturellen Lebens der Gemeinschaft gewährleistet. Eine separate
Gewährleistung spezifisch „archäologischer“ Forschungs- und Beteiligungsrechte
ist daher sicherlich nicht erforderlich. Ein (teilweises) Fehlen ihrer
expliziten Nennung in „archäologischen“ völkerrechtlichen Übereinkommen und
verfassungsgesetzlichen, denkmalschützerischen Staatszielbestimmungen ist daher
auch nicht dazu geeignet, die Schlussfolgerung zu begründen, dass ein
Jedermannsrecht auf freie archäologische Forschung und ebenso selbstbestimmte
Beteiligung am kulturellen Erbe ohne staatliche Überwachung jeder beliebigen
derartigen Handlung nicht bestehen würde. Vielmehr ist vollkommen klar, dass
ein solches Recht selbstverständlich besteht.
Kultur- und Wissenschaftsfreiheit und archäologische Denkmalpflege
Natürlich – und soweit
liegt Davydov (2017) auch richtig – ist auch die Kultur- und
Wissenschaftsfreiheit, obgleich Menschen- und vorbehaltloses Grundrecht, nicht
gänzlich unbeschränkt: soweit dies zum Schutz eines gleichermaßen verfassungsgesetzlich
geschützten öffentlichen Interesses oder der Rechte und Freiheiten Dritter
notwendig ist, kann selbstverständlich – wie eben auch Art. 4 c der
Faro-Konvention (Europarat 2005) bestimmt – auch das Recht auf kulturelle oder
wissenschaftliche Beteiligung am kulturellen Erbe staatlichen Beschränkungen
unterworfen werden. Allfällig vorhandene Kulturstaatlichkeits- bzw.
Denkmalschutzklauseln in den diversen, örtlich relevanten Verfassungsgesetzen
dienen daher einerseits dafür, derartige, im öffentlichen oder berechtigten Interesse
Dritter gelegene Beschränkungen überhaupt erst verfassungskonform zu
ermöglichen, aber andererseits auch dafür, dieser Beschränkungsmöglichkeit gemeinsam
mit einzelgesetzlichen Denkmalschutzbestimmungen gesetzliche Schranken zu
setzen. Soweit staatliche Denkmalbehörden also im Rahmen der Gesetze eine
gewisse Kontrolle über die Ausübung dieser Rechte – sofern ihre unbeschränkte
Ausübung bedeutende Denkmale maßgeblich gefährden kann – wahrnehmen, ist dies
auch verfassungs- und völkerrechtlich unbedenklich.
Wesentlich ist dabei
allerdings insbesondere das Verhältnis zwischen allgemeinen und vorbehaltlosen
Grund- und Menschenrechten und den verfassungsrechtlichen
Denkmalschutzklauseln: bestimmen die Ersteren allgemeine Abwehr- und
Anspruchsrechte aller BürgerInnen gegenüber dem Staat, definieren die Letzteren
die Möglichkeiten des Staates, der unbeschränkten Ausübung dieser Rechte
gewisse, zum Schutz des öffentlichen Interesses an der Erhaltung bedeutender
Denkmale erforderliche und mit der dadurch vorgenommenen Beschränkung der
genannten Individualrechte verhältnismäßige, Grenzen zu setzen. Daraus folgt
zwingend, dass in der Regel in diesem spezifischen Verhältnis zwischen
miteinander potentiell kollidieren könnenden Rechtsgütern die allgemeinen,
vorbehaltlos garantierten Grund- und Menschenrechte das höhere Schutzgut darstellen:
diese werden schließlich – vorerst einmal generell und unbeachtlich der
genaueren Umstände des konkreten Einzelfalls – grundsätzlich allen Menschen
vorbehaltlos garantiert.
Sind hier irgendwelche ArchäologInnen? (Bild: R. Karl 2011) |
Nur wenn es – eben im
konkreten Einzelfall aufgrund der in diesem bestehenden, genaueren Umstände –
zum Zwecke der Abwehr konkreter, signifikanter Gefahren für das ebenfalls, aber
vergleichsweise schwächer verfassungsgesetzlich geschützte Rechtsgut der
Erhaltung der Denkmale unumgänglich erforderlich ist, können diese allgemeiner
garantierten Grund- und Menschenrechte vom Staat überhaupt beschränkt werden
(siehe dazu, spezifisch im Kontext der Wissenschaftsfreiheit in Österreich,
Berka 1999, 346). Dabei ist aber zusätzlich selbst in solchen Einzelfällen, in
denen eine derartige Beschränkung dieser allgemeinen Grund- und Menschenrechte
aufgrund der in diesen Fällen gegebenen besonderen Umstände möglich erscheint,
ihre Beschränkung durch den Staat nur insoweit zulässig, als das mit der
dadurch verursachten Beschränkung von Forschungs- und
Kulturbeteiligungsfreiheit im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig ist
(siehe dazu für Österreich Berka 1999, 156-167; sinngemäß gleich für
Deutschland z.B. Pieroth et al. 2015, 72-76).
Die gesetzlichen
Schutzbestimmungen für Denkmale müssen also sowohl zum Erreichen des
gesetzlichen Schutzziels der Gefahrenabwehr geeignet, als auch zum Erreichen
dieses Schutzziels (unbedingt) erforderlich und mit dem dadurch vorgenommenen
Eingriff in die geschützten Grund- und Menschenrechte im engeren Sinn
verhältnismäßig sein (Berka 1999, 199-163). Ist eine denkmalrechtliche
Schutzbestimmung daher nicht dazu geeignet und/oder nicht dafür erforderlich,
eine durch die freie Ausübung von („archäologischer“) Forschungs- oder
Kulturbeteiligungsfreiheit verursachte, konkrete Gefahr für die Erhaltung der
Denkmale abzuwehren oder beschränkt sie übermäßig (und sei es auch nur eine)
dieser Freiheiten, ist sie unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig.
Damit lässt sich aber
auch aus diesen Rechtgrundlagen kein Forschungsvorrecht der staatlichen
Denkmalbehörden herleiten, das es diesen erlauben würde, allen BürgerInnen die
Beteiligung an der „Bestimmung,
Erforschung, Deutung, des Schutzes, Bewahrung und Darstellung des Kulturerbes“
(Art. 12 a Europarat 2005) nur ausnahmsweise und nur, wenn das der Behörde bei
der Erfüllung ihrer Aufgaben hilft, zu gestatten und sie sonst und insbesondere,
wenn derartige Hilfsangebote die Behörde belasten, zu verbieten. Vielmehr
ergibt sich ein ganz unmittelbares und eindeutiges Anspruchsrecht aller Grund-
und MenschenrechtsträgerInnen, sich so frei als irgendwie möglich am Prozess
der Erforschung und Nutzung des kulturellen Erbes zu beteiligen, wie es ihnen
gefällt; während die Denkmalbehörde als zuständige Verwaltungseinrichtung des
dieses Anspruchsrecht gewährleistenden Staates diesen RechtsträgerInnen soweit
es möglich ist dienstbar zu sein hat. Denn es ist nicht primär der Staat und
schon gar nicht seine Behörden, sondern es sind alle StaatsbürgerInnen bzw.
sogar alle Menschen, die Rechtsträger des Forschungs- und Kulturbeteiligungsrechtes
sind: der Staat hat allen Menschen diese Rechte und ihre möglichst
unbeschränkte Ausübung zu gewährleisten; nicht die Menschen dem Staat und
seinen Organen die Ausübung dieser Rechte zu gewährleisten oder auch nur seine
diesbezüglichen Aufgaben zu erleichtern.
