Die archäologische
Denkmalpflege und die archäologische Fachwelt rufen gerne im Kontext der
archäologisch-denkmalpflegerischen Probleme mit der „Schatzsuche“ durch Laien
nach schärferen Gesetzen. Zuletzt konnte man z.B. wieder im ORF Vorarlberg
(2018) eine entsprechende Forderung des dortigen Landesarchäologen im Rahmen
der Ankündigung einer Podiumsdiskussion zum Thema lesen. „Ohne schärfere gesetzliche Bestimmungen wird das Problem Raubgräberei
laut Experten immer größer“, wir eindringlich gewarnt und darauf
hingewiesen, dass „In Liechtenstein und
der Schweiz […] rigoros gegen Sondengeher vorgegangen“ werde. „In Österreich und Bayern gibt es gesetzlich
wenig Handhabe gegen Raubgräberei“, fasst der ORF Vorarlberg das
Expertenwissen zum Thema zusammen.
Diese Expertenmeinung
scheint mir doch einigermaßen verwunderlich, denn soweit ich das erkennen kann,
gibt es in Österreich und Bayern durchaus gesetzliche Bestimmungen, die diese
Materie regeln und die „Raubgrabungen“ auch tatsächlich mit – durchaus
empfindlichen – Strafen bedrohen. Noch verwunderlicher scheint mir aber die
Hoffnung darauf, dass wir durch (noch) schärfere Gesetze endlich den von vielen
ArchäologInnen erwünschten Erfolg erzielen werden, die „Raubgrabungen“ effektiv
verhindern zu können. Warum mich das verwundert, werde ich in diesem Beitrag zu
erklären versuchen.
Die Rechtslage in Liechtenstein, Bayern und Österreich
Von den vier im zitierten
Beitrag genannten Ländern werde ich hier nur auf die drei in der Überschrift
genannten Länder etwas genauer eingehen, weil in der Schweiz die Denkmalpflege
in erster Linie eine Aufgabe der Kantone ist, was sie für eine kurze
Besprechung wie die hier geplante ungeeignet erscheinen lässt. Dies sollte aber
insofern kein Problem sein, als schließlich auch Liechtenstein als ein für
Österreich und Bayern „vorbildliches“ Land genannt wird; ein Vergleich zwischen
einer der aus Expertensicht „guten“ und den zwei „schlechten“ Rechtslagen also
auch allein damit möglich ist.
Liechtenstein
In Liechtenstein wird
der archäologische Denkmalschutz seit 1.1.2017 durch das Gesetz vom 9. Juni 2016 über den Schutz, die
Erhaltung und die Pflege von Kulturgütern (Kulturgütergesetz; KGG) geregelt, das das zuvor geltende
Denkmalschutzgesetz abgelöst hat. Im Wesentlichen sind die archäologischen
Schutzbestimmungen des neuen KGG den zuvor geltenden Bestimmungen sehr ähnlich.
Gem. Art. 3 Abs. 1 lit.
a KGG sind „"Kulturgüter":
bewegliche oder unbewegliche Gegenstände, denen aus religiösen oder weltlichen
Gründen ein archäologischer, geschichtlicher, künstlerischer,
architektonischer, wissenschaftlicher, sozialer, technischer oder sonstiger
kultureller Wert zukommt“, wobei gem. lit. h archäologische Kulturgüter „alle beweglichen und unbeweglichen
Überreste, Gegenstände und Bauten sowie alle anderen Spuren menschlichen
Daseins“ sind, „welche Kunde von
Epochen und Kulturen geben, für deren Kenntnis archäologische und
baugeschichtliche Untersuchungen die wichtigste oder eine der wichtigsten
wissenschaftlichen Informationsquellen sind“. Gem. Art. 2 Abs. 1 Z 2 findet
das KGG allerdings nur auf Kulturgüter Anwendung, die von nationaler Bedeutung
sind. Gem. Art. 31 KGG führt das Amt für Kultur ein Kulturgutregister, in das
Kulturgüter im Sinne des Art. 2 Abs. 1 aufzunehmen sind, d.h. jene Kulturgüter,
auf welche die Bestimmungen des KGG anzuwenden sind.
Gem. Art. 13 KGG sind
Funde mutmaßlicher Kulturgüter dem Amt für Kultur umgehend zu melden, alle
Arbeiten unmittelbar einzustellen und die Fundstelle – gem. Art. 14 Abs. 1 bis
zum Ablauf von 5 Arbeitstagen ab Abgabe der Fundmeldung – nicht mehr zu
verändern. Gem. Art. 19 dürfen archäologische Untersuchungen nur vom Amt für
Kultur oder mit dessen Genehmigung vorgenommen werden; wobei gem. Art. 22 auch
die Verwendung technischer Hilfsmittel jeder Art zum Absuchen des Untergrunds
nach archäologischen Kulturgütern einer behördlichen Genehmigung bedarf.
Für die unbefugte
Verwendung technischer Hilfsmittel jeder Art zum Absuchen des Untergrunds nach
archäologischen Kulturgütern und die ungenehmigte Durchführung archäologischer
Untersuchungen sieht Art. 68 Abs. 1 KGG eine Geldstrafe in Höhe bis zu 50.000
Franken (ca. € 42.750 [7.3.2018]) bzw. bei Nichteinbringbarkeit eine
Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten Dauer vor.
Bayern
In Bayern wird der
archäologische Denkmalschutz durch das Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler
(Bayerisches Denkmalschutzgesetz – BayDSchG) vom 25. Juni 1973 geregelt, dessen aktuelle Fassung seit
1.5.2017 in Kraft ist.
Gem. Art. 1 Abs. 1
BayDSchG sind Denkmäler „von Menschen
geschaffene Sachen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen
ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder
volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt“, wobei gem.
Abs. 4 Bodendenkmäler „bewegliche und
unbewegliche Denkmäler“ sind, „die
sich im Boden befinden oder befanden und in der Regel aus vor- oder
frühgeschichtlicher Zeit stammen“. Anwendbar sind aber die (meisten)
Bestimmungen des BayDSchG in der Praxis nur auf Denkmäler und Bodendenkmäler,
die in der gem. Art. 2 Abs. 1 nachrichtlich zu führenden Denkmalliste
verzeichnet sind. Auf der bayerischen Denkmalliste befinden sich dabei derzeit
etwas über 40.000 Bodendenkmäler, die auch im bayerischen Denkmal-Atlas kartiert sind (Abb. 1).
Abbildung 1: Screenshot der Region um Ingolstadt aus dem
Bayerischen Denkmal-Atlas. Rot markierte Bodenflächen sind in der bayerischen
Denkmalliste ausgewiesene Denkmalflächen.
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Gem. Art. 8 Abs. 1
BayDSchG sind Funde von Bodendenkmälern unverzüglich einer der zuständigen
Denkmalbehörden zu melden, wobei gem. Abs. 2 die aufgefundenen Gegenstände und
der Fundort bis zum Ablauf von einer Woche nach der Anzeige unverändert zu
belassen sind, wenn nicht die Untere Denkmalschutzbehörde die Gegenstände
vorher freigibt oder die Fortsetzung der Arbeiten gestattet. Gem. Art. 7 Abs. 1
bedürfen alle Erdarbeiten – inklusive Grabungen zum Zweck Bodendenkmäler zu
entdecken – auf einem Grundstück, auf dem sich bekanntermaßen, vermutlich oder
den Umständen nach anzunehmenderweise Bodendenkmäler befinden, einer Erlaubnis
durch die örtlich zuständige Denkmalbehörde.
Die Durchführung von
Erdarbeiten ohne die dafür erforderliche Erlaubnis gem. Art. 7 Abs. 1 sowie die
Missachtung der Meldepflicht des Art. 8 Abs. 1 und ihrer Rechtsfolgen gem. Abs.
2 sind gem. Art. 23 abs. 1 BayDSchG mit Geldbuße von bis zu € 250.000 zu
bestrafen.
Österreich
In Österreich wird der
archäologische Denkmalschutz durch das erstmals 1923 erlassene, zuletzt 1999
größer novellierte und dabei auch geringfügig umbenannte Bundesgesetz betreffend den Schutz
von Denkmalen wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen
kulturellen Bedeutung (Denkmalschutzgesetz - DMSG) geregelt.
Gem. § 1 Abs. 1 DMSG
sind Denkmale „von Menschen geschaffene
unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren
gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder
gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder
sonstiger kultureller Bedeutung“ und Bodendenkmale gem. § 8 Abs. 1 alle
unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche aufgefundenen Gegenstände, die offenkundig
Denkmale sein könnten. Anzuwenden sind die (meisten) Bestimmungen des DMSG
allerdings nur auf solche Denkmale, deren Erhaltung im in § 1 Abs. 2 näher
bestimmten öffentlichen Interesse gelegen ist. Derartige „geschützte“
archäologische Denkmale gibt es derzeit in Österreich laut der offiziellen Statistik des Bundesdenkmalamtes (BDA) 918 Stück, die auch in den öffentlich
zugänglichen Denkmallisten verzeichnet sind.
