Raimund Karl
Abstract: In diesem Beitrag wird anhand von
Beispielen aus der Zeit zwischen 1939-1945 und der Gegenwart gezeigt, dass die „Raubarchäologie“,
betrieben vorwiegend durch professionelle Archäologen des Reichsbunds für
deutsche Vorgeschichte und des SS-Ahnenerbe, nicht primär die Folge des
(ebenfalls zweifellos vorgekommenen, aber ganz anders gelagerten) „Missbrauchs“
des Faches („der Archäologie“) und der archäologischen Denkmalpflege durch eine
totalitäre politische Strömung (durch die NSDAP) war. Vielmehr war sie primär
und hauptsächlich durch die seit den Anfängen sowohl des Faches als auch der
(anfänglich noch nicht, aber seit dem frühen 20. Jahrhundert überwiegend
„staatlichen“) archäologischen Denkmalpflege etwa zur Mitte des 19.
Jahrhunderts dominanten, innerfachlichen, ebenso totalitären Ideologie des
sogenannten (archäologischen) „Erhaltungsparadigmas“ bzw. des „autorisierten
Denkmaldiskurses“ [AHD] verursacht und verschuldet. In höchst bedenklicher
Weise ist diese Ideologie innerfachlich immer noch dominant und führt, wie ein
konkretes und ganz aktuelles Beispiel zeigt, auch in einem demokratischen
Verfassungsstaat wie der Republik Österreich zu – zwar in ihrer Brutalität und
Grausamkeit nicht mit jenen des Dritten Reichs vergleichbaren, so doch in ihren
Ergebnissen in Hinblick auf den Umgang mit der Archäologie – sehr ähnlichen
Konsequenzen; also ebenfalls zu einer – nur geringfügig von der des Dritten
Reichs unterschiedlichen – „Raubarchäologie“.
Für „das Fach“ in seiner Gesamtheit – das sich niemals
ernsthaft mit der Frage beschäftigt hat, ob es (und nicht nur einzelne „faule
Äpfel“ unter seinen Angehörigen) (schon vor,) während des Dritten Reichs (und
seither) selbst etwas fundamental falsch gemacht hat und mit seiner eigenen
Ideologie etwas nicht stimmen könnte, das maßgeblich zum menschenverachtenden
Handeln (vieler) seiner Angehörigen geführt hat, sondern sich stattdessen ein
bequemes exkulpatorisches Narrativ, „Opfer des politischen Missbrauchs durch
die Nazis“ geworden zu sein, zusammengebastelt hat – und für alle
Archäolog*innen als Individuen ist diese Erkenntnis von enormer Bedeutung. Denn
sie stellt „das Fach“ wie auch jede*n Einzelne*n von uns vor eine schwierige
Entscheidung: ob wir „als Fach“ und individuelle Archäolog*innen in einer
demokratischen, auf der Achtung der Menschenwürde und der individuellen Grund-
und Menschenrechte beruhenden Gesellschaft leben wollen und daher unsere
innerfachliche Ideologie fundamental ändern müssen; oder ob wir die
autokratischen Herrscher einer menschenverachtenden Archäokratur sein wollen.
Die meisten Archäolog*innen sind sich einig, dass der Schutz
des archäologischen Erbes ein hohes „Allgemeinwohlgut“ ist, dessen Erhaltung aufgrund
seiner besonderen Bedeutung für „die Menschheit“ im öffentlichen Interesse
gelegen ist; und dass daher seine „private“ Aneignung durch Einzelne,
insbesondere durch Schatzsucher*innen, die es aus wirtschaftlichen Gründen dem
Erdboden entreißen, ganz grundsätzlich falsch, fachlich schädlich und moralisch
höchst verwerflich ist, weshalb es verboten werden sollte bzw. muss. Es ist
nach dieser Fachmeinung nicht nur wichtig, sondern sogar notwendig, es in durch
speziell dafür ausgebildete Kurator*innen verwalteten und durch ebenso
hochqualifizierte Fachkräfte konservatorisch betreuten staatlichen Archiven zu verwahren,
weil nur dadurch seine dauerhafte Erhaltung und Zugänglichkeit für die
archäologische Forschung gewährleistet werden kann. Die Interessen Einzelner, sogar
die der qualifizierten „privaten“ Forscher*innen (siehe dazu schon Karl i.V.)
und selbstverständlich noch viel mehr die überhaupt keine fachliche
Qualifikation vorweisen könnender Laien, haben daher hinter das Interesse der
Allgemeinheit am Schutz des archäologischen Erbes zurückzutreten.
Wenn also vom Staat dazu ermächtigte Organe einen Schatzsucher,
der bekanntermaßen serienweise gezielt ungestörte prähistorische Gräber geplündert
hat, um mit dem Verkauf der dabei aus ihrem Befundkontext gerissenen Kleinfunde
Geld zu verdienen, unter Ermittlungsdruck setzen; wenn sie dessen
Privatsammlung durch Überführung in eine öffentliche Sammlung dem
Staatsvermögen einverleiben und dem Täter damit letztendlich das Handwerk legen;
dann werden die meisten Archäolog*innen das willkommen heißen und als gerechte
Strafe betrachten, die einen notorischen Denkmalverbrecher aus dem Verkehr
zieht und hoffentlich abschreckende Wirkung entfaltet. Ein gutes Beispiel dafür
ist ein Fall aus Österreich, in dem einem solchen notorischen Schatzgräber –
wenn auch erst nach vielen Jahren ungehinderter, ja teilweise sogar von staatlichen
archäologischen Einrichtungen unterstützter, Schatzgräberei und Verkauf seiner
Funde am Antikenmarkt – endlich durch effektive Zusammenarbeit von Organen der
Sicherheitspolizei und professionellen Archäolog*innen ein für alle Mal das
Handwerk gelegt wurde. Nicht nur konnten die wirklich bedeutenden Funde aus
dessen Privatsammlung ins öffentliche Eigentum überführt werden, sondern sogar
jede weitere Plünderung archäologischer Fundstätten durch ihn effektiv
verhindert werden. Ich gehe davon aus, dass die meisten professionellen
Archäolog*innen das begrüßen werden.
Das heißt, wenigstens so lange man den Fall so erzählt, wie
ich das gerade getan habe: grob verallgemeinert, übervereinfacht und völlig
aller Details und seines Kontexts entkleidet.
Lässt man die relevanten Details nämlich nicht weg und
beraubt den Fall in der Erzählung auch nicht seines wesentlichen Kontextes,
stellt sich diese schöne Erfolgsgeschichte über das segensreiche Einschreiten
von kooperierenden staatlichen Sicherheitspolizei- und archäologischen Organen
plötzlich ganz anders dar. Lassen Sie mich daher diesen Fall noch einmal
erzählen:
Der ausgeschaltete Schatzgräber, Privatsammler und Antikenhändler
Der notorische österreichische Schatzgräber, Privatsammler
und Antikenhändler, dem in diesem Fall so effektiv das Handwerk gelegt wurde,
hieß Robert Wadler (*1906-†1938). Wadler war ab etwa 1927 als Ausgräber tätig („für
das naturhistorische Museum […], obwohl er zu keinem Zeitpunkt eine
Festanstellung hatte“; Friedmann 2013, 85; für Josef Bayer ab 1928 in Wien-Leopoldau
und danach auch – mit Genehmigung des BDA – selbstständig; Nebehay 1993, 28-30);
unterhielt eine Privatsammlung und verkaufte seine Funde sowohl an das NHM als
auch am privaten Antikenmarkt (Nebehay 1993, 28-30).
Kurz vor dessen Tod erwarb Eduard Beninger, der damalige
Leiter der prähistorischen Abteilung des NHM, die Hälfte der Privatsammlung
Wadlers höchst kostengünstig für das NHM. In einem 1948 geführten Strafprozess
sagte Beninger dazu das Folgende aus:
„Im Jahre 1938 war ich dem Juden R. Wadler bei dem Verkaufe seiner Kollektion urgeschichtlicher Funde behilflich, damit er sich mit dem Erlös ein Ausreisevisum kaufen könne. Die Hälfte der Kollektion kaufte der Industrielle Krug, den Rest erwarb ich für das Museum. Aus zeitbedingten Gründen schienen an Stelle Wadlers drei arische Strohmänner als Verkäufer auf.“ (Beninger 3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85).
Dass Wadler Jude war, hat letztendlich auch dazu geführt,
dass nicht nur seine Privatsammlung (wenigstens zur Hälfte, wenn man Beninger
wenigstens in dieser Beziehung glauben will) ins öffentliche Eigentum überführt
werden konnte, sondern ihm durch den auf ihn von den Sicherheitsorganen
ausgeübten Druck so effektiv das Handwerk gelegt wurde:
„Wadler, dem ich eine Dankesschuld des Museums abstatten wollte, beging Selbstmord, weil ihm die Kaufsumme von einem Glaubensgenossen unterschlagen wurde.“ (ibid.).
Beninger schob aber nicht nur die Schuld an Wadlers
Selbstmord in typisch antisemitischer Manier erst Recht einem von Wadlers „Glaubensgenossen“
in die Schuhe, sondern stellte sich in seiner Aussage im Strafprozess überhaupt
als Wohltäter Wadlers dar, der nichts Verwerfliches getan hatte:
„Ich habe nicht arisiert, sondern als einziger Urgeschichtsforscher dem Juden Wadler geholfen.“ (ibid.).
Diese Aussage war allerdings, wie schon Friedmann (2013, 85)
anmerkt, wenigstens nicht vollständig wahrheitsgemäß: Wadler hatte nach dem
Anschluss mit seiner Frau und Schwiegermutter zu emigrieren versucht, war
jedoch schon im Sommer 1938 von der Gestapo verhaftet und nur unter der
Bedingung freigelassen worden, Österreich sofort zu verlassen. Infolgedessen
erwarb Beninger seine Sammlung zu einem Bruchteil deren Marktwerts für das NHM.
Dem folgte im September der Selbstmord Wadlers, nachdem der Ausreiseversuch gescheitert
und er neuerlich von der Gestapo vorgeladen worden war.
Aus heutiger Sicht ist unschwer zu erkennen, dass es sich
bei diesem Fall um eine typische „Arisierung“ gehandelt hat: Wadler hat selbstverständlich
seine Sammlung nicht freiwillig verkauft, sondern wurde (indem ihm vorgegaukelt
wurde, dass er durch den „Erlös“ des Verkaufs seiner Sammlung ein
lebensrettendes „Ausreisevisum“ kaufen könne) dazu gezwungen und danach in den
Selbstmord getrieben. Daran war Beninger nicht nur maßgeblich beteiligt, sondern
hat sogar unter vorsätzlicher Vorspiegelung falscher Tatsachen versucht, diesem
dreckigen Spiel ein – wenn auch nur höchst fadenscheiniges – Deckmäntelchen der
Rechtmäßigkeit umzuhängen.
Bei Wadlers dem Staatsvermögen zugeführter Privatsammlung handelt
es sich um das, was man heute gemeinhin als „Nazi-Raubkunst“ bezeichnen würde,
aber im konkreten Kontext vielleicht richtiger „Raubarchäologie“ nennen sollte.
Wadler wurde von den bzw. wenigstens unter maßgeblicher Beteiligung
archäologischer Staatsorgane brutal enteignet und sollte (um das seiner Frau,
Schwiegermutter und sein eigenes Leben zu retten) dafür (qua Ausreisevisum) auch
noch bezahlen.
Erzählt man die Geschichte, wie einem notorischen
Schatzgräber, Privatsammler und Antikenhändler das Handwerk endgültig gelegt
wurde, nicht aller ihrer schmutzigen Details und ihres relevanten Kontextes
entkleidet, dann ist die Geschichte der Beraubung und Ermordung[1]
von Robert Wadler keine schöne Erfolgsgeschichte des erfolgreichen
Zusammenwirkens staatlicher Sicherheitspolizei- und archäologischer Organe
mehr, sondern die eines Verbrechens gegen die Menschenwürde. Zur Lehre, die man
daraus ziehen muss, komme ich noch später in diesem Beitrag.
Raubarchäologie in und jenseits von Österreich, ca. 1938-1945
Es kann als wenigstens innerfachlich allgemein bekannt
vorausgesetzt werden, dass der Fall der Beraubung und Ermordung von Robert
Wadler unter wenigstens Beitrags-, wenn nicht sogar Haupttäterschaft von
archäologischen Organen des Staates wie Eduard Beninger leider alles andere als
ein bedauerlicher Einzelfall war (siehe dazu z.B. Bollmus 1970; Arnold 1990;
2004; Bertram 1991; Urban 1996; Haßmann 2000; Steuer 2001; Halle 2002; Kater
2006; Schöbel 2008; Jagust 2009; Focke-Museum 2013; Friedmann 2013; Obermair
2015; Pollak 2015; Taschwer 2016; usw.). Beninger war sogar, wie man den
Aussagen zweier weiterer seiner Opfer – wenn auch weniger endgültigen als
Wadler – Alphons Barb und Richard Pittioni entnehmen kann (Friedmann 2013, 81-84),
wohl – wenigstens im Vergleich mit manchen anderen – nicht der schlimmste Täter;
wenn auch sicherlich nicht das unbedeutendste Rädchen im System der „Raubarchäologie“
des Dritten Reichs.
Ganz im Gegenteil: Beninger war schon 1934 zum
österreichischen Landesleiter des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte
ernannt worden und war und blieb dies bis zum Ende des Dritten Reichs. Er war damit
auch der führende Mann des „Rosenberg-Ministeriums“ (Zeugenvernehmung
Pittioni, 1.4.1946, WStLA, Vg 1e Vr 1326/46, Strafsache gegen Eduard Beninger;
zitiert bei Friedmann 2013, 81) im ehemaligen Österreich. Damit war er selbstverständlich
nicht nur Beteiligter, sondern ein wesentlicher Beitragstäter im Versuch der
Umsetzung der Pläne von Hans Reinerth.
Reinerth wiederum war schon 1931 der NSDAP beigetreten, wurde
1932 zum direkt Alfred Rosenberg unterstellten Leiter der archäologischen
Abteilung des Kampfbundes für deutsche Kultur und stellte noch im gleichen Jahr
in den nationalsozialistischen Monatsheften erstmals seine Pläne für die Umstrukturierung
der deutschen Archäologie nach dem Führerprinzip vor (Reinerth 1932). Er präsentierte
sie dann 1933 bei einer Tagung in Tübingen auch der archäologischen Fachwelt (Bollmus
1970, 154; Unverzagt 1985, 34-5), und publizierte sie in geringfügig
abgeänderter Form nochmals (Reinerth 1933). Dieser Plan sah im Prinzip nichts
weniger vor als dass die Partei die gesamte Archäologie – d.h. die
Bodendenkmalpflege ebenso wie die Museen und Universitäten – unter ihre
Kontrolle bringen und in einem – selbstverständlich von ihm selbst geführten – „gleichgeschalteten“
Reichsinstitut für deutsche Vorgeschichte zusammenfassen sollte. Das Reichsinstitut
sollte totale Kontrolle über die archäologische Forschung erhalten (Reinerth
1932; Bertram 1991, 26-7).
Die (meisten der) 9 Punkte von Reinerths Plan entsprachen dem
Fachkonsens – sieht man einmal von seinem ersten Punkt ab, dem des zentral die
gesamte Vorgeschichtsforschung (nach dem Führerprinzip) steuernden
Reichsinstitut – sah dieser doch „nur“ die Aufnahme der deutschen Vorgeschichte
in den Lehrplan der Schulen, die Einrichtung zusätzlicher archäologischer
Lehrstühle und Institute an deutschen Universitäten, die Stärkung der
staatlichen Denkmalbehörden, der regionalen und Landesmuseen und der
archäologischen Landesaufnahme, der Heimatmuseen für eine Verbesserung des
Zugangs der Öffentlichkeit zu „deren“ lokalen Archäologie, einen Ausbau der
Denkmalschutzgesetzgebung, eine Verstärkung der medialen Präsenz des Faches,
die Nutzung des (damals noch freiwilligen) Reichsarbeitsdienstes für
systematische Ausgrabungen und eine Stärkung internationaler akademischer
Kooperation[2]
vor[3]
– und waren daher eigentlich weitgehend unkontroversiell (Bertram 1991, 26).
Dennoch protestierten einige (weit etabliertere) Fachvertreter (als der zu
dieser Zeit gerade einmal 33-jährige Reinerth) der Römisch-Germanischen
Kommission und des archäologischen Lehrstuhls in Marburg.[4]
Nachdem man aber nach der Machtübernahme durch die NSDAP den Parteistrukturen
und der Unterwanderung des Staates durch diese nicht entgehen konnte, fanden jene
Archäologen, die sich nicht Reinerths Führungsanspruch zu unterwerfen bereit
waren – der von ihnen selbst und ihren Freunden nach Ende des Kriegs
propagierten, höchstens sehr bedingt glaubwürdigen, Behauptung zufolge „nur“ um
„Schutz“ vor sonst zu befürchtendem Übergriffen Reinerths zu erhalten (Jagust
2009, 285-91) – im SS-Ahnenerbe Unterschlupf; und versuchten mittels dieser mit
dem Reichsamt Rosenberg konkurrierenden Parteiorganisation ihrerseits im
Prinzip dasselbe zu erreichen, wie Reinerths Reichsbund, nur nicht unter dessen
personeller Führung.
Was die tatsächliche Umsetzung der 9 Punkte von Reinerths
(1932; 1933) ursprünglichem Plan betraf, erwies sich das Nazi-Regime als ein
unverlässlicher Verbündeter, egal ob für den Reichsbund oder das SS-Ahnenerbe. Obgleich
sich das Regime völlig ungehemmt Sachen, die ihm für seine Zwecke –
insbesondere die Vorbereitung des Landes auf Krieg – nützlich erschienen, “ausborgte”
oder erforderlichenfalls auch ungeniert konfiszierte (Friedrich &
Brzezinski 1965, 238-41), und das Eigentum als solcher deklarierter „Volksfeinde“,
insbesondere von Juden, sogar offen raubte, war es sehr darum bemüht,
wenigstens durch Aufrechterhaltung einer Fassade von vorgeblicher
Rechtmäßigkeit, das Privateigentum, insbesondere das wohlhabender „guter
Deutscher“, zu schützen. Wenigstens formal blieben daher (normalerweise)
bestehende Eigentumstitel unangetastet (ibid., 23, 244), selbst wenn die
tatsächliche Nutzung der betreffenden Sachen einer direkten, massiven Steuerung
im Interesse von Partei und Staat unterworfen wurde. Wohl sehr zur Enttäuschung
vieler Archäologen wurden keine neuen Denkmalschutzgesetze erlassen, die eine
“Verstaatlichung” archäologischer Privatsammlungen gestattet oder die
Landnutzung auf bekannten oder vermuteten archäologischen Fundstellen
einzuschränken oder deren Erhaltung rechtlich zu erzwingen ermöglicht hätten.
Vielmehr musste “die Archäologie” weiterhin mit den (von vielen Archäologen als
völlig unzureichend empfundenen) bestehenden Gesetzen wie dem preußischen
Ausgrabungsgesetz oder in der „Ostmark“ gar dem noch viel liberaleren österreichischen
DMSG von 1923 arbeiten (siehe z.B. Kunow 2002, 157-8; Pollak 2015, 14, 41). Die
Parteiarchäologen erhielten also wenigstens am Papier weiterhin keine bessere
Kontrolle, vor allem nicht über nicht konstitutiv denkmalgeschützte (bekannte
oder gar unbekannte) archäologische Fundstellen und Funde als die, die sie schon
für erkleckliche Zeit vor der Machtübernahme der NSDAP gehabt hatten.
Erst mit dem
Anstieg des von Regime ausgeübten Terrors und der Gewalt, insbesondere nach
Beginn des Krieges, ergaben sich mehr Möglichkeiten zur Ausübung
archäologischer Alleinherrschaft über archäologische Belange. Am
deutlichsten zeigte sich das in den in der Anfangsphase des zweiten Weltkriegs durch
das Dritte Reich neu eroberten Gebieten, aber auch, wenn auch nur in etwas
geringerem Maß, innerhalb Deutschlands, der Ostmark, und anderen
Gebieten mit „ursprünglich deutscher“ Bevölkerung.
Diese Möglichkeiten zur Ausübung größerer Kontrolle über
(nicht konstitutiv geschützte) Archäologie wurden in Deutschland und Österreich
nie formal in Gesetze gefasst und mussten das auch gar nicht werden: Friedrich und
Brzezinski (1965, 215) stellen sehr deutlich dar, dass selbst juristisch
sattelfesten Staatsbediensteten wenig anderes übrig blieb als eine völlig
willkürliche Anordnung z.B. eines SS-Offiziers zu befolgen, selbst wenn dies
bedeutete, dass sie eine gesetzlich verbotene aber politisch gewünschte
Entscheidung zu treffen hatten. Widerstand gegen ungesetzliche Forderungen
eines Archäologen, der gleichzeitig auch SS-Offizier war, ein Stück Land ungenutzt
zu lassen oder diesem dort Ausgrabungen zu gestatten oder ihm Funde zu
überlassen, die er “zum Wohl des Volkes und des Staates” verlangte, war daher
jedem Durchschnittsbürger (der nicht exquisite Beziehungen zu einem noch
höherrangigen Parteigranden hatte) unmöglich und wäre von diesem auch gar nicht
versucht wurden. Nachdem es eine „moralische
Pflicht“ jedes „guten Deutschen“ war, das „Wohl des Volkes“
enthusiastisch über sein eigenes und selbst seine lebensnotwendigsten
Eigeninteressen zu stellen (ibid., 156, 163, 167), wurden alle solchen
Forderungen “völlig freiwillig” befolgt, selbst wenn sie nicht einmal explizit
ausgesprochen wurden; und sei es nur weil man durch das Arschkriechen Protektion durch das Parteiorgan zu
erlangen hoffte und Widerstand dagegen die Todesstrafe nach sich ziehen konnte.
Kann ein solcher Staatsterrorist ohnehin ungestraft blanken Terror zum Schutz oder
für die Beschlagnahmung archäologischer Denkmale benutzen, ist ein Gesetz, das diesem
ausdrücklich das Recht dazu verleiht, nur ein Feigenblatt; und echte Männer
brauchen sich damit gar nicht erst aufzuhalten.
Dass “deutsche Archäologen” sich selbst als echte Männer sahen,
denen man nicht mit dem Gesetz zu kommen brauchte, zeigte sich dann auch in den
eroberten Gebieten, sowohl im Westen als auch im Osten. Bekanntermaßen lieferten
sich hier die beiden genannten Parteiorganisationen, das Amt Rosenberg und das SS
Ahnenerbe, einen richtiggehenden „Wettbewerb“,
wer bei der „Sicherstellung“ – lies: dem
Raub – archäologischer Evidenz und Literatur aus öffentlichen und privaten
Sammlungen der eroberten Gebiete erfolgreicher war (z.B. Kater 2006, 153-8;
Haßmann 2000, 103-8; Kunow 2002, 161). Lastwagenweise wurden Kulturgüter auf
Befehl von Archäologen weggekarrt, die sie im Namen des Dritten Reichs
beschlagnahmten; auch wenn, wie bereits (z.B. von Kater 2006, 157-8) gezeigt
wurde, die persönlichen Forschungsinteressen dieser „beschlagnahmenden“ Archäologen
jedenfalls ein signifikanter, wenn nicht sogar der wichtigste Faktor bei deren Entscheidung
war, was sie „sicherstellen“ mussten. Weniger diplomatisch gesagt: diese
“deutschen Archäologen” raubten einfach, was sie wollten, falls nötig mit
vorgehaltener Pistole; und Herbert Jankuhn, einer der Haupttäter, bezeichnete
das noch in den 1960ern als „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz“ (ibid.,
155).
Archäologische Fundstellen und die lokalen Archäologen, die
teilweise vor Ankunft der Nazis dort schon gegraben hatten, erlitten oft ein
ähnliches Schicksal durch die Hände ihrer „verehrten“ „deutschen“ Kollegen. „Deutsche
Archäologen” übernahmen die Grabungen an besonders bekannten, eindrucksvollen
oder vielversprechenden Fundstellen (oder versuchten das wenigstens), deren
vorherige Ausgräber entweder in die zweite Reihe verfrachtet wurden oder ein
noch schlimmeres Schicksal erlitten (Haßmann 2000, 104-6). Selbst in anderen
“germanischen” Ländern wie den Niederlanden oder Skandinavien wurden lokale
Archäologen weitgehend oder ganz ausgebootet, während „deutsche Archäologen“ deren
Fundstellen ebenso wie deren Posten übernahmen und ihnen, wenn nötig mit
Gewalt, ihren Willen aufzwangen (Kater 2006, 179-88; Haßmann 2000, 103-4).
Prominente Fundstellen wie Biskupin oder Dolní Vestonice wurden
übernommen und “Rettungsgrabungen“ – die bei weitem nicht alle diesen Namen
verdienten – an zahlreichen Orten durchgeführt (Haßmann 2000, 104-7; Kater
2006, 269-71, 292-6). Wer sich widersetzte oder Forderungen zur
“Sicherstellung” von Material zu behindern versuchte, wurde oft noch deutlich
schlimmer behandelt; in manchen Fällen wurden wenigstens zeitweilige
Aufenthalte in „Umerziehungs-“ bzw. „Konzentrationslagern“ einigermaßen
großzügig als Strafe für solchen Widerstand gegen zum Wohl des deutschen Volkes
und Staates getroffene Entscheidungen der “deutschen Archäologen” verhängt
(Haßmann 2000, 103-4; Kater 2006, 185-6).
„Deutsche Archäologen” scheinen auch wenig Hemmungen gehabt
zu haben, wenn es um den Einsatz von Zwangsarbeitern ging: sowohl der Einsatz
Kriegsgefangener (Jagust 2009, 293) als auch der von Insassen von
Konzentrationslagern (e.g. Pollak 2015, 254-71) für archäologische Ausgrabungen
ist gut belegt. Solange die schwere körperliche Arbeit erledigt wurde, scheinen
die “deutschen Archäologen” sich nicht besonders darum gekümmert zu haben, wer
– und wie freiwillig oder unfreiwillig dieser – sie erledigt hat: es war
schließlich „zum Wohl des deutschen Volkes“ und, was den Archäologen vielleicht
noch wichtiger war, „zum Wohl der Archäologie“.
