Freitag, 12. April 2019

Denkmalforschung, Denkmalschutz und das deklaratorische Prinzip


Abstract: Eines der größten Probleme der archäologischen Denkmalpflege ist der Schutz jener archäologischen Denkmale im Boden, deren Existenz noch gar nicht bekannt ist. Die staatlichen Denkmalbehörden versuchen seit langem, den Schutz dieser unbekannten Denkmale auf diversen Wegen zu erreichen, nicht nur mit variablem Erfolg; sondern auch mit mehr oder minder rechtmäßigen Mitteln.

In diesem Beitrag argumentiere ich, dass ein effektiver archäologischer Denkmalschutz für bislang unbekannte archäologische Denkmale nicht so sehr durch unterschiedliche gesetzliche Regelungen erreicht werden kann, und dass insbesondere die Frage, ob ein Denkmalschutzgesetz primär nach dem konstitutiven oder rein nach dem deklaratorischen Prinzip funktioniert, kaum eine – wenn überhaupt eine – Rolle dafür spielt. Vielmehr kann er auf nur einem einzigen Weg erreicht werden, nämlich durch möglichst effektive Denkmalforschung.

Wie ein Vergleich zwischen Österreich, Bayern und Schleswig-Holstein zeigt, nutzen Versuche, durch diverse verwaltungsrechtliche Tricks oder solche in der Verwaltungspraxis einen möglichst totalen archäologischen Denkmalschutz herbeizuführen, d.h. möglichst das ganze Land unter de facto-Denkmalschutz zu stellen, weit weniger als ein wohlorgansiertes Management der staatlichen Denkmalforschung. Nachdem den staatlichen Denkmalbehörden, deren Aufgabe die Denkmalforschung hauptsächlich ist, für diese überall nur sehr beschränkte Ressourcen zur Verfügung stehen, muss strategisch gezielt gearbeitet werden und möglichst dann und dort Denkmalforschung stattfinden, wann und wo sie gebraucht wird.

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Es ist eine Binsenweisheit, dass man, was man nicht kennt, auch nicht schützen kann.

Etwas zu schützen macht es stets notwendig, auf eine von zwei Arten zu handeln: entweder man setzt vorsätzlich eine bestimmte Handlung, die einer das Schutzgut bedrohenden Gefahr effektiv entgegenwirkt und diese somit vom zu schützenden Gut abwehrt. Oder man gestaltet eine eigentlich mit primär einer anderen Intention geplante Handlung vorsätzlich derart, dass eine anderenfalls (d.h. wenn sie anders gestaltet würde) möglicherweise von ihr für das Schutzgut ausgehende Gefahr nicht entsteht, d.h. mögliche Gefahren von Anfang an vermieden werden. Schutz setzt also stets zielgerichtetes, aktives Handeln voraus: man muss bei vorausschauender Betrachtung das Gut kennen, dass es zu schützen gilt; ebenso wie die Gefahr, die es abzuwenden gilt; und wissen welche Handlungen dazu geeignet sind, die drohende Gefahr vom Schutzgut abzuwenden oder sie gänzlich zu vermeiden.

Denkmalkenntnis und archäologischer Denkmalschutz

Die oben genannte Binsenweisheit trifft daher auch und ganz besonders im Bereich des archäologischen Denkmalschutzes zu: archäologische Denkmale kann man nicht schützen, solange man sie und die ihnen drohenden Gefahren nicht kennt. Ob nun bewegliche Kleinfunde, unbewegliche Befunde oder gar (sich möglicherweise sogar über größere Landschaftsräume erstreckende) archäologische Sinnzusammenhänge (Kontexte); was auch immer davon, weil noch im Boden verborgen, vollkommen unbekannt ist, kann man weder praktisch noch rechtlich auch nur einigermaßen effektiv vor Veränderung oder Zerstörung bewahren.

Schließlich entzieht sich, was noch im Boden liegt, der sinnlichen Wahrnehmung (wenigstens solange man nicht technische Hilfsmittel benutzt, die es ermöglichen, mit mehr oder minder hoher Präzision ‚in den Boden zu schauen‘) und man bemerkt daher selbst dann nicht, dass es durch menschliche Handlungen oder natürliche Ereignisse oder Prozesse mit Gefahren bedroht wird, wenn man sich an Ort und Stelle befindet, während das betroffene archäologische Objekt gerade verändert oder zerstört wird. Daher kann man auch nicht aktiv eingreifen oder sein Handeln in geeigneter Weise gestalten, um diese Veränderung bzw. Zerstörung zu verhindern, ehe sie eintritt; und damit die betroffenen archäologischen Objekte auch nicht schützen.

Denkmalkenntnis und praktischer archäologischer Denkmalschutz

Für einen effektiven praktischen archäologischen Denkmalschutz ist es daher essentiell, dass man sowohl die archäologischen Denkmale kennt, die es zu schützen gilt; als auch die konkreten Gefahren, die diesen Denkmalen drohen; als auch, dass man die Handlungsoptionen kennt, die einem zur Abwendung oder Vermeidung der tatsächlich den schutzbedürftigen archäologischen Denkmalen drohenden Gefahren zur Verfügung stehen. Dabei hängen die zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen stets unmittelbar von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab; d.h. davon, wo sich welche Art von archäologischem Denkmal befindet und durch welche möglichen Handlungen, Ereignisse oder Prozesse welche Gefahren drohen. Nachdem es hypothetisch unendlich viele Möglichkeiten gibt, welche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, werde ich mich in diesem Beitrag mit der Frage der verfügbaren Handlungsmöglichkeiten nicht näher beschäftigen. Und all diese Handlungsmöglichkeiten sind auch vollkommen gleichgültig, wo es keine archäologischen Denkmale im Boden gibt, weil was nicht da ist, braucht man auch nicht schützen.

Ähnliches gilt für Denkmalen drohende Gefahren: auch davon gibt es, wenigstens hypothetisch gesprochen, unendlich viele. Vom Menschen, der vorsätzlich an der Stelle, an dem sich ein archäologisches Denkmal befindet, ein Loch gräbt (ob nun mit dem Zweck der Entdeckung archäologischer Denkmale oder zu einem beliebigen anderen Zweck) über vollkommen natürliche oder humaninduzierte Veränderungen der Bodenchemie (z.B. Thomsen & Andreasen 2019) bis hin zu natürlicher Erosion oder dem Einschlag eines Meteoriten: die möglichen Gefahren sind Legion.

Allerdings lassen sich die hauptsächlichen Gefahren, die archäologischen Hinterlassenschaften im Boden drohen, in Bezug auf ihre relative Eintrittswahrscheinlichkeit durchaus auf einige wenige beschränken, die daher besonders beachtet werden müssen. Die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit haben dabei wohl zumeist durch natürliche Faktoren verursachte Gefahren, insbesondere durch die Bioturbation des Bodens durch Vegetation und bodenbewohnende Tiere und durch Bodenerosion oder andere natürliche Verfallsprozesse verursachte; und/oder von der landwirtschaftlichen Nutzung ausgehende Gefahren (siehe dazu z.B. auch Hebert 2018, 85). In Summe liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Gefahren in der Regel bei etwa 75% oder höher. Erst weit abgeschlagen danach kommen Gefahren, die von der Forst- und Bauwirtschaft ausgehen, die in Summe meist nicht mehr als ca. 15% aller Schäden an archäologischen Denkmalen verursachen (Trow 2010, 21 tab. 1.1). Die Eintrittswahrscheinlichkeit aller anderen Gefahren – inklusive der von Raub- oder professionellen archäologischen Ausgrabungen ausgehenden Gefahren, die jeweils weit weniger als 1% aller Schäden an archäologischen Denkmalen verursachen dürften – ist um ein Vielfaches geringer, die der meisten anderen Gefahren vernachlässigbar gering.

Keine dieser Gefahren lässt sich gleichzeitig überall effektiv bekämpfen: man müsste schließlich praktisch die gesamte Landschaft unter einen Glassturz stellen und nicht nur jedwede Benutzung des Erdbodens durch Menschen, sondern auch jedwede natürliche Veränderung des Bodens gänzlich verhindern, um das Eintreten dieser Gefahren überall gleichzeitig zu verhindern und damit sich eventuell unbekanntermaßen an jedem beliebigen, bestimmten Ort im Boden befinden könnende archäologische Denkmale tatsächlich schützen zu können. Das ist in der Praxis natürlich vollkommen unmöglich, weil es dafür weder ausreichende Ressourcen gibt noch das Leben auf der Erde weiterbestehen könnte, wenn man den gesamten Boden – ob nun über oder unter Wasser – hermetisch versiegelt und seine weitere Benutzung ausschließt.

Aber all diese Gefahren sind dort vollkommen gleichgültig, wo sich keine archäologischen Überreste im Boden befinden: was nicht da ist, kann schließlich auch weder verändert noch zerstört werden. Man braucht also dort, wo sich keine im Boden befinden, auch keine aktiven Schutzmaßnahmen zu setzen und schon gar nicht den Boden hermetisch zu versiegeln, um dort archäologische Denkmale vor Zerstörung oder Veränderung zu schützen, weil schließlich sind dort ja überhaupt keine Schutzgüter vorhanden.

Daher ist die Identifikation und Lokalisierung bis dahin noch unbekannt im Boden verborgener archäologischer Überreste (Art. 4, ICOMOS 1990; Art. 2-7 CoE 1992a; CoE 1992b, 3-7) – das, was man gewöhnlich im deutschen Sprachraum als ‚archäologische Landesaufnahme‘ bezeichnet – die erste und wichtigste Aufgabe der archäologischen Denkmalforschung. Welche konkreten Gefahren einem sich noch in situ befindlichen (möglichen) archäologischen Denkmal im Boden drohen und welche Handlungen zu seinem Schutz geeignet sind, lässt sich schließlich erst konkret bestimmen, wenn man weiß, wo es ist, bzw. dass sich dort ein archäologisches Denkmal im Boden befindet. Dass sich an einem bestimmten Ort im Boden eines befindet, ist jedoch mit den menschlichen Sinnen – wenigstens in der Regel[1] (ohne technische Hilfsmittel) – nicht einmal wahrnehmbar und schon gar nicht offensichtlich.

Man muss daher, um feststellen zu können, wo sich im Boden (bis dahin noch unbekannte) archäologische Denkmale befinden, wissenschaftliche Nachforschungen anstellen, um tatsächlich vorhandene, aber mit dem freien Auge nicht erkennbare und daher noch unbekannte, im Boden verborgene archäologische Denkmale zu entdecken und damit zu identifizieren und lokalisieren. Erst dadurch, dass ein archäologisches Denkmal entdeckt wurde, kann man es durch aktives Eingreifen zum Zweck der Gefahrenabwehr oder Gefahrenvermeidung auch tatsächlich in der Praxis schützen.

Denkmalkenntnis und rechtlicher archäologischer Denkmalschutz

Es ist aber nicht nur für den praktischen, sondern auch den rechtlichen archäologischen Denkmalschutz essentiell, dass man wenigstens die archäologischen Denkmale kennt, die es zu schützen gilt, als auch die konkreten Gefahren, die diesen Denkmalen drohen.

Der wohl wesentlichste rechtliche Grund dafür ist, dass der rechtliche Denkmalschutz stets einen Eingriff in verfassungsgesetzlich geschützte Grund- bzw. völkerrechtlich geschützte Menschenrechte darstellt, insbesondere in das Recht der freien Verfügung über deren Eigentum durch Denkmaleigentümer (Art. 17 AEMR, UN 1948; Art. 1 1. ZProt. EMRK, CoE 1950; Art. 17 EU 2012; Art. 14 GG; Art. 5 StGG; Bazil et al. 2015, 7). Dies zeigt sich nicht zuletzt in aller wünschenswerten Deutlichkeit am Titel der Stammfassung des österreichischen Denkmalschutzgesetzes (DMSG): „Bundesgesetz vom 25. September 1923 betreffend Beschränkungen in der Verfügung über Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung (Denkmalschutzgesetz)“ (BGBl. 533/1923; Hervorhebung: RK). Darüber hinaus werden durch denkmalrechtliche Bestimmungen aber eventuell auch andere Grund- und Menschenrechte beschränkt, insbesondere die Forschungsfreiheit (Art. 27 Abs. 1 AEMR; Art. 13 EU 2012; Art. 5 Abs. 3 GG; Art. 17 StGG), das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben der Gemeinschaft und am kulturellen Erbe (Art. 27 Abs. 1 AEMR; Art. 15 Abs. 1 ICESCR, UN 1967; Art. 1 a, 4 a und c Faro-Konvention, CoE 2005), sowie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).

In alle diese Grund- und Menschenrechte darf der Staat daher nur dann eingreifen bzw. sie beschränken, wenn dies zum Schutz eines gleichwertigen Rechtsgutes sowohl geeignet, als auch erforderlich, als auch mit der dadurch verursachen Beschränkung der betroffenen Grundrechte verhältnismäßig ist (Berka 1999, 156-167; Pieroth et al. 2015, 71-79). Um ein solches Rechtsgut handelt es sich beim Denkmalschutz bzw. der Kulturstaatlichkeit zwar (für Österreich siehe Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG; für die entsprechenden Bestimmungen in den deutschen Landesverfassungen siehe die Übersichten bei Krischok 2016, 181-184); allerdings kann der Denkmalschutz nicht auf Sachen ausgedehnt werden, die keinen (hinreichenden) Denkmalwert und somit auch keinen Denkmalcharakter haben, d.h. die keine Denkmale sind (siehe dazu auch Karl 2018a).

Zusammengefasst: was kein Denkmal ist, kann auch nicht denkmalrechtlich geschützt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass zwingend notwendigerweise die Eigentums-, Forschungs-, Kultur- und allgemeine Handlungsfreiheit auch nicht durch das Denkmalrecht eingeschränkt werden können, wo sich kein Denkmal befindet. Wo kein Denkmal ist, greift das Denkmalrecht nicht.

Das ist bei bekannten bzw. offensichtlich mittels der normalen Sinneswahrnehmung erkennbaren Denkmalen natürlich kein Problem: wo bekanntermaßen bzw. offensichtlich ein Denkmal ist, gilt auch der denkmalrechtliche Schutz. Bei noch gänzlich unbekannt im Boden verborgenen archäologischen Denkmalen, die nicht mit freiem Auge wahrnehmbar sind, ist das hingegen ein gewaltiges Problem, denn es weiß schließlich niemand, dass dort tatsächlich ein archäologisches Denkmal ist.

Denkmalpflege durch ‚Herumschummeln‘ um den Verbots- bzw. Rechtsirrtum

Wenn aber niemand weiß, dass sich dort, wo es sich befindet, tatsächlich ein archäologisches Denkmal ist, können auch allfällige denkmalrechtliche Schutzbestimmungen eigentlich nicht greifen. Denn die Kenntnis – wenigstens der wahrscheinlichen Existenz – eines gesetzlichen Schutzgutes an einem bestimmten Ort ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass RechtsanwenderInnen dort ihr Handeln in einer Weise gestalten können, die das dort vorhandene Schutzgut auch tatsächlich schützt. Können sie das nicht, weil sie weder wissen noch überhaupt (ohne technische Hilfsmittel zu verwenden) wissen können, dass sich dort, wo sie eine möglicherweise denkmalgefährdende Handlung setzen wollen, überhaupt tatsächlich ein Denkmal befinden dürfte, befinden sie sich nämlich notwendigerweise in einem für sie unvermeidbaren Verbots- (Deutschland: § 17 StGB bzw. § 11 Abs. 2 OWiG) bzw. Rechtsirrtum (Österreich: § 9 StGB bzw. § 5 VStG).

Strafbarkeit scheidet somit aus, selbst wenn durch die Handlung tatsächlich massiver Schaden an einem archäologischen Denkmal angerichtet wurde: das unbekannte Denkmal ist zwar hypothetisch durch eine gesetzliche Schutzbestimmung geschützt; in der Rechtsanwendungspraxis hingegen nicht, weil ‚Täter‘ die Schutzbestimmung in Unkenntnis der Existenz des Denkmals gar nicht richtig anwenden konnten. Um dieses Problem kommt man in der Rechtsanwendungspraxis auch höchstens dann herum, und auch dann bestenfalls teilweise, indem man sich bei bestimmten, bekannten Gefahrenquellen um es ‚herumschummelt‘.

Klassisches Beispiel für ein solches ‚Herumschummeln‘ in der Anwendungspraxis ist der rechtliche Umgang vieler Denkmalbehörden und auch teilweise der Gerichte mit MetallsucherInnen. Schließlich tut der Metallsucher im Prinzip nichts anderes als jeder andere Mensch, der an einer bestimmten Stelle aus einem beliebigen anderen Grund als Metallfunde zu entdecken ein Loch in den Boden gräbt: er gräbt ein Loch. Die von diesem konkreten Loch für allfällig an dem Ort, wo es gegraben wird, im Boden vorhandene archäologische Denkmale ausgehende Gefahr ist jeweils exakt gleich; und zwar vollkommen gleichgültig, aus welchem Grund es dort gegraben wird: befindet sich dort im Boden ein noch unbekanntes archäologisches Denkmal, wird dieses aller Wahrscheinlichkeit nach durch das in es gegrabene Loch gleichermaßen zerstört oder verändert. Die Intention des Grabenden, d.h. der Zweck, für den er das Loch gräbt, ändert also nicht das mindeste an der Gefahr, die für ein dort allfällig existierendes Denkmal vom Graben des Loches an dieser Stelle ausgeht.

Der einzige Unterschied, der zwischen der Grabung des Metallsuchers ‚zum Zwecke der Entdeckung von Metallfunden‘ und der zu beliebigen anderen Zwecke besteht, ist der, dass der Metallsucher, nachdem er ein technisches Hilfsmittel zur Lokalisierung von Metallgegenständen im Boden benutzt, vorhersehen kann, dass dort, wo er infolge des Signals seines Metallsuchgerätes gräbt, wahrscheinlich ein elektromagnetisch leitfähiger Gegenstand im Boden ist. Damit lässt sich argumentieren, dass er nicht nur die Entdeckung eines beliebigen Bodenfundes, sondern tatsächlich auch die – wenigstens mögliche – Entdeckung eines zuvor noch unbekannten archäologischen Denkmals bei der von ihm unmittelbar folgend durchgeführten Grabung vorhersehen kann und sich somit nicht in einem schuldbefreienden Verbots- bzw. Rechtsirrtum befindet, wenn er dann tatsächlich eines entdeckt.

Dieses Argument, dass der Metallsucher die Folge seiner Handlung vorhersehen konnte, lässt sich allerdings nur dann aufrechterhalten, wenn man ausblendet, wie hoch – bzw. genauer, wie gering – die Wahrscheinlichkeit ist, dass er bei seiner Grabung tatsächlich ein schützenswertes archäologisches Denkmal entdeckt.[2] Denn betrachtet man die durchschnittliche ‚Fundausbeute‘, die Metallsucher auf beliebigen Bodenflächen (von denen noch keine anderen Hinweise auf das Vorkommen ausreichend bedeutender archäologischer Funde und/oder Befunde und/oder Kontexte vorliegen) machen, zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich einen beweglichen Fundgegenstand entdecken, der von ausreichender Bedeutung ist, um als Denkmal im Sinne der Legaldefinition dieses Begriffs in den meisten Denkmalschutzgesetzen betrachtet werden zu müssen, verschwindend gering ist. Ebenso gering, wenn nicht noch geringer, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei Grabungen auf beliebigen Bodenflächen (signifikanten) Schaden an dort vorkommenden Befunden bzw. Kontexten anrichten.

Bei statistischer Betrachtung ist diese Wahrscheinlichkeit jedenfalls z.B. deutlich geringer als die von der landwirtschaftlichen Bodennutzung ausgehende Gefahr für die Erhaltung von archäologischen Überresten im Erdboden: bei Letzterer ist eben die Eintrittswahrscheinlichkeit meist um die 20-50%, manchmal sogar noch höher, und der entstehende Schaden meist signifikant (Trow 2010, 21). Die Eintrittswahrscheinlichkeit von der Metallsuche ausgehender Gefahren für die Erhaltung von beweglichen archäologischen Denkmalen im Boden ist hingegen in aller Regel deutlich geringer als 1%, für die Erhaltung unbeweglicher Befunde und Kontexte sogar – selbst auf bekannten, oft von Metallsuchern frequentierten Fundstellen – weniger als 0,5% (Karl 2018b, 394-395, 397-401).[3]

Auch kann der Metallsucher in der Regel aufgrund des Signals, das sein Metallsuchgerät abgibt, nicht erkennen, ob das, was er finden wird, tatsächlich oder auch nur wahrscheinlich ein archäologisches Denkmal sein wird. Wenn überhaupt, gestattet das Metallsuchgerät eine Unterscheidung von verschiedenen Metallsorten, was aber zumeist noch nichts über die Art des Gegenstandes aussagt, der aus dem angezeigten Metall besteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Fund, den er (eventuell, es gibt schließlich auch genug falsche Signale) entdeckt, tatsächlich ein denkmalschutzwürdiger Fund sein wird, ist also im Vergleich zu der, dass bei einer aus beliebigen anderen Zwecken an einem beliebigen Ort durchgeführten Grabung unbekannte archäologische Denkmale zerstört werden, bestenfalls unmaßgeblich erhöht (geschätzt: 0,01% statt 0,001%). Im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Pflugtätigkeit auf einem beliebigen Acker noch unbekannte Denkmale zerstört werden (ca. 5-10%), ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Metallsucher tatsächlich denkmalschutzwürdige Denkmale entdeckt, signifikant geringer (ca. 0,01%).

Diese statistischen Wahrscheinlichkeiten muss man also gänzlich ausblenden, um die Entdeckung eines denkmalschutzwürdigen Bodenfundes bei der Metallsuche aus dem Bereich des Verbots- bzw. Rechtsirrtums herauszubringen und damit strafbar machen zu können. Tut man das nicht, müsste man feststellen, dass die Zerstörung bzw. Veränderungen von noch im Boden verborgenen Denkmalen durch normale Pflugtätigkeiten weitaus wahrscheinlicher ist als ihre Zerstörung bzw. Veränderung durch MetallsucherInnen; und daher auch – wenn auch nicht im konkreten Einzelfall, sondern nur bei Durchschnittsfallbetrachtung – bei der Pflugtätigkeit weit vorhersehbarer ist als bei der Metallsuche.

Rechtlich ist das zwar tragfähig, weil man – wo es möglich ist – natürlich auf die Einzelfallbetrachtung abstellen kann, aber doch aus denkmalpflegerischer Sicht geschummelt: man schützt die verborgenen Denkmale nicht vor den weit größeren Gefahren, die ihnen – bei Durchschnittsfallbetrachtung vollkommen vorhersehbarerweise – durch Handlungen drohen, bei denen – im Einzelfall – der konkrete Schadenseintritt nicht vorhersehbar und auch nicht bemerkbar ist. Man schützt sie stattdessen nur vor vergleichsweise vernachlässigbaren und – im Einzelfall – auch nicht konkret, sondern bestenfalls hypothetisch, vorhersehbaren Schadensfällen durch Handlungen, die – bei Durchschnittsfallbetrachtung vorhersehbarerweise – zumeist weitestgehend harmlos sind. Echter Denkmalschutz ist das nicht, sondern eher eine weitgehend sinnlose Alibihandlung, die dazu dient, davon abzulenken, dass man den tatsächlich entstehenden, massiven Schaden nicht verhindern kann.