Daraus folgt zwingend,
dass gerade und insbesondere dann, wenn die Behörde der Ansicht ist, dass der
Schutz des Allgemeinwohlgutes der Erhaltung der Bodendenkmale nur dann
hinreichend gewährleistet werden kann, wenn jene Menschen, die Denkmale zu
entdecken versuchen (wollen), dazu entsprechend ausgebildet wurden und dabei ausreichend
betreut werden (Davydov 2017, 11), diese Behörde dafür Sorge zu tragen hat,
dass die für die Beteiligung aller Interessierten erforderliche Ausbildung und
Betreuung gewährleistet ist. Denn es ist gerade nicht die Aufgabe der
Denkmalbehörden, die Denkmale durch ihr behördliches Handeln „im Interesse aller […] vor den Zugriffen aller“ (Lüth 2006,
102) zu schützen, sondern vielmehr ihre Aufgabe allen, die das wollen, die
möglichst freie, selbstbestimmte (und gleichzeitig möglichst nachhaltige) wissenschaftliche
und kulturelle Nutzung der Denkmale zu ermöglichen. Ist dafür – z.B. im Bereich
der archäologischen Feldforschung – eine gewisse Mindestkompetenz erforderlich,
wird es automatisch auch zu einer der primären Aufgaben der Denkmalbehörden,
jenen, die solche Nachforschungen betreiben oder sich anderswie am Kulturerbe
beteiligen (d.h. „Zugriff“ auf es haben) wollen, diese Kompetenzen in
geeigneter Form (und auch ausreichender Menge) zu vermitteln.
Letztendlich dient
nämlich nicht der Mensch dem Denkmal, sondern das Denkmal dem Menschen; und
schon gar nicht der Mensch den Denkmalbehörden, sondern diese und die in ihnen
tätigen öffentlichen Bediensteten den Menschen; auch wenn sie das eventuell
nicht wahrhaben wollen.
Zwischenergebnis
Es ist also als
Zwischenergebnis entgegen Davydovs (2017, 3) Ansicht festzuhalten, dass eine Freiheit
der archäologischen Forschung, die Jedermann dazu berechtigen würde, ohne unnötige staatliche Überwachung beliebige
archäologische Forschungen (inklusive Ausgrabungen) durchzuführen, sehr wohl
besteht und auch sowohl völker- als auch verfassungsrechtlich durch
höchstrangige Rechtsquellen garantiert ist. Beschränkt darf diese Freiheit, wie
auch die parallele Freiheit jedes Menschen, sich selbstbestimmt am Kulturerbe
zu beteiligen, vom Staat nur insoweit werden, als dies zum Schutz des
Allgemeinwohlgutes der archäologischen Denkmale geeignet, erforderlich, und mit
der dadurch verursachten Beschränkung der Kulturbeteiligungs- und
Forschungsfreiheit im engeren Sinn verhältnismäßig ist.
Das bedeutet
natürlich, dass dieses Recht durchaus beschränkt werden darf, wo es notwendig
ist. Damit kommen wir zum zweiten Teil dieses Beitrags:
Können, dürfen, sollen
Die Frage, unter der
Davydovs (2017) Artikel steht ist die, ob jeder graben kann. Diese Frage ist
zwar aus archäologischer Sicht sehr wichtig, im gegenständlichen Kontext aber
leider – zwar nicht gänzlich, aber doch weitgehend – irrelevant. Denn ob jemand
im rechtlichen Sinn graben darf, hängt derzeit in aller Regel überhaupt nicht
davon ab, ob er graben kann, sondern von ganz anderen Faktoren. Die eigentlich
relevante Frage ist dabei allerdings weder die Frage, ob jemand im rechtlichen
Sinn graben darf, noch ob er im archäologischen Sinn graben kann. Die einzig
wirklich relevante Frage ist eigentlich, ob er im denkmalpflegerischen Sinn
graben soll oder nicht graben soll. Was jemand archäologisch kann, was jemand
rechtlich darf, und was jemand denkmalpflegerisch tun oder lassen soll, ist
nämlich keineswegs dasselbe.
Graben können
Ob jemand graben kann,
ist eigentlich nur aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht wichtig; und das
auch nur dann, wenn jemand archäologische Befunde ausgräbt und die darin
enthaltenen beweglichen Kleinfunde birgt. Befinden sich dort, wo jemand gräbt,
keine „ungestörten“ archäologischen Befunde, ist vollkommen egal, ob der, der
dort gräbt, archäologisch graben kann oder nicht; sowohl aus archäologischer
als auch aus denkmalpflegerischer Sicht (obwohl eventuell nicht aus rechtlicher
Sicht). Schließlich kann dort, wo keine Archäologie vorkommt, durch eine
Nachforschung oder Grabung auch weder im positiven Sinn Archäologie sachgerecht
dokumentiert noch im negativen Sinn ein Bodendenkmal zerstört werden. Wo kein
Bodendenkmal ist, kann auch durch inkompetent durchgeführte Nachforschungen
oder Grabungen keines gefährdet werden.
Befindet sich hingegen
dort, wo jemand gräbt, Archäologie, dann ist aus archäologischer Sicht wichtig,
dass der Grabende sachgerecht und professionell vorgeht; weil nur dadurch
sichergestellt werden kann, dass so wenige der an Ort und Stelle vorhandenen
archäologisch signifikanten Informationen als möglich der archäologischen
Wissenschaft verloren gehen. Wird die am Grabungsort vorkommende archäologische
Information nämlich nicht bei der Ausgrabung der an Ort und Stelle befindlichen
Befunde sachgerecht aufgezeichnet, ist sie für immer verloren: die Ausgrabung
eines Befundes zerstört ihn unwiederbringlich und er kann daher auch in der
Zukunft nicht mehr sachgerecht dokumentiert und die in ihm gespeicherte
Information ausgelesen werden.
Aus rechtlicher Sicht
ist es hingegen vorerst einmal egal, ob der, der Archäologie ausgräbt, auch
tatsächlich sachgerecht archäologisch ausgraben kann. Denn in allen derzeitigen
deutschen und österreichischen Denkmalschutzgesetzen hängt die Rechtmäßigkeit
einer Grabung an einer Stelle, an der sich Archäologie befindet, nicht davon
ab, ob der Grabende graben kann, sondern nur davon, ob er die für die
betreffende Grabung erforderlichen Genehmigungen hat. Am deutlichsten bemerkt
man das daran, dass der Bauunternehmer auf einer von den Denkmalbehörden zur
Verbauung freigegebenen Bodenfläche auch alle archäologischen Befunde wegbaggern
(lassen) darf, die sich dort möglicherweise noch befinden: hat er die
denkmalbehördliche Baufreigabe, kommt es nicht (mehr) darauf an, was an Ort und
Stelle wirklich der Fall ist und was er kann oder nicht kann, sondern er darf
die Archäologie völlig unsachgemäß und gänzlich ohne sie zu dokumentieren mit
dem Bagger ausgraben.
Ebenso ist es aus
denkmalschützerischer Sicht vollkommen egal, ob der, der tatsächlich vorhandene
Archäologie ausgräbt, tatsächlich sachgerecht ausgraben kann. Gerade in der
deutschen Denkmalpflege geht es schließlich stets um die unveränderte Erhaltung
der historisch gewachsenen Erscheinung und Substanz des Denkmals als
authentische Bodenurkunde (siehe dazu schon „Die Bewertung archäologischer
Denkmale“; cf. Z.B. Viebrock
2007, 238; Strobl & Sieche 2010, 264-265; Bazil et al. 2015, 16-17, 42).
Die Ausgrabung eines Bodendenkmals zerstört jedoch bzw. verändert zumindest
genau diesen Urkundencharakter (Riegl 1903, 30) und somit auch das Bodendenkmal
an sich. Damit ist aus denkmalschützerischer Sicht letztlich irrelevant, wie
das Denkmal zerstört oder verändert wird: eine „sachgemäße“ Denkmalzerstörung oder
auch nur Denkmalveränderung kann es aus denkmalschützerischer Sicht nicht
geben.
Ob jemand graben kann,
spielt daher bestenfalls in der Handhabungspraxis der Denkmalbehörden bei der
Vergabe von Nachforschungsgenehmigungen eine Rolle; d.h. zumeist nur dann, wenn
jemand auch tatsächlich Archäologie entdecken und ex situ bergen oder Arbeiten
durchführen will, bei denen er mit der Entdeckung und ex situ-Bergung von
bereits bekanntermaßen oder wenigstens aufgrund konkreter Hinweise mutmaßlich
am Ort seiner geplanten Arbeiten vorkommenden Bodendenkmalen rechnen muss. Die
Erteilung einer derartigen NFG kann die örtlich und sachlich zuständige
Denkmalbehörde – soweit dies zum Schutz der mutmaßlich an Ort und Stelle
vorkommenden Bodendenkmale erforderlich ist – vom Nachweis der Kompetenz der
die betreffenden Arbeiten planenden Person bzw. des die mit den geplanten
Arbeiten verbundenen archäologischen Ausgrabungen oder sonstigen
Feldforschungsmaßnahmen durchführenden Personals abhängig machen. Gesetzlich
verpflichtend vorgeschrieben ist ein solcher Kompetenznachweis jedoch nicht.[3]
Das mag den
Denkmalbehörden (und mir) nicht gefallen, aber es ist derzeit rechtlich gesehen
trotzdem so.