Auch Kurt Willvonseder, seines Zeichens – als führender Mann
des SS-Ahnenerbe in der Ostmark – SS-Obersturmführer und Gaupfleger
für Bodenaltertümer von Wien und Niederdonau – also der damalige Leiter der
Einrichtung, die vor 1938 und nach 1945 die archäologische Abteilung des
österreichischen Bundesdenkmalamts (BDA) war – war schon von 1939 an mehr mit
„Raubarchäologie“ für das Ahnenerbe in der Slowakei, Südtirol und Serbien als
mit der Bodendenkmalpflege in Wien und Niederdonau befasst. Dort behielt er
allerdings wenigstens seinen eigenen Angaben nach stets die Leitung in der
Hand, auch wenn er sich in vielen Angelegenheiten von Hertha (Ladenbauer-)Orel
vertreten ließ (Obermair 2015, 159-61). Zu solchen Aufgaben, bei denen ihn die
später von Beninger in seiner Verteidigung als „antifaschistisch
eingestellte Prähistorikerin“ (Stellungnahme und Beweisanträge, Oktober
1946, WStLA, Vg 1e Vr 1326/46, Strafsache gegen Eduard Beninger; zitiert bei
Friedmann 2013, 83) bezeichnete, seine Aussagen zu seiner Wohltätigkeit
gegenüber Barb unterstützende, Orel Willvonseder vertrat, gehörten unter
anderem „die unter Ausbeutung von KZ-Häftlingen durchgeführten Ausgrabungen
rund um das Konzentrationslager Gusen“ (Obermair 2015, 160).
Die Schuld an alledem wird gewöhnlich “den Nazis” angelastet
– darunter lange Zeit nicht, zuletzt aber zunehmend dank Einsetzen einer
innerfachlichen Aufarbeitung, auch einigen Archäologen, die nachweislich
enthusiastische Nazis waren und deshalb auch, ob im Amt Rosenberg oder
dem SS-Ahnenerbe in höhere Positionen aufgestiegen sind – die „die
Archäologie“ für die politischen Zwecke des Terrorregimes der NSDAP missbraucht
hätten. Tatsächlich konnte noch zu Ende des 20. Jh. Georg Kossack schreiben:
„Kein deutscher Archäologe hat so gedacht oder sich am Völkermord beteiligt, auch diejenigen nicht, die in brauner oder schwarzer Uniform sich als „Herrenmenschen“ fühlen mochten oder doch meinten, es sei opportun, Imponiergehabe zur Schau zu stellen, Lumperei des Stärkeren für legitim zu halten, ja die Hilfe denen zu versagen, die unter dem Regime zu leiden hatten.“ (Kossack 1999, 76),
und andere – sonst keineswegs unkritische – wie Hennig
Haßmann (2000, 107) konnten sich wundern, “warum sich herausragende
Wissenschafter (Jankuhn, zum Beispiel […]) an der Plünderung von
Kulturgütern beteiligten“.[5]
Tatsächlich scheint es mir jedoch so, als ob hier nicht die
an sich „guten” „deutschen Archäologen” vom „bösen” Nazi-Regime missbraucht
(und von diesem vielleicht teilweise zu unethischem Handeln[6]
verführt) worden wären, sondern vielmehr die „deutschen Archäologen“ von sich
aus die Möglichkeiten, die ihnen die Ideologie und die Terrormethoden des
NSDAP-Regimes eröffneten, sehr aktiv dazu benutzt haben, das zu erreichen, was
sie eigentlich erreichen wollten: totale Kontrolle über “die Archäologie” und
alles was damit zu tun hat. Dazu gehört natürlich nicht zuletzt, um Jankuhn
nochmals zu bemühen, für „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz" zu
sorgen, z.B. an der Ostfront, „da es dort ja keinen organisierten
Denkmalschutz gab" (Gedächtnisprotokoll Jankuhn, 14.5.1963; zitiert
bei Kater 2006, 155). Es scheint sich also eher um eine symbiotische Beziehung
gehandelt zu haben, die beiden Seiten half, jeweils das zu bekommen, was sie
von der anderen wollte.
Die Terrormethoden des Nazi-Regimes scheinen also nur die
moralischen Hemmungen entfernt zu haben; dafür gesorgt zu haben, dass die „deutschen
Archäologen“ endlich „hobeln“ konnten, wie sie wollten. Was sie dann „gehobelt“
haben, war das, was sie immer schon wollten: die archäologischen Denkmale unter
ihre eigene, totale Kontrolle bringen, um sie, wenn nicht „qua“ (dem
ohnehin ineffektiven) „Gesetz“ dann mit brutaler Gewalt, „im
Interesse aller vor dem Zugriff aller“ (Lüth 2006, 102) effektiv zu schützen.
Vor allem natürlich vor dem Zugriff jedes anderen, der ihnen die Kontrolle über
die Archäologie streitig machte; d.h. für Archäologen des SS-Ahnenerbes
insbesondere vor dem Zugriff Reinerths und dessen Gefolgsleuten; und umgekehrt
für Archäologen des Amtes Rosenberg vor dem Zugriff Langsdorffs,
Jankuhns und deren Gefolgsleuten. Der Rest, nicht zuletzt die Raubarchäologie,
die sie daheim bei angeblichen Volksfeinden wie „dem Juden R. Wadler“ (Beninger
3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85), in den besetzten Gebieten und wo
auch immer sonst sie es konnten betrieben, folgte daraus ganz von selbst.
Entnazifizierung?
Dass die Raubarchäologie im Dritten Reich System hatte, ist natürlich
völlig unstrittig. Dass die Entnazifizierung der deutschsprachigen Archäologie
alles andere als gründlich war, ist das wohl auch: aus dem Fach entfernt wurden
in Deutschland hauptsächlich der sicherlich alles andere als un‑, aber ebenso
sicherlich nicht alleinschuldige Reinerth, der nach Kriegsende von seinen
hauptsächlichen Gegnern im SS-Ahnenerbe als Sündenbock vorgeschoben wurde (Jagust
2009, 285); und Beninger, der österreichische Landesleiter von Reinerths Reichsbund,
der sogar zeitweilig seinen Doktortitel verlor (diesen aber nach dem 2. NS-Amnestiegesetz
1957 wieder zugesprochen bekam; Friedmann 2013, 85).
Die Karrieren Jankuhns in Deutschland (siehe z.B. Pape 2001)
ebenso wie die des führenden Mannes des SS-Ahnenerbes in der vormaligen Ostmark,
Willvonseders (Obermair 2015, 161-170), erlitten hingegen nur einen Abwärtsknick,
ehe es rasch wieder bergauf ging. Willvonseder z.B. verlor sehr zu seinem
Leidwesen seine Stellung im nunmehr wieder seinen alten Namen führenden
österreichischen BDA, die er trotz intensiver Interventionen zu seinen Gunsten
durch den damaligen Salzburger Landeshauptmann (1949-1961) und späteren
Bundeskanzler (1964-1970) Josef Klaus (ÖVP) nicht wieder erhielt (ibid., 163-164).
Umgekehrt setzte sich dann ein namentlich ungenannt bleibender Oberstaatskonservator
als Vertreter des Präsidenten des BDA (Otto Demus, der sich selbst gegenteilig
ausgesprochen hatte) bei Klaus für die letztendlich 1954 erfolgreiche Bewerbung
von Willvonseder um die Stelle als Direktor des Salzburger Museums Carolino
Augusteum ein (ibid., 164-166). Selbst (oder gerade?) eindeutige Haupttäter wie
Jankuhn und Willvonseder hatten also offensichtlich weiterhin gute politische
Kontakte und damit auch bald wieder eine gute Stelle.
Mit den Karrieren von ebenfalls, wenn auch noch weniger als
Reinerth, Beninger, Jankuhn und Willvonseder belasteten Archäolog*innen wie
Ladenbauer-Orel (ibid., 163-164) und des wohl ebenfalls nicht ganz unbelasteten
Richard Pittioni (Friedmann 2013, 91) ging es hingegen bergauf; was wenigstens
insofern verständlich ist, als annähernd ausreichend viele, wirklich gänzlich
unbelastete Fachkräfte zu finden in der deutschsprachigen Archäologie nach dem Dritten
Reich sicherlich völlig unmöglich gewesen wäre (siehe zu dieser Problematik
z.B. im Fall Willvonseder auch schon Obermair 2015, 168-170). Die meisten davon
wollten entweder vergessen und/oder einen Mantel des Schweigens über die Zeit
des Nationalsozialismus breiten, ob sie nun Opfer oder Täter (oder beides
gleichzeitig) gewesen waren; und sei es nur, wie das Pittioni gesagt haben
soll, weil man mit „Fachkollegen ja nicht ständig auf Kriegsfuß sein“
(Bleichsteiner 14.1.1947, zitiert bei Friedmann 2013, 83) konnte.
Hinweise darauf, dass viele davon, insbesondere jene, die
wie Reinerth, Jankuhn, Beninger oder Willvonseder enthusiastische Nazis gewesen
waren, sich auch nur ansatzweise selbstkritisch mit ihrem eigenen Verhalten
während des Dritten Reichs auseinandergesetzt, geschweige denn ihre fachlichen
oder politischen Ansichten ernsthaft hinterfragt und sie grundlegend geändert
hätten, fehlen weitestgehend. Ganz im Gegenteil zeigen sowohl die Fälle
Beningers als auch Willvonseders, dass sich gerade die, die zweifellos aktive
Mittäter an den Verbrechen des Dritten Reichs gewesen waren, nach dem Krieg
nicht nur gegenüber der Strafverfolgung als völlig unschuldige Opfer des
Terrors des Regimes darstellten, sondern sich selbst als Opfer der Entnazifizierungspolitik
sahen (z.B. Friedmann 2013; Obermair 2015). Nicht nur blieben praktisch alle
überzeugten Nazis überzeugte Nazis, praktisch alle blieben überzeugt davon,
dass sie eigentlich gar nichts falsch gemacht hatten, und wenn sie es doch zugeben
mussten, dann nur zähneknirschend und stets verbunden mit der selbstentschuldigenden
Erzählung, dass sie Fehler nur deshalb begangen hätten, weil ihnen keine andere
Wahl gelassen worden wäre.
Was ebenso (bis lange Zeit nach dem Krieg) ausblieb, war
eine selbstkritische Reflexion des Faches oder auch nur eine ernstzunehmende
kritische Analyse des Verhaltens einzelner Fachleute, oder gar der
Fachgemeinschaft insgesamt, in der Zwischenkriegszeit, während des Dritten
Reichs und danach. Es dauerte bis in die frühen 1970er Jahre, dass mit Arbeiten
wie jenen von Bollmus (1970) und Kater (1973) eine ernsthaftere Aufarbeitung
des Konflikts zwischen Rosenberg und Himmler und deren jeweiligen
Parteiorganisationen durch Historiker begann; als wenigstens einige der
Betreffenden noch lebten und aktiv tätig waren. Innerfachlich begann eine
ernsthaftere kritische Auseinandersetzung mit den Tätern überhaupt erst in den
späten 1980ern und 1990ern, also als alle davon wenigstens schon im Ruhestand
und die allermeisten sogar schon längst tot waren. Selbst diese kritische
Analyse blieb allerdings bisher im Wesentlichen auf die Betrachtung des
(gegebenenfalls Fehl-) Verhaltens einzelner Archäologen vor, im und nach dem Dritten
Reich beschränkt; also eine historische Analyse ohne signifikanten
Gegenwartsbezug.
Eine (selbst-) kritische Analyse des Faches in seiner
Gesamtheit, ob und inwieweit dessen Werte und Grundannahmen einen Einfluss
darauf hatten, dass es (bzw. die überwältigende Mehrheit der Fachgemeinschaft) sich
so verhalten hat, wie es das hat, geschweige denn ob die Werte, Annahmen und
Methoden der „Nazi-Archäologie“ ein Nachleben, eine Wirkung bis in die
Gegenwart haben, ist bisher hingegen völlig ausgeblieben. Das soll natürlich
keineswegs heißen, dass „das Fach“ keine Lehre aus dem Dritten Reich gezogen
hat: ganz im Gegenteil wurde und wird das sogenannte „Kossinna-Syndrom“,
die jahrzehntelange „Theorie-Abstinenz“ der deutschsprachigen Archäologie (z.B.
Wolfram 2000; Mante 2007), sicherlich zurecht als Lehre aus dem Dritten Reich
betrachtet. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Lehre aus einer ernsthaften,
selbstkritischen Analyse, sondern vielmehr um die logische Folge der kollektiven
fachlichen Variante jenes entschuldigenden Narrativs, mit dem sich selbst
Haupttäter wie Beninger und Willvonseder vor den Folgen der von ihnen
begangenen Verbrechen zu schützen versuchten: das Fach stilisierte sich ebenso
als „Opfer“ des politischen und ideologischen „Missbrauchs“ durch „die bösen
Nazis“, schob also ebenso wie Beninger und Willvonseder die Schuld an – höchstens
zähneknirschend eingestandenen – „Fehlern“ Dritten bzw. politischen Zwängen und
Sündenböcken zu (z.B. Friedmann 2013; Obermair 2015).
Das entschuldigende Narrativ auf fachlicher Ebene war also
letztendlich, dass das Fach durch externe Gewalttäter (bzw. eventuell auch
durch einzelne „faule Äpfel“ in seinen eigenen Reihen, die sich – überwiegend aufgrund
erwarteter persönlicher Vorteile für ihre Karrieren und sich selbst – durch die
Nazis „missbrauchen“ hatten lassen) politisch und ideologisch vergewaltigt
worden wäre, während es – nicht anders als das Beninger bezüglich seiner Opfer
Barb, Wadler und Pittioni behauptete (Friedmann 2013, 80-85) – in Wahrheit
alles unter den gegebenen Umständen Mögliche getan hätte, um noch Schlimmeres
zu verhindern. Die Lehre, die es dann aus dieser Selbstdarstellung als „Opfer“
des Nationalsozialismus zog, war die, dass es künftig rein „ideologiefrei“
(Obermair 2015, 170) arbeiten müsse, um sich gegen jeden möglichen politischen
und ideologischen „Missbrauch“ durch Dritte zu schützen. Ein echtes
Eingeständnis, selbst gravierende Fehler begangen zu haben, ist das nicht.
Exkurs: der gravierende Fehler des Faches
Es soll hier keineswegs behauptet werden, dass das
selbstentschuldigende Narrativ des Faches, „Opfer“ des politischen und
ideologischen „Missbrauchs“ durch Dritte gewesen zu sein, zur Gänze eine
nachträglich erfundene Selbstschutzlüge war: nicht anders als die
selbstentschuldigen Narrative der individuellen Täter, durch externen Druck – z.B.
durch Reinerths Versuch, seine Willkürherrschaft über die deutsche Vorgeschichte[7]
auch mittels Parteigewalt (≈ Staatsgewalt) durchzusetzen – dazu
gezwungen worden zu sein, um vor den Übergriffen von (anderen) Parteisoldaten
Schutz zu erhalten selbst einer Parteiorganisation beizutreten, sicher wenigstens
teilweise der Wahrheit entsprachen, entspricht es sicherlich auch wenigstens
teilweise der Wahrheit, dass „das Fach“ von der NSDAP für deren Zwecke ge- und
damit – wo der Wille der Partei nicht jenem der Fachgemeinschaft entsprach –
gewaltsam missbraucht wurde. Aber das war ja – weshalb es sich als
entschuldigendes Narrativ überhaupt erst angeboten hat – eigentlich – gerade
unter den Umständen der Zeit – überhaupt kein Fehler des Faches: gewaltsamer
Missbrauch durch einen übelwollenden Dritten ist schließlich nie die Schuld des
Missbrauchten; nicht einmal, wenn er sich dagegen nicht heftig genug gewehrt
oder ihn sogar durch „unbedachtes“ eigenes Verhalten erleichtert hat.
Der – wenigstens meiner Meinung nach – gravierende Fehler
des Faches war viel mehr der, der sich ganz besonders deutlich am Verhalten der
Haupttäter in Fällen wie dem der Beraubung und Ermordung von Robert Wadler
zeigt:
Beninger wusste offensichtlich sehr wohl, was diesem
wenigstens drohte; und wusste sicher auch, dass er Wadler, als er ihm „bei
dem Verkaufe seiner Kollektion urgeschichtlicher Funde behilflich“
(Beninger 3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85) war, de facto beraubte;
auch wenn er sich das eventuell damit schöngeredet hat, dass er diesem damit
eventuell die Flucht vor dem sonst sicheren Tod ermöglichen könnte. Beninger
wusste auch ganz sicher, dass er Wadler dessen Sammlung weit unter deren wahrem
Wert „abkaufte“; also Wadler massiv an dessen Vermögen schädigte. Auch das mag
er sich damit schöngeredet haben, dass Wadler sowieso ein toter Mann war,
dessen Vermögen vom Staat eingesteckt werden würde, und es daher besser und sogar
mehr im Sinne Wadlers war, wenn es der Archäologie und dem NHM statt
Kriegsvorbereitungen zugute käme; und es noch dazu sicherstellte, dass Wadlers
Sammlung dem Fach und dem Allgemeinwohl zugute kam, statt zu dessen privaten
Vorteil in der Privatsammlung irgendeines Parteigängers zu verschwinden.
Denn das ist der gemeinsame Nenner der „Raubarchäologie“, ob
nun der Beningers, Willvonseders oder der Mehrheit der sonst auf die eine oder
andere Weise daran beteiligten Archäologen: dass sie von den Tätern nicht zu deren
unmittelbarer, eigener Bereicherung[8]
betrieben wurde,[9]
sondern tatsächlich wohl hauptsächlich dafür, um das zu erreichen, was sie
subjektiv als „der Archäologie“, „dem Fach“ und/oder dem „Allgemeinwohl“ am Förderlichsten
erachteten. Auch das zeigt sich in aller Deutlichkeit im Fall Wadler: Beninger
hätte diesem problemlos dessen Sammlung ebenso billig ab- und sie dann dem NHM
zu ihrem wahren Wert weiterverkaufen können, wie er sie Wadler im Namen des NHM
abgekauft hat; hätte sich also durch Beraubung Wadlers signifikant selbst
bereichern können. Das scheint er allerdings nicht getan zu haben, obwohl es
damals – auch wenn selbstverständlich schon den Meisten klar war, dass das
einen gewissen Interessenskonflikt erzeugte – noch nicht einmal besonders
verpönt, geschweige denn durch irgendwelche Standesregeln oder Gesetze verboten
war, dass Museumsangestellte Privatsammlungen unterhielten und diese oder
wenigstens „gute Stücke“ daraus „ihrem“ Museum verkauften. Wenigstens grosso
modo das gleiche gilt auch für den Rest der „Raubarchäologie“: konkrete
Hinweise darauf, dass sich einzelne Archäologen damit selbst bereichert hätten,
geschweige denn massiv und systematisch, fehlen zur Gänze.
Die Archäologen-Täter haben also „Raubarchäologie“ nicht zur
Selbstbereicherung betrieben, sondern mit Sicherheit zum Wohle „der
Archäologie“, „des Faches“, oder auch „der Allgemeinheit“; eben, um Jankuhns
Worte noch einmal zu wiederholen, um für „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz“
(Jankuhn 14.5.1963; zitiert bei Kater 2006, 155) zu sorgen, wo es ihrer
subjektiven Meinung nach keinen oder wenigstens keinen zureichenden gab. Genau
das wollte „das Fach“ aber schon seit seinen Anfängen; und war schon ebenso
lange überzeugt, dass der Schutz der (archäologischen) Denkmale nicht
etwa nur ein „privates“, partikuläres Eigeninteresse „des Faches“ ist, sondern für
das „Allgemeinwohl“ so absolut und
unabdingbar notwendig, dass er das einzig entscheidende, alle anderen
automatisch überwiegende „öffentliche Interesse“ ist.[10]
Es ist diese Stelle, an welcher der wirklich gravierende Fehler „des Faches“
liegt: es hat – schon lange vor der Machtübernahme der Nazis – dem (wirklichen
oder vermeintlichen) „öffentlichen Interesse“ am Schutz „der Archäologie“ unbedingten
Vorrang vor den subjektiven Interessen jedes einzelnen Menschen eingeräumt; hat
seine primäre Aufgabe darin gesehen, die Archäologie „im Interesse aller vor
dem Zugriff aller“ (Lüth 2006, 102) zu schützen.
Das entsprach aber nun exakt dem „nationalsozialistischen
Leitsatz[…], der Einzelne sei nichts, der Staat (oder die Gemeinschaft)
alles“ (Jarass & Pieroth 2016, 41). Es entsprach exakt dem, was das
deutsche Bundesverfassungsgericht ([BVerfG]E 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34-35) als
charakteristisch für das „Verwaltungsdenken des totalitären Staates“ herausgearbeitet
hat: „die wirklichen oder vermeintlichen Staatsinteressen“ genossen in
diesem Denken „unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des
Staatsbürgers“, „Grundrechte gab es nicht mehr und subjektiv-öffentliche
Rechte gegenüber der Verwaltung wurden nicht anerkannt“, weil „der
staatlichen Lenkungsbefugnis“ absoluter Vorrang vor allem anderen
eingeräumt wurde (ibid.); letztendlich sogar vor dem Schutz von individuellen
Eigentumsrechten, Leib oder Leben.
Was „das Fach“ in Hinblick auf die archäologischen Denkmale schon
immer gewollt hatte – absolut uneingeschränkte „Lenkungsbefugnis“ darüber,
was mit den archäologischen Denkmalen zu geschehen habe – und was die NSDAP
(nicht nur in allen anderen Belangen, sondern natürlich auch in Hinblick auf
die archäologischen Denkmale, auch wenn ihr diese außer für propagandistische
Zwecke weitgehend gleichgültig waren) wollte – absolut uneingeschränkte „Lenkungsbefugnis“
über alle Lebensbelange – waren also in Hinblick auf die archäologischen
Denkmale ein und dasselbe. Daher war die NSDAP für „deutsche Archäologen“ auch
enorm attraktiv, denn wurde ein Archäologe ein Parteiorgan mit
Entscheidungsbefugnis in einem bestimmten Wirkungsbereich, dann konnte er in
diesem in Hinblick auf die archäologischen Denkmale tun oder lassen, was auch
immer er wollte. Die „Raubarchäologie“ war nur die logische Konsequenz davon,
war das Resultat der Ausübung dieser uneingeschränkten Lenkungsbefugnis von
„archäologischen“ Parteiorganen in der Praxis.
Das ist dann auch genau das, was Beninger im Fall Wadler
gemacht hat: diese „Lenkungsbefugnis“ wahrgenommen, so wie er es in der
konkreten Situation willkürlich für richtig gehalten hat; und dabei auf Wadler
und dessen „private“ Interessen nur insoweit Rücksicht genommen, als er, wie er
das selbst ausgesagt hat, diesem „eine Dankesschuld des Museums abstatten
wollte“ (Beninger 3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85). Priorität
hatte aber eindeutig „die wissenschaftliche Sicherung prähistorischer Funde“,
wie auch Pittioni in dieser Angelegenheit nach dem Krieg zugunsten Beningers
aussagte (Friedmann 2013, 84).
Konsequenzen: Raubarchäologie in Österreich, 2024
Nachdem „das Fach“ bisher nicht analysiert hat, ob und wenn
ja welche gravierenden Fehler es gemacht hat, sondern sich als – eigentlich
gänzlich unschuldiges, wenn auch vielleicht etwas unvorsichtiges –
Missbrauchsopfer gesehen hat und noch immer sieht, nachdem es auch nicht
effektiv entnazifiziert wurde, und auch selbst die obersten Parteiarchäologen
der NSDAP sich keineswegs als schuldhaft Fehler begangen habende Täter, sondern
wenn überhaupt als Opfer, erst des an den Exzessen der Nazi-Archäologie alleinschuldigen
Reinerths und dann des Entnazifizierungsprozesses, gesehen haben, und da es
auch keine signifikanten Hinweise darauf gibt, dass „das Fach“ seit Ende des Dritten
Reichs sein Verhalten maßgeblich geändert hat, besteht also eine
ernstzunehmende Gefahr, dass es bei nächster Gelegenheit genau denselben Fehler
wieder begehen wird, den es in Österreich im Zeitraum zwischen 1938 und 1945
begangen hat: den wirklichen oder vermeintlichen „Interessen der Archäologie“
neuerlich unbedingten Vorrang vor selbst den Grund- und Menschenrechten des
einzelnen Staatsbürgers einzuräumen. Und leider gibt es nicht nur schwache
Hinweise darauf, auf die nun eingegangen werden soll. Um damit zu beginnen, ist
allerdings zuerst ein weiterer kurzer Exkurs notwendig:
Exkurs: Die Balance von öffentlichen und privaten Interessen und das
Eigentumsrecht
In modernen demokratischen Verfassungsstaaten, wie
Österreich einer ist, ist der Schutz und die Achtung der (verfassungsgesetzlich
garantierten) Grund- und Menschenrechte jedes einzelnen Staatsbürgers einer der
höchsten Verfassungswerte. In Deutschland und Österreich ist das sogar
definitiv der höchste Verfassungswert; und das nicht grundlos: kleinster
gemeinsamer Nenner der bzw. grundlegende Ursache für all die Gräueltaten des Dritten
Reichs – inklusive der „Raubarchäologie“ von Nazi-Archäologen – war schließlich
die soeben erwähnte, komplette Unterordnung, selbst der fundamentalsten
Bedürfnisse bzw. Rechte auf Eigentum, Gesundheit, Leib und Leben des einzelnen
Menschen (selbst des einzelnen Staatsbürgers) unter die wirklichen oder
vermeintlichen Interessen „der Allgemeinheit“ bzw. des diese vertretenden
Staates (bzw. seiner Organe).