Der Verbots- bzw. Rechtsirrtum als unüberwindbare Hürde bei Kenntnisunmöglichkeit

Die Pflugtätigkeit kann man nämlich an Orten, von denen noch gar kein Vorkommen von archäologischen Denkmalen im Boden bekannt ist, in keinem Fall aus dem Verbots- bzw. Rechtsirrtum herausbringen. Der Bauer kann schließlich gerade nicht wissen, wo er das Pflügen unterlassen muss, damit er kein im Boden befindliches, unbekanntes Denkmal zerstört: er hat schließlich noch nicht den mindesten Hinweis darauf, dass dort, wo er pflügen will, tatsächlich ein archäologisches Denkmal im Boden ist, und damit auch keinen vernünftig nachvollziehbaren Grund, dort nicht zu pflügen. Im Wesentlichen das Gleiche gilt auch für alle anderen bodenverändernden menschlichen Handlungen auf Bodenflächen, von denen noch keine konkreten Hinweise auf das Vorkommen noch unbekannter, aber denkmalwürdiger Objekte im Boden vorliegen: auch bei denen besteht im jeweiligen konkreten Einzelfall keine Vorhersehbarkeit im rechtlichen Sinn, dass archäologische Denkmale im Boden zerstört oder verändert werden dürften, und damit auch keine Strafbarkeit.

Das gilt sogar bei vorsätzlichen Handlungen, die eine – und sei es auch nur rein zufällige – Entdeckung allfällig an Ort und Stelle vorhandener, unbekannter archäologischer Denkmale im Boden möglichst verhindern sollen. Der Bauunternehmer z.B. kann durch keine denkmalrechtliche Bestimmung daran gehindert werden, den Ober- und Zwischenboden mit dem Bulldozer abschieben statt mit einem Bagger mit zahnlosem Löffel abziehen zu lassen, wenn vom betreffenden Grundstück noch keine Hinweise darauf vorliegen, dass dort denkmalschutzwürdige archäologische Überreste im Boden vorkommen. Es fehlt in dem Fall nämlich jedweder hinreichende Verdacht, dass dort bedeutende Denkmale vorkommen dürften, der eine Einschränkung seiner Verfügungsgewalt darüber gestatten würde, wie er das Grundstück bearbeiten will. Dass er die Schubraupe benutzt, damit er sichergehen kann, dass allfällig tatsächlich dort vorkommende archäologische Überreste unbemerkt zerstört werden, bleibt sich daher gleich, auch wenn es aus denkmalschützerischer Sicht verwerflich ist.

Um also archäologische Denkmale im Boden vor den hauptsächlichen Gefahren schützen zu können, die ihnen dort drohen, ist es aus rechtlicher Sicht unabdingbar, dass wenigstens ihre Existenz und ungefähre Art bekannt ist. Denkmalforschung ist daher auch aus rechtlicher Sicht unbedingt erforderlich, wenn man archäologische Denkmale rechtlich effektiv schützen können will.

Archäologischer Denkmalschutz auf Verdacht?

Die Tatsache, dass man, was man nicht kennt, auch nicht effektiv schützen kann, ob nun praktisch oder rechtlich, stellt allerdings die archäologische Denkmalpflege vor ein fundamentales Problem; denn sie versucht wenigstens seit Jahrzehnten (auch), das Unmögliche möglich zu machen, nämlich gerade jene Denkmale zu schützen, die noch unbekannt sind. Wenig überraschend scheitert sie damit nahezu immer, insbesondere aus zwei Gründen.

Eine Critik der reinen denkmalpflegerischen Vernunft

Der erste dieser Gründe lässt sich am deutlichsten durch eine andere Binsenweisheit ausdrücken, deren archäologisch-denkmalpflegerische Sonderform lautet: unbekannte archäologische Denkmale könnten (fast) überall im Boden vorkommen.

Das ist natürlich nicht mehr als die auf die archäologische Denkmalpflege umgelegte Binsenweisheit, dass man nicht wissen kann, ob etwas, von dessen Existenz man nicht weiß, an einem Ort, den man nicht beobachten kann, vorkommt; sozusagen Donald Rumsfelds berühmt-berüchtigte „unknown unknowns“ (DOD 2002). Oder, wissenschaftlicher gesagt: die Absenz von Evidenz ist nicht unbedingt als Evidenz für die Absenz (von etwas Bestimmten an einem bestimmten Ort) zu werten. Und natürlich stimmt diese Binsenweisheit, sowohl allgemein als auch im konkreten Kontext der archäologischen Denkmalpflege: die Tatsache, dass man (noch) keine Hinweise darauf kennt, dass etwas Bestimmtes der Fall ist, beweist selbstverständlich keineswegs, dass es nicht der Fall ist; sondern nur, dass man eben (noch) keine Hinweise darauf hat, ob es der Fall ist. Es können also tatsächlich unbekannte archäologische Denkmale (fast) überall im Boden vorkommen; nämlich überall dort, wo man nicht gerade alle, die dort waren, tatsächlich sicher vollständig entfernt hat.[4]

Aber das ist nicht mehr und nicht weniger als eine reine Hypothese, oder, um es mit Kant zu sagen, „bloße Spekulation“, die „mehr dazu dient, Irrthümer abzuhalten, als Erkentniß zu erweitern“ (Kant 1781, 851). In der archäologischen Denkmalpflege geht es bei der Verwendung dieser reinen Spekulationen auch tatsächlich um die Vermeidung eines ‚Irrtums‘, nämlich der – ob nun beabsichtigt oder unbeabsichtigt erfolgenden – unerwünschten Zerstörung oder Veränderung noch unbekannter archäologischer Überreste im Boden.

Das ist jedoch gleich aus mehrerlei Gründen hochgradig problematisch. Der erste Grund ist der schon aus Kants Critik der reinen Vernunft wohlbekannte, dass jede rein spekulative Annahme immer nur genauso wahrscheinlich ist wie ihr genaues Gegenteil: natürlich könnten (fast) überall im Boden noch gänzlich unbekannte archäologische Denkmale vorkommen; aber genauso gut könnten (fast) überall im Boden noch gänzlich unbekannte archäologische Denkmale nicht vorkommen. Die Tatsache, dass von einem bestimmten Ort noch keinerlei konkrete Hinweise darauf bekannt sind, ob dort im Boden noch gänzlich unbekannte archäologische Denkmale vorkommen, sagt uns also genauso wenig, dass dort welche vorkommen, wie sie uns sagt, dass dort keine vorkommen. Sie sagt uns vielmehr nur, dass wir einfach nicht wissen, ob dort welche vorkommen; und das wussten wir ohnehin schon. Die Frage, ob dort welche vorkommen, können wir daher nicht auf der Ebene der reinen Vernunft beantworten, sondern nur durch empirische Untersuchungen, d.h. durch Denkmalforschung.

Dennoch nimmt die archäologische Denkmalpflege gerne an, dass die Tatsache, dass wir nicht wissen, ob sich an einem Ort archäologische Denkmale befinden, einen ausreichend starken Verdacht begründet, um bis zum Nachweis des Gegenteils davon ausgehen zu müssen, dass sich dort welche befinden. Besonders deutlich zeigt sich das an der beliebten archäologisch-denkmalpflegerischen Vorstellung, dass die Metallsuche ohne denkmalrechtliche Nachforschungsgenehmigung (NFG) überall verboten ist, weil das ‚für den Schutz der Bodendenkmale erforderlich ist‘, weil diese schließlich ‚überall im Boden vorkommen könnten‘. Das ist aber gleich aus mehreren Gründen Unsinn.

Unsinn ist es zuallererst, weil dieser Schlussfolgerung ein gravierender logischer Kategorienfehler unterliegt: es wird eine bloße, rein hypothetische Möglichkeit als Tatsache missverstanden. Denn es könnten zwar rein hypothetisch wirklich (fast) überall unbekannte archäologische Denkmale im Boden vorkommen. Verlässt man jedoch die Ebene der reinen Vernunft und zieht empirische Beobachtungen hinzu, dann erweist sich, dass archäologische Denkmale fast nirgendwo im Boden vorkommen.

Das lässt sich auch tatsächlich sehr leicht empirisch überprüfen: gräbt man völlig nach dem Zufallsprinzip Löcher in den Boden – wie es z.B. die Bauindustrie (aus archäologischer Sicht) tut, wenn sie Bauprojekte durchführt – findet man nur in sehr wenigen dieser Löcher tatsächlich irgendwelche archäologischen Denkmale. Selbst in größer dimensionierten Löchern, in denen man welche findet, finden sich allfällig doch vorhandene archäologische Überreste zumeist – d.h. außerhalb von seit langem dicht besiedelten Stadtgebieten – nur auf kleinen Prozentsätzen der betroffenen Bodenfläche, selbst wenn man den Oberboden vor dem Abschub mit dem Bagger mit dem Metallsuchgerät auf bewegliche Kleinfunde durchsucht. Selbst auf den meisten archäologischen Fundstellen sind Funde, Befunde und Kontexte normalerweise auf weniger als ca. 25% der ausgegrabenen Bodenfläche zu finden, meist auf deutlich weniger als das; und zwischen Fundstellen im engeren archäologischen Sinn dieses Begriffs sinkt dieser Prozentsatz auf weit unter 1% ab. Mehr noch: von den entdeckten archäologischen Funden, Befunden und Kontexten kommt wieder nur einem vergleichsweise kleinen Anteil tatsächlich ein derart hoher Denkmalwert (Karl 2018a) zu, dass man sie als Denkmale im Sinne der örtlich geltenden Legaldefinition dieses Begriffes betrachten muss, nicht ‚nur‘ als zwar wissenschaftlich bis zu einem gewissen Grad interessante archäologische Funde, Befunde und Kontexte, an deren dauerhafter Erhaltung aber gar kein öffentliches Interesse besteht.

Tatsächlich ist also die Wahrscheinlichkeit, dass man, wenn man an einer beliebigen Stelle ein Loch in den Boden gräbt, auf ein zuvor noch unbekanntes archäologisches Denkmal stößt, durchschnittlich unter 1%. Oder anders gesagt: es könnte sich zwar hypothetisch (fast) überall im Boden ein noch unbekanntes archäologisches Denkmal befinden, tatsächlich befinden sich aber in über 99% des Bodens – d.h. fast überall – keine archäologischen Denkmale. Es ist also nicht wahrscheinlich, dass man ein zuvor noch unbekanntes archäologisches Denkmal findet, wenn man an einem beliebigen Ort ein Loch in den Boden gräbt, sondern ganz im Gegenteil höchst unwahrscheinlich.

Unsinn ist es aber auch, weil die Tatsache, dass ein Denkmal noch gänzlich unbekanntermaßen irgendwo im Boden verborgen liegt, es nicht vor Zerstörung oder Veränderung schützt. Vielmehr weiß man nur nicht, ob es existiert und weiß daher auch nicht, ob und falls ja durch welche Gefahr es dort wann zerstört oder verändert wird. Man kann sich daher weiterhin auf spekulativer Ebene einbilden, dass es sich weiterhin dort befindet, wo es sich befunden hat, bis es durch irgendeine der unzähligen ihm dort drohenden Gefahren zerstört oder verändert wurde, obwohl es inzwischen längst zerstört oder verändert wurde; wenigstens so lange an diesem bestimmten Ort niemand nachschaut, ob noch irgendetwas davon da ist. Ist dann noch was da, kann man sich sogar damit brüsten, dass man das, was vom Denkmal zu diesem Zeitpunkt noch da ist, dann ‚sachgerecht‘ gerettet hat, auch wenn man, hätte man ein paar Jahre früher eingegriffen, noch viel mehr vom in diesem Zeitraum schwer zusätzlich beschädigten Denkmal erforschen hätte können. Aber das weiß man ja nicht, und was man nicht weiß, macht einen bekanntermaßen nicht heiß.

Man macht also aus seiner Unkenntnis eine Tugend, statt das zu tun, was man eigentlich sollte, nämlich rechtzeitig Denkmalforschung zu betreiben, um festzustellen, wo von welchen Denkmalen noch wie viel erhalten ist, das man erforschen oder aktiv schützen könnte. Damit, was ‚für den Schutz der Denkmale erforderlich ist‘, hat das nichts zu tun; sondern ist nur eine bequeme Ausrede dafür, dass man entweder keine Denkmalforschung betreiben will oder – was weit häufiger der Fall ist – dass man nicht ausreichende Ressourcen dafür hat, um all die Denkmalforschung zu betreiben, die man eigentlich betreiben müsste, um archäologische Denkmale effektiv schützen zu können. Auf den letztgenannten Punkt werde ich gleich noch einmal zurückkommen.

Es ist aber auch deshalb Unsinn, weil die Begründung, dass man ja nicht weiß, ob an einem bestimmten Ort noch unbekannte Denkmale im Boden vorkommen und daher davon ausgegangen werden muss, dass sich dort welche befinden, rechtlich nicht haltbar ist. Denn aus rechtlicher Sicht reicht ein bloß hypothetischer Verdacht, dass etwas der Fall sein könnte, keinesfalls dafür aus, tatsächlich bestehende, verfassungs- und/oder völkerrechtlich geschützte Grund- und Menschenrechte eines Einzelnen in irgendeiner Weise zu beschränken. Im Minimum bedarf es dafür eines nachvollziehbar vernünftig begründeten Verdachts, dass die unbeschränkte Ausübung einer bestimmten grund- oder menschenrechtlich geschützten Handlung ein gleichrangig geschütztes Schutzgut ernsthaft gefährdet (siehe z.B. Berka 1999, 346; sinngemäß gleich Pieroth et al. 2015, 80-83).

Genau diese vernünftige Begründung fehlt jedoch dem bloßen Verdacht auf Basis der vollständigen Unkenntnis über eine bestimmte Tatsache: dass etwas rein hypothetisch sein könnte, begründet eben nicht, dass es tatsächlich gegeben ist. Vielmehr hat man in diesem Fall gerade keinen Grund dafür anzunehmen, dass dieses Schutzgut dort existiert, wo eine es gefährden könnende Handlung gesetzt werden soll. Damit fehlt aber das gleichrangig geschützte Schutzgut, das eine Einschränkung tatsächlich bestehender Grund- und Menschenrechte rechtfertigen könnte. Daher kommt man mit dem bloßen Verdacht nicht wirklich weiter.[5]

Kaum weiter kommt man mit der durchaus abschätzbaren Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Bodeneingriff an einem beliebigen Ort tatsächlich zuvor unbekannte archäologische Denkmale angetroffen werden dürften. Denn diese ist, wie schon oben erläutert, tatsächlich nicht einmal 1%, wahrscheinlich sogar deutlich geringer als das. Damit lässt sich zwar argumentieren, dass tatsächlich eine (wenn auch vielleicht nicht genau, so doch wenigstens grob) empirisch bestimmbare Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch ein Bodeneingriff an einem völlig beliebig gewählten Ort tatsächlich Schaden an zuvor noch unbekannten Denkmalen im Boden anrichten kann. Diese ist zwar sehr gering, aber – setzt man voraus, dass unbekannte archäologische Denkmale im Boden besonders hochwertige Schutzgüter sind – muss nicht unbedingt besonders hoch sein, um davon ausgehen zu können, dass die uneingeschränkte Ausübung bestimmter Grund- bzw. Menschenrechte tatsächlich ernsthaften Schaden an einem zuvor noch unbekannten Denkmal anrichten könnte. Damit wird eine gewisse Beschränkung dieser Individualrechte wenigstens prinzipiell möglich.

Dennoch rechtfertigt diese geringe Wahrscheinlichkeit bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (Berka 1999, 156-163; Pieroth et al. 2015, 72-75) höchstens einen geringfügigen Eingriff in geschützte Grund- bzw. Menschenrechte: zwar geht von deren unbeschränkter Ausübung eine gewisse Gefahr für das Schutzgut Denkmal aus, aber die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Gefahr ist sehr gering. Eine gravierende Beschränkung der geschützten Grund- bzw. Menschenrechte, wie z.B. ein generelles Verbot ihrer Ausübung, weil bei ihrer unbeschränkten Ausübung in weniger als einem von hundert Fällen überhaupt das Schutzgut Denkmal betroffen sein wird, und dabei zumeist nur geringfügig und unmaßgeblich verändert werden wird (siehe dazu auch schon Karl 2018b) wird daher kaum im engeren Sinn verhältnismäßig  (Berka 1999, 161-162; Pieroth et al. 2015, 73-74) erscheinen.

Geringfügigere, aber immer noch einigermaßen gewichtige, Eingriffe wie z.B. repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt oder präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt (Pieroth et al. 2015, 75) scheitern hingegen sowohl an der fehlenden Eignung als auch der fehlenden Erforderlichkeit. Damit ein solches Verbot überhaupt dazu geeignet sein kann, noch im Boden befindliche archäologische Denkmale z.B. vor ihrer nicht sachgerechten Bergung zu schützen, müssen diese Denkmale bekannt sein: schließlich kann die Behörde nur dem Schutz dieser Denkmale sachdienliche Auflagen mit einem allfälligen, den Grundrechtsträger vom Verbot befreienden Bescheid verbinden, wenn sie weiß, wo im Boden sich welche dieser Denkmale befinden und welche Handlungen nicht gesetzt bzw. in einer bestimmten Weise gestaltet werden müssen, um diesen drohende Gefahren abzuwenden (siehe dazu auch schon Karl 2018c). Nachdem die Behörde aber von noch unbekannten Denkmalen eben gerade keine Kenntnis hat, kann sie keine sachdienlichen Auflagen mit dem Bescheid verbinden. Eine Genehmigungspflicht ist daher nicht dazu geeignet, das gesetzliche Schutzziel zu erreichen. Aus den gleichen Gründen kann sie auch nicht erforderlich sein: man kann den Grundrechtsträgern schließlich nicht sagen, was sie wie tun müssen, um Schaden von den eventuell unbekannterweise im Boden verborgenen Denkmalen abzuhalten, weil man den relevanten Sachverhalt gar nicht kennt.

Damit bleibt nur eine vernünftige Möglichkeit, um die überall möglicherweise noch gänzlich unbekannterweise im Boden verborgenen archäologischen Denkmäler schützen zu können: man muss sie zuerst einmal – im Wege der Denkmalforschung – lokalisieren und identifizieren, weil man sie erst dann vernünftig schützen kann, wenn man sie hinreichend genau kennt.

Unzureichende Ressourcen für die Denkmalforschung

Das führt uns zum zweiten Grund, warum die archäologische Denkmalpflege beim Versuch, noch unbekannte archäologische Denkmale im Boden effektiv zu schützen, schon seit langem (bzw. eigentlich immer) scheitert: den unzureichenden Ressourcen, die der archäologischen Denkmalpflege vom Staat für die Denkmalforschung zur Verfügung gestellt werden.

Kann man (wenn überhaupt) nur die Denkmale effektiv schützen, die man kennt, dann muss man schließlich, um die, die man noch nicht kennt, effektiv schützen zu können, erst einmal herausfinden, wo sie sich derzeit im Boden befinden. Diese grundlegendste Form der archäologischen Denkmalforschung – eben die archäologische Landesaufnahme – ist jedoch eine Arbeit, die sehr ressourcenaufwändig ist. Ob Feldbegehungen, geophysikalische Prospektionen oder archäologische Fernerkundungsmethoden wie z.B. die Luftbildarchäologie oder die Geländevermessung mit LIDAR; sowohl Datengewinnung als auch Datenauswertung sind personalaufwendig und erfordern auch –zumeist – den Einsatz teurer Gerätschaften, die angekauft oder angemietet werden müssen.

Die Begehung eines Hektars zur Aufsammlung von Oberflächenfunden in einem 2m-Linienabstand stellt z.B. allein eine Gehstrecke von 5 km dar. Nachdem diese Begehung auch nicht in allzu forschem Schritt erfolgen sollte, da schließlich der Boden optisch nach oft noch mit Erde verklebten und daher schwer erkennbaren Fundgegenständen abgesucht werden soll, beträgt die reine Gehzeit bereits deutlich über eine Personenstunde; Stehzeiten für die genauere Untersuchung, Bergung und Dokumentation tatsächlich entdeckter Funde noch gar nicht eingerechnet. Je nach Funddichte variiert die Begehungsdauer pro Hektar natürlich, mindestens ist jedoch mit 2 Stunden Begehzeit pro Hektar zu rechnen, selbst wenn praktisch keine Bodenfunde gemacht werden. Dazu kommt dann noch die Zeit für die Auswertung, durchschnittlich wenigstens eine Personenarbeitsstunde pro signifikantem Fundgegenstand (Karl 2019a, 154-157). Geht man von durchschnittlich 3 signifikanten Bodenfunden pro Hektar aus,[6] ist also mit mindestens 5 Personenarbeitsstunden pro Hektar zu rechnen; Fahrzeiten zum und vom Untersuchungsort noch gar nicht einberechnet. Für eine vollständige Begehung des österreichischen Bundesgebietes müsste man also grob 42 Millionen Personenarbeitsstunden (ohne Fahrzeiten) veranschlagen. Nimmt man eine durchschnittliche Jahresarbeitszeit pro Mitarbeiter von ca. 1.800 Arbeitsstunden an, müsste man, um diese Arbeit in einem Jahr erledigen zu können, etwa 23.300 ArchäologInnen ausschließlich dafür beschäftigen.

Selbst wenn man diese Arbeit in Österreich über ein gesamtes Jahrhundert verteilen und daher ‚nur‘ ca. 233 ArchäologInnen dafür beschäftigen wollen würde, zeigt der Vergleich mit den derzeit vom österreichischen Bundesdenkmalamt (BDA) (vollzeitäquivalent) beschäftigten ca. 15 ArchäologInnen, wie hoch das Missverhältnis zwischen den eigentlich für die Denkmalforschung erforderlichen und den tatsächlich verfügbaren Ressourcen ist. Weil da reden wir noch nicht einmal davon, dass noch einmal nahezu 233 ArchäologInnen für geophysikalische Prospektionen und Luftbildauswertungen angestellt werden müssten, um nicht nur eine Vorstellung über Oberflächenfunde, sondern auch die noch im Verborgenen gelegenen Bodenbefunde in Plan und Volumen gewinnen zu können.

Tatsächlich kann sich das österreichische BDA derzeit nicht einmal leisten, auch nur eine einzige seiner MitarbeiterInnen ausschließlich für die systematische archäologische Denkmalforschung zur Entdeckung, Lokalisierung und Identifizierung noch unbekannter Denkmale im österreichischen Boden abzustellen; was ohnehin völlig sinnlos wäre, weil diese MitarbeiterIn geschätzt die oben schon genannten 23.300 Jahre benötigen würde, um das gesamte Land systematisch archäologisch erstaufzunehmen. Manchen deutschen Landesämtern für Denkmalpflege geht es in dieser Beziehung zwar besser, aber auch nicht viel; es würde ein solches, systematisches Denkmalforschungsprogramm dort vielleicht – mit etwas Glück – ‚nur‘ ein paar tausend Jahre brauchen. Dass auch ein paar tausend Jahre viel zu lang sind, braucht man nicht extra zu erwähnen.