Gem. § 8 DMSG sind
Zufallsfunde von Bodendenkmälern dem BDA zu melden und gem. § 9 Abs. 1 alle
Arbeiten an der Fundstelle unmittelbar auf bis zu 5 Werktage ab Abgabe der
Fundmeldung einzustellen, wenn nicht ein Organ des BDA diese Beschränkung schon
früher wieder aufhebt. Aufgefundene Bodendenkmale stehen gem. § 9 Abs. 3
zusätzlich vom Zeitpunkt ihrer Entdeckung bis zu 6 Wochen ab Abgabe der
Fundmeldung automatisch kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz, wenn
das BDA diesen nicht bereits vor Ablauf dieser Frist aufhebt. Grabungen und
sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und
Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw.
Wasseroberfläche unterliegen gem. § 11 Abs. 1 DMSG einer Genehmigungspflicht
durch das BDA. Ebenso ist gem. § 11 Abs. 8 DMSG jede Verwendung von
Metallsuchgeräten oder sonstigen Bodensuchgeräten zu egal welchen Zwecken auf
Grundstücken bewilligungspflichtig, die als archäologische Denkmale unter
Denkmalschutz stehen.
Entgegen den
Bestimmungen des § 11 Abs. 1 ohne die dafür vorgesehene Genehmigung
durchgeführte Nachforschungen (Grabungen) sind gem. § 37 Abs. 2 Z 2 mit
Geldstrafe bis zu € 25.400 zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer
in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Die
Missachtung der Fundmeldepflicht des § 8, ihrer Rechtsfolgen gem. § 9 sowie die
entgegen der Bestimmungen des § 11 Abs. 8 ungenehmigte Verwendung von Metall-
oder sonstigen Bodensuchgeräten ist gem. § 37 Abs. 3 mit Geldstrafe bis zu €
5.000 zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die
Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Zudem erfüllt
jede Beschädigung eines geschützten Denkmals den Tatbestand der schweren
Sachbeschädigung des § 126 Abs. 1 Z 3 Strafgesetzbuch (StGB) und ist dementsprechend mit Freiheitsstrafe
bis zu zwei Jahren bzw. – wenn dadurch mehr als € 300.000 Schaden angerichtet
wurde – gem. Abs. 2 mit bis zu 5 Jahren Haft zu bestrafen.
Unterschiedlich scharfe Gesetze?
Wie sich aus den
Kurzzusammenfassungen der relevanten Bestimmungen des KGG, BayDSchG und DMSG
unschwer erkennen lässt, gibt es zwischen diesen drei gesetzlichen Regelungen
des archäologischen Denkmalschutzes durchaus gewisse Unterschiede, allerdings
nur in Details.
Im Prinzip regeln
Liechtenstein, Bayern und Österreich den Schutz archäologischer Bodenfunde
nahezu exakt gleich: durch eine allgemeine Fundmeldepflicht bei der Entdeckung
mutmaßlicher archäologischer Denkmale; eine damit verbundene Verpflichtung, die
Fundstelle etwa eine Kalenderwoche lang unverändert zu erhalten, damit sie
Organe der jeweils örtlich zuständigen Behörde begutachten und
erforderlichenfalls sachgerecht bergen können; und durch eine
Genehmigungspflicht von Nachforschungen und insbesondere Grabungsarbeiten zum
Zweck der Entdeckung von archäologischen Denkmalen. Liechtenstein und
Österreich (wenigstens, wenn man der Rechtsansicht der zuständigen Behörden
folgt, aber siehe dazu schon „Grabungsgenehmigung? Braucht man
nicht!“) unterwerfen
zusätzlich dazu gleichermaßen auch noch die Verwendung von Metall- und anderen
technischen Bodensuchgeräten zum Zweck der Entdeckung von archäologischen
Denkmalen im Boden einer allgemeinen Bewilligungspflicht durch die Denkmalbehörde.
Erheblichere
Unterschiede finden sich, wenn überhaupt, eigentlich nur im Bereich des
maximalen Strafmaßes für Verstöße gegen die denkmalrechtlichen
Schutzbestimmungen für archäologische Denkmale. Dabei fallen in Österreich die
angedrohten Geldstrafen am niedrigsten aus, während Bayern mit einem Strafmaß
von bis zu einer Viertelmillion Euro am schärfsten droht. Dafür droht aber in
Österreich dem, der gegen die archäologischen Schutzbestimmungen des DMSG
verstößt, potentiell sogar eine Haftstrafe wegen schwerer Sachbeschädigung von
bis zu zwei oder in Extremfällen bis zu fünf Jahren.
Es ist also hochgradig
verwunderlich, dass Experten in Vorarlberg die Ansicht vertreten, dass es in
Bayern und Österreich „gesetzlich wenig
Handhabe gegen Raubgräberei“ gäbe und man daher in Bayern und Österreich
schärfere Gesetze bräuchte, um dem Problem der Raubgräberei ebenso gut Herr
werden zu können wie in Liechtenstein. Woraus diese Experten ableiten, dass es
in Liechtenstein mehr gesetzliche Handhabe gegen die „Raubgräberei“ gäbe als in Bayern und Österreich, vermag ich beim
besten Willen nicht zu erkennen.
Die Abschreckungswirkung „schärferer“ Denkmalschutzgesetze
Vielleicht haben die
Vorarlberger Experten aber auch gar nicht gemeint, dass Liechtenstein die „Raubgräberei“ aufgrund seines im
Vergleich zu Bayern und Österreich gar nicht „schärferen“ Denkmalschutzgesetzes
besser im Griff hat als die beiden letztgenannten Länder; sondern dass generell
eine Verschärfung der Denkmalschutzgesetze erforderlich wäre, um durch die
vermehrte Abschreckungswirkung solcher „schärferer“ Gesetze endlich Herr des
Problems werden zu können. Zwar haben Katharina Möller und ich erst zuletzt
(auf Englisch in „An empirical examination of metal
detecting“) wieder
gezeigt, dass man sich gerade in diesem Bereich keine allzu großen Hoffnungen
darauf machen sollte, dass Denkmalschutzgesetze irgendeine abschreckende
Wirkung entfalten, aber vielleicht kennen oder glauben die Vorarlberger
Experten nicht an die Aussagekraft internationaler Vergleiche. Es ist also wohl
notwendig, dasselbe noch einmal auf andere Weise zu zeigen.
Die historische Entwicklung des DMSG
Wie bereits erwähnt,
trat die Erstfassung des österreichischen DMSG 1923 in Kraft, d.h. lange bevor
Metallsuchgeräte breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich wurden. Die
Metallsuche als Hobby scheint in Österreich erst im Jahr 1969 bzw. 1970
ernsthaft eingesetzt zu haben, wie ich zuletzt anhand einer Untersuchung der
Münzfundmeldungen in den Fundberichten aus Österreich gezeigt habe (Karl 2016a).
Seither wurde das DMSG mehrfach stärker novelliert, wobei insbesondere die
„archäologische“ Novelle des DMSG aus dem Jahr 1990 und ihre Fortsetzung in der
Novelle aus dem Jahr 1999 relevant sind. Aber beginnen wir eine Kurzdarstellung
dieser Geschichte (eine ausführlichere findet sich in Karl 2018, 78-108) an
ihrem Anfang:
Das DMSG 1923 sah
generell vor, dass alle Bodenfunde von möglichen Denkmalen – egal bei welcher
Handlung mit welchem Zweck sie entdeckt worden waren – entsprechend der damals
noch in § 9 geregelten Fundmeldepflicht dem BDA zu melden seien. Damit
verbunden waren die Rechtsfolgen der Entdeckung von solchen Funden des
damaligen § 10, die denen des heutigen § 9 schon weitestgehend ident
entsprachen: die Fundstelle war für kurze Zeit (damals nur längstens 4
Werktage) unverändert zu belassen und alle entdeckten Denkmale standen
zeitweilig (damals nur 4 Wochen) automatisch unter Denkmalschutz. Nur wer bei
Grabungen mit dem Zweck archäologische Denkmale zu entdecken von den
Arbeitseinstellungspflichten des damaligen § 10 befreit sein wollte, konnte
vorab eine Genehmigung durch das BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG beantragen. Es gab
also im DMSG keine „Grabungsgenehmigungspflicht“, sondern nur eine
„Vorabgenehmigungsmöglichkeit“ für Grabungen mit wissenschaftlichem
Entdeckungszweck. Eine solche Genehmigung konnte dem DMSG 1923 zufolge auch
Jedem erteilt werden, eine besondere Qualifikation war nicht erforderlich.