Daher hat der deutsche Verfassungsgesetzgeber ganz explizit
(in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland [GG]) die
Menschenwürde – definiert und garantiert in Form von „unverletzlichen und
unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft,
des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ (Art. 1 Abs. 2 GG) – für
unantastbar und deren Schutz und Achtung zur „Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt“ (Art. 1 Abs. 1 GG) erklärt. Dem BVerfG (z.B. BVerfGE
109, 279/311) zufolge ist die Menschenwürde der „oberste Verfassungswert“
und die wichtigste Wertentscheidung des GG (Jarass & Pieroth 2016, 41 Rz 2
mwN). Der österreichische Verfassungsgesetzgeber war zwar – weil er nach dem 2.
Weltkrieg seine vor dem Anschluss bestehende Verfassung einfach wieder in Kraft
gesetzt statt neu geschaffen hat – in dieser Beziehung weniger explizit als der
deutsche; hat aber durch Erhebung der Europäischen Menschenrechtskonvention
[EMRK] samt deren ersten Zusatzprotokolls [1. ZProt.] (CoE 1950; 1952; BGBl.
Nr. 210/1958) in den Verfassungsrang (BGBl. Nr. 59/1964) letztendlich dieselbe
Wertentscheidung getroffen; stellt doch auch die EMRK schon in ihrer Präambel
fest, dass die Grundfreiheiten – d.h. das was der deutsche
Verfassungsgesetzgeber als „Menschenwürde“ bezeichnet hat – „die
Grundlage der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bilden“ (Präambel
EMRK) und verweist in dieser auch explizit auf die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte [AEMR] (UN 1948). Letztere wiederum erwähnt explizit in ihrer
Präambel, dass sie nicht zuletzt deshalb verabschiedet wurde, „da Verkennung
und Missachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei führten, die das
Gewissen der Menschheit tief verletzt haben“ (Präambel AEMR), also gerade
aufgrund der Verbrechen des Dritten Reichs inklusive der „Raubarchäologie“, die
oben besprochen wurden; und stellt an gleicher Stelle zusätzlich fest, dass „es
wesentlich ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechts zu schützen,
damit der Mensch nicht zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung als
letztem Mittel gezwungen wird“ (ibid.).
Es ist daher, besonders in Deutschland und Österreich,
gerade für ein Fach wie das unsere, das nicht ein unschuldiges Opfer war,
sondern sich der nachgerade enthusiastischen Mittäterschaft an ebendiesen Gräueltaten
schuldig gemacht hat, essenziell, stets an vorderster Stelle im Geist zu
behalten, dass eben auch und insbesondere im Wirkungsbereich unseres Faches
nicht „die wirklichen oder vermeintlichen Staatsinteressen unbedingten
Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers“ (BVerfGE
5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34) genießen; sondern – wenn ein „privates“
Einzelinteresse und ein (tatsächlich festgestelltermaßen bestehendes)
„öffentliches Interesse“ an der Erhaltung und Erforschung der archäologischen
Denkmale miteinander kollidieren – diese Interessen gegeneinander abgewogen und
miteinander in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen, wobei
insbesondere die Wertmaßstäbe einer demokratischen Gesellschaft zu
berücksichtigen bzw. für diese Abwägung heranzuziehen sind (Berka 1999, 161-167,
Rz 274-286). Diese Abwägung ist nicht zuletzt dafür unbedingt erforderlich, um
sicherzustellen, dass sich Fälle wie der oben dargestellte der Beraubung und
Ermordung des Robert Wadler niemals mehr – und sei es auch nur irrtümlich und
völlig unbeabsichtigt – wiederholen (können).
Es trifft in dieser Beziehung daher nicht nur „das Fach“ in
dessen Gesamtheit, sondern auch insbesondere jeden „deutschen“ und jeden
„österreichischen“ Archäologen und selbstverständlich auch jede „deutsche“ und
jede „österreichische“ Archäologin eine besondere moralische Verpflichtung, in
seinem bzw. ihrem gesamten fachlichen und außerfachlichen Verhalten besonders
darauf zu achten, nicht – und sei es nur unabsichtlich aufgrund von
Gedankenlosigkeit – die Grund- und Menschenrechte einzelner Staatsbürger
zugunsten der „Interessen der Archäologie“ ebenso zu missachten, wie wir alle
wissen (müssen), dass es unsere Vorgänger wie Reinerth und Beninger, Jankuhn
und Willvonseder tatsächlich getan haben. Auch wenn uns das aufgrund unserer
subjektiven und disziplinären Vorlieben und Werte nicht gefallen mag: die
„Interessen der Archäologie“ sind nicht wichtiger als die berechtigten
„privaten“ Interessen Einzelner, und die wirklichen oder vermeintlichen
Bedürfnisse „der Allgemeinheit“ genießen keinen unbedingten Vorrang vor allen,
selbst den grundlegendsten, Bedürfnissen des Einzelnen. Ganz im Gegenteil:
so wie (in Umkehrung der Satzteilstellung des ersten Satzes des
Herrenchiemsee-Entwurfs des GG) „der Mensch nicht um des Staates willen“,
sondern der Staat „um des Menschen willen“ (Jarass & Pieroth 2016,
41 Rz 1) da ist; ist auch der Mensch nicht um der Archäologie willen,
sondern die Archäologie um des Menschen willen da.
Zwar können die Grund- und Menschenrechte des Einzelnen
durchaus eingeschränkt werden, wenn diese Einschränkung dafür geeignet und auf jene
Maßnahme beschränkt ist, die zum Schutz eines überwiegenden öffentlichen
Interesses unbedingt erforderlich und mit dem Gewicht der durch sie
verursachten Grundrechtsbeschränkung in einem wohl ausgewogenen Verhältnis ist
(vgl. Berka 1999, 156-167, Rz 266-286; Jarass & Pieroth 2016, 32-33, Rz
45-46a). Eingriffe in verfassungsgesetzlich gewährleistete Grund- und
Menschenrechte, die über diese zum Schutz überwiegender „öffentlicher
Interessen“ tatsächlich geeigneten, unbedingt erforderlichen und
verhältnismäßigen Beschränkungen hinausgehen, sind hingegen – auch dem
Gesetzgeber, wenn sie von durch von diesem erlassene Gesetze verursacht werden –
vollständig verboten.
Eigentumsgarantie und Eigentumsrecht
Eines der wesentlichen dieser Grund- und Menschenrechte ist
die Eigentumsgarantie. Diese wird in Deutschland durch Art. 14 GG; in
Österreich durch Art. 5 Staatsgrundgesetz 1867 (StGG) und Art. 1 1. ZProt. EMRK
verfassungsgesetzlich gewährleistet, wobei in allen genannten Fällen diese
Garantie unter Gesetzesvorbehalt gestellt ist. Gleichermaßen wird diese
Garantie – ebenfalls unter Gesetzesvorbehalt – durch Art. 17 der Charter der
Grundrechte der Europäischen Union [CFREU] (EU 2012) europarechtlich, Art. 1 1.
ZProt. EMRK und – vorbehaltlos – durch Art. 17 AEMR völkerrechtlich gewährleistet.
Insbesondere enthalten alle diese verfassungs-, europa- und völkerrechtlichen
Bestimmungen ein Verbot der (willkürlichen) Enteignung; wobei für Deutschland und
Österreich auch insbesondere Art. 17 Abs. 1 CFREU und für Deutschland
zusätzlich Art. 14 Abs. 3 GG wesentlich sind, die entschädigungslose
Enteignungen absolut verbieten.
In Österreich definiert § 353 des Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuches [ABGB] im objektiven Sinn das Eigentum als „[a]lles, was
jemanden zugehöret, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen“. Der
materielle Gehalt des Eigentumsrechts, also das, was der Eigentümer (subjektiv)
mit seinen Sachen zu tun (oder zu lassen) berechtigt ist, wird in Österreich
allgemein durch die Bestimmungen der §§ 354 und 362 ABGB bestimmt. Es handelt
sich beim Eigentumsrecht nach diesen Legaldefinitionen um „das Befugniß, mit
der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten, und jeden
Andern davon auszuschließen“ (§ 354 ABGB), d.h. konkreter „Kraft des
Rechtes, frey über sein Eigenthum zu verfügen, kann der vollständige
Eigenthümer in der Regel seine Sache nach Willkühr benützen oder unbenützt
lassen; er kann sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere übertragen, oder
unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen“ (§ 362 ABGB). Nur
unmaßgeblich vereinfacht gesagt bedeutet das also, dass der vollständige
Eigentümer mit seinem Eigentum alles gesetzlich Erlaubte tun und lassen kann,
was er will; d.h. über dessen Schicksal willkürlich rechtsverbindlich verfügen
darf. Eigentum ist in diesem Sinn also nichts anderes als die
rechtsverbindliche Verfügungsgewalt über seine Sachen durch dessen Eigentümer.
Es ist daher diese freie Verfügungsgewalt über sein Eigentum,
die dem Eigentümer in Österreich durch Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZProt. EMRK
verfassungsgesetzlich, Art. 17 CFREU (EU 2012) europarechtlich und durch Art. 1
1. ZProt. EMRK und Art. 17 AEMR völkerrechtlich garantiert wird; die ihm also nicht
(bzw. nur aufgrund eines überwiegenden „öffentlichen Interesses“ durch ein
Gesetz, das – und sei es in Österreich auch nur wegen der diesbezüglichen
Bestimmung des Art. 17 CFREU[11]
– bestimmen muss, wie die ihm in einem solchen Fall absolut verpflichtend
zustehende, gerechte Entschädigung zu bestimmen ist) zugunsten eines beliebigen
Dritten (inklusive des Staates) entzogen werden darf. Zu beachten ist hierbei
allerdings besonders, dass aufgrund des Gesetzesvorbehalts, unter dem die
Eigentumsgarantie steht, eine stärkere als durch das ABGB vorgesehene
Beschränkung der Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein Eigentum durch den
Gesetzgeber – wie z.B. durch Denkmalschutzgesetze[12]
– verfassungsrechtlich unbedenklich und daher sehr wohl zulässig ist (VfGH 1.10.1986,
B164/85; Berka 1999, 407, Rz 724). Eine solche bloße Beschränkung der
Verfügungsgewalt des Eigentümers über seine Sache, durch die ihm „die unter
Umständen wirtschaftlich erheblich belastende Pflicht“ aufgelastet wird, „Veränderungen
oder Zerstörungen des Denkmals zu unterlassen und gewisse
Instandhaltungsarbeiten durchzuführen“ (Berka 1999, 407, Rz 724) stellt
also, solange sie im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren und generell
Verhältnismäßigen bleibt (VfGH 1.10.1986, B164/85, II.3.), (noch) keine
Enteignung im soeben erklärten Sinn dar.
Geht ein (auch ein gesetzlicher), wenngleich nicht explizit
als Enteignung bezeichneter, Eigentumseingriff hingegen so weit, dass dem Eigentümer
die Verfügungsgewalt über seine Sache dadurch zur Gänze entzogen wird, das
Eigentumsrecht also zu einem reinen „nudum ius“ wird – d.h. einem Recht,
das nur noch auf dem Papier besteht, das also keinen materiellen Gehalt mehr
hat und aus dem sein Inhaber keinen Vorteil oder Nutzen für sich selbst (mehr) ziehen
kann – handelt es sich dabei um eine sogenannte „materielle Enteignung“
(Berka 1999, 407-409, Rz 725-728). Diese ist einer expliziten Enteignung
jedenfalls gleichzuhalten und zieht insbesondere als Rechtsfolge das Bestehen
einer materiellen Entschädigungspflicht nach sich.
Kann also jemand „mit der Substanz und den Nutzungen“ einer
„Sache“ überhaupt nicht mehr „nach Willkühr [..] schalten“,
auch nicht mehr „jeden Andern davon aus[]schließen“ (§ 354 ABGB)
und diese auch weder „nach Willkühr benützen oder unbenützt lassen“ noch
„sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere übertragen, oder unbedingt sich
derselben begeben, das ist, sie verlassen“ (§ 362 ABGB), weil alle diese
Befugnisse – und sei es nur de facto – gegen seinen Willen auf einen beliebigen
Dritten (inklusive des Staates) übertragen wurden, ist es unerheblich, ob er am
Papier immer noch als Eigentümer dieser Sache aufscheint, weil er, wenn auch
nicht de iure, so doch materiell enteignet wurde. Konkret bedeutet das im
Kontext des oben zum Umgang des Dritten Reichs und seiner „Raubarchäologie“ mit
dem Eigentum Einzelner Gesagten, dass, wenn bezüglich einer bestimmten Sache
(ob nun durch einfaches Gesetz oder Verwaltungsakt) „der staatlichen
Lenkungsbefugnis“ absoluter Vorrang (sogar) vor der Verfügungsgewalt des am
Papier als ihr Eigentümer ausgewiesenen Einzelnen eingeräumt wurde oder wird, es
sich dabei um eine verfassungs-, europa- und völkerrechtswidrige Enteignung
handelt – egal mit welchen Worten diese nun tatsächlich bezeichnet und wie sie
vom Staat oder sonst jemandem schönzureden versucht wird.
Der gravierende Fehler des gegenwärtigen „Faches“
Damit bleibt nun noch zu überprüfen, ob und inwieweit das
Fach den gravierenden Fehler, der zur „Raubarchäologie“ der Nazi-Archäologen
geführt hat, weiterhin macht und daher weiterhin die Gefahr besteht, dass es
bzw. individuelle Archäolog*innen die gleichen oder wenigstens gleichartige
Menschenrechtsverletzungen begehen könnten wie diese, oder ob das nicht der
Fall ist.
Um festzustellen, ob auch heutige Archäolog*innen den „wirklichen
oder vermeintlichen Staatinteressen“ immer noch „unbedingten Vorrang vor
der individuellen Freiheit des Staatsbürgers“ (BVerfGE 5.8.1966, 1 BvF
1/61, Rz 34) einräumen, also das „öffentliche Interesse“ an der „Erhaltung der
archäologischen Denkmale“ als jedenfalls immer und automatisch den „privaten
Interessen Einzelner“ vorrangig erachten, habe ich schon von Mitte März bis
Ende April 2020 eine kleine Umfrage durchgeführt. Diese wurde über diverse
elektronische Medien verbreitet, insbesondere über einige der unter
professionellen Archäolog*innen ebenso wie unter archäologieinteressierten
Laien populärsten und einige sich primär an Metallsucher richtende Facebook-Gruppen
sowie einen populären Email- und Online-Newsletter für Antikenhändler und
Sammler. Das Spektrum der angesprochenen Interessensgruppen war dabei deshalb so
gewählt, um auch einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Ansichten in
unterschiedliche Ziele verfolgenden Gruppen mit Interesse an archäologischen
Funden und Befunden anstellen zu können.
In den etwa 6 Wochen, während der die Umfrage offen war,
gingen insgesamt 122 weitgehend vollständige Antworten ein. Von den
Antwortenden identifizierten sich 30 selbst als professionelle Archäolog*innen
oder derzeit aktive Studierende eines archäologischen Faches, 22 als Metallsucher*innen,
33 als Personen, die ein rechtliches oder berufliches Interesse an Archäologie
haben (z.B. Eigentümer archäologischer Funde oder Fundstellen, Antikenhändler, ehemalige
Archäologiestudierende, die nicht im Fach arbeiten, etc.), und 37 als Personen
mit einem generellen „kulturellen“ Interesse an Archäologie (die, als
Mitglieder von Gruppen über die der Survey verbreitet worden war, dem
autorisierten Denkmaldiskurs [AHD; Smith 2006, 29-34] ausgesetzt gewesen und –
wie die Antworten dieser Gruppe auf viele Fragen zeigten – von diesem
beeinflusst worden waren). Die Umfrage ist natürlich statistisch nicht repräsentativ,
ihre Ergebnisse können allerdings durchaus als Hinweis darauf gewertet werden,
wie sich unterschiedliche Meinungen tendenziell in den verschiedenen
Interessensgruppen verteilen bzw. wie häufig oder selten sie in diesen
unterschiedlichen Gruppen anzutreffen sind.
Als letzte Frage in dieser Umfrage – die sich primär mit
Fragen, wem archäologische Denkmale gehören und wer für ihre Erhaltung und
Erforschung bezahlen solle, beschäftigte – wurden Probanden gebeten, anzugeben,
ob ihrer Ansicht nach in Fällen von Konflikten zwischen diesen „öffentliche“
oder berechtigte „private“ Interessen überwiegen würden. Die fünf möglichen
Antwortoptionen waren, dass das öffentliche immer das private Interesse
überwiegt, dass das öffentliche normalerweise (aber nicht unbedingt immer) das
private Interesse überwiegt, dass öffentliches und privates Interesse in jedem
Einzelfall gegeneinander abgewogen und in ein ausgeglichenes Verhältnis
gebracht werden müssen, dass das private normalerweise (aber nicht unbedingt
immer) das öffentliche Interesse überwiegt, oder dass das private immer das
öffentliche Interesse überwiegt.
Dabei waren diese Antwortmöglichkeiten natürlich sehr
bewusst gewählt: die mittlere (dritte) davon ist nämlich nicht nur die
rechtlich (einzig) richtige Antwort; sondern ist auch die (einzige), die den grundlegenden
Wertentscheidungen der deutschen und österreichischen Bundesverfassungen, des Europa-
und des Völkerrechts entspricht; vor allem aber und vielleicht noch wichtiger,
die (einzige), die auch dem vielleicht wichtigsten allgemeinen ethischen
Grundprinzip primum non nocere[13]
(d.h. dem Schadensvermeidungsprinzip) genügt. Schließlich wird das Risiko
wenigstens billigend in Kauf genommen, dass dem, dessen Interesse a priori als
nachrangig betrachtet wird, mehr Schaden zugefügt wird, als in einem solchen
Interessenskonflikt unvermeidlich ist, wenn einem der beiden Interessen (weitgehend)
unbeachtlich der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls Vorrang vor dem
anderen eingeräumt wird (und sie daher nicht in ein ausgewogenes Verhältnis miteinander
gebracht werden) – wenn dabei nicht sogar vorsätzlich Schaden zugunsten des
anderen Interesses zugefügt wird.
Von dieser – in den soeben genannten drei Sinnen einzig
richtigen – Antwortmöglichkeiten weichen die anderen vier hingegen jeweils moderat
(bzw. tendenziell) bzw. radikal (bzw. extrem) in zwei entgegengesetzte
Richtungen[14]
ab; nämlich einerseits in die des schon oben genannten „Verwaltungsdenkens
des totalitären Staates“ (BVerfGE 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34) bzw. des „nationalsozialistischen
Leitsatzes, der Einzelne sei nichts, der Staat (oder die Gemeinschaft) alles“
(Jarass & Pieroth 2016, 41); und andererseits in die genau entgegengesetzte,
die eines (moderaten oder extremen) Libertarismus (z.B. Boaz 1998), d.h. jener
(vor allem in den USA populären, letztendlich genauso illiberalen) politischen
Philosophie, die Eingriffen des Staates in individuelle Rechte bzw. dem Staat an
sich ablehnend gegenübersteht (sozusagen: „der Staat – oder die Gemeinschaft – ist
nichts, der Einzelne alles“) bzw. der Anarchie. Beide Richtungen sind mit
demokratischen Gesellschaftsordnungen, die auf der Gleichheit aller Staatsbürger*innen
vor dem und der Herrschaft des Gesetzes beruhen, vollkommen unvereinbar, weil
sie beide letztendlich eine Willkürautokratie propagieren: entweder eine
Willkürautokratie des (monarchischen oder der oligarchischen) Staatsführer(s);
oder eine jedes Einzelnen; was beides auf das „Recht des Stärkeren“ hinausläuft.
In einer gesellschaftlichen Gruppe, deren Angehörige in
einem demokratischen System leben wollen, wäre also zu erwarten, dass eine
Mehrheit der Probanden die „mittlere“ der fünf möglichen Antworten wählt; mit jeweils
einem kleineren Anteil, der eine der beiden moderat, und jeweils einem viel
kleineren Anteil, eine der beiden extrem von der „demokratischen Mitte“
abweichenden Antworten wählt. Weist man den beiden extremen Antworten einen
Wert von plus und minus 2, den moderaten von plus und minus 1, und der
mittleren Antwort einen Wert von 0 zu und berechnet damit das gewichtete Mittel
des Wertes der Antworten der Angehörigen einer solchen Gruppe sollte das
Ergebnis nahe bei Null zu liegen kommen. Je weiter hingegen das gewichtete
Mittel der Antworten einer Interessensgruppe – ob nun in der einen oder anderen
Richtung – von Null abweicht, desto stärker tendiert das kollektive Denken
dieser Gruppe entweder zum Totalitarismus oder zum Libertarismus.
Abb.
1
zeigt das doch – gerade im Zusammenhang mit dem zuvor zur Nazi-Archäologie
Gesagten – eher bedenkliche Ergebnis der Umfrage.
Abb. 1: Ergebnisse der Umfrage zur Gewichtung öffentlicher und privater Interessen, geordnet nach verschiedenen Interessensgruppen in absteigender Ordnung des gewichteten Mittels der Antworten. |
Wenig überraschend tendiert in allen untersuchten Gruppen das gewichtete Mittel der Antworten in Richtung des totalitären Denkens: es gibt im deutschen Sprachraum – im Gegensatz z.B. zu den USA – schließlich keine nennenswerte libertäre oder anarchistische Tradition, während wenigstens in weiten Teilen des deutschen Sprachraums noch zahlreiche Menschen eigene – und keineswegs alle davon nur schlechte – Erinnerungen an das Leben unter totalitären Herrschaftssystemen haben. Nachdem totalitäre Systeme sich unter anderem dadurch kennzeichnen, dass sie ihre Angehörigen ideologisch zu indoktrinieren versuchen, und dass totalitäres Denken inhärenter Bestandteil jeder totalitären Ideologie ist (z.B. Friedrich & Brzezinski 1965), ist eine gewisse Prägung des kollektiven Denkens einer lange unter einem totalitären System gelebt habenden Bevölkerung unvermeidlich und daher zu erwarten.
Was an dem – noch einmal, streng genommen wohl nicht
statistisch repräsentativen – Ergebnis der Umfrage allerdings doch eher
erschreckend ist, ist nicht nur, dass von den vier miteinander verglichenen
Gruppen nicht nur die Gruppe der professionellen Archäolog*innen und
Archäologiestudierenden jene ist, deren kollektives Denken am stärksten in
Richtung des Totalitarismus tendiert – das gewichtete Mittel der Antworten von
Angehörigen dieser Gruppe von 1,03 liegt bereits im Bereich zwischen moderater
und extremer totalitärer Tendenz – sondern auch dass die Tendenz zum
totalitären Denken im Vergleich zwischen den anderen drei Gruppen umso höher
ist, desto näher diese Gruppe der archäologischen Fachwelt und deren Interessen
steht. Das gewichtete Mittel der Antworten der durch den AHD beeinflussten –
also wenn man so will „von der professionellen archäologischen Denkmalpflege
indoktrinierten“ – archäologieinteressierten Laien liegt nämlich bei 0,81,
zeigt also eine etwas schwächere, aber immer noch deutliche totalitäre Tendenz;
das der Antworten der Denkmaleigentümer*innen, Antikenhändler*innen, aber auch ehemaligen
Archäologiestudierenden, die „das Fach“ seither verlassen haben – deren Verhältnis
zur professionellen Archäologie und Denkmalpflege deutlich gespaltener ist als
jenes der zuletzt genannten Gruppe – hingegen bei 0,61 und damit immer noch
klar außerhalb dessen, was man als das „demokratische Mittel“ im Bereich
zwischen 0,5 und -0,5 bezeichnen könnte. Nur die Antworten jener Gruppe, deren
Angehörige eines der, wenn nicht sogar das hauptsächliche Feindbild vieler
professioneller Archäolog*innen und Denkmalpfleger*innen sind, die der
Metallsucher*innen, liegen mit einem gewichteten Mittel von 0,27 in jenem
Bereich, in dem man in einer (durch eine teilweise nicht allzu lange
zurückliegende, totalitäre Vergangenheit geprägten) demokratischen Gesellschaft
erwarten würde und können sollte. Gleichermaßen bemerkenswert und bedenklich
ist zudem, dass von den insgesamt 67 den Gruppen der professionellen
Archäolog*innen und Archäologiestudierenden sowie der (AHD-beeinflussten)
archäologieinteressierten Laien angehörenden Probanden kein einziger eine der
beiden in die libertäre bzw. anarchistische Richtung weisenden Antworten
wählte; während immerhin 5 (d.h. ca. 9%) der 55 den beiden anderen Gruppen
angehörenden Probanden in diese Richtung weisende Antworten gaben.
Klarerweise kann man aus den Ergebnissen einer solchen,
nicht repräsentativen, Umfrage keine stark belastbaren Schlussfolgerungen
ziehen: dafür war das Sample, das noch dazu selbstselektierend war,
selbstverständlich viel zu klein. Es zeigt dennoch eine sehr bedenkliche
Tendenz, vor allem, wenn man bedenkt, dass „das Fach“ bei historischer
Betrachtung eben alles andere als in der (sich in der Umfrage zeigenden) Art
des Denkens unbefleckt ist. Es bestätigt auch, dass eine ernsthafte
„Enttotalisierung“ des Faches weder nach Ende des Dritten Reichs noch nach dem
des ebenso totalitären realen Sozialismus der DDR stattgefunden hat, sondern
sich „das Fach“ ebenso wie selbst offensichtliche Haupttäter nur
selbstentschuldigende Opfermythen zusammengebastelt haben. Konkrete Hinweise sprechen
sogar dafür, dass der dominanten Ideologie der (archäologischen und sonstigen)
Denkmalpflege, dem AHD (Smith 2006, 29-34), wenigstens oligarchisches, wenn
nicht sogar autokratisches Denken, und somit Vorformen des totalitären Denkens
inhärent sind; und das noch völlig abgesehen davon, dass die in der staatlichen
archäologischen Denkmalpflege offensichtlich dominante Vorstellung, dass nur „staatliche“
auch gute Archäologie sei, während man „privaten
Nachforschungen“ grundsätzlich nicht vertrauen könne (siehe z.B. Martin
& Krautzberger 2010, 888; cf. Karl i.V.), ebenfalls in erschreckender
Deutlichkeit in die gleiche Richtung zu weisen scheint. Es ist also keineswegs
so, dass die sich in dieser Umfrage zeigende Tendenz einen unerwarteten und von
anderer Evidenz widerlegten Ausreißer darstellen würde. Ganz im Gegenteil gibt
es eine Unzahl von Hinweisen, die darauf hindeuten, dass die Archäologie und
insbesondere die (staatliche) archäologische Denkmalpflege für totalitäres
Denken wenigstens sehr empfänglich bzw. stark anfällig sind.