Die archäologische Denkmalpflege, die alle, und insbesondere auch alle noch gänzlich unbekannten Denkmale schützen will, steht also vor einem für sie vollkommen unlösbaren Problem: sie kann nicht effektiv schützen, was sie nicht kennt; und kann auch nicht ausreichend rasch alles finden, was sie noch nicht kennt, was aber aller Wahrscheinlichkeit nach (derzeit noch) da ist. Alles, auch das noch gänzlich unbekannte, archäologische Kulturerbe im Boden zu schützen, geht daher einfach nicht, egal wie sehr das ArchäologInnen und archäologische DenkmalpflegerInnen auch wollen.

Umgehungslösungsversuche und Selbsttäuschungen

Weil ArchäologInnen und archäologische DenkmalpflegerInnen nun aber einmal alle archäologischen Überreste schützen wollen, versuchen sie immer wieder mit Umgehungslösungen das Unmögliche (wenigstens scheinbar) doch möglich zu machen. Das wiederum erfordert allerdings ein kräftiges Maß an Selbsttäuschung, weil das Unmögliche natürlich trotzdem unmöglich bleibt. Man muss daher die Realität mehr oder minder aktiv verleugnen, um (und sei es auch nur vor sich selbst) so tun zu können, als ob das Unmögliche doch möglich wäre.

Denkmalschutz nach deklaratorischem Prinzip

Unsere bevorzugte Methode zur scheinbaren Lösung des unlösbaren Problems ist, die Verantwortung, es zu lösen, einfach allen Normunterworfenen aufzubürden, ohne ihnen allerdings die Mittel dafür in die Hand zu geben. Der Trick, mit dem man das erreichen kann, ist, dass man sein Denkmalschutzgesetz nach dem deklaratorischen statt nach dem konstitutiven Prinzip (DGUF 2013) funktionieren lässt.

Alles, was man scheinbar dafür machen muss, ist ins Gesetz eine Legaldefinition des Bodendenkmalsbegriffs hineinzuschreiben, um alle gesetzlichen Schutzbestimmungen auf alle Sachen anwendbar zu machen, die dieser Definition entsprechen. Damit scheinen – wenigstens bei oberflächlicher Betrachtung – tatsächlich alle archäologischen Denkmale rechtlich geschützt zu sein: ob eine Sache der relevanten Legaldefinition entspricht, ist schließlich eine objektive Tatsache, die sich dadurch, ob man die Sache kennt oder nicht kennt, nicht im mindesten verändert.

Auch bekommt der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht mit dieser Methode kein Problem damit, dass er ohne sachlichen Grund in geschützte Grund- bzw. Menschenrechte eingreift: schließlich sind ja durch ein nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierendes Denkmalschutzgesetz überhaupt nur jene Sachen gesetzlich geschützt, an deren Erhaltung tatsächlich ein öffentliches Interesse besteht. Bezüglich Sachen, an deren Erhaltung kein öffentliches Interesse besteht, gelten die denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen hingegen überhaupt nicht und der Staat greift daher, soweit diese betroffen sind, gar nicht in verfassungsgesetzlich geschützte Individualrechte ein. Damit ist aus verfassungsrechtlicher Sicht wenigstens theoretisch alles in Ordnung.

Auch Denkmalforschung zur Identifikation und Lokalisierung von schützenswerten Denkmalen scheint damit nicht mehr notwendig zu sein: die staatliche Denkmalpflege muss schließlich scheinbar gar nicht mehr wissen, wo sich welche archäologischen Denkmale im Boden befinden, weil diese Denkmale ja den Schutz durch das Gesetz völlig unabhängig davon genießen, ob man sie kennt oder nicht. Nachdem also die staatliche Denkmalpflege gar nicht wissen muss, wo sich ein Denkmal befindet, ja nicht einmal, ob es überhaupt existiert, kann man sich die archäologische Landesaufnahme eigentlich auch gleich ganz ersparen. Denkmalforschung braucht man unter dieser Voraussetzung scheinbar eigentlich nur noch, um mehr über Denkmale zu erfahren, um sie der Öffentlichkeit besser vermitteln zu können; oder um mit archäologischen Methoden mehr über die Vergangenheit zu erfahren und damit das kulturelle Gedächtnis der Menschheit mit zusätzlichen Details zu bereichern. Gerade ArchäologInnen – und die Mehrheit der staatlichen archäologischen DenkmalpflegerInnen hat Archäologiestudien absolviert – ist das sehr recht, weil sie sich daher bei der Denkmalforschung auf die wissenschaftlichen Fragestellungen konzentrieren können, die sie selbst interessieren, d.h. nicht unbedingt (außer das interessiert sie) mit der Lokalisierung, Identifikation und räumlichen Abgrenzung von zuvor noch gänzlich unbekannten archäologischen Überresten im Boden befassen müssen.

Das deklaratorische Prinzip scheint also mit einem genialen Federstrich beide der oben genannten Probleme aus dem Weg zu räumen: man kann scheinbar doch alle archäologischen Denkmale rechtlich schützen, auch wenn man sie überhaupt noch nicht kennt; und braucht auch nicht mehr mit den dafür unzureichenden Mitteln für die Denkmalforschung systematisch alle noch unbekannten Denkmale zu suchen. An dieser Stelle freut sich der nicht genauer darüber nachdenken wollende Archäologe, denn das Unmögliche scheint doch nicht nur möglich, sondern auch tatsächlich erreicht zu sein. Weil rein hypothetisch, bzw. rein rechtlich, ist es das auch, wenigstens am Papier des Gesetzes.

Unglücklicherweise hat man dadurch allerdings in der Realität überhaupt nichts erreicht, weil man das Problem nur verlagert hat, und zwar in einer Weise, die überhaupt nichts bringt. Denn alles, was man damit tatsächlich tut, ist die rechtliche Verantwortung dafür, zu bestimmen, ob sich an dem bestimmten Ort, an dem eine beliebige Person eine bestimmte Handlung setzen möchte, nun tatsächlich als Denkmale zu bewertende archäologische Überreste im Boden befinden, auf ebendiese beliebige Person abzuwälzen. Diese Person hat jedoch zumeist noch viel weniger Möglichkeiten als die staatliche Denkmalpflege, diese Bestimmung vorausschauend korrekt vorzunehmen: schließlich ist sie zumeist keine archäologische Fachkraft und hat daher keinen besonderen archäologischen Sachverstand, sondern nur den weit niedrigeren Kenntnisstand des Durchschnittsbürgers; und hat normalerweise noch viel weniger Ressourcen für die Durchführung archäologischer Prospektionen zur Verfügung als die staatliche Denkmalpflege.[7]

Dieser beliebigen Person ist daher in der Regel auch gar nicht zumutbar, mehr zu tun als sich durch Einsichtnahme in öffentlich zugängliche Denkmalinformationssysteme bzw. ins Grundbuch (sofern bekannte Denkmale dort einzutragen sind) zu informieren, ob sie dort, wo sie ihre Handlung setzen will, mit archäologischen Denkmalen rechnen muss. Findet sie in derartigen, jedermann leicht zugänglichen Quellen keine Hinweise darauf, dass dort, wo sie ihre geplante Handlung setzen möchte, archäologische Denkmale vorkommen dürften, und sind auch an Ort und Stelle keine mit freiem Auge erkennbar, braucht sie sich nicht an irgendwelche denkmalrechtlichen Bestimmungen halten, denn sie kann weder fahrlässig, noch eventualvorsätzlich und schon gar nicht vorsätzlich irgendwelche denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen verletzen: sie kann unter diesen Voraussetzungen nicht wissen, dass sie sich an diesem Ort bei dieser Handlung an diese Schutzbestimmungen halten muss, weil sie selbst dann, wenn sich tatsächlich dort ein noch unbekanntes Denkmal befindet, nicht wissen kann, dass es sich dort befindet. Damit befindet sich die handelnde Person aber notwendigerweise im unvermeidbaren Verbots- (Deutschland: § 17 StGB bzw. § 11 Abs. 2 OWiG) bzw. Rechtsirrtum (Österreich: § 9 StGB bzw. § 5 VStG) und kann daher nicht strafbar handeln.

Damit stehen bei einem nach deklaratorischem Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetz zwar tatsächlich auch alle noch gänzlich unbekannten archäologischen Denkmale im Boden unter Denkmalschutz, werden aber durch dessen Bestimmungen nicht tatsächlich geschützt, weil sich niemand an sie halten muss, solange er nicht weiß, wo genau archäologische Denkmale im Boden vorkommen. Dass es bei dieser Lösung nicht die staatliche Denkmalbehörde ist, die wissen muss, wo ein archäologisches Denkmal ist, damit sie es schützen kann, sondern ‚nur‘ der einzelne Rechtsanwender, ändert also in der Praxis nichts: was niemand kennt, kann auch niemand schützen.

Der einzige Vorteil, der aus dieser versuchten Lösung des unlösbaren Problems erwächst, ist der, dass wir ArchäologInnen uns und insbesondere die staatlichen archäologischen DenkmalpflegerInnen sich selbst einreden können, dass alle archäologischen Denkmale geschützt sind, egal ob man sie kennt oder nicht; weil nicht wir vorausschauend die Entscheidung treffen müssen, wo unserer Meinung nach archäologische Denkmale im Boden sind. Vielmehr können wir jeweils retrospektiv – d.h. wenn ein zuvor noch unbekanntes Denkmal bei seiner Veränderung oder Zerstörung entdeckt und der staatlichen Denkmalpflege oder ArchäologInnen bekannt wurde – entscheiden, dass es sich dabei um ein archäologisches Denkmal gehandelt hat und daher anders behandelt hätte werden sollen als es behandelt wurde; nämlich sachgerecht von professionellen ArchäologInnen ausgegraben, geborgen und dokumentiert hätte werden sollen. Wir können damit also die Schuld für die Zerstörung bzw. Veränderung eines zuvor noch unbekannten Denkmals, das wir nicht rechtzeitig sachgerecht entdeckt, ausgegraben und dabei dokumentiert haben, jemand anderem in die Schuhe schieben; statt zugeben zu müssen, dass wir es bisher übersehen hatten und es nicht rechtzeitig erforschen konnten.

Gleichzeitig können wir eine Position der moralischen Überlegenheit einnehmen: wir hätten das Denkmal schließlich gerettet, wenn nicht irgendjemand anderer es unsachgemäß zerstört hätte; wir haben also nichts falsch gemacht. Der betroffene Rechtsanwender hätte hingegen seine Handlung unterlassen sollen, die zur Zerstörung oder Veränderung des Denkmals geführt hat, weil er ja vorhersehen können musste, dass sich überall im Boden noch gänzlich unbekannte archäologische Denkmale befinden könnten und im konkreten Fall auch tatsächlich befunden haben. Dass er das gar nicht wissen konnte, können wir hingegen als Ausrede abtun, weil wir sagen schließlich schon immer, dass jeder immer überall aufpassen muss; der Rechtsanwender also ausreichend gewarnt war. Auch wenn er es natürlich nicht war, weil wir die Ebene der rein hypothetischen Vorhersagen nie verlassen haben: die hypothetische Vorhersage, dass überall etwas sein könnte, das fast nirgendwo tatsächlich ist, bewahrheitet sich schließlich notwendigerweise immer überall dort, wo es tatsächlich doch ist.

Archäologischer Denkmalschutz nach dem deklaratorischen Prinzip kann also bei bereits bekannten Denkmalen halbwegs sinnvoll sein; ist aber, wo der Schutz noch unbekannter archäologischer Überreste im Erdboden das Ziel ist, nicht mehr als ein Mittel zur Ermöglichung archäologisch-denkmalfachlichen Selbstbetrugs. In der Praxis bietet das deklaratorische Prinzip unbekannten archäologischen Denkmalen gar keinen Schutz, sondern schützt nur unsere Wunschträume.

Erfundene Begründungen für den bloßen Verdacht

Nachdem das deklaratorische Prinzip nur in der Theorie funktioniert, aber in der Anwendungspraxis eben spätestens daran scheitert, dass der durchschnittliche Rechtsanwender selbst die meisten bereits bekannten archäologischen Denkmale nicht richtig erkennen kann, weil sie sich an der Erdoberfläche durch keine für den Laien und oft nicht einmal durch den Fachmann mit dem freien Auge erkennbare Merkmale kennzeichnen, müssen bekannte archäologische Denkmale letztendlich doch in Denkmallisten eingetragen werden, auch wenn sie nach dem deklaratorischen Prinzip geschützt sind.

An dieser Stelle entfaltet das deklaratorische Prinzip einen weiteren bedeutenden Vorteil für die staatliche Denkmalpflege: nachdem kein eigener Verwaltungsakt erforderlich ist, um ein Denkmal unter Schutz zu stellen, weil ja alle Sachen von Gesetz wegen unter Denkmalschutz stehen, die der Legaldefinition des Denkmalbegriffs entsprechen, haben Grundeigentümer keine Parteienstellung und können daher Unterschutzstellungen nicht so leicht wie unter dem konstitutiven Prinzip oder sogar gar nicht vor Gericht bekämpfen (DGUF 2013). Es genügt völlig, wenn die Denkmalbehörde glaubt, ausreichend Gründe dafür zu haben, um annehmen zu können, dass sich in der betroffenen Bodenfläche ein archäologisches Denkmal befindet, damit sie dieses in die Denkmalliste eintragen und damit schützen kann. Damit kann man sich scheinbar einiges an Denkmalforschung ersparen, weil man den betroffenen Grundeigentümern und einem von diesen angerufenen Gericht nicht glaubhaft machen muss, dass im betroffenen Boden tatsächlich ein archäologisches Denkmal existiert, sondern höchstens behördeninternen, nachkontrollierenden ArchäologInnen, was in der Regel viel leichter geht, weil diese ohnehin auch so viel Archäologie als möglich als Denkmale schützen wollen.

Dennoch: für eine Eintragung einer Bodenfläche als Bodendenkmal braucht man auch nach dem deklaratorischen Prinzip irgendeine Begründung, weil das, was in die Denkmalliste aufgenommen werden soll, schließlich der Legaldefinition des Gesetzes genügen muss. Man muss also wenigstens irgendwelche Hinweise darauf haben, dass an dem betreffenden Ort im Boden archäologische Hinterlassenschaften vorkommen, um die Archäologie, die sich dort befindet, in die Denkmalliste aufnehmen zu können. Noch gänzlich unbekannte archäologische Hinterlassenschaften kann man daher auch nicht in eine nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierende Denkmalliste aufnehmen und sie bleiben daher ungeschützt.

Nun ist es aber so, dass die Denkmalämter selbst bei vielen seit langem bekannten Fundstellen deren genaue räumliche Ausdehnung nicht kennen. Früher konnte man diese oft auch wirklich kaum feststellen, weil verlässliche Methoden zu ihrer räumlichen Eingrenzung fehlten: die seit langem bekannte Luftbildarchäologie funktioniert nicht zu jeder Zeit gleich gut, nur auf mit bestimmten Feldfrüchten bebauten Bodenflächen einigermaßen gut, und z.B. im Wald zumeist gar nicht, und ist daher nur bedingt zur Abgrenzung von Fundstellen gegenüber ihrem Umland geeignet. Die meisten geophysikalischen Prospektionsmethoden sind hingegen erst in den letzten 30 Jahren soweit ausgereift, dass sie weitgehend verlässlich funktionieren; und auch sie funktionieren nicht immer unter allen äußeren Umständen (auf unterschiedlichen Unterböden, bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen etc.) gleich gut – einmal abgesehen davon, dass viele Denkmalbehörden noch nicht einmal eigene Prospektionsgeräte und auch kein Personal zu deren Einsatz haben. Denkmalämter haben daher häufiger den Verdacht, dass sich Fundstellen über ihre bekannten Grenzen hinaus unbekannt im Boden weiterausdehnen; ohne allerdings irgendwelche konkreten Hinweise darauf zu haben, was die Unterschutzstellung der betroffenen Bodenflächen selbst nach dem deklaratorischen Prinzip schwierig macht.

Daher behelfen sich Denkmalbehörden gerne damit, zum Schutz wenigstens dieser noch unbekannten Teile bereits bekannter archäologischer Denkmale rund um diese, und eventuell auch an anderen Stellen in der Landschaft „Bodendenkmalsverdachtsflächen“[8] auszuweisen. Das sind vereinfacht gesagt Bodenflächen, auf die sich bereits bekannte Denkmale in noch unbekannter Weise ebenfalls erstrecken oder noch gänzlich unbekannte Denkmale befinden könnten.

Als Hinweis darauf, dass auf den betreffenden Verdachtsflächen, obwohl man von ihnen selbst noch keine konkreten Hinweise darauf hat, doch archäologische Hinterlassenschaften vorkommen könnten, wird z.B. die Tatsache gewertet, dass auf einer benachbarten Fläche ein bereits bekanntes Bodendenkmal vorkommt. Das scheint, wenigstens auf den ersten Blick, durchaus vernünftig zu sein: schließlich befindet sich ja daneben ein bereits bekanntes Bodendenkmal, dessen genaue Ausdehnung man nicht kennt. Das ist zwar nicht wirklich ein konkreter Hinweis, sondern weitgehend hypothetische Spekulation; aber nach dem deklaratorischen Prinzip scheint ja die Denkmalbehörde nicht unbedingt konkrete Hinweise haben zu müssen, die auch eine objektive, dritte Partei davon überzeugen würden, dass sich dort wo es die Behörde vermutet tatsächlich ein Denkmal befindet. Und nachdem tatsächlich die exakten Abgrenzungen der meisten bekannten Fundstellen nicht genau bekannt sind, bestätigt sich bei Untersuchungen der Verdacht auf das Vorkommen von Bodendenkmalen auf den an bekannte Bodendenkmalflächen angrenzenden Bodenflächen recht häufig, wenn diese einigermaßen eng um bekannte Bodendenkmale gezogen werden.

Beispiel Bayern

In Bayern z.B. machen die im dortigen Denkmal-Atlas (Abbildung 1 - Abbildung 3) als bekannte Bodendenkmale ausgewiesenen Bodenflächen ca. 1,4% der gesamten Landesfläche aus.[9] Darüber hinaus kann das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BayLfD) auch andere Bodenflächen als Verdachtsflächen ausweisen, wobei die Frage, ob eine Fläche eine solche ist, jeweils im Einzelfall zu prüfen ist (für Kriterien siehe BayLfD 2016, 12).

Abbildung 1: Gesamtüberblick über bekannte Bodendenkmalen (samt Bodendenkmalverdachtsflächen) in Bayern (Bayerischer Denkmal-Atlas, Zoomstufe: 50km [7/3/2019]). Geschützte Bodendenkmale jeweils als Punkt dargestellt.

Abbildung 2: Verteilung in einer dicht mit Bodendenkmalen (samt Bodendenkmalverdachtsflächen) durchsetzten Region in der Umgebung von Manching in Bayern (Bayerischer Denkmal-Atlas, Zoomstufe: 2km [7/3/2019]). Geschützte Flächen: rot.

Abbildung 3: Verteilung von Bodendenkmalen (samt Bodendenkmalverdachtsflächen) in der unmittelbaren Umgebung von Manching (linke untere Ecke) in Bayern (Bayerischer Denkmal-Atlas, Zoomstufe: 100m [7/3/2019]). Geschützte Flächen: rot.

Nachdem für bodenverändernde Maßnahmen in Verdachtsflächen gem. Art. 7 Abs. 1 BayDSchG eine denkmalbehördliche Genehmigung erforderlich ist,[10] lässt sich empirisch überprüfen, wie oft sich der Verdacht auf das Vorkommen von Bodendenkmalen bei auf Verdachtsflächen stattfindenden Erdarbeiten bestätigt. Die diesbezüglichen Erhebungen des BayLfD ergaben für die Jahre 2013 und 2014 bei „knapp 43 Prozent aller archäologischen Maßnahmen in Fällen der Denkmalvermutung einen positiven Befund und damit den Nachweis des Bodendenkmals. In ca. 52 Prozent der Fälle bestätigte sich die Vermutung nicht, im Rest der Fälle wurde das Ergebnis dem Landesamt für Denkmalpflege nicht bekannt“ (Bayerischer Landtag 2015, 2).

Das ist tatsächlich eine statistisch signifikant erhöhte Erfolgswahrscheinlichkeit: nimmt man eine geschätzte durchschnittliche Fundstellendichte tatsächlich existierender Bodendenkmale von ca. 12,5 pro km2 (Karl 2019b, 6), d.h. ca. ein Bodendenkmal pro 8 Hektar an (siehe FN 6), das jeweils durchschnittlich maximal ca. 2 Hektar Fläche aufweist,[11] ist die Wahrscheinlichkeit zufällig ein Bodendenkmal zu entdecken höchstens ca. 25%. Die Denkmalvermutung des BayLfD bestätigt sich also wenigstens etwa zwei Mal häufiger als zu erwarten wäre.

Beispiel Schleswig-Holstein

Ganz anders ist die Situation in Schleswig-Holstein, wo die im Archäologie-Atlas SH (Abbildung 4 - Abbildung 6) ausgewiesenen bekannten archäologischen Denkmale wohl weniger als 1%, die vom Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein (ALSH) ebenfalls ausgewiesenen „archäologischen Interessensgebiete“[12] hingegen – geschätzt – ca. 75-80% der gesamten Landesfläche ausmachen. Dass diese Interessensgebiete einigermaßen eng um bekannte Bodendenkmale gezogen wären, lässt sich jedenfalls nicht behaupten (siehe Abbildung 6).

Abbildung 4: Gesamtüberblick über “Archäologische Interessensgebiete“ in Schleswig-Holstein (Archäologie-Atlas SH, Zoomstufe: 20km [7/3/2019]). Archäologische Interessensgebiete jeweils als blau schraffierte Flächen dargestellt.

Abbildung 5: Verteilung in einer dicht mit archäologischen Interessensgebieten durchsetzten Region in der Umgebung von Haithabu in Schleswig-Holstein (Archäologie-Atlas SH, Zoomstufe: 2km [7/3/2019]). Geschützte Flächen: rot bzw. türkis.

Abbildung 6: Bodendenkmale (rot) und archäologische Interessensgebieten (blau schraffiert) in der unmittelbaren Umgebung von Haithabu (linker Rand oben) in Schleswig-Holstein (Archäologie-Atlas SH, Zoomstufe: 100m [7/3/2019]).

Weshalb das ALSH diese Flächen als archäologische Interessensgebiete ausweist, lässt sich für Dritte nicht nachvollziehen. Denn es findet sich im Archäologie-Atlas SH nicht mehr als die Angabe, dass es sich bei einer beliebigen blau schraffierten Fläche um ein archäologisches Interessensgebiet handelt; dessen Gebietsnummer; sowie in welchem Amt, Kreis und Gemeinde es sich befindet. Es lässt sich auch nicht feststellen, warum das ALSH die Grenzen der blau schraffierten archäologischen Interessensgebiete dort gezogen hat, wo es sie gezogen hat; noch welchen „Umständen nach zu vermuten ist“ (§ 12 Abs. 6 DSchG SH), dass sich auf den gewaltigen ausgewiesenen Flächen tatsächlich Bodendenkmale befinden; nicht nur rein hypothetisch gesprochen welche befinden könnten. Und es gelang mir auch trotz einigermaßen intensiver Suche nicht, die Kriterien herauszufinden, die das ALSH für die Ausweisung von Flächen als archäologische Interessensgebiete heranzieht.