Diese Rechtslage blieb
bis 1990 unverändert, auch wenn der zuständige Ministerialrat in seinem
Kommentar zur DMSG-Novelle von 1978 bereits versuchte, die
Vorabgenehmigungsmöglichkeit im Kontext der – inzwischen aufgekommenen –
Metallsuche durch Laien auf recht abenteuerliche Weise in eine allgemeine
archäologische Nachforschungsgenehmigungspflicht (NFG-Pflicht) umzudeuten
(Helfgott 1979, 80-83). Tatsächlich wurde diese Rechtsansicht auch durch ein
Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 24.6.1985, 84/12/0213) in
einem Fall aus dem Jahr 1985 teilweise bestätigt, den die staatliche
Denkmalpflege dennoch verlor, weil der belangte Metallsucher glaubhaft gemacht
hatte, niemals gegraben und damit die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG 1978
nicht verletzt zu haben (Karl 2016b, 8-9).
Nicht zuletzt infolge dieser
Niederlage vor Gericht wurden die einschlägigen Bestimmungen daher in der
Novelle von 1990 maßgeblich umgestaltet und verschärft: die Geltung der immer
noch als §§ 9 und 10 bezeichneten Meldepflicht von Bodenfunden und der
Rechtsfolgen der Entdeckung von Bodendenkmalen wurde nun nahezu ausschließlich
auf Zufallsfunde beschränkt. Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG 1990 wurde
hingegen nun als Genehmigungspflicht für alle vorsätzlichen Grabungen und
sonstigen Nachforschungen „an Ort und Stelle“ mit archäologischer
Entdeckungsabsicht ausgedehnt, d.h. aus der
Vorabgrabungsgenehmigungsmöglichkeit eine „volle“ NFG-Pflicht gemacht.
Gleichzeitig wurde die Möglichkeit zur Erteilung einer derartigen Genehmigung
auf Personen mit nachgewiesener Kompetenz zur sachgerechten Behandlung von
Bodenfunden beschränkt; nachzuweisen entweder durch einschlägigen
archäologischen Studienabschluss oder durch eine Prüfung vor einer Kommission
(die übrigens niemals auch nur zusammengestellt wurde, darauf hat man im
Ministerium und BDA scheinbar „vergessen“).
Dieser bedeutenden
Verschärfung der gesetzlichen Schutzbestimmungen für Bodendenkmale folgte in
der Novelle 1999 eine weitere Verschärfung: die Möglichkeit zur Erteilung einer
NFG gem. § 11 Abs. 1 DMSG wurde nun explizit ausschließlich auf AbsolventInnen
einschlägiger archäologischer Universitätsstudien beschränkt. Damit wurde (bzw.
schien) nun die bloße Möglichkeit zur gesetzeskonformen Metallsuche auf
professionelle ArchäologInnen beschränkt und somit allen anderen StaatsbürgerInnen
(wenigstens nach Rechtsansicht des BDA) die Metallsuche vollständig verboten.
Seit um 1970 herum in
Österreich Metallsuchgeräte breiteren Bevölkerungsschichten verfügbar wurden,
wurde das DMSG also mehrfach deutlich „verschärft“; und zwar jeweils konkret
mit dem Zweck, dem denkmalpflegerischen Problem mit der Metallsuche durch
BürgerInnen, die nicht einschlägig archäologisch ausgebildet sind, Herr zu
werden. Durfte 1970 noch jeder einigermaßen frei, wie es ihm beliebte,
archäologische Funde suchen, wurde das Recht, der „archäologischen Schatzsuche“
nachzugehen, ab Ende der 1970er auf Wunsch der
archäologisch-denkmalpflegerischen Fachwelt zunehmend in der behördlichen
Handhabungspraxis beschränkt, ab 1990 auf gesetzlichem Weg, seit 1999 –
wenigstens, wenn man der Rechtsmeinung des BDA (2018, 10) folgt – sogar
ausschließlich auf graduierte ArchäologInnen.
Die historische Entwicklung der Anzahl der MetallsucherInnen in Österreich
Um zur Ansicht
gelangen zu können, dass eine „Verschärfung“ der gesetzlichen Bestimmungen zur
Regelung der „archäologischen Schatzsuche“ die „Raubgräberei“ eindämmen würde, muss man annehmen, dass „schärfere“
gesetzliche Bestimmungen eine größere abschreckende Wirkung entfalten als weniger
„scharfe“. Diese abschreckende Wirkung muss sich auch in der empirisch
beobachtbaren Wirklichkeit zeigen: im mindesten Fall sollte es zu einer
deutlichen Verlangsamung des Ansteigens der Anzahl der Fälle kommen, in denen
Normunterworfene die nach der „Verschärfung“ stärker gesetzlich verbotenen bzw.
mit Strafe bedrohten, unerwünschten Handlungen setzen; besser noch zu einer
deutlichen Reduktion des Vorkommens des unerwünschten Verhaltens. Kommt es
nicht dazu, war die „Verschärfung“ der gesetzlichen Bestimmungen schließlich
nutzlos.
Es erscheint daher
sinnvoll, die historische Entwicklung der Anzahl der in Österreich aktiven,
nicht professionellen MetallsucherInnen zu betrachten, um diese mit der
Entwicklung der „Verschärfung“ der gesetzlichen Bestimmungen zur Beschränkung
der Metallsuche vergleichen zu können. Dies ist zwar einigermaßen schwierig,
weil systematische empirische Untersuchungen der historischen Entwicklung der
Anzahl der aktiven Metallsucher in Österreich bisher weitgehend fehlen; es
lassen sich allerdings auf verschiedenen Wegen Hinweise darauf gewinnen, wie
diese Entwicklung verlaufen sein dürfte.
Die Entwicklung der Anzahl der Einzelfundmeldungen von Münzen bis 1984
Ein Hinweis auf die
Entwicklung der Größe der „Metallsucherszene“ lässt sich aus den
Münzfundberichten gewinnen, die vom BDA bis 1984 in den Fundberichten aus Österreich veröffentlicht wurden.
Abbildung 2: Anzahl der in den Münzfundberichten
der
Fundberichte aus Österreich im Zeitraum
1930-1984 jährlich verzeichneten
Einzelfundmünzen.
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Besonders
aussagekräftig ist hier die Entwicklung der Anzahl der als Einzelfunde zu
kategorisierenden, gemeldeten Münzen: bevor Metallsuchgeräte in
„archäologischen“ Gebrauch kamen – d.h. bis inklusive 1969 – wurden alljährlich
durchschnittlich ca. 65 Einzelfundmünzen entdeckt und dem BDA gemeldet. Bereits
1970 steigt die Anzahl der Einzelmünzfundmeldungen hingegen sprunghaft auf 645
an, also auf ziemlich exakt das Zehnfache des bis dahin gegebenen
Jahresdurchschnitts. 1983 wird dann mit 4.906 Einzelfundmünzen der Höchstwert
im Beobachtungszeitraum erreicht, d.h. etwa das 75-fache des bis 1969 typischen
Jahresdurchschnitts (Abb. 2).
Dennoch zeigen diese
frühen Fundmeldungen deutlich, dass die frühe Metallsucherszene noch sehr klein
– und übrigens auch noch durchaus meldebereit – war: die Fundmeldungen stammen
in der Regel von nur wenigen, meist ausgedehnteren Fundstellen; von nicht mehr
als ein paar Handvoll von MetallsucherInnen; die oft von derselben Fundstelle
mehrere Zehn, wenn nicht sogar mehrere Hundert Einzelfundmünzen pro Jahr
melden. Auch der Fall, der zum schon weiter oben erwähnten Erkenntnis des VwGH
(24.6.1985, 84/12/0213) geführt hat, zeigt, womit zu dieser Zeit gerechnet
werden konnte: der in diesem Fall letztendlich für unschuldig befundene
Metallsucher hatte bei einem Suchgang, bei dem er glaubwürdigerweise nur
Oberflächenfunde eingesammelt hatte und vom ihn angetroffen habenden Polizisten
unterbrochen wurde, 8 römische Münzen auf einer einzelnen Fundstelle entdeckt.