Ein konkretes Fallbeispiel: der § 11 der Novelle 2024 des DMSG
Um abschließend auch noch anhand eines konkreten
Fallbeispiels zu zeigen, dass der Verdacht begründet ist, dass „das Fach“ den
gravierenden Fehler, den es schon im Dritten Reich gemacht und der zu einem der
damaligen Verbrechen, der „Raubarchäologie“ geführt hat, immer noch begeht,
wenn es nicht von Dritten rechtzeitig aufgehalten wird, sei hier noch kurz die jüngst
novellierte Bestimmung in § 11 des österreichischen DMSG zur „dauerhaften
Fundaufbewahrung“ genauer analysiert. Dabei ist besonders zu beachten, dass
diese Bestimmung, die zweifelsfrei das geistige Kind (wenigstens auch)
archäologischer Fachbeamter des österreichischen Bundesdenkmalamtes ist, politisch
von Angehörigen jener Partei zu verantworten ist, die sich selbst als
„Verteidiger der Grund- und Menschenrechte“ sieht, den „Grünen“: vom derzeitigen
Vizekanzler Werner Kogler und der Staatssekretärin Eva Blimlinger.
Betrachten wir zuerst den Wortlaut der hier zu
analysierenden Bestimmung:
„§ 11. (1) Werden archäologische Grabungen bewilligt, ist gleichzeitig im Bescheid zu bestimmen, wie die zu erwartenden Funde dauernd verwahrt werden.
(2) Erfüllt die von der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller gemäß § 10 Abs. 6 beigebrachte Regelung nicht die Voraussetzungen einer dauernden Verwahrung, kann das Bundesdenkmalamt die dauernde Verwahrung der Funde gegen einen Kostenersatz anbieten.
(3) Der Kostenersatz ist als Einmalzahlung pauschaliert nach Volumen anzubieten. Die Funde sind dem Bundesdenkmalamt auf Kosten der Antragstellerin bzw. des Antragstellers in depotfähigem, fachgerecht gereinigtem und gefestigtem Zustand samt Inventarliste zu übergeben.
(4) Der pauschalierte Kostenersatz wird nach Volumen und auf 25 Jahre Verwahrzeit bemessen und in einer Verordnung vom Bundesdenkmalamt festgesetzt.“ (RV 2024, 8-9).
Dies wirkt auf den ersten Blick – wenigstens aus
archäologischer Sicht – nicht besonders dramatisch, sondern eventuell sogar
sinnvoll: zwar ist bekannt, dass praktisch alle schon derzeit bestehenden
archäologischen Archive in Österreich schon seit langem aus allen Nähten
platzen und in diesen schon jetzt mehrere zehn (wenn nicht deutlich über 100) Millionen
wissenschaftlich kaum oder gar nicht ausgewertete Funde von bewilligten
archäologischen Ausgrabungen lagern; aber in der Archäologie ist (zwar
widersinnigerweise aufgrund einer aus epistemologischen Gründen zwingend
objektiv falschen Fehlannahme, wie wissenschaftliche Erkenntnis gewonnen werden
kann; siehe dazu schon Karl 2010; und entgegen internationalen Empfehlungen zur
archäologischen Archivierung; EAC 2014; 2021) immer noch die Vorstellung weit
verbreitet, dass alle „archäologischen Funde“ – selbst jede noch so
offensichtlich unbedeutende, undiagnostische und unverzierte Wandscherbe eines
Gefäßes – dauerhaft erhalten werden müsse. Welchen Sinn das haben soll, obwohl
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weit über 95% davon niemals
wieder auch nur von einem Fachmann wissenschaftlich ausgewertet werden wird,
geschweige denn daraus eine in irgendeiner Weise signifikante Erkenntnis
gewonnen werden könnte, bleibt auch in der RV und den zugehörigen Erläuterungen
genauso wie in der Fachliteratur völlig unerklärt.[15]
Aber völlig abgesehen von der Frage, ob diese Bestimmung überhaupt dazu
geeignet ist, ein legitimes gesetzliches (oder auch nur sinnvolles
archäologisches) Schutzziel zu erreichen (siehe zur Eignung Berka 1999, 159, Rz
271), ist hier gleich mehreres Weiteres zu bedenken und der Wortlaut der
Bestimmung nicht isoliert aus rein archäologischer Sicht zu betrachten.
Vielmehr ist hier zuallererst zu bedenken, dass die „archäologischen
Funde“, die bei bewilligten archäologischen Grabungen entdeckt werden
(unter der Neuregelung der Materie durch Streichung des alten § 10 DMSG), gem.
§ 395 ABGB ins alleinige Eigentum ihres Finders bzw., wenn es sich dabei iSd §
398 ABGB um „Geld, Schmuck oder ander[e] Kostbarkeiten“ handelt –
und weitgehend bedeutungslose Fundgegenstände entsprechen dieser
Legaldefinition sicherlich nicht – gem. § 399 ABGB in das hälftig geteilte
Eigentum von Finder und Grundeigentümer[16]
(sofern dieser nicht ohnehin ein und dieselbe Person sind) übergehen. Wird die
Grabung also nicht von Einrichtungen der öffentlichen Hand (oder, soweit es
sich um Schatzfunde iSd § 398 ABGB auf öffentlichem Grund handelt)
durchgeführt, stehen alle diese „archäologischen Funde“ in
Privateigentum.
Zweitens ist zu bedenken, dass sich diese Bestimmung keineswegs
nur auf solche „archäologischen Funde“ bezieht, deren Erhaltung als „archäologische
Denkmale“ (iSd Legaldefinition dieses Begriffs in § 8 Abs. 1 der Novelle) aufgrund
der ihnen tatsächlich zukommenden, qualifizierenden Bedeutung (iSd § 1 Abs. 4
der Novelle) im öffentlichen Interesse gelegen ist und die das BDA daher
bescheidmäßig unter Denkmalschutz stellt. Die Aufbewahrungspflicht gilt ganz im
Gegenteil vom Wortlaut her für alle bei bewilligten Grabungen entdeckten Funde,
völlig unbeachtlich dessen, ob ihnen – ob nun einzeln oder kollektiv –
überhaupt irgendeine geschichtliche, künstlerische oder sonstige Bedeutung
zukommt; also unbeachtlich dessen, ob es sich dabei auch nur um „archäologische
Denkmale“ iSd § 8 Abs. 1 handelt oder nicht. Nun besteht gem. § 1 Abs. 4
der Novelle ein öffentliches Interesse aber überhaupt nur am Schutz von
Denkmalen, und selbst das nur, wenn sie aufgrund ihrer Bedeutung den dort
genannten Kriterien (Qualität, Vielzahl, Vielfalt, Verteilung und
geschichtlicher Dokumentationswert) entsprechen; was neuerlich weit über 99,9%
aller Grabungsfunde sicherlich nicht tun.
Drittens ist zu beachten, was mit „dauerhafter
Fundverwahrung“ überhaupt gemeint ist bzw. was man sich darunter
vorzustellen hat. Das Konzept der „dauerhaften Verwahrung“ ist im DMSG völlig
neu, und könnte daher – nachdem der Gesetzestext nicht genauer definiert, was
damit gemeint ist – alles mögliche bedeuten. Die Erläuterungen spezifizieren allerdings
dazu: „Anzustreben ist eine Verwahrung der Funde möglichst in der Nähe der
jeweiligen Fundstelle durch lokale Trägerorganisationen. Ist es der
Bewilligungswerberin bzw. dem Bewilligungswerber gemäß § 11 nicht möglich, eine
derartige Verwahrung vorzubereiten, kann das Bundesdenkmalamt die dauernde Verwahrung
anbieten.“ (Erläuterungen zur RV 2024, 9). Nachdem bekannt ist, dass das
BDA seine archäologische Fundlagerung inzwischen an das (auf Archivierung
spezialisierte) Privatunternehmen Iron Mountain[17]
ausgelagert hat, wo wohl auch die „dauerhafte Verwahrung“ erfolgen wird,
wenn ein Antragsteller ein vom BDA gem. § 11 Abs. 2 gemachtes Angebot annimmt, ist
davon auszugehen, dass eine solche Art von Archivierung unter dem Begriff „dauerhafte
Verwahrung“ zu verstehen ist. Gleichermaßen dürfte unter „lokalen
Trägerorganisationen“ ebenfalls ein derartiges auf Langzeitarchivierung
spezialisiertes „gewerbliches Lagerhaus“ (ibid.) oder eventuell ein
lokales öffentliches Museum, das den gleichen Anforderungen genügt, zu
verstehen sein.
Zudem ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 der
Novelle, dass das Fundmaterial vor dessen Einlagerung „in depotfähige[n],
fachgerecht gereinigte[n] und gefestigte[n] Zustand“ zu
versetzen und eine „Inventarliste“ anzulegen ist; was impliziert, dass
das Fundmaterial nicht bloß in jenem Zustand belassen werden soll, in dem es
dem Boden entnommen wurde – d.h. nur nicht vorsätzlich zerstört, verändert,
veräußert oder verlassen, aber wenigstens dem natürlichen Verfall überlassen
werden darf – sondern wohl dauerhaft konservatorisch betreut und eventuell
sogar restauriert werden muss. Diese Vermutung findet Bestätigung in den
zugehörigen Erläuterungen (RV 2024), aus denen hervorgeht, dass der vom BDA für
die durch es selbst angebotene „dauerhafte Verwahrung“ gem. § 11 Abs. 3
und 4 zu verrechnende, durch Verordnung festzusetzende „pauschalierte
Kostenersatz […] nicht als bloßer Deckungsbetrag zu verstehen“ ist,
sondern „dem Bundesdenkmalamt sämtliche Kosten ersetzen“ soll, „die
diesem im Zusammenhang mit der Verwahrung und Erhaltung der Funde entstehen“ (Erläuterungen
zur RV 2024, 9). Die zu erwartenden Kosten für die „dauerhafte Verwahrung“
pro m3 Fundmaterial sind also beträchtlich.[18]
Schließlich ist viertens auch noch zu beachten, dass die
Pflicht des Fundeigentümers, die für die „dauerhafte Verwahrung“ seiner
Funde anfallenden Kosten zu tragen, weder durch die Bestimmungen der §§ 10 und
§ 11 noch die Erläuterungen (RV 2024, 7-9) in irgendeiner Weise gedeckelt sind;
nicht auf den für deren Eigentümer aus der Nutzung oder Verwertung seiner Funde
erzielbaren Ertrag oder Profit; und nicht einmal auf jene finanziellen
Belastungen, die ihm wirtschaftlich zumutbar sind. Das ist deshalb besonders
wesentlich, als schon in den Erläuterungen (RV 2024, 9) festgehalten wird, dass
„[d]ie weit überwiegende Zahl archäologischer Funde […] für sich
genommen zumeist von keinem oder nur sehr geringem wirtschaftlichen Wert“
sind, d.h. ihr Ertragswert praktisch Null und auch ihr Verkehrswert kaum höher
ist; einmal abgesehen davon, dass aufgrund der Verpflichtung zur „dauerhaften
Verwahrung“ das Fundmaterial wohl in aller Regel ohnehin gänzlich
unverkäuflich, also nicht verwertbar sein wird. Der Fundeigentümer soll also –
nachdem ihm wohl nicht nur das BDA, sondern auch „lokale
Trägerorganisationen“ wenigstens die ihnen entstehenden Kosten verrechnen
werden – die „dauerhafte Verwahrung“ seiner Grabungsfunde aus seinem
sonstigen Privatvermögen bezahlen.
Eine entschädigungslose Enteignung, für die der Enteignete seinen Enteigner
auch noch bezahlen soll
Zusammengenommen bedeutet also die „dauerhafte Fundverwahrung“ des § 11 der Novelle (RV 2024) nichts anderes als das Folgende:
- Wird einer – ob nun natürlichen oder juristischen – Person vom BDA gem. § 10 (RV 2024) eine „Nachforschung nach archäologischen Denkmalen“ durch Grabung bewilligt, wird entweder diese Person (bzw. eventuell sogar der „Finder“ iSd § 389 Abs. 1 ABGB[19] jedes einzelnen Fundes) gem. §§ 397 iVm 395 ABGB alleiniger rechtmäßiger Eigentümer aller dabei entdeckten geringwertigen sowie – falls sich unter den Grabungsfunden ein „Schatz“ iSd § 398 ABGB befindet und diese Person nicht auch gleichzeitig der Grundeigentümer der Grabungsstelle ist – gem. § 399 ABGB hälftig mit dem Grundeigentümer geteilter Eigentümer wirtschaftlich hochwertigen Grabungsfunde. Dieser Eigentumserwerb erfolgt – wenigstens der hälftige durch den Grundeigentümer im Fall eines Schatzfundes iSd § 398 ABGB – gegebenenfalls auch ohne Wissen und Willen des Berechtigten (OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90).[20]
- Aufgrund der Bestimmungen der §§ 10 Abs. 6 iVm 11 der Novelle ist diese Person allerdings verpflichtet, die „dauerhafte Verwahrung“ aller dabei entdeckten „archäologischen Funde“ – d.h. selbst jener, denen keine für ein öffentliches Interesse an deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 4 oder sogar überhaupt keine Bedeutung iSd §§ 1 Abs. 1 bzw. 8 Abs. 1 (RV 2024) zukommt – derart zu regeln, dass dies (wie vom BDA bescheidmäßig festzulegen ist) den gesetzlichen Anforderungen daran entspricht; bzw. kann das BDA dieser Person, wenn die von ihr vorgeschlagene Regelung diesen nicht entspricht, eine diesen genügende „dauerhafte Verwahrung“ gegen Kostenersatz gem. § 11 Abs. 2-4 anbieten. „Anzustreben“ ist dafür entsprechend den Erläuterungen (RV 2024, 9) eine zeitlich unbefristete, konservatorisch betreute (und somit wohl jedenfalls für die Fundeigentümer kostenpflichtige) Lagerung „möglichst in der Nähe der jeweiligen Fundstelle durch lokale Trägerorganisationen“ bzw. eben das BDA selbst; d.h. gerade nicht die „dauerhafte Verwahrung“ durch den Fundeigentümer selbst, wenigstens sofern dieser nicht auf eigene Kosten ein museumstaugliches Fundarchiv einrichtet.
- Es geht durch diese Verpflichtung zur „dauerhaften Fundverwahrung“ – bei realistischer Betrachtung in nahezu keinem Fall durch den Fundeigentümer selbst – daher (nahezu) immer die tatsächliche Verfügungsgewalt über dessen Eigentum vom Fundeigentümer auf einen Dritten über; entweder einen kommerziellen Dauerarchivierungsdienstleister oder eine öffentliche Einrichtung (wie das BDA, ein Bundes-, Landes- oder Gemeindemuseum[21]).
- Die rechtliche Verfügungsgewalt des Fundeigentümers über seine Fundsachen wird hingegen durch die ihm gesetzlich durch §§ 10 Abs. 6 iVm § 11 (RV 2024) auferlegte Verpflichtung zu deren „dauerhafter Verwahrung“ zur Gänze ihres materiellen Gehalts beraubt. Der Fundeigentümer kann weder – weil sie ja in aller Regel in die tatsächliche Verfügungsgewalt eines Dritten gegeben werden müssen – über die Substanz noch die Nutzungen seiner Fundsachen willkürlich schalten. Er kann sie – weil er sie in aller Regel in die tatsächliche Verfügungsgewalt eines Dritten wird geben müssen – auch nicht „jeden“ anderen von der Verfügung über Substanz und Nutzung seines Eigentums ausschließen.[22] Er kann sie auch nicht mehr in für sich vorteilhafter Weise nutzen, nicht einmal mehr – weil diese Funde ja in aller Regel in irgendeiner Lagereinrichtung gelagert werden, zu der er sich nicht jederzeit Zugang verschaffen, geschweige denn dort selbstständig seine Funde aus dem Regal und Lagerbehälter, in dem sie verwahrt werden, entnehmen kann – dadurch, dass er sich willkürlich an ihrer Betrachtung ergötzt[23]. Er kann sie auch nicht vertilgen, d.h. zerstören, weil das der „dauerhaften Verwahrung“ einer Sache diametral widerspricht; und sich ihrer aus demselben Grund auch nicht mehr begeben, z.B. indem er sie einfach der Müllabfuhr übergibt. Und der Fundeigentümer kann seine Sachen – nachdem sie ihm unter diesen Bedingungen auch kein Dritter abkaufen oder sie sich von ihm schenken (oder auch nur testamentarisch übertragen) lassen wird – auch weder ganz noch zu Teilen auf andere übertragen, geschweige denn zu seinem eigenen (wirtschaftlichen) Vorteil verwerten, also verkaufen. Das Eigentumsrecht des Fundeigentümers an seinen Funden wird also durch die gesetzliche Verpflichtung zur „dauerhaften Verwahrung“ der Funde zu einem reinem nudum ius (Berka 1999, 407, Rz 725), einem Recht, das nur noch am Papier besteht, aber seinem Inhaber überhaupt keine der in §§ 354 und 362 ABGB definierten subjektiven Befugnisse belässt. Die Bestimmung des § 11 (RV 2024) führt also unweigerlich zu einer materiellen Enteignung (Berka 1999, 407, Rz 725) des (bzw. der) Fundeigentümer(s).
- Aufgrund des gesetzlichen Eigentumserwerbsautomatismus der §§ 395 (iVm 397) und 399 ABGB können auch weder der Finder iSd 389 Abs. 1 ABGB noch gegebenenfalls (bei einem Schatzfund iSd § 398 ABGB) der Grundeigentümer (OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90) auf das Fundeigentum (und sei es im Voraus) verzichten.
- Nachdem die Verpflichtung zur „dauerhaften Verwahrung“ auch nicht auf die (aufgrund der dauerhaften Verwahrungspflicht in aller Regel auch überhaupt nicht gegebene) Ertrags- bzw. Verwertungsfähigkeit des Fundmaterials selbst oder auch nur das dem Fundeigentümer wirtschaftlich zumutbare beschränkt ist, haftet der (selbst der gegen sein Wissen und seinen Willen durch einen Schatzfund iSd § 398 ABGB aufgrund von § 399 ABGB unweigerlich zum Hälfteeigentümer der Schatzfunde werdende Grund-) Eigentümer somit mit seinem gesamten Privatvermögen für die durch die „dauerhafte Verwahrung“ seiner Funde anfallenden Kosten. Nachdem diese jedenfalls erhebliche Kosten verursacht und der Fundeigentümer dafür in der Regel auf Dritte (wie z.B. das BDA selbst) zurückgreifen wird müssen, soll der Fundeigentümer daher für seine dauerhafte materielle Enteignung dem Dritten, dem er die tatsächliche Verfügungsgewalt übertragen musste, d.h. zu dessen Gunsten er enteignet wurde, auch noch aus seinem Privatvermögen die diesem anfallenden Kosten bezahlen.
Dass das nicht nur praktisch dasselbe, sondern eine noch
viel krassere Beraubung der davon Betroffenen ist, als es jene des „Juden R.
Wadler“ durch Eduard Beninger (3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85)
zugunsten des NHM im Sommer 1938[24]
war, sollte offensichtlich sein. Ebenso offensichtlich sollte sein, dass es
sich dabei um genau dieselbe, angeblich für den „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz“
(Jankuhn, 14.5.1963; zitiert bei Kater 2006, 155) erforderliche, Art von
„Raubarchäologie“ handelt, deren sich die archäologischen Haupt- und Mittäter
an den Gräueltaten des Dritten Reichs schuldig gemacht haben.
Damit sollte jedenfalls auch klar sein, dass die Regelung
der „dauernden Fundverwahrung“ der RV (2024) ganz eindeutig dem
entspricht, was das deutsche Bundesverfassungsgericht ([BVerfG]E 5.8.1966, 1
BvF 1/61, Rz 34-35) als das „Verwaltungsdenken des totalitären Staates“ bezeichnet
hat: es räumt diese Regelung den „wirklichen oder vermeintlichen
Staatsinteressen unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des
Staatsbürgers“ ein, „Grundrechte“ werden dadurch völlig missachtet, und
„der staatlichen Lenkungsbefugnis“ absoluter Vorrang vor den
Eigentumsrechten des einzelnen Staatsbürgers eingeräumt.
Wie demokratischen Politikern totalitäre Gesetze eingeredet werden
Wie das konkrete Beispiel der
Enteignungsermächtigungsbestimmung des § 11 der Novelle des österreichischen
DMSG zeigt, tritt „die archäologische Denkmalpflege“ Grund- und Menschenrechte
mit Füßen, wenn sie das kann; selbst in einem demokratischen Verfassungsstaat
wie Österreich, wenn die Politiker, die dafür zuständig sind, genau solche
totalitären Bestrebungen der Bürokratie abzuwehren, am Steuer schlafen.
Das Versagen der Politiker, darauf aufzupassen und Versuche
abzuwehren, die Grund- und Menschenrechte auszuhöhlen, ist im Fall der (archäologischen)
Denkmalschutzgesetzgebung deshalb besonders problematisch, weil „das Fach“ und
insbesondere dessen Vertreter*innen, die in der „staatlichen archäologischen
Denkmalpflege“ beschäftigt sind, ganz offensichtlich die alleinige
Verfügungsgewalt über alles ausüben wollen, was sie als „Archäologie“ bzw.
„archäologische Denkmale“ betrachten. Nachdem dem jedoch die verfassungs-,
europa- und menschenrechtliche Eigentumsgarantie – das derart gewährleistete
Eigentumsrecht ist schließlich (in Österreich gem. § 354 ABGB) nichts anderes
als das subjektive Recht des privaten Eigentümers einer Sache, über diese
willkürlich zu verfügen und jeden anderen, d.h. auch den Staat und dessen
Organe, von dieser Sache selbst und der Verfügung über sie auszuschließen –
diametral entgegensteht, versuchen „das Fach“ und seine Vertreter*innen in der
(staatlichen) Denkmalpflege schon seit es sie gibt, diese Eigentumsgarantie für
„archäologische Sachen“ abzuschaffen oder wenigstens ihres materiellen Gehalts
völlig zu berauben. Sei es durch die ständig wiederholte Behauptung, „die
Vergangenheit“ sei ein „Allgemeinwohlgut“, das „der Menschheit“, „Allen“ bzw.
„Niemandem privat“ gehöre bzw. gehören dürfe oder könne;[25]
dass „archäologische Sachen“ eine res extra commercium – d.h. in anderen
Worten wieder nichts anderes als eine Sache, die nicht privateigentumsfähig ist
– sei oder wenigstens sein solle; oder durch praktische Maßnahmen wie z.B.
„archäologische Schatzregale“ oder solche wie die Regelung des § 11 (RV 2024):
„Fach“ bzw. „(staatliche) archäologische Denkmalpflege“ versuchen auf jede
erdenkliche Weise, vor allem aber durch den Gebrauch (bzw. Missbrauch) der bürokratischer
Strukturen und Systeme des Staates, sich die alleinige Verfügungsgewalt – also
das Eigentum – an allen Sachen zu verschaffen, die sie als „archäologische“ und
damit „ihre“ Sachen betrachten. Wenn ihnen der Staat bzw. dessen bürokratische
Strukturen das ermöglichen – ob nun, wie z.B. während des Dritten Reichs, in totalitären
kommunistischen Diktaturen oder ebenso totalitären Theokratien, in denen die jeweilige
Staatsführung diese totale Verfügungsgewalt (über den einzelnen
Staatsangehörigen oder alle Menschen schlechthin) ohnehin in allen Belangen auch
selbst will; oder wenn in demokratischen Verfassungsstaaten, wie aktuell in
Österreich, die Politik am Steuer eingeschlafen ist und versagt – dann reißen
sie diese Verfügungsgewalt auch ungeniert mit jedem verfügbaren Mittel an sich,
egal ob Einzelne dadurch geschädigt werden oder nicht.
Tatsächlich ist diese „Raubarchäologie“-Mentalität „des
Faches“ und insbesondere der „(staatlichen) archäologischen Denkmalpflege“
sogar noch weit schlimmer und geht weiter als das, wie das konkrete
österreichische Fallbeispiel der „dauernden Verwahrungspflicht“ in aller
Deutlichkeit zeigt. Denn diese endet nicht bei der bloßen Aneignung der
subjektiv von Archäolog*innen oder staatlichen archäologischen
Denkmalpfleger*innen als „archäologisch“ betrachteten Sachen und der Verfügung
darüber; sondern geht deutlich über diese hinaus.
Gelindere Eingriffsmöglichkeiten zum Erreichen desselben Zwecks
Schließlich hätte es in Österreich – wenn man davon ausgehen
will, dass die „dauerhafte Verwahrung“ aller archäologischen (und sei es
nur: „bewilligter Grabungs-“) Funde tatsächlich im „öffentlichen Interesse“
gelegen ist – für den Gesetzgeber nicht nur eine mit der Eigentumsgarantie des
Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZProt. EMRK und Art. 17 CFREU, sondern auch den
Regelungen des Eigentumsrechts der §§ 353-446 ABGB komplett in Einklang
stehende – also rechtlich, verfassungs-, europa- und völkerrechtlich absolut
„saubere“ – Möglichkeit gegeben, genau dieses Ziel mit absoluter Sicherheit zu
erreichen: die der gem. § 365 ABGB, Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZProt. EMRK und Art.