Zwar liegen mir aus Schleswig-Holstein keine Daten vor, wie oft sich der Denkmalverdacht bei in archäologischen Interessensgebieten durchgeführten Erdarbeiten bestätigt. Aber nimmt man nicht an, dass es in Schleswig-Holstein ein Vielfaches mehr an Bodendenkmalen als in Bayern gibt, scheint es eher unwahrscheinlich, dass das allzu häufig der Fall ist. Zwar sind dem ALSH trotz deutlich kleinerer Landesfläche von Schleswig-Holstein mehr, nämlich pro Flächeneinheit etwa 5,6 Mal so viele, Bodendenkmale bekannt als dem BayLfD aus Bayern.[13] Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass auch Bodendenkmale in Schleswig-Holstein maximal durchschnittlich ca. 2 Hektar Fläche haben (siehe FN 11), käme man damit maximal auf ca. 123.000 Hektar bzw. ca. 7,9% der gesamten Landesfläche von Schleswig-Holstein (abzüglich Lübeck), nicht auf die ungefähr 75-80% der Landesfläche, die im Archäologie-Atlas SH als archäologische Interessensgebiete ausgewiesen werden.

Generell komme ich an dieser Stelle nicht umhin, auf Basis meiner eigenen Erfahrungen und einer raschen Durchsicht einschlägiger Fachliteratur über großflächige archäologische Maßnahmen (z.B. Bopfinger & Krausse 2012) zu sagen, dass mir die Annahme einer signifikant erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von archäologischen Denkmalen auf auch nur 10% der Landesfläche eines beliebigen Landes doch eher unglaubwürdig erscheint. Wie also das ALSH zum begründeten Verdacht (Ickerodt & Lund 2015, 109) gelangt sein kann, dass in all den im Archäologie-Atlas SH als archäologische Interessensgebiete ausgewiesenen Zonen eine derart erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von Bodendenkmalen besteht, dass dies „den Umständen nach zu vermuten ist“ (§ 12 Abs. 2 Z 6 DSchG SH), vermag ich nicht wirklich nachzuvollziehen.

Noch viel weniger vermag ich nachzuvollziehen, wie das ALSH diese archäologischen Interessensgebiete räumlich abgrenzen konnte: wenn, wie auf Abbildung 6, ca. 90% der dargestellten Bodenfläche als Interessensgebiete ausgewiesen sind, muss man sich fragen, warum nicht auch der Rest des auf dem Kartenausschnitt dargestellten Bodens ein archäologisches Interessensgebiet ist? Schließlich muss ein signifikanter Unterschied in den Umständen zwischen den als Interessensgebiet ausgewiesenen und nicht ausgewiesenen Bodenflächen bestehen, der es zu bestimmen erlaubt, dass in den als Interessensgebieten ausgewiesenen Zonen die Wahrscheinlichkeit, dort bei Erdarbeiten auf archäologische Denkmale zu stoßen, die auf nicht ausgewiesenen Bodenflächen deutlich übersteigt. Das setzt jedoch Denkmalforschung voraus, die diese unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten auf den verschieden bewerteten Bodenflächen einigermaßen verlässlich zu bestimmen erlaubt hat.

Tatsächlich zeigen Beispiele wie dieses, dass es sich bei den ausgewiesenen gar nicht um Flächen handeln kann, die aufgrund eines sachlich begründeten Verdachts (Ickerodt & Lund 2015, 109) von anderen Bodenflächen unterschieden werden können. Denn um zum sachlich begründeten Verdacht zu gelangen, dass auf ca. 75-80% eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dass dort „den Umständen nach zu vermuten ist“ (§ 12 Abs. 6 DSchG SH), dass sich dort archäologische Denkmale befinden, müsste das ALSH systematisch die gesamte Landesfläche mit den oben genannten archäologischen Prospektionsmethoden untersucht und festgestellt haben, dass auf den ausgewiesenen Flächen konkrete Hinweise auf das Vorkommen archäologischer Denkmale vorliegen, auf den verbleibenden 20-25% hingegen keine vorkommen. Dafür hatte aber das ALSH niemals das erforderliche Personal noch die erforderliche technische Ausstattung: immerhin hat Schleswig-Holstein (inkl. Lübeck) ca. 15.763 km2 Fläche, d.h. allein eine systematische Begehung hätte ca. 7,9 Millionen Personenarbeitsstunden (bzw. ca. 4.375 Personenarbeitsjahre) in Anspruch genommen. Die derzeit 6 auf der Webseite des ALSH als in der archäologischen Landesaufnahme [11/3/2019] tätig geführten MitarbeiterInnen hätten also etwa im Jahr 1239 n.Chr. damit beginnen müssen, um bis heute damit fertig geworden sein zu können.

Bei den archäologischen Interessensgebieten in Schleswig-Holstein handelt es sich also offensichtlich um ein Fantasieprodukt des ALSH; eben um die reine Spekulation, dass archäologische Hinterlassenschaften schließlich praktisch überall im Boden vorkommen könnten. Für das Zutreffen dieses bloßen, unbegründeten Verdachtes wird eine Scheinbegründung ins Feld geführt, nämlich, dass sich archäologische Denkmale manchmal (wenn auch selten weit) über ihre bekannten Grenzen hinaus erstrecken. Damit kann man beliebige Kringel auf die Landkarte malen und so tun, als ob man einen begründeten Verdacht hätte, dass dort Bodendenkmale vorkommen.

Aber das ist noch keineswegs alles.

Denkmalbewertungsverweigerung

Um überhaupt sagen zu können, ob im Boden verborgene Gegenstände Denkmale im Sinne der Legaldefinition des jeweils örtlich geltenden Begriffs in einem nach deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetz sind, muss man bewerten, ob sie dieser Legaldefinition überhaupt entsprechen. Die Tatsache, dass wir ArchäologInnen einen (bis zu seiner Entdeckung) im Boden verborgenen Gegenstand als einen archäologischen Fund bzw. Befund betrachten und bezeichnen, bedeutet nämlich noch keineswegs, dass dieser Gegenstand auch ein Denkmal im Sinne der relevanten Legaldefinition ist.

Beispiel Bayern

So bestimmt z.B. das BayDSchG in seinem Art. 1 Abs. 1 iVm Abs. 4, dass Bodendenkmäler bewegliche und unbewegliche, von Menschen geschaffene Sachen oder Teile davon aus vergangener, in der Regel vor- oder frühgeschichtlicher Zeit sind, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Um zu bestimmen, ob eine beliebige im Boden befindliche Sache ein Bodendenkmal im Sinne dieser Legaldefinition ist, ist also primär ihre Bedeutung im genannten Sinn, sowie, wenngleich nur sekundär, ihr absolutes Alter zu bestimmen und schließlich zu bewerten, ob diese Eigenschaften derart beschaffen sind, dass ihre Erhaltung deswegen im Interesse der Allgemeinheit liegt.

Während man durchaus bis zu einem gewissen Grad darüber streiten kann, wo genau die Grenzen zu ziehen sind, ab wann ein im Boden verborgener Gegenstand ein Bodendenkmal im Sinne dieser Legaldefinition ist, ergibt sich dennoch daraus gänzlich eindeutig, dass nicht jeder beliebige Gegenstand im Boden ein Bodendenkmal ist oder auch nur sein kann. Vielmehr muss anhand der bekannten Eigenschaften des betreffenden Gegenstandes durch jeden Rechtsanwender selbst beurteilt werden, ob seine Erhaltung aufgrund dieser Eigenschaften – wenigstens wahrscheinlich – im öffentlichen Interesse gelegen ist oder nicht (siehe dazu sinngemäß schon Karl 2018a; c). Hierbei ist es – wie stets in solchen Fällen – wichtig zu beachten, dass der operative Begriff in der Legaldefinition nicht im Konjunktiv, sondern im Indikativ benutzt wird: es genügt nicht, dass die Erhaltung des betreffenden Gegenstandes im Interesse der Allgemeinheit liegen könnte, sondern es ist erforderlich, dass seine Erhaltung tatsächlich im Interesse der Allgemeinheit liegt.

Beispiel Schleswig-Holstein

Die Legaldefinition des archäologischen Denkmalbegriffs des § 2 Abs. 2 Z 2 DSchG SH ist etwas anders formuliert und subsumiert unter dem Oberbegriff Kulturdenkmale unter anderem den genauer eingeschränkten Unterbegriff archäologische Denkmale. Zusammengezogen sind archäologische Kulturdenkmale iSd § 2 Abs. 2 DSchG SH „Sachen, Gruppen von Sachen oder Teile von Sachen aus vergangener Zeit, deren Erforschung oder Erhaltung wegen ihres besonderen geschichtlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen, technischen, städtebaulichen oder die Kulturlandschaft prägenden Wertes im öffentlichen Interesse liegen“ und „die sich im Boden, in Mooren oder in einem Gewässer befinden oder befanden und aus denen mit archäologischer Methode Kenntnis von der Vergangenheit des Menschen gewonnen werden kann“, wozu „auch dingliche Zeugnisse wie Veränderungen und Verfärbungen in der natürlichen Bodenbeschaffenheit sowie Zeugnisse pflanzlichen und tierischen Lebens, wenn aus ihnen mit archäologischer Methode Kenntnis von der Vergangenheit des Menschen gewonnen werden kann“ gehören. Trotz der etwas anderen Formulierung sind also auch in Schleswig-Holstein sowohl Alter als auch Bedeutung eines Bodenfundes bzw. -befundes ausschlaggebend und daher zuerst einmal zu bestimmen, ehe sie in einem zweiten Schritt in Hinblick darauf zu bewerten sind, ob aufgrund ihres Alters und ihrer Bedeutung ihre Erforschung und Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt. Kann im Vergleich zu Bayern der Gegenstand bedeutend jünger sein, weil er nur aus der Vergangenheit und nicht in der Regel aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit stammen muss; und muss er auch im Unterschied zu Bayern nicht von Menschen geschaffen sein; muss er aber, auch im Gegensatz zu Bayern, von besonderem und nicht bloß gewöhnlichem Wert (bzw. Bedeutung) sein, um ein archäologisches Kulturdenkmal zu sein.

Daraus ergibt sich, dass auch in Schleswig-Holstein, ebenso wie in Bayern, nicht jeder Bodenfund bzw. -befund ein archäologisches Kulturdenkmal ist, das der Legaldefinition des anzuwendenden Denkmalsbegriffs entspricht, sondern es wenigstens auch manche, wenn nicht sogar – aufgrund der erforderlichen Besonderheit seines Wertes (siehe dazu schon Karl 2018a, 11-13) – viele Bodenfunde und -befunde gibt, die keine archäologischen Kulturdenkmale sind oder auch nur sein können, auch wenn sie aus vergangener Zeit stammen und sich im Boden befinden oder befanden (siehe dazu auch Ickerodt & Lund 2015, 108-109). Die Auswahl, die dem Denkmalbegriff entspricht, mag eine etwas andere sein als die, die man in Bayern nach den dortigen gesetzlichen Kriterien treffen müsste, aber es ist auch in Schleswig-Holstein nur eine Auswahl, die daher ebenso anhand bekannter Eigenschaften der betreffenden Gegenstände getroffen werden muss wie in Bayern. Und ebenso wie in Bayern steht der operative Begriff auch in der Legaldefinition in Schleswig-Holstein im Indikativ, nicht im Konjunktiv; und es genügt daher auch in Schleswig-Holstein nicht, dass die Erforschung und Erhaltung eines bestimmten Gegenstandes im öffentlichen Interesse liegen könnte, sondern diese müssen auch tatsächlich im öffentlichen Interesse liegen.

Verweigerung relativer Denkmalbedeutungszuweisungen

Es ist also sowohl in Bayern als auch in Schleswig-Holstein eine Auswahl jener aus allen Bodenfunden und -befunden zu treffen, die der jeweils örtlich anzuwendenden Legaldefinition genügen. Die, die ihr nicht genügen, sind keine Denkmale und daher – nachdem diese ja nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren – durch die jeweiligen Denkmalschutzgesetze auch überhaupt nicht geschützt. Sie sind auch nicht ein verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut, selbst wenn sich in der betreffenden Landesverfassung ein Denkmalschutzartikel – in Bayern Art. 141 Abs. 2 – oder auch eine Kulturstaatsklausel findet – wie das sowohl in Bayern mit Art. 3 Abs. 1 als auch in Schleswig-Holstein mit Art. 13 der jeweiligen Landesverfassung der Fall ist (Krischok 2016, 181-183); weil diese ja nur Denkmale und nicht Sachen, die keine Denkmale sind, zu verfassungsgesetzlich geschützten Gütern erheben. Die Bewertung von Bodenfunden und -befunden ist daher bei nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen absolut essentiell, weil was kein Denkmal ist, durch sie auch nicht geschützt wird.

Genau diese Bewertung ist aber bei noch gänzlich bzw. weitgehend unbekannten archäologischen Hinterlassenschaften im Boden überhaupt nicht möglich, weil deren bewertungsrelevante Eigenschaften gar nicht oder bestenfalls unzureichend bekannt sind. Kann man aber ihre Bedeutung nicht bewerten, sind sie kein gesetzliches Schutzgut: ihre Erhaltung könnte schließlich nur im öffentlichen Interesse gelegen sein, liegt aber – wenigstens zum derzeitigen Kenntnisstand – noch nicht tatsächlich im öffentlichen Interesse. Dass etwas, dessen Erhaltung derzeit noch nicht im öffentlichen Interesse liegt, auch nicht durch die denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen geschützt sein kann, ist offensichtlich: schließlich ist auch ein Gebäude nicht automatisch deshalb denkmalgeschützt, weil sich zu späterer Zeit erweisen könnte, dass es ein bis dahin nicht als solches erkanntes, besonders gut gelungenes Beispiel für die Architektur seiner Zeit ist oder jemand darin aufgewachsen sein könnte, der zwar noch nicht jetzt, aber zu späterer Zeit, zu einer bedeutenden historischen Persönlichkeit wird. Ebenso wenig steht eine unauffällige Bronzestatue alleine deshalb automatisch unter Denkmalschutz, weil es sein könnte, dass sich bei genauerer Untersuchung in der Zukunft herausstellt, dass sie von Michelangelo geschaffen wurde. Aus rechtlicher Sicht zählt eben nicht, dass etwas, wenn man nur mehr über es wissen würde, vielleicht als schützenswertes Denkmal erkannt werden könnte, sondern nur ob man in der Gegenwart schon weiß, dass es aufgrund seiner bekannten Eigenschaften ein schützenswertes Denkmal ist.

Bei bereits bekannten archäologischen Hinterlassenschaften im Boden kann man ihren Denkmalwert hingegen gewöhnlich aufgrund ihrer bereits bekannten Eigenschaften bestimmen. Dieser ist jedoch bei der gebotenen objektiven Betrachtung zumeist nicht ausreichend besonders, dass ihre Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse liegt: die meisten archäologischen Hinterlassenschaften im Boden sind nämlich tatsächlich, jeweils für sich betrachtet, weitgehend unbedeutend und gewinnen ihre Bedeutung erst durch ihre Verbindung bzw. Zusammenhänge mit anderen, ebenso unbedeutenden, archäologischen Hinterlassenschaften (Hoernes 1892, 43; cf. Karl 2018a, 12-13).

Es ist daher aus archäologischer Sicht relativ einfach, zu argumentieren, dass eine komplex stratifizierte, befund- und fundreiche archäologische Fundstelle eine in ihrer Gesamtheit besonders bedeutende Sache und daher aller Wahrscheinlichkeit nach im Sinne der relevanten Legaldefinition ein Denkmal ist,[14] dessen Erhaltung und/oder Erforschung im öffentlichen Interesse gelegen ist. Denn aus einer solchen Fundstelle kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einiges an wissenschaftlicher Erkenntnis gewinnen, und mit wenigstens guter Wahrscheinlichkeit auch signifikante Erkenntnisse, und sei es nur über die Geschichte der menschlichen Nutzung der Region, in der sie sich befindet. Dasselbe erfolgreich bei einem beliebigen Oberflächen- oder Oberbodenfund zu argumentieren, ist hingegen nahezu unmöglich: die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem solchen tatsächlich signifikante wissenschaftliche Erkenntnis gewonnen werden kann, ist zumeist nahe Null.

Ungünstigerweise ist allerdings ohne wenigstens einigermaßen intensive Denkmalforschung zu betreiben zumeist nicht erkennbar, ob sich auf einer bestimmten Bodenfläche unter der Erdoberfläche eine komplex stratifizierte, befund- und fundreiche Fundstelle befindet: wenigstens eine Luftbildanalyse oder noch besser eine ordentliche geophysikalische Prospektion muss man durchgeführt haben, um das beurteilen zu können. Bei allfälligen Feldbegehungen (ob mit oder ohne Metallsuchgerät) findet man nämlich normalerweise nur Oberflächenfunde und eventuell Oberbodenfunde, die weitgehend dekontextualisiert und somit wissenschaftlich zumeist nahezu völlig wertlos sind, die also eben gerade der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs vermutlich nicht genügen. Streng genommen sollten Oberflächenfunde nicht einmal reichen, die Fundstelle als Bodendenkmalverdachtsfläche zu betrachten: man hat schließlich nur konkrete Hinweise darauf, dass dort irgendwelche Funde vorkommen, die der gesetzlichen Denkmalsbegriffsdefinition nicht genügen, nicht, dass dort auch solche vorkommen, die dieser Definition genügen.

Das führt in Summe bei ArchäologInnen zu einer besonderen kognitiven Dissonanz (Festinger 1957): von Gesetz wegen ist es erforderlich, die genannte Bewertung von archäologischen Hinterlassenschaften vorzunehmen, um zu bestimmen, ob die Schutzbestimmungen des örtlich relevanten Denkmalschutzgesetzes überhaupt auf sie anwendbar sind. Genau diese Bewertung, die stets auf Basis des aktuellen Kenntnisstandes über ein mögliches archäologisches Denkmal vorzunehmen ist, fällt jedoch in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle negativ aus; d.h. immer wenn noch nicht ausreichende Hinweise zur Feststellung einer für das Bestehen eines öffentlichen Interesses an ihrer Erhaltung (bzw. Erforschung) ausreichenden Bedeutung des möglichen Denkmals vorliegen. Damit könnten aber noch gänzlich unbekannte oder noch nicht hinreichend bekannte archäologische Hinterlassenschaften im Boden nicht als Denkmale geschützt werden; also genau die archäologischen Überreste im Boden, die wir ArchäologInnen jedenfalls auch schützen wollen bzw. besonders zu schützen glauben müssen.

Um diese kognitive Dissonanz auflösen oder wenigstens reduzieren zu können, muss – da eine echte Lösung dieses Problems nur durch eine grundlegende Änderung unserer Überzeugung möglich wäre, auch die noch gänzlich un- oder nur unzureichend bekannten archäologischen Überreste im Boden als Denkmale schützen zu müssen – daher eine Scheinlösung für das Problem gefunden werden. Diese Scheinlösung ist die, so zu tun (und im Bedarfsfall auch gegenüber Dritten steif und fest zu behaupten), dass alle archäologischen Hinterlassenschaften von exakt gleicher, nämlich unendlich hoher, Bedeutung wären; d.h. jedwede realistische Bewertung der Bedeutung einzelner archäologischer Hinterlassenschaften strikt zu verweigern. Im Zweifelsfall wird dadurch auch aus einer wissenschaftlich vollkommen informationsgehaltlosen Wandscherbe ein archäologisches Äquivalent der Mona Lisa (Karl 2013, 118); im Notfall auf Basis des Arguments, dass ja in der Zukunft neue, bislang noch völlig unvorstellbare Untersuchungsmethoden entwickelt werden könnten (so sinngemäß z.B. Brunecker 2008, 16), mit denen man dann eventuell aus dieser Wandscherbe derzeit noch gänzlich undenkbare, ungeheuer bedeutende Informationen gewinnen könnte.

Natürlich ist allen ArchäologInnen bei genauerer Überlegung bewusst, dass unterschiedlichen archäologischen Hinterlassenschaften selbstverständlich nicht nur unterschiedliche (geschichtliche, wissenschaftliche, etc.) Bedeutung zukommt, sondern auch in der Regel sehr exakt vorhergesagt werden kann, welchen archäologischen Hinterlassenschaften (im oder am Boden) besondere Bedeutung zukommt; und zwar nicht nur im rechtlichen, sondern auch und insbesondere im wissenschaftlichen Sinn. Selbstverständlich ist eine beliebige, nicht diagnostische Wandscherbe, selbst wenn sie aus einem ungestörten Befund kommt, sowohl rechtlich als auch geschichtlich und wissenschaftlich weitaus weniger bedeutend als z.B. die unsachgemäß aus dem Boden geborgene Himmelsscheibe von Nebra (z.B. Otten 2012, 21-24); und diese ihrerseits wieder wenigstens wissenschaftlich weitaus weniger bedeutend als der ungestörte, komplexe Befund des ‚Fürstengrabes‘ aus Hochdorf mit seinen zahllosen kontextualisierten, in vielen Fällen ihrerseits auch als Einzelobjekte denkmalschutzwürdigen Grabbeigaben (siehe ebenfalls z.B. Otten 2012, 10-16). Ebenso sind sich praktisch alle ArchäologInnen einig, dass – wenigstens nahezu alle – unsachgemäß geborgenen beweglichen Bodenfunde „allenfalls noch Antiquitäten, für die Forschung kaum noch zu verwenden und nur noch von geringer Bedeutung (Kriesch et. al. 1997, 26; Hervorhebung: RK) sind. Und selbstverständlich lehren archäologische Grabungshandbücher, dass unterschiedliche Grabungsfunde je nach der ihnen zukommenden Bedeutung unterschiedlich genau zu dokumentieren sind (Gersbach 1998, 43-46), mit der geringsten empfohlenen Dokumentationsgenauigkeit für „Streufunde … deren Fundlage auf dem Planum nicht ganz eindeutig feststellbar ist“ (Gersbach 1998, 46).

ArchäologInnen ziehen also – wie aus der Fachliteratur absolut offensichtlich erkennbar ist – selbst überhaupt nicht ernsthaft in Zweifel, dass unterschiedlichen archäologischen Hinterlassenschaften, je nach ihrer genauen Beschaffenheit bzw. ihren konkreten Eigenschaften, unterschiedliche wissenschaftliche Bedeutung zukommt. Ganz im Gegenteil ist die Tatsache, dass unterschiedlichen archäologischen Hinterlassenschaften abhängig von ihren genauen Eigenschaften unterschiedliche Bedeutung und damit auch unterschiedlich großer Wert zukommt, eines der wesentlichsten von der Archäologie gegen unsachgemäße Fundbergungen ins Feld geführten Argumente; und da wiederum für die wissenschaftliche Bedeutungszuweisung die ausschlaggebende Eigenschaft, ob ein Fund (und auch Befund) noch stark kontextualisiert oder weitgehend bis vollständig dekontextualisiert ist (Kriesch et. al. 1997, 26). Es ist also keineswegs unmöglich, archäologischen Hinterlassenschaften unterschiedlichen, d.h. im Vergleich miteinander relativ größeren bzw. geringeren, Wert zuzuweisen.