Graben dürfen
Ob jemand graben darf,
ist nur aus rechtlicher Sicht wichtig und hat nicht das mindeste damit zu tun,
ob der, der graben will, archäologische Ausgrabungen durchführen kann oder
soll, selbst wenn er an einer Stelle gräbt, an der tatsächlich Bodendenkmale im
Boden vorkommen.
Davydov (2017, 4-7)
fasst hier die Rechtslage für Deutschland sehr effektiv zusammen, wenn er
zwischen Regelungen mit subjektivem Anknüpfungstatbestand, solchen mit kombinierten
Tatbestandsvoraussetzungen und solchen mit objektivem Anknüpfungstatbestand
unterscheidet. Die Regelungen des österreichischen Denkmalschutzgesetzes (DMSG)
würden in dieser Kategorisierung wohl in die mittlere Kategorie fallen
(subjektiver Anknüpfungstatbestand für „Nachforschungen“, objektiver für alle
anderen Veränderungen von und die Verwendung von Bodensuchgeräten aller Art zu
egal welchem Zweck auf konstitutiv geschützten Denkmalen). Dabei ist der
wesentliche Unterschied zwischen subjektiven und objektiven
Anknüpfungstatbeständen der, dass beim subjektiven der Täter gezielt die
Entdeckung bzw. Extraktion von Bodendenkmalen ex situ bezwecken muss, damit die
damit verbundenen Rechtsfolgen (insbesondere die jeweilige NFG-Pflicht) des
jeweiligen DSchG bzw. DMSG eintreten. Bei den objektiven muss hingegen zumeist
dem Täter bereits bekannt oder von ihm wenigstens den Umständen nach zu
vermuten gewesen sein, dass sich auf der von seinen geplanten Handlungen
betroffenen Bodenfläche tatsächlich geschützte Boden- bzw. Kulturdenkmale
befinden.
Das bedeutet, dass im
erstgenannten Fall – des rein subjektiven Anknüpfungstatbestandes – jeder stets
graben darf, solange er mit seinen Grabungen nicht die Absicht verfolgt,
Bodendenkmale zu entdecken; völlig unbeachtlich der Fragen, ob er archäologisch
graben kann und/oder ob tatsächlich an Ort und Stelle Bodendenkmale vorkommen. Möchte
ich also auf einer beliebigen Bodenfläche, die nicht bereits bekanntermaßen als
Denkmal oder Grabungsschutzgebiet geschützt ist, Grabungen zum Zwecke der
körperlichen Ertüchtigung, der Anlage von Blumenbeeten, oder sogar –
archäologisch vorausschauend nicht völlig irrelevant – zur Verbergung eines
Schatzfundes im Boden durchführen, darf ich dies in allen Ländern, in denen nur
der subjektive Anknüpfungstatbestand die denkmalrechtliche NFG-Pflicht auslöst,
völlig ungeniert. Schließlich wird die denkmalrechtliche NFG-Pflicht in solchen
Ländern überhaupt erst durch die „Entdeckungsabsicht“ ausgelöst; während alle
Handlungen, bei denen diese Absicht nicht besteht, der jeweiligen gesetzlichen
NFG-Pflicht überhaupt nicht unterworfen sind (und daher auch ihre ungenehmigte
Durchführung nicht verboten ist).
Eine gewisse
Ausweitung des subjektiven Anknüpfungstatbestandes ist durch Einschluss des
Eventualvorsatzes und der bloßen Fahrlässigkeit zwar möglich. Aber auch damit
erreicht man maximal eine Ausdehnung der NFG-Pflichten auf Bodenflächen, bei
denen der Durchschnittsbürger ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermitteln kann,
dass sich tatsächlich auf ihnen Bodendenkmale befinden dürften; d.h. wo bereits
konkrete Hinweise auf deren Vorkommen vorliegen (siehe dazu zuletzt in
Österreich VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008). Nicht erreicht man hingegen alle
Bodenflächen, auf denen zwar Bodendenkmale vorkommen könnten, aber von denen
noch keine konkreten Hinweise bekannt sind, dass auch tatsächlich Bodendenkmale
auf ihnen vorkommen; wenigstens solange der Planende mit seinen Handlungen
keine „Entdeckungsabsicht“ verfolgt. Das bedeutet wiederum, dass jeder
wenigstens auf etwa 99% der jeweiligen Landesfläche ungeniert aus jedem anderen
Grund als zum Zweck Bodendenkmale zu entdecken beliebige Löcher graben darf;
auch wenn an Ort und Stelle tatsächlich Bodendenkmale vorhanden sind.[4]
Umgekehrt ist es im
letztgenannten Fall – der rein objektiven Anknüpfungstatbestände des DSchG-SH –
so, dass jeder ohnehin stets alle jene Handlungen setzen darf, die das Gesetz
nicht explizit einer Genehmigungspflicht unterwirft. Nachdem gem. § 12 Abs. 2
DSchG-SH aber nur die Anwendung archäologischer Methoden und alle
Nachforschungen, Erdarbeiten oder Bergungen unter Wasser an Stellen, von denen
bekannt oder den Umständen nach zu vermuten ist, dass sich dort Kulturdenkmale befinden,
sowie das Verwenden von Mess- und Suchgeräten, die geeignet sind,
Kulturdenkmale aufzufinden, der denkmalrechtlichen NFG-Pflicht unterliegen,
sind die sonstigen Grabungsarbeiten (w.o.) ebenfalls nicht von einer NFG-Pflicht
betroffen. Im Endeffekt wird also dadurch auch nicht mehr als das Ergebnis
erzielt, dass nur dort nicht gegraben werden darf, wo man aufgrund bereits
bekannter, konkreter Hinweise annehmen muss, dass bedeutende Denkmale
vorkommen. Das schließt also ebenso etwa 99% der Landesfläche aus, auf denen
jeder dann nach Herzenslust graben darf, warum auch immer er will, ohne einer
denkmalrechtlichen NFG zu bedürfen; und zwar sogar dann nicht, wenn er bei
diesen Grabungen Bodendenkmale zu entdecken bezweckt.
Letztendlich bleibt es
sich daher weitgehend gleich, wie man es dreht und wendet: fast jeder darf aus
fast jedem beliebigen Grund nahezu überall graben, wie es ihm gefällt, ohne
einer denkmalrechtlichen Genehmigung dafür zu bedürfen oder auch nur
archäologisch sachgerecht graben können zu müssen, auch dort nicht, wo
archäologische Denkmale im Boden vorkommen, solange deren Vorkommen dort noch
weitgehend oder völlig unbekannt ist. Nur wo bereits aufgrund konkreter
Hinweise mit dem Vorkommen von Bodendenkmalen gerechnet werden muss, besteht
auch ein (mehr oder minder ernsthafter) Schutz durch die Denkmalschutzgesetze;
weil Denkmalschutzgesetze dienen letztendlich eben immer nur dem
(verhältnismäßigen) Schutz der Denkmale, nicht dem Verbot von Grabungen oder
Nachforschungen oder beliebiger anderen Handlungen an Orten, von denen noch
überhaupt nichts bekannt ist, das es vor all diesen Handlungen zu schützen gilt.
Auch das mag den
Denkmalbehörden (und mir) nicht gefallen, aber auch das ist – wenigstens
derzeit – rechtlich so, ob es uns nun gefällt oder nicht.
Graben sollen
Die eigentlich aus
denkmalpflegerischer Sicht wichtige Frage ist die, ob jemand, der irgendwo
graben will, dort auch graben soll; oder nicht vielmehr besser das Graben dort
(oder sogar überall) unterlassen soll. Diese Frage lässt sich dabei aus
denkmalpflegerischer Sicht aus (wenigstens) zwei grundlegend unterschiedlichen
Perspektiven betrachten, die ich – grob vereinfachend – als
„Qualitätssicherungs-“ und als „Präventionsperspektive“ bezeichnen werde.