17 CFREU „[w]enn es das allgemeine Beste erheischt“ zulässigen Enteignung
„gegen eine angemessene Schadloshaltung“ (§ 365 ABGB). Jeder
österreichische Staatsbürger (und jeder mit diesen gleich zu behandelnde
Mensch) kann und darf nämlich, wenn das für ein tatsächlich bestehendes, überwiegendes
„öffentliches Interesse“ unabdingbar erforderlich ist, ohnehin verpflichtet
werden, zugunsten des Staates auch auf sein „vollständiges“ Eigentum zu verzichten
und es diesem zu übertragen.
Eine derartige Regelung findet sich sogar in den ebenfalls
neuen Bestimmungen zum „Ersatzkaufverfahren“ in § 20 der Novelle (RV 2024)
für bewegliche Denkmale, deren dauerhafte Ausfuhr ins Ausland ihrem
rechtmäßigem Eigentümer aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses an
ihrer Erhaltung im Inland verboten wird. Der Gesetzgeber hat also
offensichtlich gewusst, dass eine solche Enteignung zugunsten des Staates bei
Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses daran rechtlich möglich
ist und wie eine solche Enteignung rechtlich korrekt zu gestalten ist. Er muss
also auch gewusst haben, dass er die genau gleiche Regelung auch für bei
bewilligten Ausgrabungen entdeckte „archäologische Funde“ ins Gesetz aufnehmen
hätte können; wenn er es denn nur gewollt hätte; wenn es damit nicht wenigstens
eines von zwei möglichen Problemen (oder sogar beide) gäbe: entweder jenes,
dass der überwältigen Mehrheit aller archäologischen Grabungsfunde gerade nicht
jenes Maß an geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller
Bedeutung iSd § 1 Abs. 4 der RV (2024) zukommt, dass ein „öffentliches
Interesse“ an deren dauerhafter Erhaltung tatsächlich besteht; oder das,
dass die „dauerhafte Verwahrung“ aller (mehrheitlich ganz oder
weitgehend bedeutungslosen) „archäologischen Funde“ viel mehr Geld
kostet, als der Staat für deren „dauerhafte Verwahrung“ aus
Steuermitteln aufwenden will.
Tatsächlich wäre dem Gesetzgeber bezüglich der bei „bewilligten
Grabungen“ entdeckten Funde sogar noch eine zweite, zwar – weil sie von der
„allgemeinen“ Fundeigentumserwerbsregelung der §§ 385-401 ABGB abweicht – etwas
weniger „saubere“, aber dennoch jedenfalls verfassungs-, europa- und
völkerrechtskonforme, legistische Möglichkeit zur Verfügung gestanden, um auf
gesetzlichem Weg deren „dauerhafte Verwahrung“ mit absoluter Sicherheit
zu erreichen: er hätte – und zwar unbeachtlich dessen, ob tatsächlich ein iSd §
1 Abs. 4 der RV (2024) überwiegendes „öffentliches Interesse“ an einer
solchen „dauerhaften Fundverwahrung“ besteht, einfach ein „archäologisches
Grabungsfundregal“ (vulgo: Schatzregal) in die Novelle aufnehmen können.
Denn es liegt gänzlich im Rahmen des sehr weit gefassten „rechtpolitischen
Gestaltungsspielraum[s]“ (Berka 1999, 157, Rz 268), der dem
Gesetzgeber zukommt, den Fundeigentumserwerb an „archäologisch bedeutenden“
Sachen durch eine lex specialis abweichend von den allgemeinen
Bestimmungen des ABGB zu regeln.
Das muss er dann zwar sachlich begründen; aber eine solche
sachliche Begründung, warum er die mehrheitlich bei isolierter Betrachtung jeweils
für sich allein aufgrund ihrer jeweils verschwindend geringen Bedeutung von
beliebigen anderen Verlustfunden nicht unterscheidbaren Grabungsfunde dennoch
rechtlich anders behandelt als andere Bodenfunde inklusive „Zufallsfunde
archäologischer Denkmale“ iSd § 8 Abs. 1 der RV (2024), lässt sich über die
kollektive Bedeutung der Grabungsfunde als „Sammlung“ iSd § 1 Abs. 1 wohl
(wenigstens in den meisten Fällen) durchaus finden.[26]
Eine solche Lösung wäre zwar offensichtlich – weil es die Rechtslage durch eine
Sonderregelung verkompliziert – weniger „elegant“ als die erstgenannte
Möglichkeit, aber wenigstens formal verfassungs-, europa- und völkerrechtlich
unbedenklich; und würde es gestatten, das erstgenannte Problem, das mit der
„normalen“ Enteignung iSd § 365 ABGB besteht – nämlich dass eben in der
Einzelfallbetrachtung der überwältigenden Mehrheit der Grabungsfunde die iSd §
1 Abs. 4 der RV (2024) die für das Bestehen eines „öffentlichen Interesses“
an deren „dauerhafter Verwahrung“ qualifizierende Bedeutung fehlt, durch
Umstieg auf eine kollektiv-additive Betrachtung ihrer Bedeutung als „Sammlung“ – zu umschiffen.
Was allerdings auch durch diese Umgehung der Notwendigkeit
zu einer Enteignung der gem. § 385-401 ABGB zu den Fundeigentümern werdenden
Privatpersonen nicht gelöst werden kann, ist das Problem der Unwilligkeit des
Staates, die mit der „dauerhaften Verwahrung“ aller „archäologischen Grabungsfunde“
in Anbetracht ihrer Menge (und mit dem Erwerb des Eigentumstitels daran durch
den Staat) unweigerlich verbundenen Lasten – nämlich die Kosten der dauerhaften
Erhaltung dieser Fundmassen – aus Steuermitteln zu tragen. Denn es fehlen dem
BDA (und jenen anderen „lokalen Trägereinrichtungen“, an die das BDA bei
Verwendung dieses Begriffes zweifellos vorwiegend gedacht hat, d.h. den
Sammlungen öffentlicher „archäologischer“ Museen) schon seit langem die
ausreichenden finanziellen Mittel, um auch nur die schon derzeit in seiner
(bzw. deren jeweiliger) „Sammlung“ deponierten
Fundmassen auch nur ansatzweise ausreichend konservatorisch betreut zu
verwahren.
Eine „saubere“
Enteignungsregelung wie die zuerst genannte würde daher zwangsweise dazu
führen, dass nur ein kleiner Teil der Grabungsfunde – eben die, die, ob nun
individuell oder kollektiv, als „wertvoll“ genug eingestuft würden, um sie aus
den (dem BDA und anderen „lokalen Trägereinrichtungen“) nur sehr
beschränkt zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln zwangsankaufen zu
können, also sicher nicht alle – ins öffentliche Eigentum und damit in eine
„dauerhafte Verwahrung“ überführt werden könnte. Und selbst unter der
billigeren Lösung eines staatlichen Grabungsfundregals könnte nur ein kleiner
Teil der dadurch jedes Jahr zum schon derzeit bestehenden Sammlungsbestand
hinzukommenden Funde – jedenfalls wohl über eine, wenn nicht mehrere Millionen
Objekte im Jahr – tatsächlich adäquat konservatorisch betreut und damit
längerfristig tatsächlich dauerhaft erhalten (statt nur dem konstanten Verfall
im Depot überlassen) werden.
Will „die archäologische Denkmalpflege“ also ihr subjektives
Ziel tatsächlich erreichen, dass „alle“ Sachen, die irgendwelche ihrer
Vertreter*innen für so „archäologisch bedeutend“ halten, dass diese „dauerhaft
verwahrt“ werden sollten (unbeachtlich dessen, ob das aus wissenschaftlicher
und/oder denkmalfachlicher Sicht nun tatsächlich oder nur angeblich
erforderlich ist), auch wirklich – eben auch konservatorisch adäquat betreut – „dauerhaft
erhalten“ werden (bzw. bleiben), muss sie sich das dafür erforderliche Geld
von jemand anderem als „dem Staat“ holen. Denn der Staat ist bekanntermaßen und
offensichtlich schon seit langem nicht (mehr) willens, aus Steuermitteln auch
nur die „Erhaltung“ (besonders) „bedeutender Denkmale“ zu bezahlen,
geschweige denn auch die all des „alten Mists“, der keine oder nur minimale
geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung hat und den
aller Voraussicht nach niemand jemals mehr für irgendetwas (auch nicht für
einen signifikanten wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn) brauchen wird.
Die Verschleierung der Tatsache, dass der Enteignete seinen Enteigner
bezahlen soll
Genau an dieser Stelle setzt die in der Novelle (RV 2024) gewählte
Regelung des neuen § 11 an, indem sie das für eine „dauerhafte Erhaltung“
erforderliche Geld einfach jemand anderem wegzunehmen versucht, nämlich dem „Inhaber“
der Grabungsgenehmigung bzw. dem (den) Fundeigentümer(n); aus dessen sonstigem
(d.h. nicht aus der Nutzung des Denkmals gewonnenen) Privatvermögen. Dass durch
die „dauernde Verwahrungspflicht“ eine entschädigungslose Enteignung des
Fundeigentümers vorgenommen wird, für die dieser den, der ihn enteignet, auch
noch bezahlen soll, wird dabei nicht nur ganz gezielt und vorsätzlich dadurch
zu verschleiern versucht, wie diese Maßnahme präsentiert wird. Vielmehr wird
auch eine Scheinbegründung dafür, warum diese „Verwahrungspflicht“
notwendig sein soll, durch eine vorsätzlich falsche bzw. wenigstens bestenfalls
teilweise korrekte, bewusst irreführend vereinfachte, scheinbare
Tatsachenbehauptung in den Erläuterungen (RV 2024, 9) zu erzeugen versucht: „Die
weit überwiegende Zahl archäologischer Funde sind zwar in ihrer Gesamtheit von
hohem wissenschaftlichen Wert, für sich genommen zumeist von keinem oder nur
sehr geringem wirtschaftlichen Wert.“
Bleiben wir zuerst bei der Verschleierung, dass es sich bei
der „Verwahrungspflicht“ um eine entschädigungslose Enteignung handelt.
Schon die Wahl des Begriffs „dauernde Fundverwahrung“ statt – was
eigentlich gemeint ist – „dauerhafte Erhaltung“ ist hier aufschlussreich.
Denn „Verwahrung“ bedeutet sowohl in der alltäglichen Sprache[27]
als auch im Sinne des § 958 ABGB nur eine Aufbewahrung einer Sache für einen
Dritten, durch die der Aufbewahrende „weder Eigenthum, noch Besitz, noch
Gebrauchsrecht“ erwirbt, sondern „bloßer Inhaber mit der Pflicht, die
ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern“ ist.[28]
Eine bloße „Verwahrungspflicht“ scheint also weniger weitreichend zu
sein als die denkmalrechtliche „Erhaltungspflicht“ des § 4 (RV 2024),
die den Denkmaleigentümer nun durch ihren Abs. 1 auch dazu verpflichtet, „aktive“
Maßnahmen zu setzen, um ihr Denkmal in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten.
Tatsächlich geht aber das, was den Erläuterungen (RV 2024,
9) zufolge unter der „dauernden Fundverwahrung“ zu verstehen ist, weit
über selbst die neue „aktive Erhaltungspflicht“ des § 4 Abs. 1 (RV 2024)
hinaus. Das beginnt schon damit, dass die „Erhaltungspflicht“ des § 4
Abs. 1 nur für Denkmale besteht, die Kraft gesetzlicher Vermutung, Verordnung
oder Bescheid des BDA (d.h. gem. §§ 2, 2a oder 3 sowie 9 Abs. 1 und 2; RV 2024)
unter Denkmalschutz stehen; d.h. bezüglich derer das tatsächliche Bestehen
eines öffentlichen Interesses an deren Erhaltung wenigstens (hoch)
wahrscheinlich oder bereits tatsächlich festgestellt ist. Sie ist zudem
weiterhin, wenn auch etwas weniger als zuvor, auf solche Erhaltungsmaßnahmen beschränkt,
deren Kosten aus der „tatsächlichen oder möglichen Ertragsfähigkeit oder
sonstigen Verwertbarkeit des Denkmals“ (§ 4 Abs. 1; RV 2024), also dem aus
der Nutzung seines Denkmals durch den Denkmaleigentümer gewonnenen wirtschaftlichen
Vorteil, gedeckt werden können. Und diese „Erhaltungspflicht“ belässt
dem Denkmaleigentümer auch – abgesehen vom ebenfalls im Wesentlichen
unveränderten Verbot, es vorsätzlich oder durch „Verfallen lassen in
Zerstörungsabsicht“ zu verändern oder zerstören – das Recht, sein Denkmal zu
seinem wirtschaftlichen Vorteil willkürlich zu benutzen oder unbenutzt zu
lassen, jeden anderen davon auszuschließen und/oder es durch Verkauf an Dritte
zu verwerten.
Die Pflicht zur „dauerhaften Fundverwahrung“ im Sinne
der Erläuterungen (RV 2024, 9) gilt hingegen nicht nur für besonders bedeutende
und daher denkmalschutzwürdige, sondern alle „archäologischen Funde“, auch
jene, denen keinerlei oder nur so geringe Bedeutung zukommt, dass ihre
Erhaltung deswegen gerade nicht iSd § 1 Abs. 4 im „öffentlichen Interesse“
gelegen ist. Sie ist auch nicht auf die „tatsächliche oder mögliche
Ertragsfähigkeit oder sonstige Verwertbarkeit“ dieser Funde beschränkt,
sondern überhaupt nicht gedeckelt; und belässt ihrem Eigentümer – nachdem die
konservatorisch betreute „Verwahrung“ in einem Archiv einer „lokalen
Trägerorganisation“ bzw. des BDA angestrebt wird – auch nicht mehr das
Recht, die Funde zu nutzen oder unbenutzt zu lassen und jeden anderen davon
auszuschließen; und macht es ihm sogar de facto unmöglich, sie durch Verkauf an
Dritte zu verwerten. Dass das weit über die Begriffsbedeutung von „Verwahrung“
iSd § 958 und den in §§ 962-966 ABGB festgesetzten Pflichten des Verwahrers und
sogar die „Erhaltung“ iSd § 4 Abs. 1 (RV 2024) hinausgeht, ist also offensichtlich
– allerdings erst bei genauerer Betrachtung, nicht wenn man die Regelung nur
oberflächlich betrachtet.
Die Wahl des bereits qua Legaldefinition des § 958 und §§
961-966 ABGB inhaltlich bestimmten (auch im Sicherheitspolizeigesetz [SPG] in
§§ 15a, 42 und 42a für beschlagnahmte und sichergestellte Sachen im gleichen
Sinne verwendeten und mit den gleichen Verpflichtungen einhergehenden) und auch
in der gewöhnlichen Sprache im selben Sinn verwendeten, harmlos wirkenden
Begriffs der „Verwahrung“, um eine legistische Maßnahme, die de facto
eine materielle Enteignung ist, rechtlich unbedenklich erscheinen zu lassen,
stellt also sicherlich eine vorsätzliche Verschleierung des eigentlich damit von
den Autoren des Gesetzestextes verfolgten Ziels dar. Wer auch immer den
Wortlaut des Gesetzestextes (und die Erläuterungen dazu) verfasst hat, hat also
sehr genau gewusst, was er tut, und hat das verwendete Wort sehr bewusst
gewählt, um die (am Steuer schlafenden) Politiker über die damit verfolgte
Enteignungsabsicht hinwegzutäuschen.
Die vorsätzliche Unbestimmtheit, wer die „dauernde Verwahrung“ bezahlen
muss
Ebenso vorsätzlich haben die Autoren der Novelle (RV 2024)
zu verschleiern versucht, wer denn jetzt eigentlich überhaupt für die „dauernde
Fundverwahrung“ bezahlen muss. In Verbindung von § 10 Abs. 3 und 6 trifft
die Pflicht, die „dauerhafte Fundverwahrung“ zu „regeln“, primär
den, der eine NFG gem. § 10 Abs. 1 beantragt; wobei das BDA gem. § 11 Abs. 1 im
Bescheid festzulegen hat, „wie die zu erwartenden Funde dauernd verwahrt
werden“, wobei ihm das Recht zuerkannt wird, dem Antragsteller die
Verwahrung gem. § 11 Abs. 2-4 durch das BDA selbst anzubieten, wenn die vom
Antragsteller vorgeschlagene Regelung nach Ansicht des BDA unzureichend ist.
Eine solche Genehmigung kann gem. § 10 Abs. 3 „von jeder
Person beantragt werden, die an dieser ein zivilrechtlich durchsetzbares,
wissenschaftliches oder öffentliches Interesse wahrnimmt“, wobei gemäß den
Erläuterungen (RV 2024, 8) ein solches „jedenfalls dann gegeben“ ist, „wenn
für die Grabungsarbeiten vom ausführenden Unternehmen vertraglich die
Zustimmung der Grundeigentümerin bzw. des Grundeigentümers (bzw. der sonst
dinglich Berechtigten) eingeholt wurde“. Den Antrag kann also (wenigstens) entweder
das beauftragte Unternehmen (bzw. einer von dessen Mitarbeitern in eigenem
Namen, wie das bisher aufgrund der Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I
170/1999 der Fall war), der Auftraggeber der Grabung, oder der Eigentümer des
Grundstücks stellen, auf dem die Grabung stattfinden soll. Das lässt allerdings
nun völlig ungeklärt, wer die Kosten der „dauerhaften Verwahrung“ der
dabei entdeckten Funde tragen muss.
Hier könnte man nun natürlich sagen, dass sich einfach das
die Grabung durchführende Unternehmen, der Auftraggeber und/oder (falls von
letzterem verschieden) der Grundeigentümer im Rahmen der allgemeinen
Vertragsfreiheit untereinander ausmachen sollen, wer von ihnen denn nun die
Kosten der „dauerhaften Fundverwahrung“ zu tragen hat; d.h. diese
Regelung (wenn auch ohne das ausdrücklich zu sagen) das „Verursacherprinzip“
dafür einführt bzw. in der Praxis zu einer Kostentragungspflicht von deren „Verursacher“
für die „dauerhafte Fundverwahrung“ führt. Schließlich wird das die
Grabung durchführende Unternehmen die Kosten für die Fundverwahrung nicht auf
sich nehmen, sondern – wenn der z.B. dort wo die Grabung durchgeführt werden
soll bauen will – diese auf seinen Auftraggeber (bzw. ob nun direkt oder
mittelbar auf den Grundeigentümer) abwälzen; und umgekehrt der Grundeigentümer
diese Kosten nicht auf sich nehmen, wenn die Grabung nicht in seinem Auftrag,
sondern z.B. von einer Universität oder auch einem beliebigen sonstigen Dritten
(z.B. einem „Privatgelehrten“) aufgrund eines wissenschaftlichen Forschungsinteresses
durchgeführt wird.
Das wirkt auf den ersten Blick nach einer „sauberen“ Lösung,
erweist sich aber bei genauerer Analyse als das Gegenteil davon, weil es das
Problem der materiellen Enteignung des Fundeigentümers, für die dieser den, der
ihn enteignet, auch noch bezahlen soll, nicht nur nicht löst, sondern nur noch
zusätzlich verschärft.
Denn damit der Antragsteller überhaupt die „dauerhafte
Fundverwahrung“ rechtsverbindlich regeln kann, muss er der
Eigentümer der Funde sein bzw. werden: ist er das nämlich nicht, kann er
überhaupt nicht darüber verfügen, was mit den Funden geschehen soll, schon gar
nicht „dauerhaft“, weil er keine rechtliche Verfügungsgewalt über diese
Sachen hat, die (aufgrund von §§ 354 und 362 ABGB) ausschließlich nur
deren Eigentümer zukommt. Mit einer Bewilligung verbundene, ob nun im
Bescheidspruch oder in Auflagen festgestellte Pflichten wie die zur „dauerhaften
Fundverwahrung“ verpflichten nämlich immer nur den Inhaber der Bewilligung,
der „die der Erfüllung der Auflage allenfalls entgegenstehenden Hindernisse
– wie etwa die mangelnde privatrechtliche Verfügungsgewalt – zu beheben“
(VwGH 2.7.1998, 97/06/0057) hat. Nachdem aber nun §§ 962-963 ABGB bezüglich
Verwahrungsverträgen bestimmen, dass diese vom (die Verfügungsgewalt über die
hinterlegte Sache habenden) Hinterleger jederzeit gekündigt werden können; ist
die einzige Möglichkeit, wie der Antragsteller tatsächlich die „dauerhafte
Fundverwahrung“ sicherstellen kann die, dass er das vollständige Eigentum
an den von ihm in Verwahrung gegebenen Funden hat.[29]
Nachdem aber aufgrund der eigentlich nicht für
archäologische Funde gedachten Eigentumserwerbsregelungen der §§ 381-382 und 385-401
ABGB entweder der Finder jedes Fundes,[30]
das grabende Unternehmen, der Auftraggeber und/oder (und sei es nur aufgrund
des Automatismus des § 399 ABGB) der Grundeigentümer – allein oder geteilt mit
anderen – zu den Eigentümer*innen der entdeckten Funde werden, kann die
Eigentumsfrage zum Zeitpunkt der Antragstellung nur schwer geklärt werden. Eine
im Voraus abgegebene Verzichtserklärung ist – nachdem die konkrete
Zusammensetzung und der Wert des entdeckten Fundmaterials nicht vorhersehbar
ist – vermutlich wenigstens anfechtbar, wenn unerwartet wertvolle Funde
auftreten. Ein Vorkaufsrecht kann überhaupt nur im Fall realisiert werden, wenn
der Eigentümer der Sache sie verkaufen will.[31]
Einigermaßen sicher sind wohl nur Vorverträge gem. § 936 ABGB, mittels der sich
die möglichen anderen Fundeigentümer verpflichten, den Titel an den
Grabungsfunden, die ganz oder teilweise in ihr Eigentum übergehen, zu deren
gewöhnlichen Wert dem Antragsteller zu verkaufen. Hierbei ergibt sich
allerdings die Schwierigkeit, dass jeweils ein solcher Vorvertrag mit jeder
einzelnen Person abgeschlossen werden muss, die möglicherweise Eigentümer von
Grabungsfunden werden kann, d.h. auch mit jeder bei der Grabung mitarbeitenden
Arbeitskraft.[32]
Folge davon ist aber jedenfalls, dass der Antragsteller alleiniges
vollständiges Fundeigentum erwerben muss, um die ihm bescheidmäßig auferlegte
Verpflichtung zur „dauerhaften Fundverwahrung“ tatsächlich erfüllen zu
können. Die dem Antragsteller für den Erwerb dieser Funde anfallenden
(zusätzlichen) Kosten können wir an dieser Stelle noch vernachlässigen; auch
wenn wir auf diesen Aspekt gleich noch zurückkommen müssen, weil sie alles
andere als irrelevant sind. Hier ist vorerst nur wichtig, dass das Eigentumsrecht,
das er mit Mitteln aus seinem (nicht aus der Nutzung oder Verwertung seines
Denkmals gewonnenen) sonstigen Privatvermögen erwerben muss, um seine Funde in „dauernde
Verwahrung“ geben zu können, ihm dadurch unmittelbar gänzlich entzogen wird.
Und dafür, dass er zugunsten der „lokalen Trägerorganisation“ bzw. dem
BDA, die seine Funde „dauernd verwahren“, materiell enteignet wird, muss
er dann dieser „lokalen Trägerorganisation“ bzw. dem BDA auch noch mit
aus seinem sonstigen Privatvermögen entnommenen Mitteln die diesen für die „dauerhafte
Erhaltung“ seiner Funde erwachsenden Kosten erstatten. Damit die „dauerhafte
Verwahrung“ funktioniert, muss der materiell Enteignete also gleich zweimal
aus seinem Privatvermögen für die Sachen bezahlen, über die er dann genau keine
Verfügungsgewalt mehr hat.
Die Verschleierung, wer jetzt konkret für die Kosten der „dauerhaften
Verwahrung“ bezahlen muss, dient einzig dem Zweck, die Tatsache zu
verbergen, dass es sich bei § 11 der Novelle (RV 2024) um eine versteckte
(materielle) Enteignungsbestimmung des Fundeigentümers handelt. Und sie schädigt
den Enteigneten gleich dreimal: erstens dadurch, dass er für diese (materielle)
Enteignung nicht (wie sowohl durch § 365 ABGB als auch Art. 1 Abs. 1 ZProt.
EMRK verpflichtend vorgesehen) gerecht entschädigt wird; zweitens dadurch, dass
er dafür, dass er den Erfolg seiner (materiellen) Enteignung auch sicherstellen
kann, aus seinen Privatmitteln erst das vollständige Alleineigentum an den
Grabungsfunden erwerben muss; und drittens dann dadurch, dass er die durch die „dauerhafte
Verwahrung“ seiner Grabungsfunde entstehenden Kosten aus seinen
Privatmitteln bezahlen muss. Dass ein demokratischer Verfassungsstaat wie die
Republik Österreich das wirklich wollen könnte, kann man nicht ernsthaft
annehmen. Es ist aber genau das, was „das Fach“ bzw. die „archäologische
Denkmalpflege“ schon immer will: die gesamte Verfügungsgewalt über
„archäologische“ Sachen für sich selbst monopolisieren, aber jemand anderen die
Kosten dafür aufbürden.
Der wissenschaftliche und der wirtschaftliche Wert von Grabungsfunden
Das führt uns schließlich zu der in den Erläuterungen (RV
2024, 9) zur Begründung der angeblichen Erforderlichkeit dieser legistischen
Maßnahme erhobenen Behauptung „[d]ie weit überwiegende Zahl archäologischer
Funde“ sei „zwar in ihrer Gesamtheit von hohem wissenschaftlichen Wert,
für sich genommen zumeist von keinem oder nur sehr geringem wirtschaftlichen
Wert.“ Diese Behauptung ist ein Sophismus allererster Ordnung, ein in
Täuschungsabsicht vorgebrachter Trugschluss; der noch dazu aus Halb- bzw.
Unwahrheiten besteht, aber neuerlich solchen, die auf den ersten Blick gar
nicht so unvernünftig erscheinen.