Auch wenn also die
absoluten Zahlen von Einzelfundmünzen bereits in den frühen 1980ern
ArchäologInnen bereits sehr hoch erscheinen mögen, zeigen sie dennoch eine noch
sehr kleine Szene an: selbst beinahe 5.000 Münzen, wie im Jahr 1983, sind –
wenn man mit „nur“ durchschnittlich 10 Münzen pro Suchgang auf einer
„produktiven“ Fundstelle rechnet, das Resultat von gerade einmal 500 Suchgängen
von höchstens ein paar Zehn, sicherlich deutlich weniger als 50, aktiven
MetallsucherInnen. Das eine solche Annahme durchaus realistisch ist, zeigen
auch Berichte derzeitiger Metallsucher über ihre Erfolgsquoten bei Suchgängen,
die sich in bedeutenden Zahlen im Internet finden lassen (so z.B. auch auf
YouTube, im verlinkten Video ab Minute 5), die auf produktiven Stellen auch
durchaus pro Suchgang um die 10 Münzen finden, nicht selten sogar mehr.
Selbst am Ende dieses
Untersuchungszeitraums dürfte es also in Österreich nicht viel mehr als ein
paar Hundert aktive Metallsucher gegeben haben.
Die Entwicklung der „Szene“ in der Selbstsicht ihrer Mitglieder
Abbildung 3: Selbstschätzung der Größe der Szene
zu verschiedenen Zeitpunkten durch
MetallsucherInnen
selbst (n=22).
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Bereits 2011 habe ich
in einem englischen Beitrag (Karl 2011) eine Schätzung der historischen
Entwicklung der Größe der österreichischen Metallsucherszene unternommen. Diese
Schätzung beruhte sowohl auf einer – allerdings nur sehr kleinen – Umfrage in
der Szene selbst, als auch diversen anderen Daten wie z.B. der Mitgliederzahl
des größten Online-Diskussionsforum für Metallsucher in Österreich.
Die Schätzungen aus
der Szene selbst variierten dabei zwar recht deutlich, zeigen aber dennoch
einen gewissen Trend an (Abb. 3). Der durchschnittliche Schätzwert für die
Größe der Szene um 1975 lag dabei zwischen weniger als 100 bis zu etwa 250
Mitgliedern. Um 1990 schätzte die Szene selbst, dass es durchschnittlich wohl
um die 500 aktive Metallsucher in Österreich gab, um 2000 um die 1.000, 2010
hingegen um die 2.000 herum; wobei es allerdings auch – vor allem in Bezug auf
die letzten Jahre vor 2010 – deutliche Ausreißer nach oben gab (Abb. 3).
Ich selbst schätzte
die Größe der Szene im Jahr 2010 in diesem Beitrag auf wenigstens 1.000, aber
vermutlich eher so um die 2.000-3.000 Mitglieder und postulierte, dass die
Anzahl der MetallsucherInnen in Österreich seit 1975 stetig und signifikant
angewachsen sei (Karl 2011, 120-121). Eine Bestätigung dafür sah ich auch in
den Mitgliederzahlen des größten Internet-Diskussionsforums für
MetallsucherInnen in Österreich, Ferrum Noricum,
das am 16.12.2010 ca. 550 registrierte Mitglieder hatte (Karl 2011, 120).
Schätzung auf Basis der Entwicklung der Mitgliederzahlen von Ferrum Noricum
Abbildung 4: Entwicklung der Mitgliederzahlen
von Ferrum
Noricum vom 31.12.2012 bis 31.12.2017
auf Basis der Mitgliederliste vom
8.3.2018.
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Seit damals beobachte
ich auch – mehr oder minder systematisch – die Entwicklung der Mitgliederzahlen
ebendieses Forums, das das primäre Medium in Österreich ist, mittels dessen
sich die österreichische Metallsucherszene intern austauscht.
Die Entwicklung der
Mitgliederzahlen von Ferrum Noricum lässt sich aus der Mitgliederliste
erschließen, die seit 17.12.2002 geführt (und gelegentlich von Karteileichen
bereinigt) wird. Wie sich aus der aktuellen (Abrufdatum: 8.3.2018)
Mitgliederliste erkennen lässt, hatte Ferum Noricum am 31.12.2010 545
Mitglieder; am 31.12.2017 hingegen 3.396; die Anzahl seiner Mitglieder sich
also in diesen 7 Jahren etwa um einen Faktor von 6 vergrößert. Dabei ist die
Zuwachsrate über die letzten 7 Jahre hinweg einigermaßen konstant geblieben
(siehe Abb. 4), auch wenn sich seit 2015 eine gewisse Verflachung der
Zuwachskurve attestieren lässt.
Diese Entwicklung der
Mitgliederzahlen ist allerdings sicherlich nicht nur dem Neuzugang von
Szenemitgliedern geschuldet. Vielmehr ist anzunehmen, dass – wohl durchgehend –
ein gewisser Anteil der Neuzugänge von Mitgliedern bei Ferrum Noricum der
zunehmenden Online-Vernetzung geschuldet ist, d.h. wenigstens ein gewisser Anteil
des jährlichen Zuwachses auf die zunehmende Verwendung des Internets in immer
breiteren Bevölkerungsschichten zurückzuführen ist. Im Bereich des Ferrum
Noricum scheint der Zeitraum, in dem dieser Zuwachs aus diesem Grund besonders
zunimmt, zwischen etwa 2008 und 2015 fallen, in dem sie Kurve der
Mitgliederzahlentwicklung deutlich steiler als zuvor und etwas steiler als
seitdem ansteigt. Dieser Anteil ist aber – entsprechend der Veränderung des
Internet-Nutzungsverhaltens in der Gesamtbevölkerung – vermutlich über den
Beobachtungszeitraum ab etwa 2010 rückläufig gewesen (siehe dazu die Daten der Statistik Austria und von Integral Markt- und Meinungsforschung zur ansteigenden
Internet-Nutzungsfrequenz
der ÖsterreicherInnen). Man kann daher davon ausgehen, dass der jährliche
Mitgliederzuwachs 2010 noch teilweise dem sich ändernden
Internet-Nutzungsverhalten der Szenemitglieder geschuldet war, während
inzwischen der Zuwachs nahezu zur Gänze einem tatsächlichen Neuzuwachs an
Szenemitgliedern entspricht. Oder mit anderen Worten: die Metallsucherszene wächst
jedes Jahr im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr um ein paar Prozent an.
Eine Hochrechnung der historischen Entwicklung der Metallsucherszene
Das erlaubt eine –
wenigstens grobe – Hochrechnung der historischen Entwicklung der Größe der
Szene: wir wissen, dass die Anzahl der aktiven MetallsucherInnen bis Anfang 1969
wohl jedenfalls Null war. Wir wissen auch, dass es Ende 2017 in Österreich
vermutlich wenigstens 3396 aktive MetallsucherInnen gegeben hat, weil das die
Mitgliederzahl des größten österreichischen Metallsucher-Internetforums ist.
Wir wissen auch, dass die Szene bis etwa 1984 nur eher langsam angewachsen zu
sein scheint, während sie von 2010 bis 2017 einigermaßen rapide angewachsen
ist, nämlich um wenigstens einige hundert Neuzugänge pro Jahr, Tendenz
(wenigstens langsam) steigend. Wir können also zu Vereinfachungszwecken im
Sinne einer ersten Näherung annehmen, dass die Szene jedes Jahr seit 1970 um
einen – wenn auch nur relativ geringen – Prozentsatz angewachsen ist.
Abbildung 5: Hochrechnung der historischen
Entwicklung der
Mindestgröße der
österreichischen Metallsucheszene.
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Geht man daher davon
aus, dass in den Jahren 1969-1970 etwa 20 „Pioniere“ mit der Metallsuche
begonnen haben, und die Szene seither konstant um durchschnittlich 11,55% pro
Jahr gewachsen ist, kommt man Ende 2017 bei geschätzt 3.404 aktiven
MetallsucherInnen an; d.h. gerade um 9 mehr, als Ferrum Noricum Ende 2017 an
Mitgliedern hatte (Abb. 5).
Diese Hochrechnung
entspricht auch in ihren Details einigermaßen gut dem Bild, dass sich im
Zeitraum zwischen 1970 bis 1984 aus den Münzfundmeldungen und in den letzten 7
Jahren aus der Entwicklung der Mitgliederzahlen von Ferrum Noricum ableiten
lässt; und passt auch recht gut zur Selbsteinschätzung der Entwicklung dieser
Szene durch ihre eigenen Mitglieder: 1985 hätte die Szene die 100
Mitglieder-Marke durchstoßen; im Jahr 2000 hätte es etwas über 500 aktive
MetallsucherInnen in Österreich gegeben (genauer Hochrechnungswert: 531); die
1000 Mitglieder-Marke wäre 2006 gefallen; 2010 wäre eine Anzahl von 1.584
MetallsucherInnen in Österreich aktiv tätig gewesen; 2015 wären es 2.736
gewesen; und Ende 2017 eben 3.404.