Vielmehr wird diese Bedeutungszuweisung im Bereich der kognitiven Dissonanz aktiv verweigert bzw. werden wissentlich falsche Bedeutungszuweisungen vorgenommen, wenn die Gefahr besteht, dass eine richtige Bedeutungszuweisung entsprechend der allgemein anerkannten fachlichen Bewertungskriterien nicht zum fachlich erwünschten Ergebnis führen würde. Die Behauptung, alle archäologischen Funde wären gleich wichtig, insbesondere solange sie noch unbekannt sind, weil sie sich ja, wenn man von ihnen Kenntnis erlangt, als nächste Mona Lisa (bzw. Himmelsscheibe von Nebra) erweisen könnten, ist erforderlich, um argumentieren zu können, dass man gerade dort, wo man noch gar nichts weiß, dennoch alles unter Denkmalschutz stellen muss. Will man also archäologische Interessensgebiete wie die in Schleswig-Holstein argumentieren, muss man als Archäologe bzw. archäologischer Denkmalpfleger wenigstens nach außen hin so tun, als ob jeder noch unbekannte, aber möglicherweise doch vorhanden sein könnende, Bodenfund so unendlich wertvoll wäre, dass sein Verlust einen unermesslichen Schaden für die Allgemeinheit darstellen würde; weil sonst lässt sich ein Denkmalschutz auf bloßen Verdacht überhaupt nicht rechtfertigen.

Das alles kommt dann auch der staatlichen Denkmalpflege sehr gelegen, die Denkmalbewertungen ohnehin oft nur sehr ungern vornimmt und daher Lösungen schätzt, die dem zuständigen Denkmalpfleger das Begehen eines Fehlers unmöglich zu machen scheinen (siehe dazu z.B. schon Rüsch 2004, 4). Die für die Archäologie und Denkmalpflege ebenfalls charakteristische Verlustangst (Holtorf 2015), die, auch als Spiegel und Ausdruck der zunehmend vollständigen kapitalistischen Durchsetzung unserer Gesellschaft (Bernbeck 2016), zu einem klassischen zwanghaften Hortverhalten in unserem Fachbereich führt (Karl 2016), trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei; und hindert uns insbesondere daran, unsere Überzeugung, dass alle archäologischen Hinterlassenschaften um jeden Preis erhalten werden müssen, zu ändern, welche die kognitive Dissonanz überhaupt erst auslöst.

Der Mythos der unveränderten Erhaltung archäologischer Denkmale in situ

Schließlich kommt noch ein weiteres Element des massiven Selbst- und Fremdbetrugs als Mittel zur Scheinbegründung des unbegründeten Verdachtes hinzu: der Mythos, dass archäologische Denkmale sich unverändert in situ erhalten, wenn sie dort belassen werden (siehe dazu auch schon Karl 2018d).

Zwar wissen ArchäologInnen in der Regel auch, dass archäologische Hinterlassenschaften keineswegs unverändert erhalten bleiben, wenn man sie einfach im Boden belässt, ohne irgendwelche konkreten Maßnahmen zu setzen, um sie vor irgendwelchen anderen Gefahren als ihrer (unsachgemäßen) Bergung zu schützen; und dass die mit Abstand größten Gefahren, die mit Abstand die meisten archäologischen Hinterlassenschaften im Erdboden zerstören oder maßgeblich verändern, nicht die ihrer (unsachgemäßen) Bergung sind (siehe schon oben Seite 170; Trow 2010; Hebert 2018, 85). Aber diese Tatsache wird sowohl intern als auch extern in der Regel verschwiegen und stattdessen selbst von Landesämtern für Denkmalpflege behauptet, dass „der beste Schutz eines Bodendenkmals sein Verbleib im Boden ist“ (Winghart 2015, 5). Dass man das im betreffenden Landesamt, von dessen Präsidenten das wörtliche Zitat stammt, selbst ernsthaft glaubt, scheint wenig glaubwürdig (Büttner et al. 2010).

Auch der Mythos von der unveränderten Erhaltung archäologischer Denkmale, insbesondere durch ihre bloße Belassung in situ, ist eine Scheinlösung, um dieselbe kognitiven Dissonanz reduzieren zu können, von der schon die Rede war. ArchäologInnen sind sich selbstverständlich in der Regel vollständig bewusst, dass alle im Boden belassenen archäologischen Überreste unweigerlich früher oder später dasselbe Schicksal erleiden: sie werden in situ durch eine der zahllosen Gefahren, die ihnen im Boden drohen, zerstört (siehe z.B. sinngemäß Trier 2010, 851-852; Hebert 2018, 85). Sie sind sich ebenso bewusst, dass die Geschwindigkeit, mit der archäologische Hinterlassenschaften im Boden zerstört werden, insbesondere seit Ende des zweiten Weltkriegs durch die Intensivierung der Bodennutzung drastisch angestiegen ist (Trier 2010, 851-852; Trow 2010; Karl 2018d). Sie sind sich ebenso bewusst, dass die einzige Möglichkeit, Bodendenkmale über ihre im Boden unvermeidliche Zerstörung nicht nur zu erhalten, sondern sie gleichzeitig auch einer menschlichen Nutzung und somit Inwertsetzung als Denkmale zugänglich zu machen, die ist, sie aus dem Boden zu bergen; wobei die durch die Bergung erwachsenden Nutzungs- und Inwertsetzungsmöglichkeiten als Denkmal umso vielfältiger und größer sind, desto sachgerechter die Bergung vorgenommen und genauer sie wissenschaftlich dokumentiert wurde  (Hebert 2018, 84-85). Genau deshalb insistiert die Fachwelt ja auch darauf, dass bekannte archäologische Denkmale, ehe sie durch akut werdende, bekannte Gefahren (wie z.B. Baumaßnahmen) im Boden zerstört werden, sachgerecht geborgen und wenigstens fachlichen Mindeststandards entsprechend dokumentiert werden müssen (z.B. Kriesch et al. 1997, 26; BDA 2018, 2; Hebert 2018).

Nachdem geborgene Kleinfunde mit den verfügbaren Ressourcen aber nicht alle dauerhaft in öffentlichen Archiven erhalten werden können (Karl 2016); und Ausgrabungen wenigstens die an Ort und Stelle erhaltene, körperliche Substanz der betroffenen archäologischen Hinterlassenschaften notwendigerweise zerstören (siehe z.B. BDA 2018, 2), wobei immer wenigstens die Gefahr besteht, dass manche in dieser Substanz selbst gespeicherte Information über die Vergangenheit verloren geht (siehe z.B. Strobl & Sieche 2010, 264-265; Hebert 2018, 81); erzeugt die Extrahierung von Archäologie ex situ offensichtlich (wenigstens potentiellen) Schaden an ihr, der – weil bekannt und tatsächlich beobachtet – nicht geleugnet werden kann. Die Extrahierung von Archäologie ex situ, selbst die komplett sachgemäße, steht somit im Widerspruch zum selbstgewählten Ziel der archäologisch-denkmalpflegerischen Fachwelt, alle archäologischen Quellen vollständig zu erhalten.

Noch gänzlich oder weitgehend unbekannte archäologische Hinterlassenschaften im Boden, deren konkreten Erhaltungszustand man auch entweder gar nicht kennt oder wenigstens nicht genau beurteilen kann, sind hingegen im engeren Sinne des Sprichworts aus den Augen und damit auch aus dem Sinn der Archäologie. Nachdem man weder sieht, dass, noch wie rasch, noch nicht genau bekannte archäologische Hinterlassenschaften im Boden verändert und zerstört werden, kann man relativ ungehindert so tun, als ob sie, solange man sie in situ im Boden belässt, dort keinen oder wenigstens keinen signifikanten Schaden erleiden würden. Man weiß schließlich bei solchen unbekannten Funden und Befunden nicht, ob und wann genau sie welchen genauen Schaden erleiden und kann daher die Hypothese, dass sie keinen Schaden erleiden, aufrechterhalten; auch wenn man damit ungeniert und fälschlich Absenz von Evidenz für die Entstehung von Schaden als Evidenz für die Absenz der Entstehung von Schaden missbraucht.

Dass das eine klassische Scheinlösung zur Dissonanzreduktion ist – ein strategisches Nichtwahrnehmen, Leugnen oder Abwerten von Informationen bzw. die selektive Beschaffung und Interpretation von Dissonanz reduzierenden Informationen – versteht sich von selbst: natürlich erleiden die archäologischen Überreste im Boden weiterhin genau denselben Schaden, den sie dort eben bekanntermaßen erleiden. Man schützt also durch die Belassung archäologischer Überreste in situ nicht die Quellen der archäologischen Forschung, sondern ganz im Gegenteil die eigene Wunschvorstellung, alle davon unverändert erhalten zu können, vor der schmerzhaften Kollision mit der Wirklichkeit. Und da man diese Selbsttäuschung selbstverständlich auch Dritten gegenüber nicht eingestehen kann, muss man auch Dritten gegenüber darauf bestehen, dass die sogenannte „Erhaltung in situ“ die beste Möglichkeit dafür ist, um archäologische Denkmale vor Schaden zu schützen. Die Selbsttäuschung erzwingt also auch die Fremdtäuschung.

Behördenintransparenz als denkmalpflegerisches Schutzprinzip?

Dass all das in der Praxis weit besser zu funktionieren scheint als der archäologische Denkmalschutz nach dem konstitutiven Prinzip hat dabei nicht das mindeste damit zu tun, dass das deklaratorische Prinzip Denkmale besser schützen würde. Das lässt sich in aller erforderlichen Deutlichkeit zeigen, wenn man die oben geschilderte Situation in Bayern und Schleswig-Holstein mit der in Österreich vergleicht.

Beispiel Österreich

Das österreichische DMSG schützt Denkmale bekanntermaßen primär auf Basis des konstitutiven Prinzips: „Das öffentliche Interesse an der Erhaltung im Sinne des Abs. 1 (Unterschutzstellung) wird wirksam kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2) oder durch Verordnung des Bundesdenkmalamtes (§ 2a) oder durch Bescheid des Bundesdenkmalamtes (§ 3) …“ (§ 1 Abs. 4 DMSG). Das bedeutet, dass – im Unterschied zu nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen (wie dem BayDSchG oder dem DSchG SH) – normalerweise[15] ein eigenständiger Verwaltungsakt erforderlich ist, um Denkmale (iSd § 1 Abs. 1 und 2 DMSG) den denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen (im Wesentlichen der §§ 4-13 DMSG) zu unterwerfen.

Aus verwaltungsrechtlicher Sicht ist das natürlich ein bedeutender Unterschied, weil es dazu führt, dass wenigstens betroffene GrundeigentümerInnen im Verwaltungsverfahren Parteienstellung haben. Das hat eine Reihe bedeutender Folgen in der Rechtsanwendungspraxis: als Parteien sind die betroffenen GrundeigentümerInnen über die Einleitung des Unterschutzstellungsverfahrens zu informieren; alle relevanten Verfahrensunterlagen sind ihnen – und sei es nur im Wege der Akteneinsicht – zur Kenntnis zu bringen; es ist ihnen im Verfahren Gehör zu geben; die Entscheidung der Behörde samt expliziter Entscheidungsbegründung ist ihnen bekanntzumachen und sie haben das Recht, gegen diese Beschwerde bei den Gerichten zu erheben, wenn sie sich dadurch in irgendwelchen ihrer Rechte verletzt fühlen. Daraus folgt natürlich auch, dass alle derartigen Entscheidungen der zuständigen Behörde wenigstens hypothetisch einer externen Kontrolle unterliegen und auch in der Praxis recht häufig einer solchen Kontrolle durch die Gerichtsbarkeit unterzogen werden. Nachdem die zuständige Verwaltungsbehörde nicht nur Fehler machen kann, sondern – wenigstens in manchen Fällen – auch tatsächlich Fehler macht, führt dies dazu, dass wenigstens manche Unterschutzstellungsversuche fehlschlagen, weil das Gericht der betroffenen Partei recht gibt und die ergangene Unterschutzstellungsentscheidung der Behörde aufhebt (siehe dazu z.B. BVwG 21.01.2019, W195 2211187-1).

Auch in der hier besonders relevanten Angelegenheit – der Frage, ob eine bestimmte Bodenfläche denkmalgeschützt werden kann, weil sich auf ihr tatsächlich Sachen befinden, die der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs entsprechen – besteht ein maßgeblicher Unterschied. Bei nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen muss nämlich die Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffes derart bestimmt gefasst sein, dass jeder Rechtsanwender – d.h. auch der Durchschnittsbürger – sie wenigstens in der Regel korrekt auslegen und daher das betreffende Gesetz richtig anwenden kann. Bei nach dem konstitutiven Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen muss hingegen nur die für Unterschutzstellungen von Denkmalen zuständige Behörde den gesetzlichen Denkmalbegriff richtig auslegen können, weil der durchschnittliche Rechtsanwender die denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen nur anwenden muss, wenn eine Sache durch die Behörde tatsächlich durch formalen Verwaltungsakt unter Denkmalschutz gestellt wurde. Daher kann die Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs in nach konstitutivem Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen weit unbestimmter sein: es genügt hier, wenn diese von Personen mit besonderem Sachverstand – insbesondere AmtsgutachterInnen der zuständigen Fachbehörde – korrekt ausgelegt werden kann (Karl 2018e).

Trotz dieser durchaus signifikanten Unterschiede zwischen nach konstitutivem und nach deklaratorischem Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen sind diese in der uns hier eigentlich beschäftigenden Frage – wann eine Sache ein Denkmal ist, dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt – grundsätzlich gleich: eine Sache ist ein Denkmal, wenn sie der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffes entspricht. Wer das wie unter welchen Umständen zu entscheiden hat, und ob diese Entscheidung wenigstens hypothetisch einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt, macht hierfür im Prinzip keinen wesentlichen Unterschied: hat die Sache jene Eigenschaften, die bei objektiver Betrachtung erforderlich sind, dass ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, dann ist sie ein Denkmal; hat sie jene Eigenschaften nicht, dann ist sie keines.

Man kann sich daher anschauen, wie die Unterschutzstellung von archäologischen Hinterlassenschaften und die Ausweisung von Verdachtsflächen in Österreich von den Gerichten beurteilt und vor allem welche Grenzen ihr gezogen werden. Das ist zwar natürlich – nachdem die Legaldefinitionen der jeweils relevanten Denkmalbegriffe in den nach deklaratorischem Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen und auch andere Aspekte der Rechtslage in Deutschland nicht gänzlich identisch mit der in Österreich sind – nicht direkt auf Deutschland übertragbar, aber sehr wohl sinngemäß, was Beschränkungen betrifft, die auch unter nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Gesetzen bei der Bewertung von bekannten Bodendenkmalen und der Ausweisung von Verdachtsflächen zu berücksichtigen sind. Schließlich besteht auf der grundsätzlichen Ebene kein Unterschied zwischen nach konstitutivem und nach deklaratorischem Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen: eine Sache ist bei beiden immer nur dann ein Denkmal, wenn sie der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs entspricht.

Nachdem das europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes (revidiert), die sogenannte Valletta-Konvention (CoE 1992a), ebenso wie ihr Vorgänger, die Londoner Konvention (CoE 1969), die Einrichtung von archäologischen Schutzzonen für die Erforschung durch zukünftige Generationen vorsieht, finden sich auch im österreichischen DMSG schon seit seiner Fassung BGBl. Nr. 473/1990 Vorkehrungen für die Unterschutzstellung von sogenannten „Fundhoffnungsgebieten“ (RV 1990, 10; Bazil et al. 2015. 24-25). Bei diesen handelt es sich im Prinzip um das gleiche wie bei den Bodendenkmalverdachtsflächen in Bayern und den archäologischen Interessensgebieten in Schleswig-Holstein, nämlich um Bodenflächen, bei denen „den Umständen nach“ anzunehmen (Art. 7 Abs. 1 1. Satz BayDSchG) bzw. zu vermuten (§ 12 Abs. 6 DSchG SH) ist, dass sich dort Bodendenkmale befinden: „Die Bestimmung … mußte im Hinblick darauf aufgenommen werden, daß eine genaue wissenschaftliche Erforschung vor allem teilweiser oder gänzlich verborgener Denkmale – insbesondere archäologischer Denkmale – erst dann möglich ist, wenn sie ausgegraben bzw. freigelegt wurden. Andererseits müssen bei der UnterschutzsteIlung solcher Denkmale eben noch viele Fragen offen bleiben, manchmal sogar die exakte Lage (etwa genaue Ausdehnung einer prähistorischen Siedlung)“ (RV 1990, 12).

Für die Unterschutzstellung als Fundhoffnungsgebiet von noch nicht ausreichend erforschten Sachen, insbesondere noch nicht ausgegrabenen Bodendenkmalen, genügt – im Gegensatz zur Unterschutzstellung bereits ausreichend erforschter Sachen, bei denen Gewissheit erforderlich ist – die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Denkmals (§ 1 Abs. 5 DMSG; Bazil et al. 2015, 24), d.h. einer Sache, die der Legaldefinition des Denkmalbegriffs in § 1 Abs. 1-2 DMSG entspricht. „Dieses geringere Beweismaß der behördlichen Überzeugung richtet sich danach, ob bei verständiger Würdigung aller glaubhaft gemachten Umstände die Beweiszeichen „mehr für als gegen“ das Vorhandensein verborgener Denkmale sprechen (VwGH 21.1.1994, 93/09/0386; VwGH 18.12.2012, 2010/09/0175)“ (Bazil et al. 2015, 24-25; Hervorhebungen im Original; Links: RK).

Dieses Beweismaß wird wohl in der Regel – in Anbetracht der schon oben genannten vorherrschenden Wertschätzung archäologischer Hinterlassenschaften durch die archäologische Fachwelt (z.B. Kriesch et al. 1997, 26; Gersbach 1998, 43-46; BDA 2018, 2) – erst dann erreicht, wenn konkrete Hinweise auf das Vorkommen von sowohl (wenn auch für sich nicht besonders) aussagekräftigen Bodenfunden als auch aussagekräftigen Befunden vorliegen (siehe sinngemäß VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178; Hebert 2018, 85); d.h. tatsächlich mit dem Vorkommen der archäologisch signifikanten Kombination von Funden in „ungestörten“ Befunden (Kriesch et al. 1997, 25-6) zu rechnen ist. Ist das Vorkommen dieser archäologisch besonders aussagekräftigen Kombination tatsächlich den bekannten Umständen entsprechend anzunehmen, genügt es – wenigstens in Österreich – dann dafür aber auch, dass das somit wahrscheinlich an Ort und Stelle vorhandene archäologische Denkmal von bloß regionaler (lokaler) Bedeutung ist. Das zeigt sich deutlich am soeben zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnis, dass die fallgegenständliche Unterschutzstellung einer – nämlich der ersten aus dem Tal der kleinen Tulln (Einzugsgebiet: 71,4 km2) bekannt gewordenen – römischen Villa rechtmäßig erfolgt ist, obwohl aus Niederösterreich (und sogar aus der nur einen kleinen Teil Niederösterreichs ausmachenden Region des Tullnerfelds) bereits zahlreiche vergleichbare und eventuell sogar bedeutendere römische Villen bekannt sind und teilweise unter Denkmalschutz stehen (VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178). Die Besonderheit, welche die Erhaltung dieser römischen Villa im öffentlichen Interesse liegen lässt, ist also nicht, dass die betreffende Villa eine besonders bedeutende römische Villa ist, sondern dass es die einzige (bisher bekannte) in einer etwa 7x10 km großen Mikroregion ist.

Umgekehrt ist aber auch – weil eben Denkmalschutzgesetze, selbst wenn sie nach dem konstitutiven und noch viel mehr, wenn sie nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren, nur tatsächliche Denkmale schützen, nicht hingegen Sachen, die der Legaldefinition des relevanten Denkmalbegriffs nicht entsprechen – in Österreich nur das Denkmal selbst und gerade nicht seine – nicht Teil des Denkmals seiende – Umgebung geschützt. Das lässt sich am selben Erkenntnis deutlich erkennen, das auch feststellt, dass „nur die Überreste der römischen Villa … und nicht das gesamte Grundstück … schlechthin Gegenstand der Unterschutzstellung“ sei. Die „übrigen Teile“ des Grundstücks seien hingegen nur „in jenem Umfang“ umfasst, „als dies für die denkmalgerechte Erhaltung der eigentlich geschützten Teile notwendig ist" (VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178). Der VwGH begründet in seiner ständigen Rechtsprechung den dieser Beschränkung auf das verfassungsgesetzliche Schutzgut des tatsächlichen Denkmals zugrundeliegenden „Grundsatz der geringstmöglichen Unterschutzstellung“ damit, dass die Unterschutzstellung "die unbedingt notwendige Eigentumsbeschränkung nicht überschreiten" dürfe (VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178). Das liegt auch auf der Hand, weil es nicht mehr darstellt als den Ausdruck des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlicher Reaktion (Berka 1999, 156-167) und des allgemeinen Rechtsstaatlichkeitsprinzips.

Zwar stellt die Denkmalschutzgesetzen inhärente Beschränkung der Verfügungsgewalt des Eigentümers über das in seinem Eigentum stehende Denkmal aus verfassungsrechtlicher Sicht keine bedenkliche Beschränkung der Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG dar, weil diese unter Gesetzesvorbehalt steht und daher das Eigentumsrecht selbstverständlich auch durch denkmalrechtliche Gesetzesbestimmungen genauer bestimmt werden darf (siehe dazu VfGH 1.10.1981, B 384/77 mit zahlreichen Verweisen auf die ständige Rechtsprechung zu dieser Frage). Eine allfällige – auch auf gesetzlichem Weg erfolgende – Einschränkung eines unter Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechts darf aber dennoch nicht weitergehen, als dies zum Erreichen des legitimen gesetzlichen Schutzzieles erforderlich ist (Berka 1999, 156, 159-160). Dieses Schutzziel des österreichischen DMSG ist nun aber einmal (schon seit seiner Stammfassung; BGBl. 533/1923) der Schutz jener Denkmale, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist; nicht der Schutz beliebiger, nicht denkmalschutzwürdiger Sachen. Dieses Schutzziel kann daher überhaupt nur dann erreicht werden, wenn ein derartiges, im öffentlichen Interesse erhaltenswertes, Denkmal vorliegt (VwGH 23.2.2017, Ro 2016/09/0008, RN 18); und kann daher notwendigerweise auch andere als denkmalschutzwürdige Sachen nur maximal soweit betreffen, als ihr unverändertes Fortbestehen dafür unabdingbar ist, dass ein erhaltenswertes Denkmal auch tatsächlich erhalten werden kann. Damit ist aber die Anwendung denkmalrechtlicher Schutzbestimmungen auf nicht schutzwürdige und auch nicht für die Erhaltung schutzwürdiger Denkmale unabdingbare Sachen notwendigerweise unverhältnismäßig. Damit fehlt für die Anwendung denkmalrechtlicher Schutzbestimmungen auf andere Sachen als schützenswerte Denkmale jedwede Rechtsgrundlage; d.h. ihre über schützenswerte Denkmale hinausschießende Anwendung würde das Rechtsstaatlichkeitsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG verletzen. Daraus folgt der „Grundsatz der geringstmöglichen Unterschutzstellung“ (VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178) zwingend.