Beginnen wir mit dem durch die Art des Vergleichs
produzierten Trugschluss: gegenübergestellt wird hier der
(angeblich hohe wissenschaftliche) Gesamtwert eines Kollektivs von Sachen
(des gesamten Fundmaterials der Grabung) dem (angeblich inexistenten
oder nur sehr geringen wirtschaftlichen) Stückwert einer (zu diesem
Kollektiv gehörenden) einzelnen Sache (jedes Fundes). Ein solcher
Vergleich ist natürlich logisch völlig unzulässig: der Gesamtwert einer großen
Menge geringwertiger Sachen ist in aller Regel um ein Vielfaches höher als der Wert
jeder beliebigen einzelnen dieser Sachen. Es ist dieses Argument also ein
reines rhetorisches Scheinargument, das vorsätzlich den falschen Eindruck
erwecken soll, dass die Funde zwar enorm hohen wissenschaftlichen Wert haben, sie
ihren Eigentümer*innen einfach wegzunehmen diesen aber keinen nennenswerten
wirtschaftlichen Schaden verursacht. Man könnte es jedoch mit exakt der
gleichen Berechtigung auch genau umgekehrt formulieren: die weit
überwiegende Zahl archäologischer Funde ist zwar in ihrer Gesamtheit von hohem
wirtschaftlichem Wert, für sich genommen zumeist von keinem oder nur sehr
geringem wissenschaftlichen Wert.[33]
Schon die gewählte Argumentationsstruktur zeigt also
eindeutig, dass deren Autor*innen diesen Vergleich nur deshalb in die
Erläuterungen (RV 2024, 9) aufgenommen haben, um die (wichtigsten) Leser*innen
der RV – die Politiker, die darüber zu entscheiden haben, ob das, was die
Autor*innen der RV vorgeschlagen hatten, Gesetz werden soll oder nicht – über
die Gründe, warum das, was als Gesetz vorgeschlagen wurde, angeblich
erforderlich sein soll – und damit natürlich über die Erforderlichkeit dieser
Bestimmung schlechthin – vorsätzlich zu täuschen. Aber das ist noch keineswegs
alles, denn auch für sich betrachtet sind die Behauptungen, die in diese
Struktur eingesetzt wurden, bestenfalls Halbwahrheiten, wenn nicht sogar blanke
Lügen.
Der wissenschaftliche Wert von Grabungsfunden, kollektiv und individuell
Beginnen wir mit der Behauptung, der wissenschaftliche Wert
von Grabungsfunden sei hoch; und betrachten diese sowohl in Hinblick darauf, ob
sie (wenigstens) kollektiv für alle Funde einer Grabung „in ihrer
Gesamtheit“, als auch darauf, ob sie auch individuell für jeden einzelnen
Fund einer Grabung „für sich genommen“, tatsächlich richtig oder auch
nur wahrscheinlich ist.
Dafür ist zuerst einmal festzustellen, wie überhaupt (noch
dazu prognostisch) bestimmt werden kann (bzw. zu bestimmen ist), wie hoch der
wissenschaftliche Wert einer bestimmte Quelle (wie z.B. den Funden einer
archäologischen Ausgrabung) bzw. der aus dieser zu gewinnenden
wissenschaftlichen Erkenntnisse (Aussagen) ist. Dafür bieten sich als
Ausgangspunkt Poppers (1994) grundlegende Ausführungen zur Qualität bzw. dem
relativen Wert wissenschaftlicher Aussagen an: eine wissenschaftliche Aussage
ist demzufolge umso wertvoller, je höher ihre Reichweite und Erklärungskraft
ist. Einfacher gesagt bedeutet das: eine wissenschaftliche Aussage ist umso
wertvoller, desto mehr Ergebnisse zukünftiger Beobachtungen der Wirklichkeit
sie korrekt vorhersagen kann, ohne dadurch (wenn deren Ergebnisse von der
Vorhersagen der Aussage signifikant abweichen) widerlegt zu werden.
Kann man also aus einer Quelle nur solche wissenschaftlichen
Aussagen ableiten, die etwas über diese Quelle selbst aussagen, aber keine, die
darüber hinausgehen, hat sie gar keinen oder höchstens minimalen
wissenschaftlichen Wert: schließlich bleibt die Reichweite dieser Aussagen auf
die Quelle selbst beschränkt, aus der sie geschöpft werden; und auch ihre
Erklärungskraft beschränkt ausschließlich sich auf sie selbst. Solche
ausschließlich selbstreferenziellen Aussagen – wie z.B. die Feststellung „es
regnet gerade, daher ist der Boden hier nass“ – bringen keinen signifikanten
wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, sondern sind trivial; man braucht sie
nicht, weil man das, was man mit dieser Aussage beschreibt, ohnehin sieht und
auch schon längst weiß: wenn es wo regnet, dann wird dort immer der Boden nass.
Man braucht daher auch die konkrete Quelle nicht, also den Regen, der hier
gerade fällt und daher den Boden benässt, aus der man diese Aussage ableitet;
bzw. maximal nur dafür, dass man weiß, dass der Boden nicht etwa deshalb nass
ist, weil man gerade Wasser verschüttet hat, sondern deshalb, weil es gerade
regnet.
Kann man hingegen aus einer bestimmten Quelle auch
wissenschaftliche Aussagen ableiten, die über diese Quelle selbst hinausreichen
und mehr über andere Sachen als diese Quelle selbst verraten, kommt diesen
Aussagen und damit auch deren Quelle wenigstens ein Minimum an wissenschaftlichem
Wert zu. Wie hoch der Wert dieser Quelle im Vergleich zu dem anderer Quellen
ist, hängt dann primär davon ab, wie weitreichend und erklärungskräftig die wissenschaftlichen
Aussagen sind, die aus dieser konkreten im Vergleich zu den aus anderen (ähnlichen)
Quellen ableitbaren Aussagen sind. Zusätzlich dazu, wenn auch nur sekundär,
hängt der Wert einer bestimmten Quelle auch noch davon ab, ob sie eine von sehr
wenigen ist, aus denen sich die gleiche, signifikante (d.h. nicht bloß
triviale) wissenschaftliche Aussage ableiten lässt; oder es (noch) viele
gleichartige Quellen gibt, mittels derer dieselbe Aussage abgeleitet werden
kann. Je weniger Quellen es gibt, aus denen die gleiche, signifikante Aussage
abgeleitet werden kann, desto wertvoller sind diese wenigen Quellen.
Offensichtlich ist jede einzelne dieser die gleichen Aussagen abzuleiten
gestattenden Quellen umso weniger wertvoll, desto mehr solche Quellen es noch
gibt; denn desto beliebiger ist jede einzelne davon durch jede beliebige andere
der gleichartigen Quellen ersetzbar.
Der tatsächliche wissenschaftliche Wert jeder beliebigen,
konkreten Quelle kann natürlich stets nur ex post bestimmt werden, d.h. erst
nachdem sie vollständig wissenschaftlich ausgewertet und alle aus ihr
potenziell ableitbaren wissenschaftlichen Aussagen auch tatsächlich abgeleitet
wurden. Dies ist jedoch naturgegebenermaßen erst möglich, wenn die
wissenschaftliche Forschung zu einem endgültigen Abschluss gekommen ist (siehe
dazu schon Karl 2019, 129-135).
Für unseren Zweck (und natürlich genauso in
Genehmigungsverfahren gem. § 10 der Novelle; RV 2024) muss daher der
mutmaßliche Wert der Quelle (d.h. des Fundmaterials einer bewilligten Grabung)
prognostisch bestimmt werden, weil nur das bei der dafür erforderlichen
Beurteilung ex ante überhaupt möglich
ist. Dafür ist eine generalisierende Betrachtungsweise erforderlich, die und
deren Ergebnisse ich ebenfalls bereits andernorts publiziert habe (Karl 2019,
135-158), denn nur dadurch lässt sich prognostisch beurteilen, ob der
mutmaßliche Wert einer Quelle (eines bestimmten durch seine Ausgrabung
gewonnenen archäologischen Fundmaterials) vergleichsweise hoch oder nur niedrig
oder gar sehr niedrig ist.
Für unsere konkrete Frage ergibt sich dabei bei
generalisierend-prognostischer Betrachtung, dass die Höhe des wissenschaftlichen
Werts des Fundmaterials einer archäologischen Grabung „in“ dessen „Gesamtheit“
sowohl stark davon abhängt, welcher Typ (bzw. Typen) von „archäologischem
Denkmal“ (ibid., 141-156), welcher Anteil dieses Denkmals und wie
vollständig dieser ausgegraben werden soll, als auch davon, wie selten oder
häufig gleichartige Denkmale noch sind. Das bedeutet, dass dem Fundmaterial der
vollständigen Ausgrabung eines „archäologischen Denkmals“ des „Typ 5“
(= einer einzigartigen oder sehr seltenen, gesamten „archäologischen
Befundlandschaft“; ibid., 153-156) „in“ dessen „Gesamtheit“ voraussichtlich
sehr hoher wissenschaftlicher Wert zukommen dürfte; während bereits dem
Fundmaterial einer ebenso vollständigen Ausgrabung eines noch einigermaßen
häufig vorkommenden „archäologischen Denkmals“ von „Typ 4“ (=
einer „Fundstelle“; ibid., 150-153) einer bestimmten Art[34]
selbst „in“ dessen „Gesamtheit“ nur noch ein deutlich geringer
wissenschaftlicher Wert zukommt. Nachdem die meisten archäologischen
Ausgrabungen aber nicht einmal ein „archäologisches Denkmal“ vom Typ 4 vollständig
ausgraben, sondern in der Regel nur einen relativ geringen Prozentsatz davon,
ist das Fundmaterial der meisten archäologischen Ausgrabungen, selbst jeweils „in“
dessen „Gesamtheit“, nur von geringem oder sogar verschwindend
geringem wissenschaftlichen Wert: was dabei in aller Regel ausgegraben wird,
sind nur eines oder mehrere „archäologische Denkmale“ der Typen 2 (= „Einzelbefunde“;
ibid., 144-147) und 3 (= „Stratifikationen“; ibid., 147-150), von denen
es selbst auf derselben „Fundstelle“ noch viele weitere gleichartige
gibt, die auch nach der Grabung im Boden verbleiben; deren wissenschaftlicher
Wert als Quelle (und somit auch der wissenschaftliche Wert des aus ihnen
entnommenen Fundmaterials) daher bei der erforderlichen
generalisierend-prognostischen Betrachtung nur sehr gering ist (schon Hoernes
1892, 36 nennt sie explizit „unbedeutend“; eine Fachmeinung, die seither
unverändert fortbesteht).
Diese Wertbestimmung zeigt sich auch in der tatsächlichen
wissenschaftlichen Praxis seit über 150 Jahren: es gibt praktisch kein
Fundmaterial einer einzelnen archäologischen Ausgrabung,[35]
das – „in“ seiner „Gesamtheit“, aber „für sich“, also nur
das der jeweiligen, einzelnen Ausgrabung, betrachtet – tatsächlich so
unverzichtbar wäre, dass ihm wirklich ein hoher wissenschaftlicher Wert zukäme.
Dass auch das Fundmaterial praktisch jeder archäologischen Ausgrabung selbst „in“
dessen „Gesamtheit“ höchst verzichtbar und daher eben gerade nicht
von hohem, sondern nur von geringem wissenschaftlichen Wert ist, zeigt sich
zudem in aller vorstellbaren Deutlichkeit auch insbesondere daran, dass von der
archäologischen Wissenschaft schon seit ihren Anfängen und bis heute
ungebrochen auf die Aufarbeitung der überwältigenden Mehrheit davon tatsächlich
verzichtet wird.
Setzt man die Anfänge unseres – wenigstens des halbwegs
modernen – Faches und der Denkmalpflege grob um die Mitte des 19. Jahrhunderts
an, wurden weit über die ersten 100 Jahre ihrer Existenz regelhaft die Mehrheit
aller Grabungsfunde als unwesentlich verworfen. International ist es auch schon
wieder wenigstens die letzten 30 Jahre die Norm, dass selbst ganze Fundstellen –
natürlich samt des gesamten in diesen enthaltenen Fundmaterials – verworfen,
d.h. der undokumentierten Zerstörung überlassen werden (siehe dazu z.B.
Siegmund & Scherzler 2014, 172) und Standard bzw. gute Praxis, dass bei
Grabungen schon nur ein kleiner Prozentsatz der angetroffenen Befunde überhaupt
teilweise oder vollständig ausgegraben und selbst das aus diesen entnommene
Grabungsfundmaterial vor der Archivierung aussortiert und großteils verworfen –
d.h. weggeworfen – wird (siehe z.B. EAC 2014; 2021). Und selbst dieses dann
nach der doppelten Vorselektion archivierte Grabungsfundmaterial wurde schon in
den Jahren seit etwa 1960 zu „weit weniger als 25 Prozent“[36]
(Boardman 2009, 109) oder weniger als 20% (Stoddart & Malone 2001) so weit
wissenschaftlich ausgewertet, dass es auch nur wissenschaftlich sachgerecht
publiziert wird; geschweige denn, dass aus der Mehrheit der publizierten
Grabungsfundmaterialien signifikante wissenschaftliche Erkenntnisse von hoher
Reichweite und Erklärungskraft gewonnen worden wären. In Österreich ist die
Situation sogar jetzt schon noch viel extremer als das, hier sind sicherlich
deutlich weniger als 5% aller Grabungsfundmaterialen auch nur in Form eines als
halbwegs adäquat zu betrachtenden Vorberichts vorgelegt, und wohl kaum mehr als
1% einigermaßen wissenschaftlich sachgerecht ausgewertet und publiziert (siehe
zum Schicksal des durchschnittlichen Fundmaterials von vom BDA bewilligten
Rettungsgrabungen z.B. Hebert 2018, 84-85).
Bei vernünftiger Betrachtung dieser Tatsachen kann niemand
ernsthaft zum Schluss gelangen, dass alle Grabungsfunde aller Grabungen –
selbst bei der Betrachtung „in ihrer Gesamtheit“ – „von hohem
wissenschaftlichen Wert“ (RV 2024, 9) wären, schon gar nicht von so hohem,
dass ihre „dauernde Verwahrung“ völlig unbeachtlich der dadurch
verursachten Kosten dieses Wertes wegen „im öffentlichen Interesse“
gelegen wäre. Dass der durchschnittliche wissenschaftliche Wert eines jeden
einzelnen archäologischen Fundes jeweils „für sich genommen“ noch viel,
viel geringer ist, versteht sich von selbst und braucht nicht mehr genauer
erörtert zu werden. Ganz im Gegenteil kann man, ganz im Sinne von Hoernes
(1892, 36) attestieren, dass jeder einzelne Fund „für sich genommen“
weitgehend oder gänzlich „unbedeutend“ ist, d.h. nicht einmal ein „archäologisches
Denkmal“ iSd § 8 Abs. 1 der RV, ein Begriff, dessen Legaldefinition
jedenfalls wenigstens ein gewisses Mindestmaß an geschichtlicher,
künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung voraussetzt.
Dass die sicherlich im BDA zu verortenden Autor*innen der RV
(2024) diese Tatsachen nicht kennen, ist – setzt man für sie wenigstens eine
grundlegende archäologische oder denkmalpflegerische Fachkompetenz voraus – mit
Sicherheit auszuschließen. Sie können daher auch nicht vernünftig zu der
Schlussfolgerung gelangt sein, dass „[d]ie weit überwiegende Zahl
archäologischer Funde“ tatsächlich oder auch nur wahrscheinlich „in
ihrer Gesamtheit von hohem wissenschaftlichen Wert“ (ibid., 9) ist; denn
die Behauptung ist in Anbetracht der real gegebenen Tatsachen schlicht und
einfach offensichtlich falsch; ist Unsinn.
Diese Behauptung in den Erläuterungen (RV 2024, 9) ist also nur
dann nicht als vorsätzliche Lüge, sondern als bloßer Irrtum zu beurteilen, wenn
ihren Autor*innen ein massiver Kategorienfehler unterlaufen ist: wenn sie die
(rein) hypothetisch (immer) bestehende Möglichkeit, dass einem ganz bestimmten „archäologischen
Denkmal“ (egal welchen Typs; siehe Karl 2019, 141-156) tatsächlich doch bei der Betrachtung ex post hohe Bedeutung zukommt, mit der Tatsache
verwechselt haben, dass „archäologischen Funden“ (aber auch „Befunden“,
„Stratifikationen“ und sogar den meisten „Fundstellen“) sowohl mutmaßlich
bei prognostischer Betrachtung ex ante
als auch tatsächlich bei der Betrachtung ex
post keine oder nur sehr geringe wissenschaftliche Bedeutung zukommt. Oder
anders und einfacher gesagt: diese Behauptung ist nur möglich, wenn man die sehr
seltene Ausnahme mit der Regel verwechselt. Ein solch kapitaler Fehler kann
aber einem unvoreingenommenen, vernünftigen Menschen gar nicht passieren;
sondern ist nur durch ein Vorurteil erklärbar, an dem dogmatisch festgehalten
wird, selbst wenn es offensichtlich durch die gegebenen Tatsachen widerlegt
wird.
Der wirtschaftliche Wert von Grabungsfunden, kollektiv und individuell
Im Gegensatz zu ihrem wissenschaftlichen ist der
wirtschaftliche Wert von Grabungsfunden vergleichsweise sehr leicht zu
ermitteln und – weil man ihn als Geldwert angeben kann – auch leicht zu
bestimmen, ob er als hoch oder niedrig zu betrachten ist; sowohl „für sich
genommen“ der jedes einzelnen Fundstücks als auch der aller Funde einer
Grabung „in ihrer Gesamtheit“.
Das einzige Problem hier kann sein, dass es in der Ökonomie
mehrere miteinander konkurrierende Definitionen von und Theorien zur Bestimmung
des Wertes von Sachen gibt; man also je nachdem, welche davon man heranzieht,
zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Werten für die gleiche Sache kommen kann.
Z.B. kann es für die Ermittlung des wirtschaftlichen Werts eines Fundes einen enormen
Unterschied machen, ob man dafür auf seinen subjektiven Nutzen (z.B. für „die
Allgemeinheit“), die zu seiner Gewinnung aufgewendeten Kosten bzw. Arbeitszeit
oder den sich aus Angebot und Nachfrage ergebenden Verkaufspreis in einem
freien Markt abstellt. Dass es solche Unterschiede gibt, ist spätestens seit
der Beschreibung des klassischen Wertparadoxons der Wirtschaftslehre durch John
Law (1705, 4) bekannt, der feststellte, dass Wasser einen hohen Gebrauchs- aber
einen geringen Tauschwert besitze, während das bei Diamanten genau umgekehrt
sei.
Soweit der wirtschaftliche Wert von Grabungsfundmaterial
betroffen ist, stellen die Autor*innen der RV (2024, 9) für ihre Behauptung,
archäologische Funde seien „für sich genommen zumeist von keinem oder nur
sehr geringem wirtschaftlichen Wert“ wohl auf den Marktpreis ab, d.h. auf
den Geldbetrag, um den ein einzelner Fund an einen Dritten verkauft werden
könnte. Bei derartiger Bestimmung des wirtschaftlichen Werts jedes Einzelfundes
ist diese Behauptung auch wenigstens insoweit bzw. im Wesentlichen korrekt, als
es zwar selbst für Wandscherben von Gefäßen – die normalerweise den größten
Anteil der Funde einer Grabung ausmachen – einen Sammlermarkt gibt,[37]
auf dem selbst noch so unansehnliche Stücke verkauft werden können, der
Einzelstückpreis selbst auf diesem Sammlermarkt für die meisten Stücke aber im
Bereich von etwa 50 Cent bis zu ein paar Euro,[38]
nur für einen recht kleinen Prozentsatz über € 10 und bei nahezu keinem Stück
über 100 € liegt. Nachdem die Geringfügigkeitsgrenze für die Meldepflicht gem.
§ 390 ABGB durch § 391 Abs. 2 auf € 10 festgesetzt wird, ist also der wirtschaftliche
Wert der meisten archäologischen Funde, als Einzelstück betrachtet, tatsächlich
als gering zu beurteilen.
Schon das ist allerdings eine Darstellung, die den
wirtschaftlichen Wert des durchschnittlichen Grabungsfundmaterials – also aller
bei einer archäologischen Ausgrabung entdeckten Funde – in einer grob
irreführenden, wertverschleiernden Weise darstellt. Denn bei einer
archäologischen Ausgrabung wird normalerweise nicht bloß ein einzelnes
Fundstück entdeckt, dessen wirtschaftlicher Wert tatsächlich – wenigstens aller
Wahrscheinlichkeit nach bei der Durchschnittsfallbetrachtung – nur gering ist,
d.h. die genannten € 10 nicht übersteigt. Vielmehr werden bei den meisten
archäologischen Ausgrabungen wenigstens mehrere hunderte, tausende, wenn nicht
sogar mehrere zehntausende Fundstücke entdeckt; bei Großgrabungen in
fundreichen Fundstellen manchmal sogar über hunderttausend. Das bedeutet aber,
dass der Marktpreis der Grabungsfunde „in ihrer Gesamtheit“ – wenn man von
einem (sicherlich nicht zu niedrig gegriffenen) Durchschnittspreis von nur
einem Euro pro Fundstück ausgeht – selbst bei kleinen Grabungen normalerweise
im Bereich von wenigen hundert oder gar ein paar tausend Euro; bei größeren
Grabungen in fundreichen Fundstellen sogar leicht im Bereich zehntausender,
wenn nicht gar hunderttausender Euro liegen kann. Das ist selbst dann kein geringer
Wert mehr, wenn man vernachlässigt, dass – wenn auch nur sehr selten – auch bei
Grabungen Funde entdeckt werden können, die schon als Einzelstück (wie z.B. der
Pferdekopf von Waldgirmes) auch einmal über eine Million Euro wert sein können.
Es ist allerdings höchst fragwürdig, ob man den
wirtschaftlichen Wert des Fundmaterials einer archäologischen Ausgrabung überhaupt
sinnvoll dadurch bestimmen kann, dass man den Marktpreis des durchschnittlichen
Einzelfundes schätzt: schließlich werden die bei archäologischen Ausgrabungen
entdeckten Funde in aller Regel nicht als Einzelstücke am Kunst- und
Antikenmarkt feilgeboten. Aufgrund des in praktisch allen archäologischen
Fachethiken (z.B. WSVA 2010, 4-5; EAA 2022, 5-9; CIfA 2022, 4-5) zu findenden
expliziten Verbots, Grabungen zum Zweck der wirtschaftlichen Verwertung des
Fundmaterials durch dessen Verkauf durchzuführen, ist ein derartiger „Einzelhandel“
mit Grabungsfundmaterial de facto sogar völlig ausgeschlossen: die
„Produzenten“ von Grabungsfundmaterials weigern sich schließlich systematisch,
die „Produkte“ ihrer Arbeit am „freien Markt“ zu verkaufen.
Es scheint daher weit zielführender und auch sachlich
richtiger, den wirtschaftlichen Wert des Grabungsfundmaterials entsprechend der
klassischen Volkwirtschaftslehre nach Adam Smith (1776) anhand der für ihre
Gewinnung aufgewendeten Arbeit bzw., in Geldwert umgerechnet, ihrer „Herstellungskosten“
zu bestimmen. Das entspricht schon allein deshalb weit besser der tatsächlichen
Sachlage, als die Gewinnung des Grabungsfundmaterials in aller Regel alles
andere als kostenlos ist: schließlich müssen die „Unternehmen“, durch
die archäologische Grabungen durchgeführt werden, die anfallenden Kosten bezahlen;
egal wer diese letztendlich trägt.[39]
Und es entspricht auch insofern weit besser der Sachlage, als diese Grabungen
eben gerade nicht zum Zweck, Funde für den profitausgerichteten, stückweisen
Verkauf im Einzelhandel zu gewinnen, durchgeführt werden, sondern um das in der
Kombination von Grabungsdokumentation und Fundmaterial liegende
wissenschaftliche Erkenntnispotenzial (im Fall dessen sonstiger Zerstörung
durch andere Ursachen als die Ausgrabung) möglichst unversehrt zu erhalten und auch
(wenigstens hypothetisch) tatsächlich nutzbar zu machen.[40]
Der wirtschaftliche Wert jedes einzelnen Fundstücks, jeweils „für sich
genommen“, ist daher völlig unerheblich, weil – wenigstens primär – die
Nutzung des gesamten bei der Grabung entdeckten Fundmaterials samt der damit
verbundenen Dokumentation „in ihrer Gesamtheit“ (ob nun jetzt oder
später) der eigentliche Zweck der Durchführung der Grabung ist.
Betrachtet man also die Grabung, wie man es aufgrund ihres
klaren Zweckes bei der gebotenen sachlichen Betrachtung auch muss, „in ihrer
Gesamtheit“, lässt sich auch der wirtschaftliche Wert des dabei entdeckten
Fundmaterials ganz leicht bestimmen; ja sogar dessen Verkehrswert bzw. Preis am
„freien Markt“: er ist, in Geldwert ausgedrückt, genau das, was der (ob das nun
eine natürliche oder eine juristische Person oder auch eine sich wie auch immer
zusammensetzende Kombination mehrerer oder gar vieler davon ist), der
letztendlich die durch die betreffende Grabung verursachten Kosten – samt aller
allfälligen Neben- und Folgekosten wie jener für eine allfällige „dauernde
Verwahrung“ des dabei entdeckten Fundmaterials – trägt, dafür in Summe ausgibt.
Dieser Preis wird auch tatsächlich durch Angebot und Nachfrage geregelt und ist
genau das, was es dem, der die dafür anfallenden Kosten letztendlich trägt,
auch tatsächlich wert ist; er bezahlt schließlich genau diesen Preis dafür,
dass die Grabung durchgeführt (und gegebenenfalls das dabei entdeckte
Fundmaterial „dauernd verwahrt“)
wird.