Tatsächlich hätte sich
die Anzahl der MetallsucherInnen in Österreich damit von 1970 bis 1985 etwas
mehr als verfünffacht, was dem tatsächlich beobachtbaren Anstieg der
Einzelmünzfundmeldungen in diesem Zeitraum um einen Faktor von etwa 7,5
(jährliche Fluktuationen ignorierend) recht gut entspricht. Im Zeitraum
zwischen 2010 und 2017 wäre hingegen die durchschnittliche jährliche
Zuwachsrate bei ca. 260 neuen MetallsucherInnen pro Jahr gelegen, wobei der
Anstieg von 2016 auf 2017 allerdings schon 350 Personen gewesen wäre, die das
Hobby neu ergriffen haben, was tatsächlich exakt die Anzahl von Mitgliedern
ist, um die Ferrum Noricum im Jahr 2017 gewachsen ist.
Ferrum Noricum, dessen
Mitgliederzählung 2002 beginnt, hätte eine ähnliche Entwicklung wie die Szene
selbst durchlaufen, nur in einem verkürzten Zeitraum. Etwa 2015 hätte die
Mitgliederzahl des Ferrum Noricum den Rückstand gegenüber der tatsächlichen
Anzahl aktiver MetallsucherInnen weitgehend aufgeholt gehabt. Tatsächlich hätte
sich die Anzahl der MetallsucherInnen von 2010 bis 2017 etwas mehr als
verdoppelt (1.584 auf 3.404 = Faktor 2,14), was etwa ein Drittel des Anstiegs
der Mitgliederzahlen des Ferrum Noricum im selben Zeitraum ist: diese
Diskrepanz wäre die Folge des oben genannten Effekts der Veränderung des
Internet-Nutzungsverhaltens der österreichischen Metallsucherszene.
Vergleich der Entwicklungen der Rechtslage und der Metallsucherszene
Vergleicht man nun die
Entwicklung der Verschärfung der Rechtslage mit der hochgerechneten Entwicklung
der Metallsucherszene in Österreich, zeigt sich deutlich, dass sich eine
verstärkte abschreckende Wirkung durch verschärfte gesetzliche Bestimmungen
wohl kaum argumentieren lässt.
Zwar ist selbstverständlich
die Hochrechnung in Abb. 5 nicht mehr als eine Schätzung. Diese Schätzung
entspricht aber über die ersten 15 Jahre des relevanten Zeitraums – d.h. des
Zeitraums bis zur und mehrere Jahre über die Verschärfung der Anwendungspraxis
des DMSG in den Fassungen bis inklusive zur Novelle von 1978 und dem
zugehörigen Gesetzeskommentar von Helfgott (1979) hinaus – und auch über die
letzten ca. 10 Jahre hinweg gut den empirisch beobachtbaren Daten; und auch
generell gut der Selbsteinschätzung von Szenemitgliedern über die Entwicklung
ihrer Szene über fast den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg. Es würde daher
– wenigstens mir – einigermaßen verwegen erscheinen, anzunehmen zu wollen, dass
die tatsächliche Entwicklung der Metallsucherszene nicht wenigstens grob der in
Abb. 5 hochgerechneten Entwicklung entspricht.
Aber mehr noch: man
müsste, um das Postulat der abschreckenden Wirkung verschärfter gesetzlicher Bestimmungen
im Bereich der Regelung der Metallsuche retten zu können, – ohne jedwede
Datengrundlage dafür zu haben – eine historische Entwicklung der
Metallsucherszene postulieren, die den beobachtbaren empirischen Daten in den
ersten 15 und letzten 10 Jahren des relevanten Beobachtungszeitraums diametral
widerspricht. Denn die Metallsuchszene hätte, um dieses Postulat retten zu können,
in vergleichsweise sehr kurzer Zeit extrem sprunghaft ansteigen müssen, um
bereits vor den Verschärfungen in Anwendungspraxis ab 1978/1979 bzw. der
Rechtslage 1990 und neuerlich 1999 auf die mehr als ca. 3.400 MetallsucherInnen
zu kommen, die in Österreich derzeit mindestens aktiv sein dürften; oder
wenigstens auf so viele, dass sich auch nur eine Verlangsamung der Zuwachsrate
durch die verschärften gesetzlichen Bestimmungen argumentieren lässt.
Denn schließlich
scheint die Zuwachsrate in den letzten 10 Jahren – also nach allen bereits
vorgenommenen Verschärfungen der Rechtslage – bei jedenfalls mehreren hundert
neuen MetallsucherInnen pro Jahr zu liegen, zuletzt wohl so um die wenigstens
350. Damit hätte jedoch, damit sich auch nur eine Verlangsamung der Zuwachsrate
der Szene durch die Gesetzesverschärfungen argumentieren lässt, in den Jahren
von 1970 bis 1990 der jährliche Zuwachs mehr als etwa 350 MetallsucherInnen pro
Jahr sein müssen, d.h. die Anzahl der MetallsucherInnen in diesem Zeitraum von
0 auf wenigstens etwa 7,000 ansteigen müssen. Dass dies aber zu nicht mehr als
einem Ansteigen der Münzmeldungen im Zeitraum zwischen 1970 bis 1984 als um
einen Faktor von 7,5 und nicht zu viel mehr als den tatsächlich eingegangenen
Münzfundmeldungen geführt hätte, scheint unwahrscheinlich: schließlich hatten
gerade die frühesten MetallsucherInnen noch gar keinen Grund, Fundmeldungen zu
unterlassen. Denn unter der Regelung des DMSG 1923 bestand in § 11 Abs. 1 noch
gar keine NFG-Pflicht, sondern nur eine Vorab-Grabungsgenehmigungsmöglichkeit;
und die Mehrheit aller Münzfunde – sofern ausreichend geringwertig – fiel
aufgrund der Bestimmungen der §§ 391 Abs. 2, 395 und 397-401 ABGB bei korrekter
Abgabe der Fundmeldung wohl unter das freie Zueignungsrecht des Finders.
Es sprechen daher die
empirischen Daten sehr stark dafür, dass die Verschärfung der Anwendungspraxis
durch den Kommentar von Helfgott (1979, 80-83) und der Rechtslage durch die
Gesetzesnovellen von 1990 und 1999 die Anzahl der aktiven MetallsucherInnen
weder reduziert noch das Anwachsen der Szene auch nur verlangsamt hat. Vielmehr
scheint es – wie ja auch im eingangs genannten Beitrag von den dort zitierten
Experten festgestellt –, als ob das Problem mit der „Raubgräberei“ trotz
bereits vorgenommener, doch einigermaßen drastischer Gesetzesverschärfungen
immer größer wird.
Welche weiteren Verschärfungen der Rechtslage wären wirksam?
Gleichzeitig muss man
auch noch die Frage stellen, welche (weiteren) Verschärfungen der Rechtslage
überhaupt noch möglich wären.
Weitreichendere Verbote der Metallsuche?
In Österreich ist laut
BDA (2018, 10) schon derzeit jede Nachforschung mit Metallsuchgeräten mit dem
Zweck der Entdeckung und Untersuchung von Bodendenkmalen allen (außer
graduierten ArchäologInnen mit Genehmigung des BDA gem. § 11 Abs. 1 DMSG)
verboten. Dieses Verbot gilt laut BDA auch bereits auf allen Bodenflächen,
unabhängig davon, ob sie überhaupt unter Denkmalschutz stehen oder nicht und ob
von der betroffenen Bodenfläche auch nur irgendwelche Hinweise auf das
Vorkommen irgendwelcher Bodendenkmale vorliegen oder nicht. Und es gilt auch
laut BDA – nachdem zur Erfüllung von Vorsatzdelikten in Österreich der
Eventualvorsatz genügt – sogar dann, wenn der bzw. die Nachforschende gar nicht
die Entdeckung von Bodendenkmalen bezweckt, sondern diese nur billigend in Kauf
nimmt.
Es erscheint also
höchst unklar, welche zusätzliche Ausweitung der bereits bestehenden
gesetzlichen Verbote in Österreich überhaupt noch möglich wäre.
Vorstellbar wäre hier eventuell
ein generelles Verbot der Verwendung „von
Mess- und Suchgeräten, die geeignet sind, Kulturdenkmale aufzufinden“ ohne
Genehmigung durch die zuständige Denkmalbehörde, wie das in Schleswig-Holstein
(§ 12 Abs. 2 Z 5 DSchG-SH) tatsächlich der Fall ist. Es ist allerdings
nicht erkenntlich, warum ein Verbot der ungenehmigten Verwendung von Mess- und
Suchgeräten effektiver sein sollte als das ohnehin (wenigstens nach
Rechtsansicht des BDA in Österreich) schon bestehende Verbot zu ihrer
ungenehmigten Verwendung zur Entdeckung von Bodendenkmalen.