Vorauszuschicken ist hierbei, dass ich grundsätzlich der Ansicht bin, dass es
aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht stets wenigstens wünschenswert,
wenn nicht sogar erforderlich ist, möglichst viel des vermeidbaren Schadens zu
verhindern, der noch in situ befindlichen Bodendenkmalen durch Grabungen (bzw.
sonstige Arten von Nachforschungen) oder auch deren Unterlassung entstehen kann
(siehe in diesem Sinn auch schon „Against retention in situ“).
Graben sollen aus Qualitätssicherungsperspektive
Betrachtet man die
Frage, wie archäologisch gegraben
(bzw. sonstwie nachgeforscht) werden soll, aus der
Qualitätssicherungsperspektive, ist die archäologisch-denkmalpflegerisch
wünschenswerte (bzw. sogar erforderliche) Antwort selbstverständlich: ausreichend
sachgerecht. Wer nicht kompetent dafür ist, archäologisch sachgerecht zu
graben, soll das Graben also lassen.
Dies ist auch die
Perspektive, aus der – meiner Wahrnehmung nach – die überwiegende Mehrheit der
deutschsprachigen archäologisch-denkmalpflegerischen Fachwelt die Frage
betrachtet, wer graben (dürfen) soll. Es ist auch die, die Davydov (2017)
einnimmt, wenn er danach fragt, ob jeder graben kann; und die Perspektive, die
jene Gesetzgeber eingenommen haben, die den subjektiven Anknüpfungstatbestand
der „archäologischen Entdeckungsabsicht“ zum Auslöser der denkmalrechtlichen
NFG-Pflicht gemacht haben.
Offensichtlicher Zweck
derartiger Schutzbestimmungen ist also die Abwehr von den Bodendenkmalen durch
nicht sachgerecht (d.h. „inkompetent“) durchgeführte archäologische Grabungen
oder sonstige Nachforschungen drohenden Gefahren. Das gesetzliche Mittel, um
diese Sachgerechtigkeit möglichst zu erreichen, ist die der Grabung (bzw.
sonstigen Nachforschung) vorgelagerte Überprüfung der Kompetenz dessen, der sie
durchführen möchte.
Die
Qualitätssicherungsperspektive verknüpft also – mittelbar über die Beantwortung
der Frage „Wie soll archäologisch gegraben werden?“ mit „Nur sachgerecht“ – das
„archäologisch graben dürfen“ mit dem „archäologisch graben können“.
Graben sollen aus Präventionsperspektive
Betrachtet man
hingegen die Frage, was
archäologisch ausgegraben (bzw. erforscht) werden soll, aus der
Präventionsperspektive, ist die archäologisch-denkmalpflegerisch wünschenswerte
(bzw. sogar erforderliche) Antwort ebenso selbstverständlich: (nur) das, was (archäologisch)
notwendig ist. Das, dessen Ausgrabung nicht erforderlich ist, soll hingegen
nicht archäologisch ausgegraben bzw. erforscht werden.
Dies ist auch die
Perspektive, aus der – neuerlich meiner Wahrnehmung nach – die überwiegende
Mehrheit der deutschsprachigen archäologisch-denkmalpflegerischen Fachwelt die
Frage betrachtet, wo gegraben werden soll. Es ist auch die, die Davydov (2017,
2-3) einnimmt, wenn er argumentiert, dass sowohl internationale Konventionen,
Ethikkodizes als auch nationale Regelungen eine klare Präferenz für die
unveränderte Erhaltung von Bodendenkmalen in situ zum Ausdruck bringen. Es ist
schließlich auch jene Perspektive, die der Gesetzgeber in Schleswig-Holstein
eingenommen hat, als er rein objektive Anknüpfungstatbestände zu den Auslösern
der denkmalrechtlichen NFG-Pflicht gemacht hat.
Im Vergleich zur
Qualitätssicherungs- wird bei der Präventionsperspektive die Sachlage dadurch
zusätzlich verkompliziert, dass es eigentlich nicht um die Abwehr von den
Bodendenkmalen spezifisch durch archäologische Grabungen und sonstige
Nachforschungen geht, sondern um die Abwehr aller (vermeidbaren) Gefahren für
Bodendenkmale. Zwar ist auch hier das gesetzliche Mittel, mit dem dieses Ziel
erreicht werden soll, eine der Grabung vorgelagerte Überprüfung, allerdings
nicht (zumindest nicht primär) eine der Kompetenz dessen, der sie durchführen
möchte, sondern ihrer Notwendigkeit. Die Frage, ob eine archäologische Grabung
bzw. sonstige Nachforschung notwendig ist, ist aber weit schwieriger zu
beantworten als die, ob der, der sie durchführen will, zu ihrer sachgerechten
Durchführung kompetent ist.
Daher ist hier zuerst
einmal zu ermitteln, ob die Erhaltung der am Ort der geplanten Grabung bzw.
sonstigen Nachforschung allfällig vorhandenen Bodendenkmale in situ
gewährleistet werden kann oder diese dort (mehr oder minder akut) durch andere Faktoren als die
vorgeschlagene Grabung mit
Zerstörung oder maßgeblicher Veränderung bedroht sind. Das setzt natürlich
eigentlich voraus, dass an diesem Ort tatsächlich Bodendenkmale vorkommen und sowohl
ihr Vorkommen an diesem Ort als auch ihnen dort drohende Gefahren bereits
bekannt sind. Ist die unveränderte Erhaltung dieser tatsächlich vorkommenden
Bodendenkmale in situ akut oder auch nur langfristig gefährdet, sollen diese
selbstverständlich (möglichst sachgerecht) ausgegraben werden (aber siehe dazu
auch schon „Against retention in situ“: besteht eine akute Gefährdung eines
Bodendenkmals in situ und seine gänzlich sachgerechte Ausgrabung ist nicht
möglich, ist seine unsachgemäße Bergung ex situ immer noch seiner vollständigen
Zerstörung in situ vorzuziehen).
Ist die unveränderte
Erhaltung des Bodendenkmals in situ nicht akut gefährdet, ist als Zweites zu
ermitteln, ob seine geplante Ausgrabung bzw. Untersuchung aus
wissenschaftlicher Sicht notwendig ist; d.h. ob das öffentliche Interesse an
der Erhaltung des betroffenen Bodendenkmals das wissenschaftliche Interesse an
seiner Ausgrabung überwiegt oder umgekehrt. Überwiegt Letzteres, soll das
betroffene Bodendenkmal selbstverständlich (neuerlich möglichst sachgerecht)
ausgegraben werden (wobei aber auch hier gilt, dass, falls der auch bei
unsachgemäßer Ausgrabung oder Erforschung zu erwartende wissenschaftliche
Erkenntnisgewinn das öffentliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen
Bodendenkmals überwiegt, auch seine unsachgemäße Bergung ex situ seiner
unveränderten Erhaltung in situ vorzuziehen ist).
Ist die Ausgrabung
oder sonstige Erforschung des Denkmals aus dem ersten oder zweiten genannten
Grund notwendig, ist erst als Drittes und nur erforderlichenfalls zu ermitteln,
ob der die Ausgrabung bzw. Erforschung des betroffenen Bodendenkmals Planende
zu ihrer ausreichend sachgerechten
Durchführung kompetent ist. Dabei ist besonders auf das Wort "ausreichend"
zu achten: ist das betroffene Bodendenkmal in situ akut durch vollständige
Zerstörung bedroht, kann schon allein die (minimale) Kompetenz ausreichend sein,
seine beweglichen Bestandteile vor deren Zerstörung in situ physisch dem Boden
zu entreißen, um dem Kriterium der Sachgerechtigkeit zu genügen. Schließlich
ist es immer noch sachgerechter, die beweglichen Bestandteile des Bodendenkmals
eher schlecht als recht zu retten, als das Bodendenkmal in seiner Gesamtheit
samt aller seiner beweglichen Bestandteile der vollständigen Zerstörung in situ
anheimfallen zu lassen.
Die
„Präventionsperspektive“ verknüpft also – mittelbar über die Beantwortung der
Frage „Was soll archäologisch gegraben werden?“ mit „Nur was notwendig ist“ –
das „archäologisch graben dürfen“ mit dem „archäologisch graben können“;
allerdings auf ganz andere Art und Weise als die
Qualitätssicherungsperspektive.