Dieser wirtschaftliche Wert lässt sich auch wenigstens
ungefähr abschätzen, weil es jedes Jahr in Österreich etwa 700 bewilligte
Grabungen gibt, für die irgendwer letztendlich bezahlt; ob jetzt weil er das
aus denkmalrechtlichen Gründen muss, um ein (anderes) Projekt, das er
verwirklichen möchte, verwirklichen zu dürfen und können, oder ob rein
freiwillig, weil er ein wissenschaftliches Forschungsinteresse damit
befriedigen möchte. Zu beziffern ist dieser wirtschaftliche Wert derzeit
durchschnittlich mit geschätzt ca. € 100.000 pro 100 m3 ausgegrabener
Stratifikation.[41] Dazu
kommen in Zukunft (wenn die Pflicht dazu vor den VfGH halten sollte) – bei einem
geschätzten Anteil von ca. 3% Fundmaterial im Aushubvolumen[42]
– durchschnittlich weitere geschätzt ca. € 90.000 für dessen „dauerhafte
Verwahrung“. Selbst wenn man das auf den Kubikmeter ausgehobene
Stratifikation[43]
herunterbricht, ist das schon derzeit ein wirtschaftlicher Wert von € 1.000; rechnet
man dazu dann ab September 2024 auch noch die Kosten der „dauerhaften
Fundverwahrung“, landet man bei 3% Fundanteil im Aushubvolumen[44]
bei € 1.918.[45]
Das sind Beträge, die sicherlich nicht mehr als „geringer“
wirtschaftlicher Wert zu betrachten sind: schließlich bekommt man um dieses
Geld schon recht problemlos einen halbwegs brauchbaren Gebrauchtwagen; und ab
etwa 6 m3 Aushubvolumen sogar schon einen Neuwagen.
Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle
angemerkt, dass man auf dieser Basis nun natürlich auch den wirtschaftlichen
Wert eines jeden einzelnen Fundstücks errechnen könnte und dabei zu einem
durchschnittlichen Stückpreis pro Fund kommen würde, der ebenfalls „nur“ im
Bereich von irgendwo zwischen ein paar und ein paar zehn Euro liegen würde;
also bei einem geringen Wert pro jeweils „für sich genommen“
betrachteten Fund. Aber das wäre eben völlig irreführend, weil der, der für die
Grabung samt ihren Folgekosten bezahlt und dem ab September 2024 durch die gesetzliche
Verpflichtung zur „dauernden Fundverwahrung“ auch die Kosten für die „dauerhafte
Erhaltung“ seines (Fund-) Eigentums, das jedoch seiner rechtlichen und
tatsächlichen Verfügungsgewalt (wenigstens de facto) vollständig entzogen wird,
aufgebürdet werden sollen, ja nicht Funde einzelstückweise ankauft. Der muss
vielmehr für die Grabung samt deren Folgekosten „in ihrer Gesamtheit“
bezahlen, wenn er nicht ganz auf das Projekt, das er umsetzen will oder muss –
egal ob es sich dabei nun um ein Bau-, ein wissenschaftliches Forschungsprojekt,
eine Lehrveranstaltung zur praktischen Ausbildung von angehenden
Archäolog*innen in der Grabunsmethodik, oder ein beliebiges sonstiges Projekt
handelt, zu dessen Verwirklichung die Grabung erforderlich ist – verzichten
will.
Was der einzelne Fund jeweils „für sich genommen“
wirtschaftlich wert ist, ist also völlig irrelevant. Dass die Kosten einer
archäologischen Ausgrabung alles andere als gering und daher auch der
wirtschaftliche Wert ihrer Durchführung und des dadurch erzeugten Produkts –
der Grabungsergebnisse samt des zu diesen dazugehörenden Fundmaterials –
bedeutend, wenn nicht sogar sehr hoch sind, müssen die Autor*innen des
Gesetzestextes und der zugehörigen Erläuterungen ebenso wissen, wie dass der
Eigentümer der Grabungsfunde diese nicht auf Einzelstückbasis in der von ihm
benötigten Menge kauft.
Sie konnten daher bei sachgerechter Betrachtung des im Fall
einer bewilligten Grabung maßgeblichen Sachverhalts nicht zum Schluss kommen, dass
die dabei entdeckten Funde, die nach Abschluss der Grabung von einer „lokalen
Trägerorganisation“ oder dem BDA selbst „dauerhaft verwahrt“ werden und
somit der Verfügungsgewalt ihres Eigentümers de facto vollständig entzogen
werden sollen, „von keinem oder nur sehr geringem wirtschaftlichen Wert“
wären. Ganz im Gegenteil: bei realistischer Betrachtung der Kosten, die – auch
den Autor*innen des Gesetzes tatsächlich bekanntermaßen – für die Erzeugung der
Ergebnisse einer Grabung inklusive des dabei entdeckten Fundmaterials anfallen,
hätten sie ausschließlich zu dem Schluss kommen können, dass deren „wirtschaftlicher
Wert“ – vor allem für den diese Kosten tragen müssenden Betroffenen –
jedenfalls sehr erheblich, wenn nicht sogar prohibitiv hoch ist.
Aber statt diese unbestreitbare Tatsache in den
Erläuterungen (RV 2024, 9) korrekt darzustellen – und sei es nur, indem sie den
tatsächlich hohen oder sogar sehr hohen wirtschaftlichen Wert der Grabung
(inklusive des dabei entdeckten Fundmaterials) „in ihrer Gesamtheit“ mit
dem (wenigstens ihren Angaben nach) „hohe[n] wissenschaftlichen Wert“
der Grabungsergebnisse (inklusive des zu diesen gehörenden Fundmaterials) „in
ihrer Gesamtheit“, also wenigstes Gleiches mit Gleichem verglichen hätten –
haben sie diese Tatsache verschwiegen und stattdessen durch einen logisch
ebenso wie sachlich völlig unzulässigen Vergleich des (angeblich hohen)
wissenschaftlichen Gesamtwerts aller Funde mit deren (tatsächlich) relativ
geringen wirtschaftlichen Einzelstückwert den irreführenden Eindruck zu
erwecken versucht (und wohl auch, wenigstens bei den am Steuer schlafenden
Politikern, erfolgreich erweckt), dass die Funde zwar wirtschaftlich praktisch
wertlos aber wissenschaftlich dafür enorm wertvoll wären.
Das kann nun aber schon gar nicht mehr ein harmloser Irrtum
gewesen sein: es handelt sich dabei um einen nachgerade klassischen Sophismus, um
ein geschickt konstruiertes, aber inhaltlich falsches Argument, das die Zuhörer
von der tatsächlichen Richtigkeit der darin erhobenen Behauptungen überzeugen
soll, obwohl der, der es führt, weiß, dass das, was er behauptet, unwahr ist. Wie
es Karl Schmitt in „Der Begriff des Politischen“ in Hinblick auf die
(für die [archäologische] Denkmalpflege auch nachgerade charakteristische) rhetorische
Berufung auf „die Menschheit“ gesagt hat, wer ein derartiges Argument
benutzt, der „will betrügen“ (Schmitt 2015, 51).
Totalitäre archäologische Erhaltungsideologie und Raubarchäologie
Ich habe mich im ersten Teil dieses Beitrags etwas genauer
mit der „Raubarchäologie“ des Dritten Reichs auseinandergesetzt, unter anderem
anhand eines sehr konkreten, österreichischen Beispiels der Beraubung –
zugunsten des NHM – des professionellen jüdischen Ausgräbers, Kunsthändlers und
Privatsammlers Robert Wadler kurz nach dem Anschluss im Jahr 1938 durch den ebenda
beschäftigten Archäologen Dr. Eduard Beninger, der schon seit 1934 österreichischer
Landesleiter des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte war. Die
archäologischen Haupttäter begründeten die von ihnen betriebene
„Raubarchäologie“ selbst noch in den 1960ern explizit als „vorgeschichtlichen
Denkmalschutz“ bzw. mit der "Notwendigkeit", archäologische Funde vor der Gefahr des
sonstigen Abhandenkommens zu retten. Nachdem (sowohl) die österreichische (als auch
die deutsche) Archäologie nach Kriegsende nie ernsthaft entnazifiziert wurde
und das Fach sich seither als „Opfer“ des „politischen Missbrauchs“ dargestellt
und nicht analysiert hat, warum viele Archäologen zu willigen Tätern wurden, habe
ich darauf hingewiesen, dass die Gefahr besteht, dass sich die Denkmuster, die
zur Nazi-„Raubarchäologie“ geführt haben, bis in die Gegenwart perpetuiert
haben könnten.
Im zweiten Teil habe ich anhand der Ergebnisse einer kleinen
Umfrage und des ganz konkreten Beispiels der neuen Regelung der „dauernden
Fundverwahrung“ des Fundmaterials bewilligter Ausgrabungen durch die gerade
vom österreichischen Nationalrat beschlossene Novelle des DMSG gezeigt, dass
„das Fach“ und die „archäologische Denkmalpflege“ auch in der Gegenwart das
Grund- und Menschenrecht einzelner Staatsbürger auf Eigentum nicht respektieren,
wenn dieses ihrem Ziel entgegensteht, die exklusive, willkürliche Verfügungsgewalt
über „archäologische Sachen“ zu erhalten. Dabei endet erschreckenderweise die
Bereitschaft der archäologischen Denkmalpflege, auf das Eigentum von Staatsbürgerinnen
zum (angeblichen) „Wohl der Denkmale“ zuzugreifen, nicht einmal bei den
„archäologischen Denkmalen“ selbst; sondern sie will sogar Zugriff auf das
sonstige Privatvermögen der Betroffenen: nicht nur soll dem Eigentümer eines
„archäologischen Denkmals" dieses selbst und vor allem die
Verfügungsgewalt darüber völlig entzogen, er also (materiell) enteignet werden.
Er soll seinen Enteigner dafür sogar noch aus seinem sonstigen Vermögen
„entschädigen“, statt – wie eigentlich durch Gesetz, Verfassung, Europa- und
Völkerrecht vorgesehen – vom Enteigner für sein entzogenes Eigentum entschädigt
zu werden!
Im dritten Teil habe ich schließlich gezeigt, mit welchen Verschleierungs-
und Täuschungsmanövern die Autor*innen des Textes von Novelle und Erläuterung
(RV 2024) – die zweifellos im BDA (und in sehr geringem Maß vielleicht auch
noch im diesem vorgesetzten Ministerium) selbst zu lokalisieren sind – die
Tatsache, dass die Bestimmung zur „dauernden Fundverwahrung“ eine krass
rechts-, verfassungs-, europa- und völkerrechtswidrige entschädigungslose
Enteignung ist, für die der Enteignete seinen Enteigner auch noch bezahlen soll,
vor dem Gesetzgeber verbergen. Ich habe des weiteren gezeigt, dass sie den
Gesetzgeber durch gezielt irreführende Verwendung von Sophismen vorsätzlich
über die tatsächlich bestehenden Sachverhalte im konkret betroffenen
Regelungsbereich (erfolgreich) zu täuschen versuchten, um bei diesen den
fälschlichen Eindruck zu erwecken, dass die legistische Maßnahme, die die
Verfügungsgewalt über und die „archäologischen Sache“ selbst deren Eigentümer
entzieht und die Kontrolle darüber der behördlichen Willkür unterwirft, die
Betroffenen ohnehin überhaupt nicht signifikant schädigen würde, während sie
gleichzeitig für „das Fach“ unbedingt erforderlich wäre.
Das zeigt, dass – wenigstens in der Gegenwart – nicht etwa
eine totalitäre politische Bewegung „die Archäologie“ und „die archäologische
Denkmalpflege“ instrumentalisiert und zu ihren Zwecken missbraucht, sondern
umgekehrt die Vertreter „des Faches“ bzw. der „staatlichen archäologischen Denkmalpflege“
das politische System und ihre Positionen im Verwaltungsapparat des Staates
aktiv zu ihren eigenen Zwecken missbrauchen. Das wiederum legt nahe –
insbesondere in Anbetracht der Selbstrechtfertigung der archäologischen
Haupttäter für die von ihnen während des Dritten Reichs betriebene
„Raubarchäologie“, nämlich dass diese für den „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz“
(Jankuhn, 14.5.1963; zitiert bei Kater 2006, 155) bzw. „die
wissenschaftliche Sicherung prähistorischer Funde“ (Pittioni 10.11.1951;
siehe Friedmann 2013, 84) erforderlich gewesen wäre – dass auch während des
Dritten Reichs „das Fach“ bzw. dessen Vertreter in der „staatlichen archäologischen
Denkmalpflege“ das politische System und ihre Positionen im Verwaltungsapparat
des Nazi-Staates aktiv für ihre eigenen Zwecke (eben: die „Raubarchäologie“) missbraucht
haben – auch wenn während des Dritten Reichs (im Unterschied zu heute) dieser
Missbrauch natürlich ein gegenseitiger war; also die NSDAP die Archäologie und
archäologische Denkmalpflege tatsächlich auch für ihre politischen Zwecke
instrumentalisiert und damit missbraucht hat.
Das wiederum weist, vor allem in Anbetracht der Tatsache,
dass das „Programm“ von Hans Reinerth (1932; 1933) für die „nationalsozialistische“
Neugestaltung der Archäologie inhaltlich nicht nur damals aus fachlicher Sicht eigentlich
unkontroversiell war, sondern auch im Wesentlichen – d.h. mit nur marginalen
Änderungen[46] –
den wichtigsten gegenwärtigen Forderungen und Wünschen „des Faches“ entspricht,
sehr stark darauf hin, dass die Ideologie, die für die „Raubarchäologie“ des
Dritten Reichs hauptverantwortlich war, nicht die politische Ideologie der
NSDAP war, sondern die fachliche Ideologie der Archäologie. Und es weist die
Tatsache, dass der österreichische Gesetzgeber gerade ein
„Raubarchäologie-Ermächtigungsgesetz“ beschlossen hat, das dem „Verwaltungsdenken
des totalitären Staates“ entsprungen ist, das „der staatlichen
Lenkungsbefugnis“ und den „vermeintlichen Staatsinteressen unbedingten
Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers“ einräumt und „Grundrechte“
missachtet (BVerfGE 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34-35), darauf hin, dass auch in
der Gegenwart die Ursache dafür die fachliche Ideologie ist.
Es gibt nämlich keinen Grund anzunehmen, dass die
Autor*innen des neuen Gesetzestextes des DMSG und der zugehörigen Erläuterungen
(RV 2024) Nazis oder der politischen Ideologie des Nationalsozialismus in
irgendeiner Weise zugetan wären. Gründe dafür, anzunehmen, dass sie (noch dazu
völlig unreflektiert) einer ganz bestimmten fachlichen Ideologie folgen (implizit
erkenntlich aus Pollak 2011, 227) – nämlich der des insbesondere auf John
Ruskin (1849) zurückgehenden Erhaltungs-Paradigmas der (archäologischen) Denkmalpflege
(Holtorf 2014) bzw. des AHD (cf. Smith 2006) – gibt es hingegen in
überwältigender Menge. Und diese fachliche Ideologie ist, von ihrer Struktur
als auch von ihrem Inhalt her, eine ebenso inhärent totalitäre Ideologie wie
jene des Nationalsozialismus, des Kommunismus oder fundamentalistischer theokratischer
politischer Ideologien.
In ihrer wegweisenden Studie über
totalitäre Bewegungen stellen Carl J. Friedrich und Zbigniew K. Brzezinski
fest, dass die für eine solche stets typische totalitäre Ideologie im
demokratischen Kontext ihrer Entstehung betrachtet und analysiert werden muss
und
„… aus einer offiziellen Doktrin besteht, die radikal die bestehende in den Begrifflichkeiten eines chiliastischen Vorschlags für eine neue Gesellschaft ablehnt. Sie enthält stark utopische Elemente, eine Art Vorstellung eines Paradieses auf Erden. Diese utopische und chiliastische Perspektive totalitärer Ideologien gibt ihnen eine pseudo-religiöse Beschaffenheit.“[47] (Friedrich & Brzezinski 1965, 25-6).
Das archäologische Erhaltungsparadigma beruht auf zwei (sinngemäß
auf Ruskin 1849 zurückgehenden) kategorischen Imperativen (Kant 1778, 28), aus
denen sich sowohl die radikale Ablehnung der derzeitigen und der chiliastische
Vorschlag für eine neue und die paradiesische Zustände auf Erden versprechende
Utopie für Archäolog*innen ergeben. Diese kategorischen Imperative sind:
1.
„archaeologia res communis universalis extra commercium est”,198F[48] und
2.
„nullus (nisi archaeologi) effodere potest“199F[49]
Das Versprechen dieser beiden
kategorischen Imperative des archäologischen Erhaltungsparadigmas ist, dass
Archäolog*innen uneingeschränkte Herrschaft über archäologische Angelegenheiten
ausüben und dadurch „zukünftigen Generationen“ „der Menschheit“
die „archäologischen Denkmale“ „unverändert erhalten“ werden, wofür
ihnen diese unendlich dankbar sein werden. Das Denkmal für ihre Mühen, die
Leistung, die diese künftigen Generationen ganz im Sinne Ruskins (1849,
237-238) genauso dauerhaft erhalten werden müssen wie heutige Archäolog*innen
die Kulturleistungen unserer Vorfahren, sind die Denkmale, die sie erhalten
haben, damit diese künftigen Generationen sie für noch fernere, künftigere
Generationen erhalten können, ad infinitum. Das ist das
archäologisch-denkmalpflegerische Utopia.
Menschen, insbesondere
derzeit lebende Menschen und deren individuelle Rechte, haben einfach keinen
Platz in diesem großen Plan für eine glorreiche Zukunft der unverändert für
eine noch zukünftigere Zukunft erhaltenen archäologischen Denkmale. Ganz im
Gegenteil, sie sind jene gegenwärtige Gesellschaft, die durch die offizielle
Doktrin der Ideologie radikal abgelehnt wird; sie sind die Bedrohung für das
archäologische Utopia, und insbesondere für die uneingeschränkte
Herrschaftsbefugnis derzeitiger Archäolog*innen über alle derzeitigen
archäologischen Belange, die unabdingbar erforderlich ist, um das
archäologische Utopia schaffen zu können. Die Menschen, insbesondere die
derzeit lebenden Menschen müssen daher lernen, ihren archäologischen „Philosophen-Königen“
(Prantl 1857; Watzlawick 2001, 102-103) zu „gehorchen“ (Rączkowski 2011, 206; cf.
Friedrich & Brzezinski 1965, 155-60, insbesondere 157); oder sind
der Feind „der Menschheit“, dem „die Qualität des Menschen abgesprochen“
(Schmitt 2015, 51) wird und der mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft werden
darf und sogar muss. Denn für das “Wohl der Archäologie” unter dem
archäologischen Erhaltungsparadigma ist „der Einzelne […] nichts, […]
die Gemeinschaft“ hingegen „alles“ (Jarass & Pieroth 2016, 41).
Diese Ideologie ist natürlich
nicht nur in extremem Maß inhärent demokratiefeindlich, sie ist auch
verfassungs-, europa-, völker- und insbesondere menschen(rechts)feindlich; und natürlich
– und das macht sie, als ob der Rest nicht schon genügen würde, endgültig
pervers – auch ganz besonders wissenschaftsfeindlich. Denn sie ist – als
dogmatisch vertretene, pseudo-religiöse Irrlehre – natürlich auch völlig
evidenzresistent und kritikunfähig. Und sie ist natürlich insbesondere wenn die
(wissenschaftlich) beobachtbare Wirklichkeit dem widerspricht, was von der
Ideologie zur ewigen Wahrheit erklärt wurde, zur aktiven Unterdrückung der freien
Wissenschaft und ihrer Ergebnisse gezwungen (siehe dazu auch, weil auch das ein
Charakteristikum totalitärer Systeme ist,
Friedrich & Brzezinski 1965, insbesondere 316-328). Das richtet dann
in der Praxis – siehe den Mythos der „unveränderten Erhaltung in situ“, die
bekanntermaßen überhaupt nicht möglich ist und, wenn sie doch (im Endeffekt
stets nur am Papier) durchzusetzen versucht wird, nur die wissenschaftliche Erforschung
der „archäologischen Denkmale“ wenigstens massiv be-, wenn nicht sogar gänzlich
verhindert – sogar massiven realen Schaden an gerade dem an, das den Postulaten
der Ideologie zufolge „geschützt“ oder „gerettet“ werden soll; also sowohl an
„den Quellen“ der archäologischen Wissenschaft, wie auch an ihren Ergebnissen,
und natürlich nicht zuletzt am tatsächlichen (und nicht nur vermeintlichen)
„Allgemeinwohl“ – nämlich der den „obersten Verfassungswert“ (z.B.
BVerfGE 109, 279/311) demokratischer Gesellschaften darstellenden „Menschenwürde“ (Präambel AEMR; UN 1948).
Wie in diesem Beitrag gezeigt wurde, ist es also nicht so,
dass Archäolog*innen dadurch zur „Raubarchäologie“ verleitet werden, dass sie
einer externen politischen Strömungen folgen; also sozusagen durch „schlechte
Einflüsse“ von außerhalb „des Faches“, sei es durch politische Extremisten oder
religiöse Fanatiker, verdorben werden. Sie betreiben vielmehr – wenn die
Politik ihnen das erlaubt; sei es weil sie sich selbst einen Vorteil davon
verspricht, oder sei es, weil sie von Fachvertreter*innen dazu betrogen werden
kann – „Raubarchäologie“ deshalb, weil sie der (seit der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts dominanten) archäologischen und denkmalpflegerischen Fachideologie
anhängen, die zwar nicht die politische Ideologie der Nazis oder
kommunistischer Parteien oder die religiöser Fundamentalisten ist, aber genauso
inhärent totalitär wie ebendiese.
Würde man also „den Anfängen“ totalitärer Archäologie
„wehren“ wollen, dann ist es dafür schon lange viel zu spät. Denn wir
sind nicht mehr bei den Anfängen, sondern von Anfang unseres Faches und unserer
denkmalpflegerischen Bemühungen ab schon meilenweit über diese Anfänge hinaus.
Wollen wir also keine totalitäre Archäologie, sondern – wie
es z.B. die EAA in ihrem Code of Practice (unter 1b.i, als 4. Punkt unter 1c.ii,
EAA 2022), in ihren Prinzipien (unter 2b.1, wenn auch explizit nur bezogen auf
menschliche Überreste, nicht lebende Menschen; EAA 2022) und in ihrem „Bern Statement“ (EAA 2019) gleich
vielfach ausdrückt – „das gemeinsame Ziel Europas: friedliche und stabile
Gesellschaften, die ihrerseits auf der Achtung der Menschenrechte, geistiger
und akademischer Freiheit, Demokratie, kultureller Vielfalt und
Rechtsstaatlichkeit beruhen“ (EAA 2019, 1) zu verwirklichen helfen, dann
müssen wir unsere Ideologie, das Fach und die archäologische Denkmalpflege, und
zwar wirklich, sowohl in der Theorie als auch der Praxis, ganz fundamental
ändern. Denn tun wir das nicht, dann macht uns das zwar nicht zu Nazis, aber
trotzdem nur unmaßgeblich besser als jene Archäolog*innen, die zu den
Haupttätern der archäologischen Verbrechen des Dritten Reichs gehören; und akut
gefährdet, deren Fehler – wenn auch vielleicht nicht mit genau derselben rücksichtslosen
Brutalität, wenigstens nicht, solange uns jemand anderer,
verantwortungsvollerer wenigstens von den ärgsten Exzessen abhält – jederzeit
zu wiederholen.
Die Entscheidung und die Verantwortung dafür liegt bei jedem
Einzelnen von uns.
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[1] Dass
der Tod Robert Wadlers – auch wenn die ausführende Hand letztendlich seine
eigene war – kein „Freitod“ war, sondern als eiskalter Judenmord zu betrachten
ist, braucht in Anbetracht des Holocausts wohl nicht näher begründet zu werden:
was Wadler nach dem Scheitern seines Ausreiseversuchs (lies: seiner Flucht)
bevorstand, war nicht nur ihm, sondern wohl auch seinen Zeitgenossen wie
Beninger und ist jedenfalls heute jedem auch nur halbwegs verständigem Menschen
völlig klar.
[2]
Reinerths Vorstellung nach im Sinne der Nazi-Ideologie primär mit den
„nordischen Ländern“; aber hier hätte sich mit Sicherheit auch leicht eine
Kompromissformel finden lassen, die auch jene Kollegen zufrieden gestellt
hätte, die nicht gerade mit „nordischen“ Ländern, aber dennoch mit
ausländischen Kollegen kooperieren wollten.
[3] Alles
Forderungen, die man noch heute in ähnlicher Form bei jeder Verbandstagung der
Altertumsverbände Deutschlands hört und für die man dort auch heute noch breite
Unterstützung fände.
[4] Ein
Protest, der wohl ausgeblieben wäre, wenn Reinerth die Rolle des „Führers“ des
Reichsinstituts (und sei es nur vorerst) Gero von Merhart als dem
etabliertesten und allgemein höchst angesehenen Vorgeschichtler und Inhaber des
ersten Lehrstuhls für dieses Fach an einer deutschen Universität angeboten
hätte.
[5] Übersetzung: Autor; im englischen
Original: ‘… why outstanding scholars (Jankuhn, for example […]) took
part in the plundering of cultural artefacts’ (Haßmann 2000, 107).
[6]
Handlungen, die selbst wenn man beiseite lässt, dass die damaligen fachlichen
Standards und ethischen Grundsätze in Hinblick darauf, dass Kulturgüter nicht
aus ihrem „Herkunftsland“ entfernt werden sollten, noch deutlich anders waren
als die Standards der meisten heute tätigen Archäologen, auch schon damals
offensichtlich höchstgradig unethisch waren.
[7]
Gemeint ist damit sowohl die „deutsche“ Vorgeschichte selbst, also die
Vergangenheit (bzw. wenigstens die Narrative über sie), als auch deren
Erforschung, d.h. die Fachgemeinschaft der Vorgeschichtsforscher, die
gleichermaßen – so erforderlich auch mit Gewalt – dem Willen Reinerths bzw. den
Vorstellungen der NSDAP unterworfen bzw. damit „gleichgeschaltet“ werden
sollten.