Der einzige mögliche
Vorteil eines solchen Verbots gegenüber dem ohnehin bereits bestehenden wäre
der, dass MetallsucherInnen, die ihrem Hobby ohne die einschlägige Genehmigung
nachgehen, einfacher bestraft werden können: man muss ihnen dann schließlich
nicht zusätzlich zur Verwendung des Mess- oder Suchgerätes auch noch den
Vorsatz (oder wenigstens Eventualvorsatz) der Entdeckung von Bodendenkmalen
nachweisen. Ob das allerdings die Abschreckungswirkung des Gesetzes so
signifikant verstärkt, dass damit das Problem der „Raubgräberei“ unter Kontrolle gebracht werden könnte, erscheint
mir doch eher zweifelhaft. Schließlich scheitert die Strafverfolgung von „RaubgräberInnen“ so gut wie nie an der
fehlenden Nachweisbarkeit des Entdeckungsvorsatzes. Das Problem ist vielmehr in
der Regel das, dass man die TäterInnen überhaupt nicht erwischt.
Die andere
vorstellbare Möglichkeit, wie man das Gesetz noch weiter verschärfen könnte,
wäre ein Totalverbot des („privaten“) Besitzes von Metall- bzw. allen Mess- und
Suchgeräten, die zur Entdeckung von Bodendenkmalen geeignet sind.
Ein solches Verbot
müsste dann aber jedenfalls europaweit erlassen werden, denn im Zeitalter der
offenen (d.h. normalerweise unkontrollierten) Grenzen hält potentielle
Metallsucher ja nichts davon ab, sich ihr Metallsuchgerät einfach im
nächstgelegenen Ausland zu besorgen und „illegal“ ins Land zu bringen. Davon
abgesehen wäre die praktische Durchsetzbarkeit eines solchen Verbots auch
allein schon deshalb schwierig, weil Metall- und andere Mess- und Suchgeräte,
mit denen man Bodendenkmale im Boden aufspüren kann, auch zahlreiche andere
Verwendungen als die „Raubgräberei“
haben. Solche Geräte werden auch großteils von privatwirtschaftlich
organisierten Unternehmen – das
inkludiert neben Installateuren, Elektrikern, Baufirmen, und speziellen Berufen
wie Gärtnern, Schwimmteichbauern und Landschaftsgestaltern, etc. auch archäologische Dienstleistungsunternehmen – zu
diesen vielfältigen Zwecken eingesetzt. Damit könnte aber erst recht wieder ein
jeder, der – z.B. – ein archäologisches Dienstleistungsunternehmen gründet –
und das muss aufgrund von Wissenschafts- und Erwerbsfreiheit jeder tun dürfen –
völlig rechtmäßig in den Besitz solcher Geräte gelangen; wenngleich eventuell
nur mit größerem Aufwand als bisher.
Vor allem aber stellt
sich auch bei einem Totalverbot des („privaten“) Besitzes von Metall- bzw.
sonstigen vergleichbaren Mess- und Suchgeräten die Frage, inwieweit dadurch die
abschreckende Wirkung des Gesetzes deutlich über die der schon bestehenden
Regelungen angehoben würde. Denn man muss „RaubgräberInnen“
auch dann immer noch erwischen, woran es eigentlich hapert; und selbst dann,
wenn man welche erwischt, diesen immer noch nachweisen, dass sie das
betreffende Gerät nicht rechtmäßig besitzen und / oder verwenden.
Auch diese
Möglichkeiten zu einer Verschärfung der denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen
durch eine noch weitere Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs scheinen also nicht
wirklich geeignet, das Ziel, das die staatliche Denkmalpflege und die
archäologische Denkmalpflege mit Forderungen nach weiteren
Gesetzesverschärfungen zu erreichen versuchen, tatsächlich maßgeblich besser zu
erreichen als durch die bereits geltenden Verbote. Wenn schon die bisher
bestehenden Verbote anscheinend genau gar nichts nutzen, warum sollten das noch
weitreichendere Verbote, die praktisch ebenso leicht zu umgehen sind wie die
bisherigen?
Höhere Strafen?
Damit bleibt als
weitere Möglichkeit einer Verschärfung der denkmalrechtlichen
Schutzbestimmungen zur Verhinderung von Raubgrabungen eigentlich nur eine
Erhöhung des angedrohten Strafrahmens bzw. der verhängten Strafen.
Aber gerade im Bereich
der Strafandrohung scheinen bereits die schon derzeit in Österreich vorgesehenen
Maximalstrafen recht drakonisch: immerhin reicht der Strafrahmen gem. § 37 Abs.
2 Z 2 DMSG bis zu € 25.400 für die bloße, ungenehmigte Durchführung einer
Metallsuche. Das ist ein bedeutender Geldbetrag: laut Statistik Austria betrug
das Nettoeinkommen in Österreich im Jahr 2016 im arithmetischen
Mittel € 22.344 und selbst jenes der durchschnittlich deutlich
besserverdienenden Männer nicht mehr als € 26.314. Die angedrohte Maximalstrafe
liegt also über den mittleren Nettojahreseinkommen aller ÖsterreicherInnen und
nur knapp unter jenem aller österreichischen Männer. Dass durchschnittliche
österreichische MetallsucherInnen auf derartige Geldbeträge einfach so
verzichten können, halte ich für ausgeschlossen.
Dass eine Erhöhung
dieses Strafrahmens – ob auf € 42.750 wie in Liechtenstein oder gar auf € 0,25
Millionen wie in Bayern – die abschreckende Wirkung der denkmalrechtlichen
Strafbestimmungen für die „Raubgräberei“
signifikant erhöhen würde, scheint mir daher hochgradig unwahrscheinlich. Denn
schon Geldstrafen in Höhe eines durchschnittlichen Jahreseinkommens könnten
sich durchschnittliche MetallsucherInnen nicht leisten. Es stellt sich daher
selbst für rational handelnde MetallsucherInnen ohnehin schon nicht mehr die
Frage, wie hoch genau die Maximalstrafe ausfallen könnte; sondern höchstens die
Frage, wie hoch das Risiko ist, überhaupt erwischt und bestraft zu werden; und
vielleicht noch, wie hoch die tatsächlich verhängte Strafe in einem solchen
Fall ausfallen dürfte.
Nur zum Vergleich: die
Höchststrafe für Geschwindigkeitsübertretungen um mehr als 30 kmh beträgt in
Österreich gem. § 99 Abs. 2d StVO € 2.180; und selbst das Lenken eines
Fahrzeuges mit mehr als 1,6 Promille Alkohol im Blut – also schwer betrunken –
gem. § 99 Abs. 1 lit. a StVO „nur“ € 5.900. Dazu kommt dann noch der
normalerweise befristete Entzug des Führerscheins, in Extremfällen wie dem zuletzt genannten für
mindestens 6 Monate. Die durchschnittlichen Kosten für eine
Geschwindigkeitsübertretung von ca. 30 kmh liegen allerdings nur bei etwa € 50
bis € 100, für geringere Überschreitungen sogar noch darunter.
Das zeigt, dass man
auch in Bezug auf die Höhe der dann tatsächlich für Metallsuchen verhängten
Strafen recht rasch an die Grenzen des Machbaren stößt; insbesondere bei
Erststrafen. Diese scheinen in Österreich – soweit sich das aus den wenigen
Fällen ableiten lässt, die mir bekannt sind – normalerweise im Bereich von €
500 zu liegen; sind also ohnehin schon deutlich höher als die
durchschnittlichen Strafen für Geschwindigkeitsübertretungen von mehr als 30
kmh selbst im Ortsgebiet. Immerhin werden durch die zuletzt genannten
Übertretungen der Straßenverkehrsordnung wenigstens potentiell das Eigentum,
die Gesundheit und das Leben von Menschen gefährdet; durch Metallsuchen,
insbesondere an Orten, an denen noch nicht einmal das Vorkommen von
Bodendenkmalen vermutet wird, hingegen aller Wahrscheinlichkeit nach gar
nichts.
Bereits mit den Erststrafen
für Übertretungen von denkmalrechtlichen Genehmigungspflichten deutlich höher
zu gehen als ein paar hundert oder gar tausend Euro würde daher doch eher
unverhältnismäßig erscheinen. Davon abgesehen würde der verfügbare Strafrahmen
dadurch zu rasch erschöpft. Denn für andere, weit gravierendere Vergehen wie
z.B. die widerrechtliche Veränderung eines – tatsächlich aufgrund seiner
bereits behördlich festgestellten besonderen geschichtlichen, künstlerischen
oder sonstigen kulturellen Bedeutung – verordnungs- oder bescheidmäßig
geschützten Denkmals steht schließlich ebenfalls gem. § 37 Abs. 2 Z 1 DMSG nur
der gleiche Strafrahmen zur Verfügung.
