Freitag, 27. Dezember 2019

Immaterielles Kulturerbe Archäologie

und die archäologische Standesidentität


Abstract: Mit dem Begriff Archäologie werden normalerweise insbesondere materielle Sachen verbunden, insbesondere Fundgegenstände, die man in der Landschaft finden, oder aber ausgraben muss; wobei insbesondere das Ausgraben von Funden als die typische Aufgabe von ArchäologInnen angesehen wird. Diese ArchäologInnen sehen sich selbst nicht erst heutzutage als die Hüter der verlorenen Kulturschätze der Menschheit, um die sie sich zum Wohle der Allgemeinheit als die dazu ausschließlich befugten ExpertInnen kümmern wollen und sollen, ja sogar dazu verpflichtet sind. Es geht, so scheint es, bei Archäologie ausschließlich um das materielle Kulturerbe, dessen stets unvoreingenommene und selbstlose Verwalter jene hochqualifizierten WissenschafterInnen sind, die ordentlich gelernt haben, was archäologisches Kulturerbe ist und wie man mit ihm umgeht, und die nun dieses Wissen völlig emotionslos in der Praxis anwenden, um den objektiv bestmöglichen Schutz des archäologischen Kulturerbes zu erreichen.

In diesem Beitrag zeige ich, dass tatsächlich die Archäologie nicht primär materielles, sondern in erster Linie immaterielles Kulturerbe ist, eine bestimmte, ganz spezifisch gestaltete (und sich auch über die Zeit verändernde, ursprünglich „westliche“) kulturelle Praxis, die bereits seit der Antike hauptsächlich dem Zweck dient, Geschichte(n) über die Vergangenheit zu erzählen. Gleichzeitig dient diese kulturelle Praxis und die für ihre Ausübung charakteristischen Ausdrucksformen, Darstellungsweisen, Wissen und Fertigkeiten sowie die damit verbundenen Werkzeuge, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume der archäologischen Fachwelt als Instrument zur Konstruktion ihres Identitäts- und Kontinuitätsgefühls und macht somit aus „den ArchäologInnen“ eine Kulturerbegemeinschaft im Sinne internationaler kulturschützender Rechtsinstrumente wie der Faro-Konvention und der UNESCO-Übereinkommen zum Schutz und der Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Das hat signifikante Konsequenzen, nicht nur dafür, wie wir uns selbst und unser archäologisches und denkmalpflegerisches Handeln betrachten und beurteilen sollten, sondern vor allem auch für die Organisation der staatlichen Denkmalpflege, die in Anbetracht dieser Tatsache grundlegend überdacht werden muss und stark reformbedürftig erscheint.

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Donnerstag, 19. Dezember 2019

Private und öffentliche Interessen an Archäologie


Abstract: Viele ArchäologInnen und archäologieinteressierte Dritte glauben – wenn auch nur fälschlicherweise – dass die Erhaltung sowie (erforderlichenfalls) die Erforschung und (danach eventuell) die öffentliche Zugänglichkeit bzw. Nutzung aller archäologischen Hinterlassenschaften – was auch immer sie jeweils subjektiv unter diesem zuletzt genannten Begriff verstehen – „das“ einzige, allgemeinverbindliche, unveränderliche und vor allem alle anderen möglicherweise existierenden („minderen“ privaten und öffentlichen) überwiegende „allerhöchste öffentliche Interesse“ an „der Archäologie“ sei. In diesem Beitrag zeige ich, dass und warum diese Ansicht falsch und letztendlich sogar gefährlich und daher dringend abänderungsbedürftig ist. Vielmehr stellt das – tatsächlich bestehende – Interesse an der Erhaltung, Erforschung und Nutzung archäologischer Hinterlassenschaften – wenigstens vorerst – ein „rein“ privates Eigeninteresse dar, primär das archäologischer WissenschafterInnen und DenkmalpflegerInnen und sekundär der an der Erhaltung, wissenschaftlichen Erforschung und Nutzung von Archäologie interessierten Dritten, das sich von beliebigen anderen Eigeninteressen anderer Personen wenigstens a priori nicht unterscheidet. Welches der vielen an Archäologie bestehen könnenden privaten und öffentlichen Interessen tatsächlich „das“ öffentliche Interesse ist, steht nämlich keineswegs a priori unveränderlich fest, sondern ist vielmehr in jedem Einzelfall zu ermitteln und zu beurteilen; wobei dieser Abwägungsprozesses keineswegs immer zugunsten der Eigeninteressen von ArchäologInnen und archäologieinteressierten Dritten ausgehen muss, sondern (sogar oft) auch das Gegenteil davon als „das“ öffentliche Interesse an „der Archäologie“ festgestellt werden kann. Wenn wir in einem demokratischen Verfassungsstaat leben wollen, werden wir uns mit dieser Tatsache abfinden müssen.
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Dienstag, 10. Dezember 2019

Liberale Briten?

Fundregelsysteme im Vergleich

Abstract: Ein jüngst durch die Medien gegangenes Urteil wegen Fundunterschlagung aus dem englischen Herefordshire hat einiges Aufsehen in der archäologischen Fachwelt und Metallsuchergemeinschaft erregt, nicht zuletzt weil der Haupttäter zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde. Dies ist mit dem im deutschen Sprachraum weit verbreiteten Missverständnis unvereinbar, dass das englische und walisische System der archäologischen Fundregelung, besonders im Vergleich zu deutschsprachigen Systemen, ganz besonders liberal und generell ineffektiv sei. In diesem Beitrag vergleiche ich das englische und walisische archäologische Fundregelungssystem mit seinen deutschen und österreichischen Gegenstücken und zeige, dass der relevante Unterschied zwischen diesen verschiedenen Systemen nicht in ihrer relativen Liberalität bzw. Restriktivität liegt, sondern darin, dass das englische und walisische System einen pragmatischen Zugang zur Materie genommen hat, während die deutschen und österreichischen Systeme einen idealistischen, aber vollkommen unrealistischen Zugang nehmen. Folge davon ist nicht nur, dass das englische und walisische System den deutschen und österreichischen in Hinblick auf die Anzahl der eingehenden Fundmeldungen extrem weit voraus ist, sondern auch deutlich effektiver in der Verhinderung von Schäden an geschützten unbeweglichen archäologischen Denkmalen und bei der Bestrafung der Unterschlagung meldepflichtiger und einem staatlichen Schatzregal unterliegender geschützter beweglicher archäologischer Denkmale.

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