Damit also in Österreich nach dem konstitutiven Prinzip ein archäologisches Denkmal bzw. Bodendenkmal bzw. Fundhoffnungsgebiet unter Denkmalschutz gestellt werden kann, muss wenigstens den Umständen nach anzunehmen sein, dass auf der betreffenden Bodenfläche tatsächlich Denkmale iSd § 1 Abs. 1-2 DMSG vorkommen. Diese Umstände sind nur dann gegeben, wenn konkrete Hinweise darauf vorliegen, dass am betreffenden Ort die archäologisch besonders aussagekräftige Kombination von beweglichen Kleinfunden und unbeweglichen Befunden, tatsächlich vorhanden ist.

Bayern und Schleswig-Holstein

Zwar lässt sich die österreichische Situation, wie bereits gesagt, nicht direkt auf Bayern und Schleswig-Holstein übertragen: es gibt Unterschiede in der jeweils geltenden Rechtslage. Dennoch, von geringfügigen Variationen in der Legaldefinition des jeweils relevanten Denkmalbegriffs – die in Österreich weiter als in Bayern und Schleswig-Holstein gefasst ist – und ebensolchen im genauen Wortlaut der einschlägigen Schutzbestimmungen einmal abgesehen, kann man dennoch davon ausgehen, dass im Prinzip die gleichen Einschränkungen wie in Österreich auch in diesen Ländern mit ihren nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen zu beachten sind. Denn gerade weil deren Denkmalschutzgesetze nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren, stellen ihre Schutzbestimmungen notwendigerweise nur auf den jeweils in den relevanten Legaldefinitionen bestimmten Schutzgegenstand ab, d.h. auf Denkmale, deren Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Sowohl das BayDSchG als auch das DSchG SH bestimmen hinreichend, was ihr jeweiliges Schutzgut ist: Sachen, deren Erhaltung (und Erforschung) – wo archäologische Denkmale betroffen sind – im Wesentlichen aus geschichtlichen und wissenschaftlichen Gründen im öffentlichen Interesse liegt.[16] Beide benutzen dabei, wie schon erwähnt, den relevanten operativen Begriff in der Legaldefinition nicht im Konjunktiv, sondern im Indikativ. Es reicht daher sowohl in Bayern als auch in Schleswig-Holstein, wie auch in Österreich, nicht dafür aus, um eine bestimmte Sache zum denkmalrechtlichen Schutzgut zu machen, dass ihre Erhaltung aus wenigstens einem der genannten Gründe im öffentlichen Interesse liegen könnte, sondern sie muss tatsächlich im öffentlichen Interesse liegen.

Ebenso sind die schon oben zitierten gesetzlichen Schutzbestimmungen sowohl des Art. 7 Abs. 1 BayDSchG als auch des § 12 Abs. 2 Z 4-6 DSchG SH im Indikativ gefasst: damit der jeweilige Anknüpfungstatband der in diesen vorgesehenen Genehmigungspflichten überhaupt erfüllt sein kann, muss „den Umständen nach“ davon auszugehen bzw. zu vermuten sein, dass sich dort tatsächlich Boden- bzw. Kulturdenkmale befinden. Es genügt also auch hier die bloße Möglichkeit, dass sich auf einer Bodenfläche Boden- bzw. Kulturdenkmale befinden könnten, nicht, sondern ein höheres Beweismaß muss erfüllt sein, eben, dass deren tatsächliches Vorhandensein anzunehmen ist.

Es gilt also auch in Bayern und Schleswig-Holstein, nicht anders als in Österreich, das Bestehen bestimmter Tatsachen zu ermitteln, ehe „den Umständen nach“ davon auszugehen ist, dass auf einer beliebigen, bestimmten Bodenfläche das gesetzliche Schutzgut vorkommt; d.h. ehe diese als Bodendenkmalverdachtsfläche bzw. archäologisches Interessensgebiet betrachtet werden kann. Das Beweismaß, dass dafür erreicht werden muss, muss dabei wohl – ebenfalls nicht anders als in Österreich – das der Wahrscheinlichkeit sein: damit man bei vernünftiger, sachlicher Betrachtung davon ausgehen kann, dass etwas tatsächlich der Fall ist und nicht nur der Fall sein könnte, müssen wohl (wenigstens) mehr Beweiszeichen für als gegen (Bazil et al. 2015, 24-25) die betreffende Annahme sprechen. Ist das Verhältnis nämlich umgekehrt, wäre es offensichtlich unvernünftig, das Unwahrscheinlichere als tatsächlich gegeben anzunehmen.

Nachdem sowohl in Bayern als auch in Schleswig-Holstein auch primär geschichtliche oder wissenschaftliche Gründe für die Beantwortung der relevanten Rechtsfrage wesentlich sind, ob der konkret betroffenen Sache ausreichend (besondere) Bedeutung zukommt, damit ihre Erhaltung tatsächlich im öffentlichen Interesse liegt, ist auch – nicht anders als in Österreich – davon auszugehen, dass wenigstens in der Regel sowohl Hinweise auf das Vorkommen aussagekräftiger Kleinfunde als auch Befunde vorliegen müssen, damit das erforderliche Beweismaß erreicht werden kann. Denn erst das Auftreten von Funden in ungestörten Befunden macht es wahrscheinlich, dass aus allfällig an Ort und Stelle vorhandenen archäologischen Überresten signifikante wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können (Kriesch et al. 1997, 26; Gersbach 1998, 43-46).[17]

Bedeutendere Unterschiede bestehen zwischen Österreich, Bayern und Schleswig-Holstein eigentlich nur darin, nach welchen Kriterien zu bestimmen ist, ob eine Fundstelle als Denkmal bzw. Verdachtsfläche zu betrachten ist. Sind hierfür in Österreich die in § 1 Abs. 2 DMSG genannten Kriterien von Qualität, ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung und geschichtlicher Dokumentation und die wenigstens lokale Bedeutung, aber dafür kein bestimmtes Alter ausschlaggebend (Bazil et al. 2015, 16); müssen in Schleswig-Holstein gem. § 2 Abs. 2 DSchG SH Kulturdenkmale aus einer abgeschlossenen Zeitperiode der Vergangenheit stammen und von besonderer Bedeutung sein; während in Bayern gem. Art. 1 Abs. 4 BayDSchG Bodendenkmäler aus vergangener und in der Regel aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit stammen aber dafür nur von normaler und nicht von besonderer Bedeutung sein müssen. Das hat allerdings nur Konsequenzen dafür, welche Kombinationen von Kleinfunden mit Bodenbefunden als Denkmale, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht, aus allen Kombinationen von Kleinfunden mit Befunden auszuwählen sind, nicht dafür, dass das erforderliche Mindestmaß an archäologischer Bedeutung gegeben sein muss, damit eine Fundstelle überhaupt als auch nur mögliches archäologisches Denkmal zu betrachten ist.

Nachdem auch in der Bundesrepublik Deutschland sowohl der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Reaktion als auch das Rechtsstaatsprinzip fundamentale Pfeiler der Verfassungs- und Rechtsordnung darstellen (Pieroth et al. 2015, 70-76; Jarass & Pieroth 2016, 32-33; siehe auch Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 und 28 GG), ist auch für Bayern und Schleswig-Holstein vorauszusetzen, dass der auch in Österreich zu beachtende „Grundsatz der geringstmöglichen Unterschutzstellung“ (VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178) zu beachten ist. Zwar gilt auch in Deutschland, dass eine Einschränkung der Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein (archäologisches) Denkmal aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich ist, weil auch in Deutschland die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unter Gesetzesvorbehalt steht (siehe dazu z.B. auch Strobl & Sieche 2010, 265). Dennoch kann sich diese Ausgestaltung des Eigentumsrechts ausschließlich nur auf die Gestaltung des Eigentumsrechts an der Legaldefinition dieses Begriffs entsprechenden Denkmalen beziehen. Jedwede Beschränkung des nur durch die sonstige Gesetzgebung gestalteten Eigentumsrechts an Bodenflächen, die keine Denkmale enthalten, würde einen völlig unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentumsgarantie darstellen, für den jedwede Rechtsgrundlage fehlt.

Mehr noch, nachdem die Genehmigungspflichten des Art. 7 Abs. 1 BayDSchG und § 12 Abs. 2 Z 4-6 DSchG SH nicht nur die Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein Eigentum beschränken, sondern auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit und die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit, ist auch deren jeweilige Beschränkung zu bedenken.[18] Ist bei der Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit, die auch nur unter Gesetzesvorbehalt gewährleistet ist, nur das gleiche wie soeben gesagt zu bedenken; ist bei der vorbehaltlos gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit jedwede Eingriffsmöglichkeit durch den Staat jedenfalls verfassungswidrig, wenn kein ihr gleichrangig geschütztes Rechtsgut durch ihre unbeschränkte Ausübung ernsthaft gefährdet werden kann. Das hat bei rein nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Gesetzen zur Folge, dass dem Staat überall dort, wo nicht tatsächlich Denkmale im Sinne der jeweils örtlich relevanten Legaldefinition vorkommen, jedwede Beschränkung der wissenschaftlichen archäologischen Forschung – und sei es auch nur durch ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (Pieroth et al. 2015, 75; Krischok 2016, 128-129) – verfassungsgesetzlich verboten ist. Denn wo nicht tatsächlich ein Denkmal im Sinne der relevanten Legaldefinition ist, gibt es auch kein verfassungsgesetzlich geschütztes Rechtsgut, das eine Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit verfassungsrechtlich rechtfertigen könnte: es fehlt das kollidierende Verfassungsrecht, das dafür unabdingbar erforderlich wäre (Pieroth et al. 2015, 178-179).

Das macht es in Deutschland für den Staat und dessen für den Vollzug der Denkmalschutzgesetze verantwortliche Behörden, die ja in ihrem Verwaltungshandeln sowohl verfassungs- als auch gesetzesgebunden sind, noch viel essentieller als in Österreich, in der Gesetzesanwendung den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffes zu beachten. Denn nur dadurch können sie gewährleisten, dass sie nicht rechtfertigungslos in die Wissenschaftsfreiheit eingreifen. Einen derartigen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit nimmt die Denkmalbehörde nämlich bei einem nach deklaratorischen Prinzip funktionierenden Gesetz immer dann vor, wenn sie eine geplante wissenschaftliche Forschungshandlung eines Grundrechtsträgers an einem Ort der NFG-Pflicht unterwirft, von dem sie aufgrund einer bloßen Wahrscheinlichkeitsprognose glaubt, dass dort Denkmale im Sinne der anzuwendenden Legaldefinition vorkommen, an dem aber tatsächlich keine vorkommen.

Daher genügt auf behördlicher Seite nicht einmal, dass (soweit sich das mit prognostischen Methoden vorhersagen lässt) an einem bestimmten Ort aller Wahrscheinlichkeit nach ein Denkmal vorkommen dürfte. Ist nämlich sicher, dass durch eine Schutzbestimmung eines nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzes in Grundrechte eingegriffen wird – wie das sowohl bei den Genehmigungspflichten des Art. 7 Abs. 1 BayDSchG als auch des § 12 Abs. 2 Z 4-6 DSchG SH der Fall ist – aber nicht sicher, dass das gleichermaßen verfassungsgesetzlich geschützte Rechtsgut Denkmal am betroffenen Ort vorkommt, überwiegt der sicher zu gewährleistende Grundrechtsschutz jedenfalls den Schutz des gar nicht sicher vorhandenen, gleichermaßen geschützten Rechtsguts Denkmal.

Das ist insbesondere der Fall, als das verfassungsgesetzlich geschützte Rechtsgut Denkmal ohnehin vom Gesetzgeber zusätzlich – in Bayern durch die Bestimmungen des Art. 8 Abs. 1, 2 und 5 BayDSchG, in Schleswig-Holstein durch die des § 15 DSchG SH – durch gesetzliche Meldepflichten und zeitlich befristete Veränderungsverbote geschützt ist. Hat also ein Rechtsanwender fälschlich ein Nichtvorkommen dieses Schutzgutes auf der betroffenen Bodenfläche prognostiziert, entdeckt aber – unvorhergesehenermaßen[19] – bei beliebigen Handlungen am betroffenen Ort doch eines, unterliegt es wenigstens zeitweilig allen denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen. Nachdem das Schutzgut Denkmal ohnehin gesetzlich vor den Folgen der falschen negativen Prognose über sein Vorkommen geschützt ist (Tabelle 1), darf sich die zuständige Denkmalbehörde auch nicht „zugunsten“ des Denkmalschutzes irren, wenn das auf Kosten verfassungsgesetzlich geschützter Grundrechte geht.


Negative Prognose
Positive Prognose
Prognose richtig
Kein schützenswertes Denkmal vorhanden
Grundrechte nicht beschränkt
Schützenswertes Denkmal vorhanden
Grundrechte durch Art. 7 BayDSchG
bzw. § 12
DSchG SH
beschränkt
Prognose
falsch
Schützenswertes Denkmal vorhanden
Grundrechte durch Art. 8 BayDSchG
bzw. § 15
DSchG SH beschränkt
Kein schützenswertes Denkmal vorhanden
Anwendung von Art. 7 BayDSchG
bzw. § 12
DSchG SH
verfassungswidrig
Tabelle 1: Zulässigkeit von prognostischen Grundrechtseingriffen unter nach deklaratorischem Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen (anhand der Beispiele BayDSchG und DSchG SH).

Das ist eben das Problem mit Denkmalschutzgesetzen, die (rein) nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren: sie sind ein zweischneidiges Schwert, das allerdings auf behördlicher Seite deutlich schärfer schneidet als auf der Seite des Durchschnittsbürgers. Darf sich der Rechtsanwender auch irren, wenn er – aufgrund fehlender allgemein bekannter, konkreter Hinweise auf deren dortiges Vorkommen – ex ante nicht vorhersehen und daher nicht wissen kann, dass auf einer bestimmten Bodenfläche Denkmale vorkommen; darf sich gerade die Behörde nicht irren, wenn sie – und sei es auch aufgrund überwältigender konkreter Hinweise auf deren Vorkommen auf einer bestimmten Bodenfläche – annimmt, dass auf einer bestimmten Bodenfläche Denkmale vorkommen. Weil es kommt eben nicht darauf an, was die Behörde glaubt, sondern nur darauf, was tatsächlich der Fall ist.

Konsequenzen

Das hat natürlich Konsequenzen für die Beurteilung der Verwaltungspraxis des BayLfD und des ALSH, insbesondere was deren Ausweisung von Bodendenkmalverdachtsflächen bzw. archäologischen Interessensgebieten betrifft. Denn die Ausweisung derartiger Gebiete ist nichts anderes als die denkmalbehördliche Prognose, wo bislang noch unbekannte Denkmale im Boden vorkommen und wo nicht, die, wie wir gerade gesehen haben, überall wo sie positiv ausfällt eigentlich streng genommen in 100% aller Fälle richtig sein muss, um nicht verfassungswidriges Verwaltungshandeln darzustellen.

Ausweisungspraxis von Bodendenkmalverdachtsflächen bzw. archäologischen Interessensgebieten

Betrachtet man dazu die schon genannten Zahlen, dass sich diese Prognosen des BayLfD in den Jahren 2013 und 2014 in knapp 43% aller relevanten Fälle als richtig, in 52% der Fälle als sicher falsch herausgestellt haben (Bayerischer Landtag 2015, 2),[20] zeigen diese, dass das BayLfD schon zu „denkmalfreundlich“ prognostiziert. Das ist in Anbetracht der Tatsache, dass Prospektionsmethoden wie Luftbildarchäologie und geophysikalische Untersuchungen eine deutlich höhere Trefferquote bei der Vorhersage des tatsächlichen Vorkommens von Befunden im Boden haben als 43% und, wenn sie fehlerhafte Vorhersagen machen, weit eher falsche Negativ- als falsche Positivbefunde produzieren, schon einigermaßen bedenklich: das BayLfD greift in über der Hälfte aller Verdachtsflächen unbegründet in die Eigentumsrechte der Eigentümer der betroffenen Grundstücke ein. In die allgemeine Handlungs- und die Wissenschaftsfreiheit greift es hingegen nicht ein, weil es im Bayerischen Denkmal-Atlas nur die tatsächlichen (sicheren) Denkmalflächen ausweist, nicht hingegen die Verdachtsflächen, und nur möglicherweise Betroffenen empfiehlt, bei ihren Handlungen einen Sicherheitsabstand zu ausgewiesenen Bodendenkmälern einzuhalten.

Umgekehrt ist aber auch anzuerkennen, dass 43% durchaus keine schlechte Erfolgsquote ist: sie zeigt deutlich, dass das BayLfD nicht völlig willkürlich Flächen als Bodendenkmalverdachtsflächen ausweist, sondern tatsächlich in vielen Fällen auf Basis ausreichender Sachkenntnis korrekte Schlussfolgerungen über das Vorkommen von Bodendenkmälern auf bestimmten Bodenflächen zieht (BayLfD 2016, 12). Tatsächlich ist zwar streng genommen eine Erfolgsquote von 100% erforderlich, aber da es sich bei der vorausschauenden Ausweisung von Flächen, auf denen mit dem Vorkommen von noch (weitgehend) unbekannten Bodendenkmälern zu rechnen ist, notwendigerweise um eine Prognose und daher keine exakte Wissenschaft handeln kann, ist eine gewisse Fehlerquote nicht nur zu erwarten, sondern auch tolerierbar; wenigstens wenn die eine falsche Prognose erstellt habende Behörde Betroffene für ihnen allfällig aufgrund der fehlerhaften Prognose entstandene Schäden kompensiert bzw. ihre Vermutungen selbst auf eigene Kosten überprüft, wie es das BayLfD auch tatsächlich tut (BayLfD 2016, 9). Zwar sind ca. 50% Fehlerquote zweifellos zu hoch, aber das BayLfD könnte wohl durch eine relativ geringfügige Änderung seiner Beweiswürdigungspraxis eine vertretbare Fehlerquote von weniger als 20% erreichen. Es gibt in der Handhabungspraxis des BayLfD also Optimierungsmöglichkeiten, aber der prognostische archäologische Denkmalschutz funktioniert.

Betrachtet man hingegen die Sachlage in Schleswig-Holstein (siehe Seiten 185-188), zeigt sich ein ganz anderes Bild. Zwar liegen keine Daten dazu vor, wie häufig sich die Prognosen des ALSH bewahrheiten, dass sich an beliebigen Orten innerhalb der als archäologische Interessensgebiete ausgewiesenen Bodenflächen tatsächlich archäologische Denkmale befinden. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass ca. 75-80% der Bodenfläche Schleswig-Holsteins als solche Interessensgebiete ausgewiesen sind (Abbildung 4 - Abbildung 6), kann die Prognoseerfolgsquote wohl kaum höher als 10% liegen, liegt vermutlich deutlich darunter und kann sich kaum signifikant von der Zufallswahrscheinlichkeit auf der gesamten Bodenfläche Schleswig-Holsteins unterscheiden.

Das zeigt deutlich, dass es sich bei den in Schleswig-Holstein als archäologische Interessensgebiete ausgewiesenen Bodenflächen nicht um solche handeln kann, von denen dem ALSH ausreichend konkrete Hinweise auf das tatsächliche Vorkommen von Kulturdenkmalen vorliegen, um bei sachverständiger Beurteilung und Beweiswürdigung zur tatsächlichen Schlussfolgerung gelangt sein zu können, dass auf all diesen Bodenflächen tatsächlich archäologische Denkmalen wahrscheinlich, geschweige denn sicher, vorkommen. Vielmehr hat das ALSH scheinbar willkürlich viele Bodenflächen, von dem ihm gar keine, oder nur unzureichende, Hinweise auf das Vorkommen von Kulturdenkmalen bekannt sind, zu archäologischen Interessensgebieten erklärt. Es greift damit wohl in der Mehrheit aller Fälle völlig grundlos maßgeblich in die Grundrechte von Betroffenen ein, ob nun von GrundeigentümerInnen oder Personen, die ihre allgemeine Handlungs- oder Wissenschaftsfreiheit nutzen wollen, und handelt somit grob verfassungswidrig. Die Handhabungspraxis des ALSH scheint also durch gravierende Mängel gekennzeichnet zu sein, die Behörde wendet die Bestimmungen des § 12 Abs. 2 Z 4-6 DSchG SH willkürlich an und verletzt damit das Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Hier dürfte wohl eine grundlegende Reform der behördlichen Verwaltungspraxis dringend notwendig sein.[21]

Kostentragepflicht die Behörde bei falscher positiver Prognose

Eine weitere Konsequenz fälschlich positiver Ausweisungen von Bodenflächen als Bodendenkmalverdachtsflächen bzw. archäologische Interessensgebiete ist eine Kostentragepflicht der Behörde bzw. das Entstehen von Schadenersatzansprüchen gegen die Behörde, wenn das anzuwendende Denkmalschutzgesetz nach dem deklaratorischen Prinzip funktioniert.

Entstehen Betroffenen (besonders GrundeigentümerInnen bzw. sonstigen Verfügungsberechtigten) nämlich Kosten, die ihnen ohne die falsche Prognose der zuständigen Denkmalbehörde nicht entstanden wären, ist das wirtschaftlicher Schaden. Dieser Schaden entsteht völlig grundlos, wenn sich auf der betroffenen Bodenfläche gar keine Denkmale befinden; weil dort weder eine denkmalrechtliche Genehmigung noch irgendwelche Denkmalerhaltungsmaßnahmen (wie Prospektionen, Baustellenbeobachtungen oder gar Grabungen) erforderlich gewesen sein können. Den Eigentümer dieser Bodenfläche kann auch eine allfällig in einem Denkmalschutzgesetz vorgesehene, denkmalspezifische Erhaltungs- oder sonstige Kostentragepflicht (z.B. §§ 13 Abs. 6 und 14 DSchG SH) nicht treffen; und die Gemeinwohlbindung des Eigentums des Art 14 Abs. 2 GG greift ebenfalls nicht: das Gemeinwohlgut, dessentwegen der Eigentümer sein Eigentum gemeinwohlförderlich nutzen müsste, existiert auf der betroffenen Bodenfläche schließlich überhaupt nicht.

Dass sich auf seinem Boden ein Denkmal befinden hätte können, bleibt hierbei völlig unerheblich, ebenso wie unerheblich bleibt, ob bei vorausschauender Betrachtung bekannte Hinweise mehr dafür als dagegengesprochen haben, dass sich dort ein Denkmal befinden dürfte; weil sich dort – Hinweise hin oder her – tatsächlich keines befunden hat. Der tatsächliche Sachverhalt ist somit exakt der gleiche wie bei jedem beliebigen, anderen Grundeigentümer, auf dessen Boden sich kein Denkmal befindet; und muss daher aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG rechtlich gleichbehandelt werden. Ein behördlicher Prognoseirrtum rechtfertigt eine Ungleichbehandlung des einen gegenüber anderen GrundeigentümerInnen, auf deren Grundstücken sich tatsächlich keine Denkmale befinden, sicherlich nicht; insbesondere nicht, wenn er nicht durch einen formalen Verwaltungsakt rechtswirksam wurde, gegen den der Betroffene Beschwerde erheben hätte können, um sich vor behördlichen Irrtümern schützen zu können. Eine über seine Steuerleistung hinausgehende Verpflichtung zur gemeinwohlförderlichen Nutzung seines Eigentums kann daher nicht bestehen; denn auch beliebige andere Grundeigentümer, auf deren Boden sich keine Denkmale befinden, sind nur zur gewöhnlichen Steuerleistung verpflichtet.