Probleme der Verknüpfung von können, dürfen und sollen
Das Problem mit der
Verknüpfung von können, dürfen und sollen ist, dass beide soeben besprochenen
Perspektiven in der Praxis und rechtlich nicht so funktionieren können, wie das
die archäologische Denkmalpflege gerne hätte, und sie auch miteinander
inkommensurabel sind.
Denn die
Qualitätssicherungsperspektive betrachtet die Sachlage letztendlich aus Sicht
eines konkret von („archäologischen“) Grabungen betroffenen und dadurch in situ
gefährdeten Bodendenkmals, während sie alle anderen („äußeren“) Umstände
gänzlich ignoriert. Sie geht sozusagen von einem imaginären Bodendenkmal aus,
das – rein hypothetisch – überall vorkommen könnte; und tut dann auch so, als
ob die tatsächliche Existenz dieses hypothetischen Bodendenkmals bis zum Beweis
des Gegenteils überall angenommen werden könnte und müsste. Diese Sichtweise
ist aber vollkommen unrealistisch und daher nicht zulässig.
Denn die gleichen
Gefahren für die unveränderte Erhaltung des betroffenen hypothetischen
Bodendenkmals gehen – wenn man die Sachlage aus der Sicht des betroffenen
Bodendenkmals betrachtet – selbstverständlich nicht nur von Grabungen mit
archäologischer Entdeckungsabsicht, sondern von allen bodenverändernden
Handlungen am Ort, an dem es sich tatsächlich befindet, aus; also auch von
Gartenarbeiten, Feld- und Waldarbeiten, Bauarbeiten, etc. Damit müsste man
rechtlich, um nicht den Gleichheitssatz der Verfassung zu verletzen, alle
Arbeiten, die ein – dort wo sie stattfinden sollen – rein hypothetisch
vorkommen könnendes Bodendenkmal ebenso rein hypothetisch gefährden könnten, gleichermaßen
der gleichen archäologischen Qualitätssicherung unterwerfen wie
„archäologische“ Grabungen und sonstige Nachforschungen; weil sonst behandelt
man sachlich Gleiches rechtlich ungleich. Oder anders gesagt: man müsste die
denkmalrechtlichen NFG-Pflichten auch auf das Einsetzen von Tulpenzwiebeln im
eigenen Garten ausdehnen, um sicherzustellen, dass diese Arbeiten – für den
Fall, dass dabei das hypothetische Bodendenkmal der
Qualitätssicherungsperspektive tatsächlich entdeckt wird – nur von Personen mit
ausreichender archäologischer Grabungskompetenz durchgeführt werden. Das geht
natürlich nicht, denn dadurch würde die moderne Bodennutzung praktisch gänzlich
unmöglich gemacht.
Um also die
Qualitätssicherungsperspektive rechtlich überhaupt rechtfertigen zu können,
muss man argumentieren, dass von „archäologischen“ Grabungen und sonstigen
Nachforschungen eine „besondere“ Gefahr für die Erhaltung der Bodendenkmale
ausgeht; d.h. ihre unsachgemäße Veränderung bzw. Zerstörungen bei
„archäologischen“ Feldforschungsmaßnahmen weitaus wahrscheinlicher ist als
durch andere Gefahrenquellen. Denn nur das bietet einen sachlichen
Unterscheidungsgrund zwischen „archäologischen“ und sonstigen Grabungen (und
Nachforschungen); und eine solche sachliche Unterscheidung ist notwendig, um nicht
den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung zu verletzen.
Alle Erdarbeiten, egal
aus welchem Zweck sie durchgeführt werden, einer denkmalrechtlichen NFG-Pflicht
zu unterwerfen, geht daher nur mittels der Präventionsperspektive; die eben
alle (vermeidbaren) Gefahren für Bodendenkmale gleichermaßen abzuwehren
versucht, nicht nur jene, die von „archäologischen“ Grabungen und
Nachforschungen mit Entdeckungszweck ausgehen. Die Präventionsperspektive setzt
aber zwingend voraus, dass das von beliebigen möglichen Gefahren betroffene
Bodendenkmal tatsächlich real existiert und auch bereits tatsächlich bekannt
ist; denn ist es das nicht, kann nicht beurteilt werden, ob seine
„archäologische Ausgrabung“ notwendig ist und welche Mindestkompetenz der, der
es ausgraben will, nachweisen können muss, um die von ihm geplanten
Grabungsarbeiten auch durchführen zu dürfen.
Die
Präventionsperspektive betrachtet also die Sachlage letztendlich aus Sicht der
(„äußeren“) Umstände, die ein real vorhandenes Bodendenkmal gefährden, während
sie hypothetisch überall vorkommen könnende Bodendenkmale völlig ignoriert.
Denn Bodendenkmale können zwar rein hypothetisch überall vorkommen, kommen aber
tatsächlich an kaum einem beliebigen Ort vor. Selbst bei der großräumigeren
Betrachtung bekanntermaßen fund- und befundträchtiger Fundorte kommen selten
auf mehr als 10% der Bodenfläche dieser Fundstellen tatsächlich Bodendenkmale
vor; dazwischen in der Regel auf deutlich weniger als 1% aller beliebigen Orte,
normalerweise sogar auf deutlich weniger als 0,1%.
Man kann daher aus der
Präventationsperspektive nicht alle Erdarbeiten (und auch nicht alle
Nachforschungen), egal wo im Land sie stattfinden und egal wie wenig sie den
Boden verändern, einer denkmalrechtlichen NFG-Pflicht unterwerfen. Denn das
würde zum einen ebenso die ganz normale, alltägliche Bodennutzung praktisch
unmöglich machen – Bauern dürften ihre Felder nicht mehr pflügen oder düngen,
und niemand Tulpenzwiebeln in seinem Garten einsetzen, ohne zuvor eine
archäologische NFG erteilt bekommen zu haben – und noch dazu einen absolut
seltenen Ausnahme- zum Regelfall erheben, während der tatsächliche Regelfall
vollständig ignoriert würde. Das ist aber sowohl sachlich als auch rechtlich bei
der in diesem Fall erforderlichen Durchschnittsfallbetrachtung[5]
unzulässig, weil vom eine Handlung Planenden nicht erwartet werden kann und
darf, dass er seine geplanten Handlungen ausschließlich deshalb unterlässt,
weil bei ihrer Durchführung vollkommen unvorhersehbarerweise in extrem seltenen
Ausnahmefällen unbeabsichtigt Schaden an noch gänzlich unbekannten Bodendenkmalen
entstehen könnte, die aller Wahrscheinlichkeit nach am geplanten Handlungsort
tatsächlich gar nicht vorkommen.
Darüber hinaus kann
man alle Erdarbeiten, die Bodendenkmale gefährden könnten, nur dann der
gleichen denkmalrechtlichen Genehmigungspflicht unterwerfen, wenn sich „archäologische“
Grabungen bzw. Nachforschungen und Erdarbeiten zu anderen als
Entdeckungszwecken nicht maßgeblich in Bezug auf die von ihnen ausgehenden
Gefahren für Bodendenkmale unterscheiden; d.h. von „archäologischen“
Feldforschungsmaßnahmen gerade keine „besondere“ Gefahr für die Erhaltung der
Bodendenkmale ausgeht. Denn der Gleichheitsgrundsatz der Verfassung verbietet
dem Gesetzgeber schließlich auch, Ungleiches gleich zu behandeln, nicht nur
Gleiches ungleich zu behandeln.
Damit schließen sich
aber auch notwendigerweise die Qualitätssicherungs- und die
Präventionsperspektive gegenseitig aus; d.h. man kann sie auch nicht kombiniert
miteinander zur Anwendung bringen. Denn dazu müsste man argumentieren, dass die
„archäologischen“ Grabungen (und sonstigen Nachforschungen) ausgehende Gefahr
für die Erhaltung von Bodendenkmalen gleichzeitig maßgeblich anders als und
gleich wie die dafür von Erdarbeiten zu anderen Zwecken ausgehende Gefahr ist.
Dies ist jedoch ein unhaltbarer Selbstwiderspruch.