Davon abgesehen stellt
sich auch die Frage: wie viel würden höhere, tatsächlich verhängte Strafen
nutzen, um die abschreckende Wirkung der Denkmalschutzgesetze signifikant zu
erhöhen? Schon € 500 sind durchaus nicht zu verachtende Mengen von Geld:
immerhin sind das schon 2,2% des durchschnittlichen österreichischen
Nettojahreseinkommens. Auch wenn vielleicht auch DurchschnittsverdienerInnen €
500 noch halbwegs verschmerzen können: € 2.000 sind schon mehr als ein
durchschnittliches Monatsnettoeinkommen, und darauf können
DurchschnittsverdienerInnen schon kaum mehr verzichten.
Letztendlich lässt
sich damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch durch das Drehen an der
Stellschraube der Strafhöhe keine maßgebliche Erhöhung der abschreckenden
Wirkung der denkmalrechtlichen Verbote von „Raubgrabungen“
erreichen. Vielmehr stellt die Strafhöhe eher einen „Null/Null“-Schalter dar:
ist die tatsächlich normalerweise verhängte Strafe so niedrig, dass sie sich
DurchschnittsbürgerInnen noch leisten können, dann ist ihnen ihr Hobby in der
Regel eine solche Strafe auch wert. Ist die Höhe der verhängten Strafe hingegen
so hoch, dass sie sich DurchschnittsverdienerInnen nicht mehr wirklich leisten
können, stellt sich für diese nur noch die Frage, ob sie erwischt werden. Der
Bereich dazwischen – vor allem, wenn man auch mögliche WiederholungstäterInnen
weiterhin abschrecken können will – ist hingegen so verschwindend gering, dass
„Verschärfungen“ der tatsächlich verhängten Strafen keine signifikant stärkere
Verhaltenssteuerungswirkung entfalten können.
Bessere Durchsetzung?
Wenn schon eine
Verschärfung der Gesetzeslage kaum Erfolg verspricht, bleibt als letzte
Möglichkeit eventuell noch die Verschärfung der Kontrolle der
denkmalrechtlichen Verbote. Das mag zwar nicht die geforderte
Gesetzesverschärfung sein, die sich die Vorarlberger Experten gewünscht haben,
aber man kann es wenigstens als eine Verschärfung der Rechtslage durch
verstärkte Verfolgung der Übertretung schon bestehender gesetzlichen Verbote
sehen.
Tatsächlich erscheint
das auf den ersten Blick gar nicht wenig erfolgversprechend. Denn das Problem
mit Metallsuchverboten lässt sich, wie auch bereits aus dem bisher gesagten
hervorgeht, letztendlich auf einen Punkt reduzieren: die Chance, erwischt
(geschweige denn bestraft) zu werden, ist verschwindend gering.
Das bedeutet aber,
dass für rational handelnde Akteure – und diese liegen generell der Vorstellung
zugrunde, dass „schärfere“ Gesetze höhere Abschreckungswirkung entfalten als
„mildere“ – die wahrscheinlichen Kosten der Verbotsübertretung derzeit so gut
wie immer vom daraus lukrierten Nutzen (sei es bloß an „Freizeitvergnügen“)
überwogen werden und sich daher die Verbotsübertretung für diese in aller Regel
rentiert. Ist die Wahrscheinlichkeit erwischt und bestraft zu werden nahe bei
Null, lässt sich kein rational handelnder Akteur davon abschrecken. Damit die
„Raubgrabungsverbote“ die erwünschte Abschreckungswirkung überhaupt entfalten
können, die wir uns von ihnen erhoffen, muss man also die
Bestrafungswahrscheinlichkeit soweit erhöhen, dass sich der durchschnittliche
rational handelnde Akteur ausrechnen kann, dass er wahrscheinlich bestraft
wird.
Betrachten wir dafür
kurz neuerlich die bittere Realität: geht man davon aus, dass in Österreich
derzeit („nur“) die wenigstens 3.400 aktiven MetallsucherInnen gibt, von deren
Existenz wir auf Basis der Mitgliederzahlen des Ferrum Noricum wissen, dann
muss man annehmen, dass derzeit jedes Jahr in Österreich wenigstens ca. 190.000
Metallsuchen durchgeführt werden. Denn laut einer szeneinternen Umfrage
(Achleitner 2011, 2; n=122) suchen österreichische MetallsucherInnen
durchschnittlich ca. 56 Tage im Jahr für jeweils ca. 3,9 Stunden.
Trotzdem also
MetallsucherInnen wenigstens ca. 750.000 Stunden pro Jahr in der
österreichischen Landschaft tätig sind, werden im selben Zeitraum vielleicht
eine Handvoll angezeigt. Die Wahrscheinlichkeit, angezeigt zu werden, beträgt
also derzeit pro Stunde höchstens etwa 1:150.000, bzw. ca. 1:38.000 pro
Suchtag. Geht man von 30 Jahren durchschnittlicher „Aktivität“ von
MetallsucherInnen aus, ist also die Chance, in einer „Metallsuchkarriere“
erwischt zu werden, derzeit etwa 1:23.
Diese
Wahrscheinlichkeit müsste man nun soweit verändern, dass rational handelnde
Akteure annehmen müssen, bei der Metallsuche wenigstens so häufig erwischt zu
werden, dass der Nutzen, den sie aus der Metallsuche gewinnen, geringer wird
als die mit der Bestrafung verbundenen Kosten. Man müsste also, um
durchschnittliche MetallsucherInnen auch nur statistisch wenigstens einmal bei
der Ausübung ihres Hobbys zu erwischen, die derzeitige „Anzeigequote“ um einen
Faktor von 23 verbessern. Die € 500 – 1000, die das den durchschnittlichen
Ersttäter kostet, ist aber wohl allen MetallsucherInnen ihr Hobby wert.
Damit die tatsächliche
Bestrafung tatsächlich erwischter Täter einen signifikanten abschreckenden
Effekt erzielen könnte, müsste man also MetallsucherInnen statistisch
wenigstens einmal alle paar Jahre erwischen und bestrafen, damit ihnen ihr
Hobby die Strafkosten nicht mehr wert ist. Die „Bestrafungsquote“ müsste also
im Vergleich zur derzeitigen um einen Faktor von ca. 100, besser noch deutlich
mehr, steigen. Wie man eine solche Steigerung der Anzeigenquote erreichen kann
oder auch nur können soll, steht in den Sternen. Selbst weit häufiger als
derzeit patrouillierende Polizei wird dafür sicher nicht reichen, einmal
abgesehen davon, dass die Polizei, die schon jetzt über Personalmangel klagt, wirklich wichtigere Aufgaben hat,
als aller Wahrscheinlichkeit nach weitgehend bodendenkmalfreie Felder und
Wälder vor „Schatzsuchern“ zu schützen.
Letztendlich kommt
man, nicht einmal mit „ehrenamtlichen“ MetallsucherInnen, die andere
MetallsucherInnen anzeigen, wenn sie sie im Feld antreffen, aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht auf Bestrafungswahrscheinlichkeiten, die rational
handelnde Akteure ernsthaft abschrecken. Und dabei denken wir noch nicht einmal
daran, dass die meisten MetallsucherInnen vermutlich gar nicht so rational
handelnde Akteure sind, wie es das Gesetz unterstellt, sondern einfach „auf
Suche gehen“, weil es ihnen Spaß macht, ohne großartig darüber nachzudenken, ob
sie erwischt und bestraft werden könnten.
Schlussfolgerungen
Die Forderung nach
„schärferen“ Gesetzen erweist sich daher im Bereich des Versuchs der
Verhinderung von „Raubgrabungen“ als weitgehend sinnentleert. Denn die
Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass uns auch weitreichende und
drastische Verschärfungen der Rechtslage bisher der Lösung des Problems mit der
„Raubgräberei“ nicht im Geringsten
nähergebracht haben. Eine Analyse des für zukünftige Verschärfungen der
Rechtslage verfügbaren, bisher noch nicht ausgeschöpften, Spielraums hingegen
zeigt, dass wir bereits so ziemlich am oberen Ende des in unseren
Rechtsordnungen Vertretbaren angekommen sind.
Dass das wenige Mehr,
das vielleicht doch noch irgendwie geht, vor allem im Bereich der Durchsetzung
von gesetzlichen Verboten, dann plötzlich den von uns erwünschten Effekt
erzielen wird, den viel drastischere Verschärfungen in der Vergangenheit nicht
erreicht haben, ist praktisch ausgeschlossen. Darauf zu hoffen, das Problem,
das wir zu lösen zu versuchen, auf diesem Weg lösen zu können, ist also „Wahnsinn: immer wieder das Gleiche tun,
aber andere Resultate erwarten“ (ein gerne Albert Einstein zugeschriebenes
Zitat; tatsächlich: Brown 1990).