Dem Grundeigentümer, auf dessen Grundstück sich tatsächlich keine Denkmale befinden, ist daher nicht zumutbar, irgendwelche ausschließlich aus dem behördlichen Irrtum resultierenden Kosten zu tragen. Werden bzw. wurden ihm solche unmittelbar, z.B. durch Auflagen in einem tatsächlich unnötigen Genehmigungsbescheid, von der Behörde aufgelastet, ist diese Auflastung sogar eine durch Art. 14 Abs. 3 GG explizit verbotene Enteignung des Betroffenen durch die Behörde. Schließlich wird der Grundeigentümer dadurch verpflichtet, entschädigungslos sein Eigentum (das Geld, mit dem er die Kosten deckt) dem Staat (bzw. einem auflagengemäß zu bestellenden, behördenexternen Sachverständigen) zu überlassen, damit dieser die Untersuchungen durchführt, die beweisen, dass sich die für derartige Untersuchungen zuständige staatliche Behörde bisher geirrt hat. Diese Enteignung dient daher nicht dem „Wohle der Allgemeinheit“; sondern einzig dazu, dem Staat Kosten für die Korrektur von Irrtümern seiner zuständigen Verwaltungsbehörde zu ersparen.

Entstehen einem Betroffenen hingegen mittelbar Kosten, z.B. für die Beantragung einer Genehmigung oder die Durchführung von dafür notwendigen Untersuchungen, die überhaupt nur deshalb erforderlich wurden, weil die Behörde irrtümlich den betroffenen Ort als Verdachtsfläche bzw. archäologisches Interessensgebiet ausgewiesen hat, sind diese Kosten ausschließlich dem behördlichen Irrtum geschuldet. Schließlich wären dem Betroffenen diese Kosten überhaupt nicht entstanden, wenn die zuständige Behörde nicht durch die irrtümliche Ausweisung der betroffenen Fläche als Verdachtsfläche bzw. archäologisches Interessensgebiet seine dort geplanten Handlungen fälschlich denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen unterworfen hätte, die in Ermangelung des tatsächlichen Vorkommens von Denkmalen auf dieser Fläche dort niemals anwendbar waren. Nachdem sich die Behörde, wie schon oben gezeigt, bei positiven Prognosen über das Vorkommen von Denkmalen auf beliebigen Bodenflächen nicht irren darf, liegt somit behördliches Verschulden und damit Schadenersatzpflicht der Behörde vor.[22] Für die Schäden, die aus Fehlern des Staates bzw. seiner Organe entstehen, ist sicher nicht das Opfer des Irrtums einer staatlichen Verwaltungsbehörde haftbar, sondern sicherlich diese Verwaltungsbehörde bzw. der Staat selbst.

Das ist in Bayern wohl aufgrund der schon jetzt relativ hohen Trefferquote mit positiven Prognosen nur ein relativ geringes Problem und das BayLfD übernimmt (wohl auch daher) seit Anfang 2016 „die Überprüfung dieser Vermutung für private und kommunale Antragsteller selbst oder auf eigene Kosten“ (BayLfD 2016, 9). Das kann man durchaus als vorbildlich bezeichnen, weil dadurch das BayLfD tatsächlich sicherstellt, dass allfällige irrtümliche Beschränkungen von Grundrechten einzelner Betroffener so gering als möglich gehalten werden und, falls doch fälschlich ein Grundrechtseingriff vorgenommen wurde, dem Betroffene dadurch wenigstens kein Schaden entsteht.

In Schleswig-Holstein hingegen muss die Trefferquote bei positiven Prognosen deutlich niedriger sein als in Bayern; und damit auch der Betroffenen entstehende Schaden – und sei es nur der aus den Kosten der Beantragung aufgrund der irrtümlichen Ausweisung von Flächen als archäologische Interessensgebiete fälschlich erforderlich werdenden Einholung einer Genehmigung gem. § 12 DSchG SH – bedeutend höher sein. Nachdem in Schleswig-Holstein das „Verursacherprinzip“ (Ickerodt & Lund 2015, 110) bzw. die Kostentragepflicht des Antragstellers des gewöhnlichen Verwaltungsrechts zur Anwendung gebracht wird (Ickerodt 2010, 119) und sich keine gegenteiligen Informationen auf den Webseiten des ALSH finden lassen, ist anzunehmen, dass die Kosten für die Überprüfung des Verdachts, dass in archäologischen Interessensgebieten archäologische Denkmale vorkommen, auch den Betroffenen aufgelastet werden.[23] Werden bei allfällig durchgeführten Untersuchungen in archäologischen Interessensgebieten also keine archäologischen Denkmale entdeckt, entsteht dem Betroffenen maßgeblicher Schaden rein aufgrund eines behördlichen Irrtums (bzw. der willkürlich exzessiven Auslegung der gesetzlichen Schutzbestimmungen durch die Behörde, wo sie diese gar nicht anwenden durfte) und ist diesem daher zur Gänze zu ersetzen.

Intransparenz als Schutzschild für behördliche Willkür

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich also, dass Denkmalschutzgesetze, die nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren, archäologische Denkmale – wenigstens in der Theorie – keineswegs unbedingt besser, sondern in vielerlei Hinsicht schlechter schützen als Denkmalschutzgesetze, die wenigstens weitgehend – außer im Bereich des Schutzes von Zufallsfunden, der überhaupt nur nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren kann – nach dem konstitutiven Prinzip funktionieren. Der hauptsächliche Vorteil des deklaratorischen Prinzips liegt in der Verwaltungspraxis; und da wiederum in erster Linie in der mit dem deklaratorischen Prinzip einhergehenden möglichen Intransparenz der mit der Ausweisung denkmalgeschützter Flächen zusammenhängenden Verwaltungsprozesse. Diese Intransparenz dient nämlich Behörden, die ihre denkmalrechtlichen Kompetenzen exzessiv auslegen bzw. weit überschreiten wollen, als Schutzschirm, der es ihnen erlaubt, ihr willkürliches Verwaltungshandeln externer Kontrolle weitgehend zu entziehen.

Natürlich muss diese mit dem deklaratorischen Prinzip einhergehen könnende Intransparenz von Denkmalbehörden nicht unbedingt genutzt werden, wie das Beispiel des Verwaltungshandelns des BayLfD zeigt. Dieses hat nicht nur seine Bodendenkmalliste und eine flächenscharfe GIS-Kartierung der bekannten Ausdehnung bekannter Bodendenkmäler seit längerer Zeit einfach verfügbar im Internet stehen (Bayerischer Denkmal-Atlas; BayLfD 2016, 9), sondern auch die Kriterien für die Ausweisung von Bodendenkmalverdachtsflächen samt Beispielen für die Überprüfung derartiger Vermutungen (BayLfD 2016, 12-28) in vorbildlicher Weise bekanntgemacht. Mehr noch, seit Anfang 2016 trägt es auch alle für die Überprüfung der Richtigkeit seiner Prognosen anfallenden Kosten selbst, d.h. belastet Betroffene nicht durch potentiell falsche Prognosen und greift somit auch nur so geringfügig als möglich in allfällig dem Denkmalschutz entgegenstehende Grundrechtspositionen ein. Es folgt also tatsächlich dem „Grundsatz der geringstmöglichen Unterschutzstellung“, der sein Verwaltungshandeln auch im Bereich des präventiven Denkmalschutzes bestimmen muss.

Dahingegen zeigt das Beispiel Schleswig-Holsteins, wie das deklaratorische Prinzip durch eine Denkmalbehörde wie das ALSH dazu missbraucht werden kann, ihr willkürliches Verwaltungshandeln als bloße Wahrnehmung ihres pflichtgemäßen Ermessens zu verschleiern, während sie ihre absolut exzessive Verwaltungspraxis praktisch jedweder externen Kontrolle entzieht. Dass dem ALSH ausreichend konkrete Hinweise von 75-80% der gesamten Landesfläche von Schleswig-Holstein vorliegen, um bezüglich all dieser Bodenflächen (siehe Abbildung 4 - Abbildung 6) den – vom derzeitigen Leiter dieser Behörde selbst als erforderlich erachteten – „begründeten Verdacht“ (Ickerodt & Lund 2015, 109) ausgebildet zu haben, dass „den Umständen nach zu vermuten ist, dass sich dort“ tatsächlich besonders bedeutende (Ickerodt & Lund 2015, 109) archäologische Kulturdenkmale iSd § 2 Abs. 2 Z 2 DSchG SH befinden, ist ausgeschlossen.

Es ist schon alleine deshalb völlig ausgeschlossen, weil selbst laut dem derzeitigen Landesarchäologen von Schleswig-Holstein die nach dem aktuellen DSchG SH von archäologischen Hinterlassenschaften zu erreichende Bedeutung zwischen der von „einfachen“ und „besonders bedeutenden“ Denkmalen der vorherigen Fassung dieses Gesetzes anzusetzen ist; wobei vor der letzten Novellierung dieses Gesetzes von den damals bekannten über 55.000 archäologischen Denkmalen nur ca. 5.000 als „besonders bedeutend“ ins Denkmalbuch eingetragen waren (Ickerodt & Lund 2015, 109). Es können daher nicht einmal alle derzeit (mit Ausnahme von Lübeck) in Schleswig-Holstein bekannten ca. 61.500 archäologischen Fundstellen archäologische Denkmale iSd § 2 Abs. 2 Z 2 DSchG SH sein, geschweige denn „den Umständen nach“ das tatsächliche Vorkommen von der anzuwendenden Legaldefinition entsprechenden Denkmalen jeweils kilometerweit im Umkreis aller bekannten Fundstellen (Abbildung 6) ernsthaft vermutet werden. Es ist auch deshalb völlig ausgeschlossen, weil es – wenigstens im Vergleich mit beliebigen anderen, archäologisch bereits vollständig durch Grabungen erforschten Bodenflächen in und außerhalb Schleswig-Holsteins – unmöglich sein kann, dass auf 75-80% der Landesfläche von Schleswig-Holstein tatsächlich (noch gänzlich unbekannte) archäologische Denkmale im Boden vorhanden sind. Wo aber keine Denkmale im Boden vorhanden sind, können dem ALSH auch gar keine konkreten Hinweise auf deren dortiges Vorkommen vorliegen.

Es kann also nicht sein, dass das „Verwaltungswerkzeug der archäologischen Interessensgebiete“ (Ickerodt & Lund 2015, 109) vom ALSH nur als Mittel zur Ausweisung von Bodenflächen genutzt wird, bezüglich derer es tatsächlich einen durch konkrete Evidenz begründeten Verdacht hat, dass dort schützenswerte archäologische Denkmale tatsächlich vorkommen. Vielmehr nützt es die schwammige Formulierung „den Umständen nach zu vermuten“ in § 12 Abs. 2 Z 4 und 6 DSchG SH, um sich das „Verwaltungswerkzeug der archäologischen Interessensgebiete“ (Ickerodt & Lund 2015, 109) zu erfinden, das gesetzlich gar nicht vorgesehen ist. Dieses frei erfundene Verwaltungsinstrument benutzt es dann in seiner Handhabungspraxis dazu, den beliebten, aber in der Regel unbegründeten, archäologischen Generalverdacht, dass nahezu überall unbekannte archäologische Denkmale im Boden vorkommen könnten, durch die Hintertüre der daraus abgeleiteten (angeblichen) Anwendbarkeit denkmalrechtlicher Genehmigungspflichten rechtswirksam zu machen. Es erklärt damit de facto etwa drei Viertel der Landesfläche von Schleswig-Holstein zu Schutzzonen iSd § 10 DSchG SH, ohne sich die Mühe antun zu müssen, dies auf dem vorgesehenen Weg der Verordnung zu erreichen – die auch niemals durchgehen würde, wenn das ALSH versuchen würde, damit 75-80% der gesamten Landesfläche, großteils völlig grundlos, den gesetzlichen Schutzbestimmungen des DSchG SH zu unterwerfen.

Dadurch, dass das ALSH praktisch flächig fast ganz Schleswig-Holstein zum archäologischen Interessensgebiet erklärt, lastet es jedoch Betroffenen auf absolut perfide Weise das Risiko auf, für eine Handlung, bei der sie überhaupt nicht vorhersehen können, dass dadurch vielleicht doch ein zufällig irgendwo im Boden vorhandenes, aber noch unbekanntes archäologisches Kulturdenkmal verändert oder zerstört wird, einen Ordnungswidrigkeitstatbestand erfüllen oder gar eine Straftat begehen. Denn verändern oder zerstören sie völlig unbeabsichtigt und auch unwissentlich in einem archäologischen Interessensgebiet ein dort zufällig doch vorkommendes archäologisches Denkmal, für dessen Existenz auch dem ALSH nicht der geringste Hinweis vorgelegen ist, kann das ALSH dennoch behaupten, dass – weil es ja in einem archäologischen Interessensgebiet war – sie von seiner Existenz wissen hätten müssen und es daher entsprechend den denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen zu behandeln gehabt hätten. Die einzige Möglichkeit, die Betroffene haben, um nicht bei jeder Handlung, die sie in archäologischen Interessensgebieten setzen, mit einem Fuß im Kriminal zu stehen – gem. § 19 Abs. 1 Z 2 DSchG SH ist schließlich die vorsätzliche Durchführung von Erdarbeiten, ohne die dafür erforderliche Genehmigung gem. § 12 Abs. 2 Z 6 DSchG SH zu haben, mit bis zu zwei Jahren Haftstrafe bedroht – ist, sich bei allen ihren Handlungen an die denkmalrechtliche Genehmigungspflichten zu halten; selbst wenn das in mutmaßlich (deutlich) über 90% aller Fälle vollkommen unnötig ist.

Noch dazu entzieht das ALSH den Betroffenen durch die Ausweisung als archäologisches Interessensgebiet auch praktisch jede Möglichkeit, eine erfolgreiche Feststellungsklage (Ickerodt & Lund 2015, 109) gegen die ‚Vermutung‘ des ALSH, dass auf ihren Grundstücken tatsächlich archäologische Denkmale vorkommen, zu führen. Denn diese dürfen vom Augenblick der Ausweisung an streng genommen weder Feldbegehungen auf ihren Grundstücken durchführen, noch Luftbilder von ihren Grundstücken anfertigen (geschweige denn luftbildarchäologisch auswerten), noch sonst irgendwelche archäologischen Methoden verwenden, „die geeignet sind, Kulturdenkmale aufzufinden“, ohne dafür eine Genehmigung des ALSH gem. § 12 Abs. 2 Z 4-6 DSchG SH erteilt bekommen zu haben. Wenn überhaupt, können sie höchstens um teures Geld einen professionellen Archäologen damit beauftragen, diese archäologischen Untersuchungen für sie mit entsprechender Genehmigung des ALSH durchzuführen, die es jedoch wenigstens in Einzelfällen generell zu verweigern droht.[24]

Diese Genehmigung kann das ALSH zwar gem. § 13 Abs. 2 DSchG SH nur dann versagen, „wenn Gründe des Denkmalschutzes“ ihrer Erteilung entgegenstehen, aber solche Gründe lassen sich bei Bedarf wohl auch finden. Aber selbst wenn sich wirklich keine Gründe finden lassen, kann das ALSH die Genehmigung mit unzähligen, teilweise kostenintensiven Auflagen verbinden,[25] die den Preis dieser Dienstleistung in für den durchschnittlichen Betroffenen wenigstens schmerzhafte Höhen treiben können. Die Möglichkeit der Einbringung einer Feststellungsklage gegen die Ausweisung der betreffenden Bodenfläche (Ickerodt & Lund 2015, 109) ist also weitgehend eine Farce: der Betroffene muss massive Vorabkosten auf sich nehmen, um sein Klagsvorbringen so ausreichend beweisen zu können, dass er sicherlich Erfolg hat; oder ein hohes Prozessrisiko auf sich nehmen und selbst bei von ihm erbrachten Beweisen eine Niederlage vor Gericht riskieren; um sich von einer seinem Eigentum potentiell willkürlich durch die Behörde auferlegten Last befreien zu können.

Nachdem das deklaratorische Prinzip dazu führt, dass eine externe Nachkontrolle der behördlichen Entscheidungen praktisch kaum herbeizuführen und allfälliges Fehlverhalten der Behörde aufgrund ihrer sich selbst angemaßten Totalkontrolle über die Durchführung von dieses potentiell nachweisen könnenden Untersuchungen auch so gut wie sicherlich nicht bewiesen werden kann, funktioniert das in der Praxis dann auch weitgehend problemlos. Von einer Handhabung des Gesetzes, die „auf die berechtigten Belange der Verpflichteten Rücksicht“ nimmt, wie es das DSchG SH in seinem § 11 explizit fordert, kann allerdings nicht im Entferntesten die Rede sein. Vielmehr missachtet das ALSH willkürlich sogar verfassungsgesetzlich geschützte Grundrechte der Betroffenen schamlos, indem es in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle fälschlich so tut, als ob nahezu überall in Schleswig-Holstein besonders bedeutende archäologische Denkmale im Boden schlummern würden, während das nur an wenigen Stellen in archäologischen Interessensgebieten der Fall sein kann; und benutzt seine Stellung in der Architektur der einschlägigen Verwaltungsverfahren, um das zu verschleiern.

So kann man natürlich auch Denkmalschutz betreiben, wenn man das möchte. Ethisch vertretbar, geschweige denn rechtmäßig, ist das jedoch nicht, egal ob es in der Praxis funktioniert.

Denkmalforschung und Denkmalschutz

Damit kommen wir zum Ende und damit zur zu Beginn dieses Artikels genannten Binsenweisheit zurück: was man nicht kennt, kann man auch nicht schützen.

Ob ein Denkmalschutzgesetz nun primär nach konstitutivem oder nach deklaratorischem Prinzip funktioniert, spielt dabei keine Rolle; wenigstens, wenn man die Möglichkeit der hinter maximaler Behördenintransparenz verborgenen, exzessiven Gesetzesauslegung außer Acht lässt. Denn egal nach welchem der beiden Prinzipien das betreffende Gesetz funktioniert: damit man noch im Boden befindliche archäologische Denkmale auch nur rechtlich, geschweige denn praktisch, vor Veränderung oder Zerstörung schützen kann, braucht die zuständige Denkmalbehörde wenigstens ausreichende Hinweise auf deren Existenz an jenem bestimmten Ort, an dem menschliches Handeln den Schutzbestimmungen des örtlich anzuwendenden Denkmalschutzgesetzes unterworfen werden soll.

Ein bloßer, unbegründeter Verdacht, dass archäologische Denkmale schließlich überall in der Landschaft vorhanden sein könnten, genügt dafür weder unter einem primär nach dem konstitutiven noch einem rein nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetz. Streng genommen ist es unter einem nach deklaratorischen Prinzip funktionierenden Gesetz sogar schwieriger, Flächen, auf denen man das Vorkommen von archäologischen Denkmalen nur aufgrund vergleichsweise schwacher Hinweise vermutet, aber es noch nicht mit Sicherheit beweisen kann, den denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen zu unterwerfen als mit einem primär konstitutiv funktionierenden Gesetz. Denn gelten die Schutzbestimmungen eines primär nach konstitutivem Prinzip funktionierenden Gesetzes auf allen Bodenflächen, die aufgrund des dafür ausreichenden Beweismaßes des Überwiegens der Hinweise auf deren wahrscheinliches dortiges Vorkommen durch einen förmlichen Verwaltungsakt unter Denkmalschutz gestellt wurden, egal ob diese Prognose tatsächlich zutrifft oder nicht; können die Schutzbestimmungen eines rein nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Gesetzes stets nur auf jene Sachen Anwendung finden, die der relevanten Legaldefinition des anzuwendenden Denkmalbegriffs im betreffenden Gesetz tatsächlich entsprechen. Der Vorteil nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierender gesetzlicher Bestimmungen ist eben gleichzeitig auch ihr Nachteil: sie gelten zwar für alle, aber dafür auch nur für die Sachen (Denkmale), die der relevanten Legaldefinition entsprechen; nicht auch für solche, die dieser nur entsprechen könnten, es aber tatsächlich nicht tun.

Man kann sich zwar um dieses Problem herumzuschummeln versuchen; aber rechtlich wirklich sauber ist das kaum möglich. Denn letztendlich fehlt, wo keine Denkmale sind, bei nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Gesetzen jedwede rechtlich belastbare Rechtfertigung für den Staat und seine Denkmalbehörden, um in Grundrechte Betroffener – insbesondere die Eigentumsgarantie, die allgemeine Handlungsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit – auch nur extrem geringfügig eingreifen zu dürfen: auf einer Bodenfläche, auf der tatsächlich kein Denkmal ist, gibt es schließlich auch kein verfassungsgesetzlich geschütztes Allgemeinwohlgut, dessen Schutz die Beschränkung irgendwelcher Grundrechte gestatten würde. Man muss sich daher, um irgendwie um dieses Problem herumzukommen, mit schwammigen Formulierungen im Gesetzeswortlaut (wie „den Umständen nach zu vermuten“) behelfen, um auch Bodenflächen wenigstens zu einem gewissen Grad unter denkmalrechtliche Kontrolle zu bekommen, auf denen das Vorkommen von archäologischen Denkmalen zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher ist. Gerade solche schwammigen Formulierungen im Gesetzeswortlaut laden aber Denkmalbehörden nachgerade dazu ein, sie zu missbrauchen, um nicht nur die Bodenflächen, auf denen wirklich mit hoher Wahrscheinlichkeit archäologische Denkmale vorkommen, sondern einfach beinahe das ganze Land mittels frei erfundener „Verwaltungswerkzeuge“ sachlich unbegründet unter de facto-Denkmalschutz zu stellen.[26]

Letztendlich gibt es nur eine Möglichkeit, wie man bislang noch unbekannte archäologische Denkmale effektiv schützen kann, und das ist eine möglichst intensive archäologische Denkmalforschung zu betreiben. Das BayLfD zeigt durch seine Verwaltungspraxis vor, wie das einigermaßen gut funktionieren kann. Zwar muss sich auch das BayLfD um das verfassungsrechtliche Problem herumschummeln, dass man mittels nach dem deklaratorischen Prinzip funktionierenden Denkmalschutzgesetzen Bodenflächen nicht denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen unterwerfen kann, auf denen nicht mit Sicherheit Denkmale vorkommen. Das tut es aber insofern einigermaßen geschickt, als es klare – wenn auch nicht unbedingt allgemeinverständliche, aber wenigstens veröffentlichte – Kriterien benutzt (BayLfD 2016, 12), um bestimmte Bodenflächen als Bodendenkmalverdachtsflächen auszuwählen und mit seiner auf dieser Basis vorgenommenen Auswahl auch eine Trefferquote von beinahe 50% erzielt (Bayerischer Landtag 2015, 2). Es federt noch dazu ebenso geschickt und durchaus vorbildlich die potentiellen negativen Folgen von falschen behördlichen Positivprognosen ab, indem es die Kosten für die auf diesen Bodenflächen vor dort potentiell Bodendenkmale gefährdenden, ob nun aufgrund des Bodendenkmalverdachts der Behörde oder generell, genehmigungspflichtigen Maßnahmen erforderliche Denkmalforschung übernimmt.