Wenn überhaupt – und
selbst das ist diskutierbar – ist damit eine archäologische NFG-Pflicht nur entweder für Grabungen und sonstige
Nachforschungen mit archäologischer Entdeckungsabsicht oder auf Bodenflächen, auf denen bereits bekanntermaßen mit dem
deutlich gehäuften Vorkommen von tatsächlich schützenswerten Bodendenkmalen zu
rechnen ist, verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Selbst Letztere ist aber
nur dann gerechtfertigt, wenn dort gleichermaßen alle anderen Handlungen, die
die ungestörte Erhaltung von tatsächlich in situ vorkommenden Bodendenkmalen
gefährden, derselben denkmalrechtlichen NFG-Pflicht unterworfen sind, wie das
z.B. in Art. 7 des bayerischen DSchG vorgesehen ist.
Zusätzliche Probleme der Qualitätssicherungsperspektive
Allgemeine (d.h.
überall unbeachtlich der Frage, ob am Ort der geplanten Nachforschung
schützenswerte Denkmale überhaupt tatsächlich vorkommen) denkmalrechtliche
NFG-Pflichten aus Qualitätssicherungsgründen sind darüber hinaus auch ganz
generell verfassungsrechtlich bedenklich. Nicht nur greifen sie zur Abwendung
einer meist rein hypothetischen Gefahr massiv in die Forschungsfreiheit ein,
ohne dass in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle überhaupt tatsächlich ein
rechtliches Schutzgut existiert (geschweige denn bekanntermaßen existiert), zu
dessen Schutz dieser Eingriff notwendig wäre. Sondern eine wissenschaftliche
Qualitätskontrolle durch den Staat, die auch die Methodenwahl des Forschers
beschränkt, greift auch in den Kern der Wissenschaftsfreiheit ein: ihre
Eigengesetzlichkeit (Krischok 2016, 136-137).
Derartige, massive
Eingriffe in den inhaltlichen Kernbereich verfassungsgesetzlich geschützter
Grund- und Menschenrechte sind jedoch überhaupt nur zulässig, wenn von der
uneingeschränkten Ausübung dieser Grundrechte eine ernsthafte Gefährdung für
grundlegende Rechtsgüter ausgeht (Berka 1999, 346). Gerade diese ernsthafte
Gefährdung grundlegender Rechtsgüter fehlt jedoch bei allgemeinen – d.h.
überall im Land unabhängig von der Frage, ob vom geplanten Nachforschungsort
bereits irgendwelche Hinweise auf das tatsächliche Vorkommen irgendwelcher
Bodendenkmale bekannt sind – NFG-Pflichten: schließlich ist die
Wahrscheinlichkeit, dass an jedem beliebigen Ort, von dem noch keinerlei
konkrete Hinweise darauf bekannt sind, tatsächlich ein unbekanntes, aber
schutzwürdiges Bodendenkmal vorkommt, verschwindend gering. Kommt aber aller
Wahrscheinlichkeit nach am Ort der geplanten Nachforschung kein schutzwürdiges
Bodendenkmal vor, gibt es überhaupt kein verfassungsgesetzlich geschütztes
Rechtsgut, das durch die geplante Nachforschung gefährdet werden könnte;
geschweige denn, dass ein solches durch die geplanten Nachforschungen ernsthaft
gefährdet werden würde.
Damit fällt aber
jedwede verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Beschränkung der
Forschungsfreiheit weg: aus rechtlicher Sicht genügt es sicherlich nicht, dass
ein hypothetisch am Ort der geplanten Nachforschung existieren könnendes, aber
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht existierendes, verfassungsrechtlich
geschütztes Rechtsgut durch die Durchführung dieser Nachforschung
möglicherweise ernsthaft gefährdet werden könnte, um die Forschungsfreiheit
auch nur einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, geschweige denn einem
repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu unterwerfen. Vielmehr bedarf es
dafür zumindest eines begründeten Verdachtes, wenn nicht sogar der
Wahrscheinlichkeit, dass am Ort der geplanten Untersuchung tatsächlich ein
verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut existiert, das auch tatsächlich
durch ihre Durchführung ernsthaft gefährdet werden dürfte, um auch nur ein
präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt verhältnismäßig erscheinen zu lassen.
Darüber hinaus stellt
sich generell die Frage, ob die wissenschaftliche Qualitätssicherung – auch und
insbesondere in der archäologischen Feldforschung – überhaupt eine Aufgabe des
Staates sein kann und sein darf. Denn gerade die wissenschaftliche
Qualitätssicherung macht ihrerseits einen der, wenn nicht sogar den
zentralsten, Kernbereich der Eigengesetzlichkeit der Wissenschaftsfreiheit aus:
nicht nur ist es, wie Krischok (2016, 136) ausdrückt, „mit der Wissenschaftsfreiheit nicht zu vereinen, dass eine Behörde
darüber entscheiden soll, wann die Zeit (bzw. die Wissenschaft) bereit ist, für
neue Erkenntnisse“, sondern noch viel weniger, dass eine staatliche Behörde
darüber entscheiden soll, welche wissenschaftlichen Methoden, Erkenntnisse oder
Meinungen von ausreichender Qualität sind um zulässig zu sein.
Gerade die deutsche
Archäologie hat mit einer derartigen Einmischung des Staates in die
archäologische Wissenschaftsfreiheit während des Dritten Reichs so negative
Erfahrungen gemacht, dass man meinen sollte, dass die Bedeutung der
Wissenschaftsfreiheit in unserem und für unser Fach besonders hoch bewertet
werden sollte. Wie es der damalige Kulturstaatsminister im Grußwort zum
Ausstellungskatalog „Graben für
Germanien“ ausgedrückt hat: „Diese [Ausstellung] leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung des
dunkelsten Kapitels unserer Geschichte und verdeutlicht darüber hinaus den
hohen Stellenwert der im Grundgesetz festgeschriebenen Freiheit der
Wissenschaft und Forschung…“ (Neumann 2013).
Nur um
Missverständnisse von vornherein auszuschließen: auch ich bin für
wissenschaftliche Qualitätssicherung, auch und insbesondere in der Archäologie;
und selbstverständlich auch für den bestmöglichen Schutz der Denkmale, nicht
zuletzt als Quellen der archäologischen Wissenschaft. Doch die – aus
archäologischer Sicht absolut notwendige – archäologische Qualitätssicherung
und Quellenerhaltung rechtfertigen nicht die massive Beschränkung, ja teilweise
sogar nahvollständige Aufhebung ganz essentieller wissenschaftlicher und kultureller
Grund- und Menschenrechte auf Basis des bloßen, unbegründeten Verdachts, dass
schließlich „überall“ noch gänzlich unbekannte Bodendenkmale vorkommen könnten,
die es im angeblichen „Interesse aller“,
aber entgegen den deklarierten Interessen vieler, „vor dem Zugriffen aller“ (Lüth 2006, 102) zu schützen gelte; ganz zu schweigen von einer totalen
Kontrolle der archäologischen Feldforschung durch
staatliche Behörden.
Wo es einen
vernünftigen Grund zur Annahme gibt, dass dort so besonders bedeutende Bodendenkmale
vorkommen, dass ihr Verlust bzw. unsachgemäße Ausgrabung die archäologischen
Erkenntnismöglichkeiten ernsthaft schädigen würde, sind Beschränkungen –
erforderlichenfalls auch massive Beschränkungen – der Wissenschafts- und
Kulturfreiheit durchaus vertretbar und auch sowohl erforderlich als auch
verhältnismäßig. Wo jeder vernünftige Grund für diese Annahme fehlt, sind sie
es hingegen nicht.
Zwischenergebnis
Auch wenn es natürlich
aus archäologischer und denkmalpflegerischer Sicht absolut wünschenswert wäre,
wenn alle Bodendenkmale, die es tatsächlich – auch wenn sie noch gänzlich
unbekannt sind – im Boden gibt, stets nur von ausreichend kompetenten Personen
möglichst sachgerecht ausgegraben würden, sind gesetzliche NFG-Pflichten weder
geeignet noch erforderlich, um dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen oder
ihm auch nur maßgeblich näherzukommen; und auch nicht mit den dadurch
vorgenommenen Beschränkungen hochrangiger verfassungsrechtlicher Schutzgüter
verhältnismäßig. So wünschenswert archäologische Qualitätssicherung im Fall der
Ausgrabung jedes Bodendenkmals auch ist: auf gesetzlichen Weg ist sie durch
NFG-Pflichten nur für bereits bekannte, tatsächlich „besonders“ bedeutende,
Bodendenkmale erreichbar.