Auf dem bisher
eingeschlagenen Weg ist der „Raubgräberei“
nicht beizukommen. Das einzige, was man – wenigstens theoretisch – versuchen
könnte, ist die Schäden, die dadurch entstehen, zu minimieren und den Nutzen,
der entstehen könnte, wenn MetallsucherInnen ihre Funde sachgerechter bergen,
die Bergung dokumentieren und dann auch ihre Funde melden würden, möglichst zu
maximieren. Das erreicht man aber nicht mit einfachen gesetzlichen Verboten und
Geboten, sondern nur auf anderen Wegen; Wege, über die wir jetzt seit 50 Jahren
nicht einmal ernsthaft nachdenken, weil wir lieber sinnlos „schärfere Gesetze“
fordern.
Literaturverweise
Achleitner, N.
2011. Auswertung zum Fragebogen
Sondengänger & Archäologie. Unpubl. Bericht.
BDA 2018. Richtlinien
für archäologische Maßnahmen. 5. Fassung – 1. Jänner 2018. Wien: BDA, [8.3.2018].
Brown, R.M. 1990. Die Tennisspielerin. Reinbeck: Rowohlt.
Helfgott, N. 1979. Die Rechtsvorschriften für den Denkmalschutz.
Wien: Manz.
Karl, R. 2011. On
the highway to hell. Thoughts on the unintended consequences of § 11 (1)
Austrian Denkmalschutzgesetz. The
Historic Environment – Policy and Practice 2/2, 2011: 111-33.
Karl, R. 2016a. Archaeological
responses to 5 decades of metal detecting in Austria. Open Archaeology 2/1, 278-289.
Karl, R.
2016b. Obrigkeit
und Untertan im denkmalpflegerischen Diskurs. Standesdenken als Barriere für
eine Citizen Science? Forum Kritische
Archäologie 5, 2016, 1-15.
Karl, R. 2018. Rechtswidrige Denkmalpflege? Eine (nicht nur österreichische) Realsatire
über archäologische NFG-Pflichten; deren gesetzliche Grenzen; und die
staatliche Denkmalpflege. In Vorbereitung.
ORF Vorarlberg 2018. Schatzsucher als Problem für
Archäologen. ORF Vorarlberg, 2.3.2018 [7.3.3018].
Man müsste vielleicht noch erwähnen, dass der sogenannte "Landesarchäologe" in Wirklichkeit der Archäologe des Landesmuseum ist. Vom BDA kam in der gesamten Berichterstattung niemand vor soviel ich weiß
AntwortenLöschenJa, das ist natürlich richtig: in Österreich ist der Denkmalschutz eine Bundesangelegenheit, "Landesarchäologe" bedeutet also in Österreich etwas ganz anderes als in Deutschland. Wie Du ganz richtig bemerkst ist der im ORF-Beitrag genannte Landesarchäologe der Archäologe des örtlich zuständigen Landesmuseum, nicht ein Mitarbeiter des BDA. Das BDA kommt, wie Du ebenfalls ganz richtig bemerkst, im zitierten ORF-Beitrag überhaupt nicht zu Wort.
AntwortenLöschenJa, das Problem ist, dass dieser Artikel suggeriert, dass die dort vorkommenden Leute auch nur irgendwas mit offizieller (im Sinne von "staatlich"/"hoheitlich") Archäologie in Vorarlberg zu tun haben - der eine ist, wie gesagt, der Archäologe des Landesmusems und der andere der Gemeindearchivar von Nenzing. De facto war das also ein Artikel über die Privatmeinung zweier Leute. Könnten wir uns jetzt auch hinstellen, uns nen coolen Titel geben den es nicht gibt, und uns dann Gedanken zur Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen in Vorarlberg machen ;)
AntwortenLöschenNaja, wenigstens der Landesarchäologe hat schon was mit offizieller (auch im Sinne von "staatlicher"/"hoheitlicher") Archäologie zu tun, wenn auch nur mittelbar. Aber er ist schon ein Landesbediensteter mit archäologischen Aufgaben; sogar - je nach genauer lokaler Ausgestaltung - eventuell sogar mit denkmalpflegerischen Aufgaben, wenn er der den Landeshauptmann bei seiner Aufsichtspflicht im Sinne des § 30 Abs. 1 als "dessen" wissenschaftliche Fachkraft unterstützt bzw. dessen Aufsichtspflicht in seinem Auftrag tatsächlich wahrnimmt. So gesehen ist die Meinung des Landesarchäologen schon mehr als eine bloße "Privatmeinung".
LöschenHallo Herr Karl, auf einen Punkt möchte ich hier hinweisen: Das Suchen von Meteoriten mittels Metallsuchgerät ist nach meinem Dafürhalten nicht verboten (es ist ja, wie oben von Ihnen ausgeführt wurde, auch der Einsatz von Metallsuchgeräten nicht grundsätzlich untersagt). Ich kenne persönlich zwei Personen (einer ist studierter Physiker und ein anerkannter Hobby-Astronom), die dieser Tätigkeit seit einigen Jahren nachgehen. Mit Archäologie haben die nichts am Hut. Allerdings verweigert ihnen das BDA standhaft jede Auskunft, was sie hinsichtlich archäologischer 'Beifunde' machen sollen. Eine Verweigerungshaltung, die rechtswidrig ist, da die Behörde zur Auskunft innerhalb einer bestimmten Frist verpflichtet wäre. Ich habe den starken Verdacht, das BDA möchte hier einen kommoden Gummiparagraphen - Stichwort Eventualvorsatz - nicht selbst unterminieren. Gegebenenfalls wäre das ein unappetitliches Verhalten, das dem Zweck einer späteren Rechtsbeugung dienen könnte.
AntwortenLöschenHallo Hiltibold! Was das manchmal fragwürdige Verhalten des BDA betrifft, was die Frage der Metallsuche durch Laien betrifft, habe ich mich ja andernorts schon mehrfach geäußert. Tatsache ist jedenfalls, dass § 11 Abs. 1 DMSG sicher nur die vorsätzliche bzw. eventualvorsätzliche Suche nach Denkmalen unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche einer gesetzlichen Genehmigungspflicht unterlegt. Wie das Erkenntnis des VwGH vom 23.2.2017, Ro 2016/09/0008 deutlich zeigt, kann auch der Eventualvorsatz nur gegeben sein, wenn bezüglich einer bestimmten Bodenfläche bereits öffentlich bekannt ist, dass dort tatsächlich schützenswerte Denkmale vorkommen. Die Bekannten, von denen sie sprechen, trifft also bei ihren Metallsuchen nur die Fundmeldepflicht für Bodendenkmale des § 8 DMSG, solange sie sich von bekanntermaßen denkmalgeschützten oder denkmalschutzwürdigen Fundstellen fernhalten. Wenn das BDA das anders sieht, ist das im Zweifelsfall in einem Strafverfahren zu klären, wobei in diesem ein Verweis des Beklagten auf das zitierte Erkenntnis des VwGH genügen sollte, um eine unmittelbare Einstellung des Strafverfahrens zu erreichen. So gesehen ist ziemlich egal, ob das BDA die gewünschte Rechtsauskunft erteilt oder nicht. Davon abgesehen: man kann sich im Zweifelsfall um Rechtsauskunft auch an die vorgesetzte Stelle des BDA wenden; im Notfall an den Minister direkt.
AntwortenLöschenDas Ministerium wurde kontaktiert (nachdem das BDA weder auf mehrere E-Mails noch auf ein Einschreiben reagiert hat). Als Antwort bekamen die Meteoritensucher einen nichtssagenden Schimmelbrief. Aber in der Tat sagen beide, dass sie es mittlerweile gerne auf eine Anzeige ankommen lassen. Ich werde auf jeden Fall den nützlichen Hinweis auf das VwGH-Erkenntnis an sie weiterleiten.
AntwortenLöschenKönntest Du sie eventuell direkt mit mir in Kontakt bringen? Mich interessieren solche Fälle und insbesondere die Unterlagen dazu selbstverständlich sehr als Quellen für meine Forschung; und umgekehrt könnte ich ihnen eventuell hilfreiche Ratschläge geben. Direkter Kontakt wäre daher mutmaßlich beiderseits nützlich. Du hast glaub ich eh meine Email-Adresse, wenn Du die einfach an die beiden weitergeben könntest mit der Bitte um Kontaktaufnahme bezüglich ihrer Erfahrungen, wäre ich Dir also sehr verbunden!
AntwortenLöschenWerde ich gerne machen!
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