Es muss daher – im Unterschied zum österreichischen BDA – seine spärlichen Ressourcen für die Denkmalforschung nicht nach dem Gießkannen- bzw. Zufallsprinzip über das ganze Land verteilen, sondern kann sie konzentrieren und strategisch einsetzen, wann und wo die Denkmalforschung ganz besonders notwendig ist, um tatsächlich vorhandenen Denkmalen akut drohenden Gefahren effektiv vorbeugen zu können. Gleichzeitig stellt es aber auch nicht – im Unterschied zum ALSH – beinahe das ganze Land durch unsaubere Tricks unter de facto-Denkmalschutz, sondern nimmt tatsächlich maßvoll auf die berechtigten Belange Betroffener Rücksicht. In anderen Worten: das BayLfD betreibt effektives archäologisches Denkmalmanagement.

Der Schlüssel dafür ist, dass es tatsächlich Denkmalforschung betreibt, wo diese wirklich notwendig ist, oder archäologische Privatunternehmen auf seine Kosten mit strategischer Denkmalforschung betraut. Erst diese verrät ihm dann, wo tatsächlich welche Bodendenkmäler im Boden verborgen sind, welche Gefahren diesen tatsächlich drohen, und welche geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen werden können, um diesen effektiv entgegenwirken zu können. Erst diese Denkmalforschung gestattet es ihm auch, die erforderliche denkmalrechtliche Bewertung der tatsächlich vorhandenen Bodendenkmäler vorzunehmen und sachverständig zu entscheiden, welche (sehr wenige) davon in situ erhalten werden können; welche (die Mehrheit) am besten durch Bergung und Dokumentation, d.h. durch ihre wissenschaftliche Erforschung in anderen Medien erhalten und öffentlich nutzbar gemacht werden; und – auch wenn es diese schwere Entscheidung eventuell zu selten treffen mag – welche davon man der Zerstörung überlassen kann, weil sie nicht bedeutend genug sind, um ihre Erhaltung und Erforschung erforderlich zu machen. Der Schlüssel zu einer einigermaßen effektiven archäologischen Denkmalpflege ist eben nicht der Schutz von allem am geduldigen Papier, und nicht das Verstecken hinter denkmalpflegerischer Unsicherheit und behördlicher Intransparenz, sondern die mit modernen Methoden sachgemäß durchgeführte Denkmalforschung zur Bestätigung oder Widerlegung eines sachlich und vernünftig begründeten Verdachtes (BayLfD 2016).

Weil was man kennt, das kann man – wenigstens meistens – auch tatsächlich effektiv schützen.

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[1] Von dieser Regel gibt es allerdings gewisse Ausnahmen: so z.B. kann die wenigstens wahrscheinliche, wenn nicht sogar sicher gegebene Präsenz archäologischer Überreste im Boden durch charakteristische Hinweise an der Erdoberfläche unter gewissen Umständen auch mit dem freien Auge erkennbar sein. Dies ist klarerweise immer dann der Fall, wenn z.B. noch Überreste von ehemaligen Gemäuern (Ruinen) über die Erdoberfläche hinausragen, charakteristische Bodenunebenheiten die Präsenz von (ehemaligen) Gräben, Weganlagen, Wällen, Grabhügeln etc. anzeigen oder Häufungen beweglicher Kleinfunde an der Erdoberfläche die wahrscheinliche Präsenz zahlreicher weiterer, vergleichbarer Kleinfunde im Erdboden indizieren. Aber auch Bewuchsmerkmale, Bodenverfärbungen, Häufungen ortsfremden Steinmaterials etc. (siehe z.B. BDA 2018, 10) können mit freiem Auge erkennbare Hinweise auf die Präsenz von archäologischen Überresten im Erdboden sein, wenngleich sie selten so eindeutig sind wie die zuvor genannten, offensichtlichen Hinweise.

[2] Dies ist wenigstens solange der Fall, als der Metallsucher seinem Hobby an einem Ort nachgeht, von dem noch keine anderen Hinweise auf das mutmaßliche Vorkommen von noch unbekannten archäologischen Denkmalen im Boden vorliegen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass an einem beliebigen Ort im Boden befindlicher, magnetisch leitfähiger Gegenstand tatsächlich ein Denkmal im Sinne der einschlägigen Legaldefinition des örtlich geltenden Denkmalschutzgesetzes ist, ist in der Regel verschwindend gering. Die Situation ist selbstverständlich eine andere, wenn er auf einer bekanntermaßen denkmalfundträchtigen Fundstelle oder an einem Ort sucht, an dem offensichtlich mit dem freien Auge erkennbare Hinweise (wie noch über den Boden hinausragende Ruinen; offensichtlich als menschengeschaffene Grabhügel erkennbare Bodenunebenheiten, etc.) vorhanden sind, die das Vorkommen von (weiteren,) bislang noch unbekannten archäologischen Denkmalen an diesem Ort wahrscheinlich erscheinen lassen.

[3] Berechnet man mit, dass der angerichtete Schaden außer in seltenen Einzelfällen noch dazu auch noch meist nur von geringer Signifikanz ist, ist die Eintrittswahrscheinlichkeit von signifikantem Befundschaden sogar noch deutlich geringer als 0,5%.

[4] Und streng genommen hat man dort, wo man sie gerade tatsächlich sicher vollständig entfernt hat, dadurch, dass man sie gerade vollständig entfernt hat, neue archäologische Überreste im Boden erzeugt, die – wenigstens hypothetisch – auf archäologischem Weg Schlüsse über den Prozess der Entfernung zuvor dort vorhandener (älterer) archäologischer Überreste zu ziehen gestatten. Diese sind nur – wenigstens üblicherweise, wenn ordentlich dokumentiert wurde – insofern irrelevant, als der gesamte Archäologieentfernungsprozess inklusive seines Endergebnisses – d.h. der neu entstandenen archäologischen Überreste – bereits bei seiner Durchführung vollständig dokumentiert wurde und daher seine neuerliche Dokumentation zu späterer Zeit mit archäologischen Methoden eigentlich nicht mehr erforderlich sein sollte bzw. redundant ist.

[5] Wenigstens so lange, als man es nicht schafft, einen Richter durch Vorspiegelung falscher Tatsachen davon zu überzeugen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass an einem beliebigen Ort doch im Boden zuvor noch unbekannte archäologische Denkmale vorgekommen sind, was insbesondere retrospektiv (wenn von der beklagten Partei tatsächlich welche entdeckt wurden) oft relativ leicht möglich ist. Dass das für die beklagte Partei ex ante nicht vorhersehbar war, fällt dann gerne unter den Tisch, wenigstens, wenn nicht der Verteidiger ausnehmend gut informiert ist und sich in der Materie gut auskennt.

[6] 3 signifikante Bodenfunde pro Hektar Bodenfläche sind eine eher konservative Schätzung. Wie in einem jüngst publizierten anderen Beitrag hochgerechnet (Karl 2019b, 6), muss man in Österreich wohl mit ca. 1,05 Millionen und in Deutschland wohl mit ca. 4,5 Millionen archäologischen Fundstellen rechnen; durchschnittlich 12,5 pro km2. Das bedeutet, dass damit zu rechnen ist, dass eine archäologische Fundstelle pro ca. 8 Hektar vorkommt. Befindet sich eine Fundstelle unter dem Pflug, kann man auf jeder Fundstelle mit durchschnittlich wenigstens 25 signifikanten Bodenfunden rechnen, was pro Hektar ca. 3.13 signifikante Fundgegenstände ergibt.

[7] Dies gilt in der Regel auch für Bauherren bzw. Bauunternehmen, die zwar eventuell die erforderlichen Mittel für archäologische Prospektionen vor Durchführung ihrer geplanten Handlungen aufbringen können, wenn sie das müssen, und denen in Anbetracht des geplanten Projektgesamtvolumens die dafür anfallenden Kosten im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit auch aufgebürdet werden können, diese aber normalerweise nicht von sich aus für die archäologische Prospektion aufwenden würden, wenn sie nicht müssen. Selbst der Großbauunternehmer hat also im engeren Sinn keine Ressourcen für die Durchführung einer archäologischen Landesaufnahme bzw. auch nur archäologischer Prospektionen verfügbar; einmal abgesehen davon, dass er sie in den meisten Ländern im deutschen Sprachraum aufgrund der gesetzlichen NFG-Pflichten gar nicht selbstständig durchführen darf, ohne sich das zuvor vom Denkmalamt genehmigen zu lassen.

[8] So die Bezeichnung in Bayern (siehe z.B. Bayerischer Landtag 2015), in anderen deutschen Bundesländern wird ähnliches anders bezeichnet, so z.B. als „Archäologische Interessensgebiete“ in Schleswig-Holstein.

[9] Pers. Mitt. M. Ullrich, BayLfD, 4.5.2018.

[10] Art. 7 Abs. 1 1. Satz BayDSchG bestimmt: „Wer auf einem Grundstück nach Bodendenkmälern graben oder zu einem anderen Zweck Erdarbeiten auf einem Grundstück vornehmen will, obwohl er weiß oder vermutet oder den Umständen nach annehmen muß, daß sich dort Bodendenkmäler befinden, bedarf der Erlaubnis“. Bodendenkmalverdachtsflächen sind dabei solche Bodenflächen, auf denen zu vermuten bzw. den Umständen nach anzunehmen ist, dass sich auf ihnen Bodendenkmale befinden (für die dafür relevanten Kriterien, siehe BayLfD 2016, 12).

[11] Die durchschnittliche Fundstellenfläche von maximal ca. 2 Hektar ergibt sich ebenfalls aus Zahlen des BayLfD: Bayern hat ca. 70.550 km2 Fläche, davon sind ca. 1,4% als bekannte Bodendenkmale ausgewiesen, wobei die Zahl der ausgewiesenen Flächen (per 4.5.2018, siehe FN 9) insgesamt 49.137 betrug. Daraus lässt sich eine durchschnittliche Fläche pro Bodendenkmal von ca. 2,01 Hektar errechnen.

[12] Die Rechtslage ist in Schleswig-Holstein in Hinblick auf Erdarbeiten nahezu ident zu der in Bayern. § 12 Abs. 2 Z 6 DSchG SH bestimmt nämlich, dass „Nachforschungen, Erdarbeiten oder taucherische Bergungen an Stellen, von denen bekannt ist oder den Umständen nach zu vermuten ist, dass sich dort Kulturdenkmale befinden, ohne dazu nach anderen Rechtsvorschriften befugt zu sein“, der „Genehmigung der oberen Denkmalschutzbehörde bedürfen“. Laut ALSH sind archäologische Interessensgebiete solche Bodenflächen, auf denen den Umständen nach zu vermuten ist, dass sich auf ihnen Bodendenkmale befinden.

[13] Laut pers. Mitt. E. Sigloff, ALSH, mit Stichdatum 7.5.2018 insgesamt ca. 61.500 (exklusive Lübeck) bzw. ca. 3,94 pro km2 im Vergleich zu nur 49.137 bzw. ca. 0,7 pro km2 in Bayern (siehe FN 9, 11). Inwieweit dies allerdings nicht daran liegt, dass in Schleswig-Holstein z.B. auch einzelne zu einem größeren Gräberfeld gehörende Grabhügel jeweils als (damit durchschnittlich viel kleinere Flächen abdeckende) Einzelbodendenkmale ausgewiesen werden, während in Bayern eventuell das ganze Hügelgräberfeld als ein Bodendenkmal gezählt wird, lässt sich ohne genaue Analyse der Bodendenkmalliste der beiden Länder nicht mit Gewissheit sagen.

[14] Dass eine archäologische Fundstelle aus vielen separaten Einzelsachen (beweglichen Kleinfunden und ‚unbeweglichen‘ Befunden) besteht, steht einer Betrachtung der gesamten Fundstelle als ein Denkmal als zusammengehörende, aus vielen Teilen bestehende Sache bzw. Sachgesamtheit nicht entgegen. Ebenso steht die Betrachtung einer archäologischen Fundstelle als eine in ihrer Gesamtheit denkmalschutzwürdige Sache (bzw. Sachgesamtheit) nicht der Möglichkeit entgegen, dass einzelne Bestandteile der Fundstelle wie z.B. einzelne Funde und Befunde ihrerseits als einzelne Sachen oder deren Teile auch selbstständig denkmalschutzwürdige Sachen sind. In dieser Hinsicht unterscheiden sich archäologische Fundstellen nicht von Baudenkmalen samt deren Zubehör, die auch in ihrer Gesamtheit geschützt sein können, obwohl auch einzelne Teile des Zubehörs – so z.B. einzelne, zur ursprünglichen Ausstattung des Gebäudes gehörende Möbel, Gemälde etc. – für sich betrachtet als einzelne Sachen denkmalschutzwürdig und daher geschützt sein können.

[15] Außer bei der Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung des § 2 DMSG, die aber nur für mehr als 100 Jahre alte, nicht massenproduzierte Sachen im öffentlichen Eigentum gilt, und der zeitweiligen Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung von Bodendenkmalen gem. § 9 Abs. 3 DMSG, die aber erst ab dem Zeitpunkt der Auffindung des betreffenden Gegenstandes rechtswirksam wird.

[16] Geschichtliche und wissenschaftliche Gründe sind wohl bei nahezu allen (möglichen) archäologischen Denkmalen als ein und dasselbe zu betrachten, weil sich die geschichtliche Bedeutung archäologischer Hinterlassenschaften stets erst durch ihre wissenschaftliche Erforschung erschließen lassen kann.

[17] Gegenstände, aus denen nur insignifikante wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können, können in Schleswig-Holstein keinesfalls unter Denkmalschutz stehen, weil die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 DSchG SH verlangt, dass Kulturdenkmälern besondere Bedeutung zukommt. Die Legaldefinition des Art. 1 BayDSchG spricht hingegen nur von Bedeutung, ohne zu erwähnen, dass diese Bedeutung in irgendeiner Weise besonders sein müsse (siehe dazu Eberl et al. 2016, 104-110, insbesondere 104 für zahlreiche Verweise auf Judikatur zu dieser Frage), weshalb auch Sachen von Bedeutung sind, die das Geschichtsbild nur eher geringfügig prägen. Dennoch muss ein gewisses Mindestmaß an Bedeutung auch in Bayern erreicht werden, weil objektiv belanglose Sachen nicht denkmalschutzfähig sind (Eberl et al. 2016, 105 mit Verweisen auf einschlägige Judikatur); was sich schon allein dadurch zwingend ergibt, dass jeder in der Vergangenheit geschaffenen Sache wenigstens irgendeine geschichtliche Bedeutung zukommt und jeder Sache wissenschaftliche Bedeutung zukommen kann. Sachen, aus denen keine signifikanten Informationen über die Vergangenheit gewonnen werden können, können daher auch in Bayern nicht Bodendenkmäler sein.

[18] Das ist in Österreich ein weit geringeres Problem als in Deutschland; einerseits weil die allgemeine Handlungsfreiheit in Österreich zwar ebenfalls, aber nur implizit verfassungsrechtlich gewährleistet ist (Bezemek 2016); andererseits weil sowohl diese als auch die durch Art. 17 StGG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit durch denkmalrechtliche Genehmigungspflichten auf nicht konstitutiv denkmalgeschützten Bodenflächen kaum oder gar nicht beschränkt werden; bzw. – wenn überhaupt – nur dann, wenn auf der betreffenden Bodenfläche tatsächlich Denkmale iSd § 1 Abs. 1-2 DMSG entdeckt werden (siehe dazu zuletzt Karl 2018f, 438).

[19] Umgangssprachlich (und teilweise sogar in Denkmalschutzgesetzen wie in § 8 Abs. 1 DMSG) wird statt „unvorhergesehenermaßen“ gerne der Begriff „zufällig“ eingesetzt. Im rechtlichen Sinn bedeutet das, dass die Entdeckung des Denkmals eben nicht ex ante vorhergesehen wurde bzw. auch nicht vorhergesehen werden konnte, weil keine ausreichenden Hinweise auf das Vorkommen eines Denkmals am betroffenen Ort allgemein bekannt oder an Ort und Stelle offensichtlich erkennbar waren. Welche Auswirkungen das auf gesetzliche NFG-Pflichten hat, habe ich schon anderorts für Österreich erklärt (Karl 2018f). In Bayern und Schleswig-Holstein gilt diesbezüglich aus Sicht des (durchschnittlichen) Rechtsanwenders im Wesentlichen dasselbe: sofern der (nicht als behördliches Organ) handelnde Rechtsanwender aus objektiven Gründen („den Umständen nach“) davon ausgehen muss oder subjektiv glaubt, bei seiner möglicherweise NFG-pflichtigen Handlung auf Denkmale zu treffen, muss er vor deren Durchführung eine NFG beantragen. Die zuständige Behörde hat diese dann auch zu erteilen, wenn ihr keine ausreichenden objektiven Hinweise vorliegen, die einer Verweigerung der NFG-Erteilung entgegenstehen. In Bayern und Schleswig-Holstein können aufgrund der Tatsache, dass ihre jeweiligen DSchG rein nach dem deklaratorischen Prinzip funktionieren, die Erteilung einer derartigen Genehmigung nur verweigern, wenn auf der betroffenen Bodenfläche mit Sicherheit tatsächlich Denkmale vorkommen.

[20] In den verbleibenden ca. 5% aller Fälle, in denen dem BayLfD kein Ergebnis bekannt wurde (Bayerischer Landtag 2015, 2), wird sich der Bodendenkmalverdacht wohl ebenfalls als falsch erwiesen haben, weil ein positives Ergebnis dem BayLfD schließlich bekannt gemacht werden hätte müssen.

[21] Der erste, unmittelbar und verhältnismäßig einfach zu setzende Schritt in einem solchen Reformprozess wäre, den Layer, auf dem die willkürlichen Kringel, die als archäologische Interessensgebiete ausgewiesen sind, aus dem Archäologie-Atlas SH zu entfernen. Denn es ist unmöglich, dass bei der gebotenen, sachlichen Betrachtung auf all diesen Flächen „den Umständen nach zu vermuten ist“ (§ 12 Abs. 6 DSchG SH), dass sich dort tatsächlich unbekannte archäologische Denkmale iSd § 2 Abs. 2 Z 2 DSchG SH im Boden befinden.

[22] Dass dem so sein muss, zeigt der Vergleich mit der Unterschutzstellung auf Basis des konstitutiven Prinzips: stellt eine Denkmalbehörde durch Verwaltungsakt fest, dass eine Bodenfläche (z.B. als „Fundhoffnungsgebiet“ iSd § 1 Abs. 5 DMSG) den Schutzbestimmungen des betreffenden Denkmalschutzgesetzes unterliegt, kann der betroffene Grundeigentümer dagegen Rechtsmittel ergreifen. Stellt sich im gerichtlichen Beschwerdeverfahren heraus – z.B. durch ein vom Beschwerdeführer in Auftrag gegebenes Privatgutachten, für dessen Erstellung der Privatgutachter eine geophysikalische Prospektion und Probegrabungen durchgeführt hat, um einen stichhaltigen Beweis für das Nichtvorkommen von Denkmalen auf der betroffenen Bodenfläche erbringen zu können – dass die Unterschutzstellung tatsächlich irrtümlich erfolgt ist und keine schutzwürdigen Denkmale vorkommen, hat die beklagte Behörde dem Beschwerdeführer dessen Verfahrenskosten zu erstatten. Diese Kosten beinhalten selbstverständlich auch die Kosten für das Privatgutachten und die für dessen Erstellung erforderlichen archäologischen Untersuchungen auf der betroffenen Bodenfläche, nicht nur allfällige Gerichtsgebühren und Anwaltskosten. Die Behörde haftet also – wie jeder andere auch – in derartigen Fällen für den durch ihren Irrtum entstandenen unmittelbaren und mittelbaren Schaden. Warum das bei behördlichen Irrtümern bei nach deklaratorischem Prinzip funktionierenden Gesetzen anders sein und die Behörde für ihre Fehler und die dadurch verursachten Schäden an Gütern Dritter nicht haftbar sein sollte, ist nicht ersichtlich.

[23] Selbst das ist wohl nur bei gleichheitswidriger Anwendung der Genehmigungspflichtbestimmungen möglich, wenigstens der des § 12 Abs. 2 Z 6 DSchG SH, der ja alle „… Erdarbeiten […] an Stellen, von denen bekannt ist oder den Umständen nach zu vermuten ist, dass sich dort Kulturdenkmale befinden“, der denkmalrechtlichen Genehmigungspflicht unterwirft. Zu Erdarbeiten sind wohl auch alle landwirtschaftlichen, in den Erdboden eingreifenden Arbeiten wie insbesondere das Pflügen, Grubbern und jedwedes Einsetzen von Pflanzen zu zählen, selbst das von Tulpenzwiebeln im Vorgarten. Werden diese Arbeiten der gesetzlichen Genehmigungspflicht nicht unterworfen, ist nicht nachvollziehbar, weshalb Baggerarbeiten (z.B. im Rahmen von Bauarbeiten) ihr unterworfen sein sollten, denn bei sachlicher Betrachtung besteht kein Unterschied in der von allen derartigen Erdarbeiten ausgehenden Gefährdung von (insbesondere noch unbekannten) archäologischen Denkmalen im Boden. Würden allerdings für alle Erdarbeiten auf 75-80% der Landesfläche Genehmigungsanträge gem. § 12 Abs. 2 Z 6 DSchG SH gestellt, würde nicht nur das ALSH in einer Antragsflut untergehen, sondern allein die dadurch zusammenkommenden Arbeitszeitkosten der Antragsteller in Summe astronomisch hoch. Die willkürlich exzessive Ausweisung von archäologischen Interessensgebieten durch das ALSH greift also nicht nur massiv in Grundrechte ein. Vielmehr verhindert nur ihre grundrechtswidrig zwischen sachlich gleichen Sachverhalten willkürlich diskriminierende Anwendung durch das ALSH die Entstehung enormer Schadenersatzansprüche.

[24] Beweiskräftige Unterlagen, die das belegen, liegen mir vor.

[25] Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Beitrages ließ sich nicht exakt ermitteln, ob und falls ja welche Richtlinien in Schleswig-Holstein einzuhalten sind bzw. per Auflage mit bewilligenden Bescheiden verbunden werden, weil sich die „Service“-Webseite des ALSH zu „Grabungsgenehmigungen“ [12/3/2019] in Bearbeitung befand. Grundsätzlich ist allerdings anzunehmen, dass auch in Schleswig-Holstein Auflagen mit Genehmigungsbescheiden verbunden werden, die wenigstens grob den etwa 60 Seiten langen Standards des Verbandes der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. für Ausgrabungen und Prospektionen (VLA 2006) entsprechen.

[26] Dass das allerdings auch Denkmalbehörden, die primär nach konstitutivem Prinzip funktionierende Denkmalschutzgesetze zu vollziehen haben, mit dem Mittel der vollkommen überzogenen Auslegung und selektiven Lesung ihres Denkmalschutzgesetzes zu erreichen versuchen, zeigt sehr deutlich die Handhabungspraxis der Bestimmungen des § 11 Abs. 1 DMSG des österreichischen BDA (Karl 2018f).


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