Denn nur dort, wo
bereits bekanntermaßen bedeutende Bodendenkmale tatsächlich vorkommen oder
wenigstens aller Wahrscheinlichkeit nach vorkommen dürften, liegen hinreichende
Gründe (d.h. insbesondere verfassungsgesetzlich geschützte Rechtsgüter) vor,
die eine Beschränkung der Wissenschafts- und Kulturfreiheit überhaupt im
verfassungsrechtlichen Sinn zu rechtfertigen geeignet sind. Überall sonst
hingegen fehlt dem Staat der notwendige Grund, diese vorbehaltlos garantierten
Grund- und Menschenrechte überhaupt – und zwar auch nur irgendwie – zu beschränken.
Daraus folgt, entgegen
der von Davydov gezogenen Schlussfolgerung, „dass
– den wissenschaftlichen Charakter einer […] Nachforschung einmal unterstellt –“, dass nicht bei jeder
archäologischen Nachforschung „stets eine
Abwägung der Wissenschaftsfreiheit mit dem verfassungsrechtlichen Staatsziel
(Boden-) Denkmalschutz zu erfolgen“ (Davydov 2017, 9) hat. Vielmehr wird
diese Abwägung überhaupt erst dann erforderlich und überhaupt erst dann rechtlich
zulässig, wenn ein konkreter Hinweis darauf vorliegt, dass dort, wo eine
archäologische Nachforschung (bzw. Grabung) durchgeführt werden soll, auch
tatsächlich durch sie eine ernsthafte Gefährdung eines tatsächlich dort
vorkommenden Bodendenkmals wenigstens wahrscheinlich ist (in diesem Sinn auch
für Österreich VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008). Überall sonst muss die freie Wahl des
Wissenschafters über die Wahl seiner Forschungsgegenstände und -methoden vom
Staat unbeschränkt bleiben und darf auch keiner behördlichen
Genehmigungspflicht unterworfen werden (Berka 1999, 344).
Insbesondere die
archäologische Qualitätssicherung bleibt somit abseits bereits bekannter
Fundstellen bedeutender Bodendenkmale „ein
wissenschaftsethisches Problem, das jeder Wissenschafter für sich entscheiden
muss“ (Krischok 2016, 137). Oder anders gesagt: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ (Art. 5
Abs. 3 GG) und – neuerlich entgegen Davydovs Ansicht –
auch tatsächlich Jedermann berechtigt, überall dort „ohne staatliche Überwachung Nachforschungen oder Ausgrabungen
durchzuführen“ (Davydov 2017, 3), von wo noch keine bedeutenden
Bodendenkmale öffentlich bekannt sind.
Schlussfolgerungen: Jeder darf graben!
Aus dem oben Gesagten
folgt, dass Davydovs (2017, 1) Frage „Jeder
kann graben?“ die falsche Frage oder wenigstens eine falsch gestellte Frage
ist. Denn gerade im Kontext einer Diskussion über die bürgerliche bzw.
zivilgesellschaftliche Partizipation in und an der archäologischen
Denkmalpflege ist – wenigstens vorerst einmal – einzig die Frage „Jeder darf
graben?“ relevant.
Die Antwort auf diese
– vorerst – einzig wirklich relevante Frage ist dabei – so unangenehm uns
ArchäologInnen und DenkmalpflegerInnen, inklusive mir, das auch sein mag – ist prinzipiell
einmal „Ja, aber…“. Dieses „Ja“ ist also keineswegs völlig vorbehaltlos und
uneingeschränkt, sondern beschränkt auf „… nur wo noch keine konkreten Hinweise
auf das tatsächliche Vorkommen bedeutender Bodendenkmale vorliegen“. Es darf
also nicht jeder überall graben, wie es ihm gefällt, sondern jeder muss sich
bei der Ausübung seiner Grabungs- und Nachforschungsrechte gewisse, vernünftig
und sachlich begründete und verhältnismäßige Einschränkungen gefallen lassen.
Dennoch ist das Recht,
aus beliebigen Gründen – inklusive dem, Bodendenkmale entdecken zu wollen – zu graben
(oder mit anderen Methoden zu forschen), bei weitem nicht so eng beschränkt,
wie es Davydov (2017) darstellt; und kann auch nicht derart eng beschränkt
werden, wie Davydov und die archäologische und denkmalpflegerische Fachgemeinschaft
das gerne hätten. Denn dem Staatsziel des Denkmalschutzes – wo dieses überhaupt
wirklich existiert – stehen in der Regel mit deutlich höherem Gewicht die
völker- und verfassungsrechtlich geschützten Grund- und Menschenrechte der
selbstbestimmten Forschungs- und Kulturteilhabefreiheit entgegen.
Dass diese Rechte die
höheren Rechtsgüter sind, geht dabei nicht nur aus ihrer Gewährleistung in den
höchstrangigen völker-, national- und landesgesetzlichen Rechtsquellen hervor,
die sie generell vorbehaltlos allen Menschen gleichermaßen garantieren; sondern
auch daraus, dass die Gewährleistung der Grund- und Menschenrechte ein
zentraler Aspekt des Rechtsstaatlichkeitsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG des deutschen und des Art. 18 Abs. 1 B-VG und der grundsätzlichen Grund- und
Menschenrechtsbindung des österreichischen Rechts (Parlament o.J.) und somit
eine zentrale Grundlage unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung ist. Es folgt
auch daraus, dass selbst das Kulturstaatlichkeitsprinzip, soweit man ein
solches in den jeweiligen Verfassungen des deutschen und österreichischen
Bundes und der deutschen Länder findet bzw. als implizite Staatszielbestimmung
unterstellen kann, das letztendlich primär aus der Wissenschafts- und
Kulturfreiheit abgeleitet wird (Krischok 2016, 134), daher diesen Rechten
dient, nicht sie beschränken soll. Dass eine aus dem allgemeinen
Kulturstaatlichkeitsprinzip abgeleitete und somit subalterne
Staatszielbestimmung wie die des Denkmalschutzes das höherrangige Rechtsgut
sein sollte als die das Kulturstaatlichkeitsprinzip begründenden Grund- und
Menschenrechte, erscheint daher nachgerade absurd. Es folgt schließlich auch –
und zwar keineswegs zuletzt – aus dem Zweck des Denkmalschutzes selbst: der
Denkmalschutz ist schließlich kein Selbstzweck, sondern dient seinerseits
primär der möglichst freien und selbstbestimmten Entfaltung des kulturellen
Lebens der Gemeinschaft und der Förderung der freien Wissenschaft.
Daraus folgt zwingend,
dass die bürgerlichen Partizipationsrechte am kulturellen Leben der
Gemeinschaft und an der wissenschaftlichen Forschung und deren Errungenschaften
das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Denkmale in der Regel überwiegen
und nur in konkret begründeten Einzelfällen aufgrund dieses öffentlichen Interesses
beschränkt werden können. Sie können daher auch nur dann beschränkt werden,
wenn dafür ein konkreter Grund in Form eines tatsächlich existierenden,
schützenswerten Rechtsguts vorliegt; nicht bloß auf Basis eines unbegründeten
Verdachts, dass hypothetisch überall geschützte Rechtsgüter vorkommen könnten,
auch wenn sie tatsächlich fast überall fehlen.
Das Grund- und
Menschenrecht auf – ob wissenschaftliche oder kulturelle – Beteiligung am
kulturellen Erbe, inklusive des noch unbekannten archäologischen Erbes, stellt
gleichzeitig – als der zweiten Generation der Menschenrechte angehörendes Recht – auch ein Anspruchsrecht dar, das der Staat und selbstverständlich
insbesondere seine Denkmalbehörden auch so weit als möglich zu gewährleisten
und zu fördern haben. „Die Grenze einer
sinnvollen Partizipation“ wird also nicht, wie Davydov (2017, 11) das
meint, dort überschritten, „wo durch die
mit der Einbindung Privater verbundene Entlastung der Denkmalbehörde in eine
Belastung umschlägt, weil ein Ausbildungs- und Betreuungsaufwand generiert
wird, der zu ihrer primären Aufgabe – für eine „geordnete und wissenschaftlich
fundierte“ Bodendenkmalpflege zu sorgen – in keinem vernünftigen Verhältnis
mehr steht“. Die bürgerlichen Partizipationsrechte gehen vielmehr weitaus
weiter und verpflichten die Denkmalbehörden dazu, wo und wie auch immer es
ihnen möglich ist, die archäologische Bürgerbeteiligung zu gewährleisten und
sogar aktiv zu fördern; auch wenn das die Behörde be- und nicht entlastet.
Ist eine
Denkmalbehörde also der Ansicht, dass zur Ermöglichung eines bürgerlichen
Engagements in der archäologischen Denkmalpflege sowohl eine bestimmte
Ausbildung als auch eine bestimmte (Art oder Menge) von fachlicher Betreuung
erforderlich ist, hat sie diese auch – und zwar, selbstverständlich im Rahmen
ihrer finanziellen Möglichkeiten, in ausreichender Menge – zur Verfügung zu
stellen. Fehlen ihr die ausreichenden Mittel dazu, hat sie diese entweder durch
eine entsprechende Änderung finanzieller Prioritätensetzungen zu finden oder –
sollte das nicht ausreichen – die Bereitstellung zusätzlicher Mittel von den
ihr vorgesetzten Stellen bzw. der Politik mit dem entsprechenden Nachdruck
einzufordern.
Es ist nämlich nicht
die Aufgabe der BürgerInnen, den Denkmalen, der Denkmalbehörde oder auch nur
dem Staat zu dienen; sondern die Aufgabe der Denkmale, der Denkmalbehörden und
des Staates, den BürgerInnen zu dienen (dafür werden sie alle – über eingehobene
Steuern – ja auch bezahlt). Bürgerbeteiligung, und zwar auch solche, die die
Denkmalbehörden belastet, ist keine Gefahr, die die Denkmalbehörden abzuwehren
haben; und die behördliche Bequemlichkeit und Arbeitserleichterung auch kein
völker- und verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut, das es zu bewahren und
zu fördern gilt. Das Grund- und Menschenrecht auf Wissenschaftsfreiheit und
Kulturbeteiligung hingegen schon; ob das den Denkmalbehörden nun gefällt oder
nicht.
Literaturverweise
Bazil, C., Binder-Krieglstein, R., Kraft, N. 2015. Das österreichische Denkmalschutzrecht. 2. Aufl., Wien: Manz.
Berka, W. 1999. Die Grundrechte:
Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich. Wien – New York:
Springer.
Davydov, D. 2017. „Jeder kann graben“? – Archäologisches Erbe im Spannungsfeld zwischen Partizipation
und Gefahrenabwehr.
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[1] In manchen Ländern haben sich Denkmalbehörden dafür sogar – wenigstens
teilweise rechtlich höchst fragwürdige (siehe dazu schon Karl 2011, 110-127) –
Umgehungskonstruktionen geschaffen, um „private Arme“ betreiben zu können, die
zwar am Papier nichts mit der Behörde zu tun haben, aber von ihr dennoch als
Teil ihres Apparats verstanden und verwendet werden (können). Auf diesem Weg
wird – ebenso wie auf anderen, oft ebenso dubiosen oder noch dubioseren Wegen –
wenigstens versucht, die staatliche Planstellenbewirtschaftung irgendwie zu
umgehen (siehe dazu zuletzt für Österreich RH 2017, 70-79, insbesondere 78-79);
wenn nicht sogar womöglich noch Schlimmeres (man denke hier zum Beispiel die
Probleme mit „Kettenverträgen“ in Baden-Württemberg und deren jüngere Folgen).
[2] So z.B. die „Kulturstaatsklauseln“ des Art. 3c Landesverfassung (LV)
Baden-Württemberg; Art. 20 LV Berlin; Art. 11 LV Bremen; Art. 16 LV
Mecklenburg-Vorpommern; Art. 6 LV Niedersachsen; Art. 18 LV
Nordrhein-Westfalen; Art. 40 LV Rheinland-Pflalz; Art. 34 Abs. 1 Saarland; Art.
11 LV Sachsen; Art. 36 LV Sachsen-Anhalt; Art. 13 LV Schleswig-Holstein; und
Art. 30 Abs. 1 LV Thüringen. Ebenso enthalten wenigstens manche – diesem
allgemeinen Kulturstaatsprinzip samt den damit verbundenen Anspruchsrechten der
BürgerInnen auf Teilhabe am kulturellen Leben der Gemeinschaft und zur
möglichst freien kulturellen Selbstverwirklichung selbstverständlich
untergeordneten – „Denkmalschutzklauseln“ mancher Landesverfassungen (so z.B.
Art. 34 LV Brandenburg; Art. 40 LV Rheinland-Pfalz; Art. 34 Abs. 2 LV Saarland;
Art. 30 Abs. 2 LV Thüringen) explizite Teilhabe- und Zugangsrechte der
BürgerInnen an und zu Kulturgütern bzw. Denkmalen. Generell mögen die deutschen
Länder und der österreichische Staat Denkmale durchaus wegen des ihnen
innewohnenden, eigenen Wertes schützen; dieser Wert ist aber selbstverständlich
ihr Wert für und im gegenwärtigen Kulturschaffen und Wissenschaftsbetrieb. Ziel
des Denkmalschutzes ist und kann schließlich nicht die Erhaltung vergangenen
Kulturschaffens auf Kosten des gegenwärtigen Kulturschaffens sein; noch die
Erhaltung der Quellen der zukünftigen wissenschaftlichen Forschung auf Kosten
der gegenwärtigen wissenschaftlichen Forschung. Vielmehr ist letztendliches
Ziel des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege die Förderung des gegenwärtigen
(und damit mittelbar auch des zukünftigen) Kulturschaffens und der
Weiterentwicklung der Wissenschaften; nicht die Herbeiführung eines
Stillstandes in diesen Bereichen bürgerlichen bzw. menschlichen Handelns.
[3] Dies ist nicht einmal in Österreich der Fall,
wo die Möglichkeit zur Erteilung einer Bewilligung gem. § 11 Abs. 1 DMSG laut
Gesetzeswortlaut und zugehörigen Erläuterungen in der Regierungsvorlage (RV
1999, 54) an den Nachweis des Abschlusses eines einschlägigen
Universitätsstudiums (mit „praktischer Ausgrabungstätigkeit“ als „Pflichtfach“)
gebunden ist: schließlich kann der/die AbsolventIn sein/ihr einschlägiges
Universitätsstudium vor 50 Jahren abgeschlossen und das „Pflichtfach“ der
„praktischen Ausgrabungstätigkeit“ mit einem bloßen Genügend bestanden haben,
seither aber an keiner einzigen archäologischen Ausgrabung teilgenommen und
sich auch nicht sonstwie einschlägig fortgebildet haben. Solange er/sie die
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, kann die Grabungsgenehmigung auch trotz
tatsächlich nicht bestehender praktischer Kompetenz des/der Betroffenen erteilt
werden. Dies geschieht zwar in der Regel in der Praxis nicht, rechtlich ist es
aber möglich.
[4] Sofern tatsächlich welche vorhanden sind, sind sie im Falle ihrer
Entdeckung bei der Durchführung der Arbeiten zu anderen als
„Denkmalentdeckungszwecken“ entsprechend der jeweils dafür örtlich geltenden
denkmalrechtlichen Bestimmungen als Zufallsfunde zu betrachten und zu
behandeln.
[5] Die Durchschnittsfallbetrachtung ist in diesem Fall unumgänglich
erforderlich, weil der Einzelfall – das noch unbekannte, aber möglicherweise im
Boden vorkommende Bodendenkmal – überhaupt nicht betrachtet und beurteilt
werden kann: etwas, was noch niemand kennt, kann auch niemand im konkreten
Einzelfall beurteilen, auch nicht eine staatliche Denkmalschutzbehörde. Zur
Einzelfallbetrachtung ist selbstverständlich die tatsächliche Kenntnis des
konkreten Einzelfalls, nicht nur die hypothetische Betrachtung eines
hypothetischen Einzelfalls erforderlich. Kann man nur hypothetische Fälle
betrachten, weil die konkreten Umstände aller konkreten Einzelfälle noch
gänzlich unbekannt sind, muss zwingend auf die Durchschnittsfallbetrachtung
abgestellt werden.
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