[8]
Dass sich daraus für diese Täter eventuell mittelbar dennoch auch konkrete
wirtschaftliche Vorteile (wie bezahlte Stellen, mehr Geld für ihre eigenen
Forschungen, usw.) ergaben bzw. sie sich diese wenigstens erhofften, versteht
sich von selbst; ist aber etwas ganz anderes als eine direkte, wirtschaftliche
Selbstbereicherungsabsicht. Ebenso versteht sich von selbst, dass nicht wenige
der beteiligten Archäologen dabei auch durchaus ihre eigenen Interessen nicht
nur verfolgten, sondern diesen – z.B. in der schon erwähnten Auswahl, welche
Sachen sie raubten, also hauptsächlich jene, die ihren eigenen
Forschungsinteressen dienlich sein konnten – die höchste Priorität einräumten;
aber auch das ist etwas ganz anderes als eine direkte, wirtschaftliche
Selbstbereicherung.
[9]
Ganz im Gegensatz zur populären (z.B. auch in populären Hollywood-Filmen wie
„Monuments Men“ wenigstens unterschwellig propagierten) Vorstellung, dass „böse
Nazis“ wirtschaftlich wertvolle Kunstgegenstände aus den besetzten Gebieten
raubten, um sich persönlich zu bereichern oder sich wenigstens für nach dem
Kriegsende finanziell abzusichern – auch wenn es sicher auch solche Fälle
gegeben hat.
[10]
Siehe dazu schon die Kernaussage der Denkmalschutzphilosophie von John Ruskin
zum Umgang mit Denkmalen: „We have no right whatever to touch them. They are not ours. They belong
partly to those who built them, and partly to all the generations of mankind
who are to follow us. The dead still have their right in them: that which they
laboured for, the praise of achievement or the expression of religious feeling,
or whatsoever else it might be which in those buildings they intended to be
permanent, we have no right to obliterate. What we have ourselves built, we are
at liberty to throw down; but what other men gave their strength and wealth and
life to accomplish, their right over does not pass away with their death: still
less is the right to the use of what they have left vested in us only. It
belongs to all their successors.“ (Ruskin 1859, 237-238; Hervorhebung: im Original).
[11]
Zudem regelt allerdings auch § 365 ABGB – wenn auch nur einfachgesetzlich –
dass „[w]enn es das allgemeine Beste erheischt, […] ein Mitglied des
Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige
Eigenthum einer Sache abtreten“ muss; sieht also ebenfalls eine Pflicht zur
gerechten Entschädigung des Enteigneten durch den Staat für eine im
„öffentlichen Interesse“ gelegene Enteignung vor.
[12]
Siehe dazu explizit den Langtitel der Stammfassung des österreichischen
Denkmalschutzgesetzes von 1923, der vollständig „533. Bundesgesetz vom 25.
September 1923, betreffend Beschränkungen in der Verfügung über Gegenstände von
geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung
(Denkmalschutzgesetz)“ lautete.
[13]
Erstens: füge keinen Schaden zu!
[14]
Hier ist besonders zu beachten, dass beide dieser Richtungen nichts mit einer
bestimmten politischen Ideologie zu tun haben: totalitäres Denken findet sich
sowohl in politisch „rechten“ Ideologien wie jener der Nazis; politisch
„linken“ wie jener des Kommunismus; aber auch fundamentalistischen religiösen
Ideologien usw. Auch eine denkmalpflegerische Ideologie wie z.B. die des AHD
(Smith 2006, 29-34) kann daher mit totalitärem Denken kombiniert werden bzw.
ist solchem im konkreten Fall sogar förderlich, weil unter den Prämissen des
AHD einzig eine Expertenelite dazu fähig ist, richtig zu erkennen, was „für die
Denkmale“ notwendig und daher „das Beste“ für „das Allgemeinwohl“ ist, und
daher – eben um „das Beste“ für „die Denkmale“ und damit auch für „das Allgemeinwohl“
zu erreichen – sowohl dazu ermächtigt als auch dazu verpflichtet ist,
denkmalpflegerische Entscheidungen unter Ausschluss aller – eben nicht „das
Beste“ für „die Denkmale“ und daher „das Allgemeinwohl“ erkennen könnenden –
Anderen zu treffen und auch mit Staatsgewalt durchzusetzen. Dem AHD ist also
jenes wenigstens oligarchische, wenn nicht sogar autokratische Denken inhärent,
das eine unabdingbare Voraussetzung für totalitäres Denken ist. Das gleiche
gilt umgekehrt auch für die entgegengesetzte Richtung: der Libertarismus wird
schließlich gewöhnlich als „rechte“ politische Ideologie gesehen, während der
Anarchismus als „linke“ politische Ideologie gilt; beide lehnen aber in ihrer
Extremform gleichermaßen jedes Eingriffsrechts des Kollektivs in die
individuelle Freiheit des Einzelnen ab, zu tun und zu lassen was auch immer er
will.
[15]
Wenn man einmal von der in der Fachliteratur gelegentlich geäußerten, „rein
vernünftigen“ (im Sinne von Kant 1781) und daher (wie schon Kant 1781 gezeigt
hat) unzulässigen Spekulation absieht, dass rein hypothetisch aus jedem Fund
mit derzeit noch völlig unbekannten zukünftigen Methoden vielleicht irgendwann
einmal doch irgendeine und vielleicht sogar eine wichtige Erkenntnis gewonnen
werden könnte. Dass es sich dabei gleichzeitig um eine nicht falsifizierbare
(Popper 1994), somit höchstgradig unwissenschaftliche und daher auch völlig
belanglose Behauptung handelt, sei nur am Rande erwähnt.
[16]
Laut den Erläuterungen (RV 2024, 9) entfällt die „bisherige Fiktion, dass
archäologische Funde zivilrechtlich stets als Schatzfunde gemäß §§ 399 ABGB zu
behandeln sind“; d.h. es ist ab 1.9.2024 der Verkehrswert jedes einzelnen
Fundes zu bestimmen. Sofern dieser über der bisher nicht ausjudizierten
Wertgrenze liegt, die ihn zu einer „Kostbarkeit“ und somit einem Schatz
iSd § 398 ABGB machen, geht er gem. § 399 unmittelbar mit seiner Entdeckung ins
hälftig geteilte Eigentum von Finder und Grundeigentümer über, wobei der
Eigentumserwerb durch den Grundeigentümer gegebenenfalls auch ohne dessen
Wissen und Willen erfolgt (OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90).
Liegt der Verkehrswert eines Fundes hingegen unter dieser Grenze aber über €
10, dann entsteht dem Finder alleiniges Eigentum; und zwar iSd §§ 397 iVm 395
ABGB erst ein halbes oder gar ein Jahr nachdem er der Fundmeldepflicht gem. §
390 ABGB nachgekommen ist; bzw. wenn sein Verkehrswert € 10 oder weniger
beträgt und der Fund somit unter die Ausnahme von der zivilrechtlichen
Fundmeldepflicht des § 391 Abs. 2 ABGB fällt, ein Jahr nach der Entdeckung der
Funde. Die Fundeigentumsregelung wird also einigermaßen kompliziert werden.
[17] https://www.ironmountain.com/de-at
[21.3.2024].
[18]
Bei tatsächlich ernsthaft konservatorisch betreuter Lagerung in einer
Einrichtung eines auf Langzeitarchivierung spezialisierten Unternehmens ist
hier pro m3 Fundmaterial derzeit sicherlich wenigstens mit jährlich
€ 1.000 Lagerkosten zu rechnen, eventuell sogar deutlich mehr.
[19]
Wenigstens sofern sie nicht durch einen Dritten iSd § 401 ABGB „zur
Aufsuchung eines Schatzes gedungen worden“ sind; wobei – nachdem die bisher
bestehende gesetzliche Fiktion des § 10 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I Nr. 170/1999,
dass alle Funde von Bodendenkmalen Schatzfunde iSd § 398 ABGB sind, nunmehr
aufgegeben wurde – die bloße Beauftragung mit „Nachforschungen nach
archäologischen Denkmalen“ (geschweige denn nach „archäologischen
Funden“) nicht mehr automatisch eine Beauftragung „zur Aufsuchung eines
Schatzes“ ist und somit – wenigstens sofern dies zwischen diesem und seinem
Auftraggeber nicht vertraglich anders geregelt ist – der Inhaber der
Grabungsgenehmigung bzw. eventuell sogar die Arbeitskraft, die den Fund
tatsächlich entdeckt hat, (siehe dazu auch OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990,
13Os64/90) „Finder“ iSd § 389 Abs. 1 ABGB ist.
[20] Ob
der Finder bezüglich der von ihm entdeckten geringwertigen Funde auf diesen
Eigentumstitel verzichten kann (und was das für Rechtsfolgen nach sich zieht)
ist bisher nicht ausjudiziert; nachdem aber § 395 ABGB ein Verzichtsrecht
(wenigstens nicht explizit bzw.) nicht vorsieht, ist wenigstens bis zu einer
allfälligen, gegenteiligen Entscheidung der Gerichtsbarkeit davon auszugehen,
dass analog zum im Falle eines Schatzfundes auch ohne Wissen und Willen
automatisch vollzogenen Erwerb des Hälfteeigentums durch den Grundeigentümer
(OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90) auch der Finder ohne und sogar
gegen seinen explizit deklarierten, gegenteiligen Willen zum (ob nun alleinigen
oder hälftig geteilten) Eigentümer all seiner Funde wird.
[21]
Auch wenn private Museen existieren, gibt es kaum ein Privatmuseum, das über
ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes, konservatorisch betreutes
Dauerlager verfügt. Privatmuseen können daher hier getrost vernachlässigt
werden; völlig abgesehen davon, dass auch die wenigen davon, die über eventuell
geeignete Archivierungsmöglichkeiten verfügen, gewöhnlich dem Fundeigentümer
einen Kostenersatz für die Dauerlagerung seines Fundmaterials verrechnen
werden.
[22]
Insbesondere auch deshalb nicht, weil wenn er – z.B. indem er schriftlich
verfügt, dass seine Funde von niemand anderem als ihm selbst auch nur gesehen,
geschweige denn in irgendeiner anderen Weise genützt werden dürfen – jeden
anderen von seinem Fundmaterial ausschließen könnte, der Fundeigentümer nicht
nur die konservatorische Betreuung dieses Fundmaterials vereiteln könnte,
sondern auch vereiteln könnte, dass die „dauerhafte Verwahrung“ seiner
Funde den ihr vom Gesetzgeber offensichtlich zugedachten Sinn – nämlich als „geschichtliche
Dokumentation“ iSd § 1 Abs. 4 (RV 2024) dauerhaft für zukünftige
wissenschaftliche Untersuchungen und wohl auch bei Bedarf auch zur
volksbildnerischen Nutzung zur Verfügung stehen – nicht erfüllen könnte; d.h.
zum Erreichen ihres offensichtlichen Zwecks ebenso offensichtlich ungeeignet
wäre.
[23]
Wobei ohnehin fragwürdig ist, ob das Recht, sich an seiner Sache zu ergötzen,
indem man sie aus für ihre dauerhafte Verwahrung sicheren Distanz anschaut,
überhaupt einen Nutzen im Sinne des primär dem Schutz wirtschaftlicher
Interessen des Eigentümers dienenden Eigentumsrechts darstellt.
[24]
Immerhin hat Beninger Wadler wenigstens einen Teil des wahren Werts von dessen
Sammlung bezahlt, also ihn wenigstens ein wenig – wenn auch alles andere als „fair“
iSd Art. 17 CFREU – für die Enteignung entschädigt und ihn nicht stattdessen
für das Privileg, zugunsten der „Allgemeinheit“ enteignet zu werden,
auch noch bezahlen lassen.
[25]
Was per se zwar durchaus stimmt, weil die Vergangenheit durch gegenwärtige
menschliche Handlungen nicht verändert werden kann und sich somit der
gegenwärtigen Verfügung durch den Menschen vollständig entzieht (und damit per
Definition im rechtlichen Sinn nicht „eigentumsfähig“ ist); aber bewusst die
Tatsache ausblendet bzw. abzuleugnen versucht, dass die Sachen „aus der
Vergangenheit“, über die „das Fach“ bzw. die „staatliche archäologische
Denkmalpflege“ allein verfügen will, eben nicht dasselbe wie „die Vergangenheit“
und auch nicht (mehr) „in der Vergangenheit“ sind; sondern, so wie alle anderen
gegenwärtig existierenden Sachen auch, über die (allein) eine (rechtliche und
tatsächliche) Verfügung in der Gegenwart möglich ist (und die somit
„eigentumsfähig“ sind), Sachen „der Gegenwart“ und „in der Gegenwart“ sind. Es
handelt sich also bei dieser Behauptung um nicht mehr als einen Sophismus, ein
Scheinargument bzw. einen vorsätzlichen rhetorischen Fehlschluss, dessen
einziger Zweck es ist, die, denen gegenüber dieses Argument geführt wird, über
den tatsächlichen Sachverhalt zu täuschen, um ein – übrigens privates (!) –
Eigeninteresse der diese Behauptung Verbreitenden durchsetzen zu können. Siehe
insbesondere dazu, angeblich im Namen „der Menschheit“ zu sprechen, Karl
Schmitt (2015, 51).
[26]
Zwar würde das vermutlich bereits das natürliche Rechtsempfinden eines
bedeutenden Anteils der Bevölkerung verletzen, weil es natürlich offensichtlich
ein verwaltungsrechtlicher „Trick“ ist, um die „allgemeine“
Fundeigentumserwerbsregel des ABGB zu umgehen; also von vielen als eine
„versteckte entschädigungslose Enteignung“ empfunden werden würde; würde aber
wohl – wenigstens solange eine solche Eigentumsregelung mit einer den
Regelungen des ABGB zum gerechten Finderlohn entsprechenden Entschädigung für
ihre Funde „ehrlich“ meldenden Findern verbunden ist – von einer
Bevölkerungsmehrheit als akzeptable Lösung der Materie betrachtet.
[27] https://www.duden.de/rechtschreibung/Verwahrung
[25.3.2024].
[28]
Dies entspricht im Wesentlichen der nach bisheriger Rechtslage bestehenden „passiven“
Erhaltungspflicht des § 4 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999, die den
Denkmaleigentümer nicht zu „aktiven“ Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet
hat, sondern nur dazu, jene Maßnahmen zu setzen, „die jeder durchschnittlich
sorgfältige Eigentümer aus eigenem Antrieb laufend durchführen würde (VwGH
11.3.2011, 2010/09/0241)“ (Bazil et al. 2015, 43-44, Rz 11) und daher auch
nicht die Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG verletzt hat, weil dadurch „dem
Eigentümer eines Denkmals keine über den schon an sich gegebenen
Erhaltungsaufwand hinausgehende Belastung“ (VfGH 1.10.1986, B 164/85)
auferlegt wurde.
[29]
Und selbst in diesem Fall kann vermutlich ein allfälliger Erbe des
Antragsstellers nach dessen Tod den Verwahrungsvertrag unmittelbar aufkündigen
(und allfällig schon geleistete Vorauszahlungen wenigstens anteilig
zurückfordern); weil der den Antragsteller bindende Bescheid wohl auch gegen
dessen Erben nicht durchgesetzt werden kann.
[30]
In diesem Sinne zu verstehen OGH 12.10.1982 4Ob604/81.
[31]
Noch dazu ist im Fall der Wahrnehmung eines Vorkaufsrechts der
Vorkaufsberechtigte an den zwischen dem Eigentümer und einen potentiellen
(anderen) Käufer abgeschlossenen Kaufvertrag gebunden, d.h. muss eventuell
einen deutlich überhöhten Preis für die Sachen bezahlen, auf die er ein
Vorkaufsrecht hat; selbst wenn dadurch die Bestimmung des § 934 ABGB die
Überzahlung auf maximal das Doppelte des gewöhnlichen Werts der Sache
beschränkt ist.
[32]
Dieses Problem kann zwar bei Funden, die als Schatzfunde iSd § 398 ABGB zu
beurteilen sind, dadurch gelöst werden, dass in deren Dienstvertrag eine
Klausel aufgenommen wird, dass sie als iSd § 401 ABGB zur Auffindung von
Schätzen gedungene Arbeitskräfte zu betrachten sind; gleichermaßen kann im
Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Grabungsunternehmen das letztere als
iSd § 401 ABGB zur Schatzsuche gedungene (juristische) Person bestimmt werden.
Dies löst aber das Problem bei geringwertigen, also nicht als Schätze iSd § 398
ABGB zu klassifizierenden Funden nicht, weil für diese die Regelung des § 401
ABGB nicht anwendbar ist. Vielmehr entsteht dem Finder solcher geringwertiger
Funde aufgrund der Bestimmungen des § 397 iVm 395 ABGB wohl (sinngemäß entsprechend
zu OGH 12.10.1982 4Ob604/81) mit der Entdeckung eines solchen automatisch
alleiniges Eigentum daran. Zur Umgehung dieses Problems müsste man daher wohl
die geringwertigen Grabungsfunde als freistehende Sachen iSd § 381-382 ABGB
statt als Funde von „verborgenen Gegenständen“ iSd § 397 ansehen; da die
Zueignung einer freistehenden Sache nicht automatisch erfolgt. Inwieweit das
rechtlich tragfähig ist, müsste allerdings wohl erst ausjudiziert werden.
[33]
Dieses Argument ist natürlich aus dem gleichen Grund genauso wertlos wie das in
den Erläuterungen (RV 2024, 9) zu findende: nicht nur werden Äpfel mit Birnen
verglichen, sondern eine Lastwagenladung von Äpfeln mit einer einzelnen Birne.
Das ist offensichtlich Unsinn und kann nur dem Zweck der Täuschung dienen;
sonst hätte der, der dieses Argument führt, nicht den Wert einer großen Menge
von Sachen mit dem Wert eines Einzelstücks dieser Sachen, sondern einfach
(mengenmäßig) Gleiches mit Gleichem verglichen. Von seiner Struktur her
entspricht das Argument ähnlichen, in Täuschungsabsicht geführten Argumenten
wie z.B. dem, dass die Ladung Öl eines Megatankers in ihrer Gesamtheit einen
enorm hohen wirtschaftlichen Wert hat, für sich betrachtet ein einzelner Tropfen
ausgelaufenes Öl hingegen zumeist keinen oder nur sehr geringen ökologischen
Schaden verursacht: wer ein solches unsachliches Argument führt, der will die,
denen er es vorträgt, über die tatsächlich bestehende Relation zwischen den
verglichenen Werten betrügen, nicht einen ehrlichen Wertvergleich anstellen.
[34]
Wie z.B. einer durchschnittlichen latènezeitlichen Siedlung in
Niederösterreich, von denen es bekanntermaßen noch wenigstens mehrere hunderte
– d.h. voraussichtlich tatsächlich (zu über 90% noch gänzlich unbekannte)
mehrere tausende – Exemplare gibt.
[35]
Selbst das Fundmaterial jeder einzelnen Grabung von Ramsauer im Gräberfeld von
Hallstatt – das immerhin namengebend für eine der großen prähistorischen
Kulturgruppen Europas ist, dem also in Summe (d.h. über alle Ausgrabungen und
die noch nicht ausgegrabenen, mehreren tausenden Grabbefundkomplexe gerechnet)
tatsächlich hoher wissenschaftlicher Wert zukommt – ist, jeweils für sich
betrachtet, verzichtbar und daher eben nur von geringem, nicht von hohem
wissenschaftlichen Wert. Tatsächlich gibt es – sogar wenn das Gräberfeld von
Hallstatt nie entdeckt und ausgegraben worden wäre – mehr als genug andere
Grabfundmaterialien aus der prähistorischen Materialgruppe, die wir aus
forschungsgeschichtlichen Gründen „die Hallstattkultur“ nennen, dass die
diese „Kultur“ definierenden wissenschaftlichen Aussagen ebenso gut
daraus abzuleiten und diese somit zu definieren gewesen wäre. Sie würde dann
zwar anders bezeichnet werden (z.B. die „Hochdorfkultur“), aber wie sie
bezeichnet wird ist letztendlich wissenschaftlich irrelevant.
[36] „over the last fifty
years, far less than 25 percent of material and results of professional
archaeological excavations has been properly published, and the rest will never
get beyond preliminary reports, if that” (Boardman
2009, 109).
[37]
Siehe z.B. für römische Sigillata-Fragmente https://www.ebay.at/sch/i.html?_nkw=terra+sigillata
[28.3.2024].
[38]
Siehe z.B. https://www.willhaben.at/iad/kaufen-und-verkaufen/d/urgeschichte-bronzezeit-ca-20-scherben-aus-ton-bodenfund-826361538/
[28.3.2024].
[39]
D.h. bei durch archäologische Dienstleister durchgeführten Grabungen deren
Auftraggeber; bei durch Universitäten oder andere Forschungseinrichtungen
durchgeführte Lehr- und Forschungsgrabungen diese selbst bzw. die sie
finanzierenden öffentlichen oder privaten Förderer; und selbst bei durch
unbezahlte Arbeitskräfte durchgeführten „Hobbygrabungen“ wie jener, die ich im
Dezember 2023 mit Freunden in Mitterdorf im Mürztal durchgeführt habe, sind
Kosten angefallen, die wir teilweise selbst übernommen haben und die teilweise
die Gemeinde St. Barbara im Mürztal getragen hat.
[40]
Dabei ist gleichgültig, ob das in den Produkten der Grabung (also der
Kombination von Dokumentation und geborgenem Fundmaterial) steckende
wissenschaftliche Erkenntnispotenzial gleich, erst irgendwann später, oder
sogar niemals tatsächlich genutzt wird: erst durch die Ausgrabung wird dieses
Potenzial tatsächlich nutzbar. Solange Befunde und Funde in situ im Boden
belassen werden, können sie schließlich nicht wissenschaftlich ausgewertet
werden und sind daher tatsächlich wissenschaftlich (wenigstens weitestgehend)
nutzlos.
[41]
Diese Durchschnittskosten sind nicht systematisch ermittelt worden, nicht
zuletzt weil archäologische Dienstleistungsunternehmen ihre Preisgestaltung
gewöhnlich als Geschäftsgeheimnis schützen und sie (außer Kunden) und wie sie
sie berechnen (Dritten schon überhaupt) nicht weitergeben. Sie ergeben sich
vielmehr aus den Kosten mehrerer (10+) bewilligter archäologischer Ausgrabungen
in Österreich, die mir in den letzten 3 Jahren in ausreichender Detailschärfe
bekannt gewordenen sind, um die dabei bewegte Kubatur stratifizierten Erdreichs
einigermaßen verlässlich schätzen zu können. Was diese Grabungen gekostet
haben, haben mir dabei jene Personen verraten, die letztendlich die Rechnung
für sie bezahlt haben.
[42]
In gereinigtem, stabilisiertem und für eine konservatorisch adäquate (d.h.
wenigstens ihrer dauerhaften Erhaltung nicht abträgliche) Dauerlagerung
wenigstens getrennt nach Einzelkontexten (bzw. in der Diktion des BDA:
Schichteinheiten) verpacktem Zustand: die Funde können ja nicht einfach bequem
in einen Quader gepresst werden, damit sie möglichst platzsparend gelagert
werden können. Je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls kann dieser
Anteil des Fundmaterials (in dauerlagerfähigem Zustand) am Aushubvolumen
tatsächlich bedeutender höher als 3% ausfallen, bei meiner letzten Grabung in
der späthallstattzeitlichen Siedlung von Mitterdorf im Mürztal betrug er z.B.
sogar etwa 15% des Aushubvolumens; und das ist, wenn auch ungewöhnlich hoch,
keineswegs der höchste mir bekannte Anteil an Fundmaterial in
Grabungsaushubsvolumina.
[43]
Das entspricht etwa dem Inhalt einer Vorratsgrube mit ca. 1,1 m Durchmesser und
ca. 1 m erhaltener Tiefe.
[44]
Das entspricht den Dimensionen von drei Euro-Normlagerbehältern der
zweitkleinsten verfügbaren Größe, die mit Außenabmessungen von 30 x 20 x 17 cm
jeweils ein Volumen von 0,0102 m3 aufweisen; also drei davon ein
Gesamtvolumen von 0,0306 m3.
[45]
Selbst wenn man nur einen Fundanteil von 0,72% im Aushubvolumen annimmt, d.h.
mit einem Euro-Normlagerbehältern der kleinsten verfügbaren Größe auskommt, der
mit Außenabmessungen von 30 x 20 x 12 cm ein Volumen von 0,0072 m3
hat, landet man immer noch bei geschätzt € 1.216 pro Kubikmeter Aushubvolumen.
Unter diese Dauerlagerkosten kann man zwar eventuell bei Großgrabungen auf
Fundstellen kommen, auf denen der Fundanteil (in dauerlagerfähigem Zustand) im
stratifizierten Erdreich bei unter 0,72% liegt, dies ist aber – wenn nicht
schon auf der Fundstelle das Fundmaterial radikal selektiert wird (d.h. alle
vom Grabungspersonal als mutmaßlich „insignifikant“ angesehenen Funde gleich
auf der Grabung weggeworfen werden) – sicherlich nur sehr selten der Fall.
[46]
Z.B. dass Reinerths der politischen Ideologie der NSDAP geschuldete Forderung
nach einer Verstärkung der fachlichen Kooperation „mit den nordischen
Ländern“ heute allgemeiner als Forderung nach einer Verstärkung der
internationalen fachlichen Kooperation, egal mit welchen anderen Ländern,
formuliert würde.
[47] ‘‘Not only the party but also its
ideology harken back to the democratic context within which the totalitarian
movements arose. Ideology generally, but more especially totalitarian ideology,
involves a high degree of convictional certainty. As has been indicated,
totalitarian ideology consists of an official doctrine that radically rejects
the existing society in terms of a chiliastic proposal for a new one. It
contains strongly Utopian elements, some kind of notion of a paradise on earth.
This Utopian and chiliastic outlook of totalitarian ideologies gives them a
pseudo-religious quality. In fact, they often elicit in their less critical followers
a depth of conviction and a fervor of devotion usually found only among persons
inspired by a transcendent faith. Whether these aspects of totalitarian
ideologies bear some sort of relationship to the religions that they seek to
replace is arguable. Marx denounced religion as the opium of the people. It
would seem that this is rather an appropriate way of describing totalitarian
ideologies. In place of the more or less sane platforms of regular political
parties, critical of the existing state of affairs in a limited way,
totalitarian ideologies are perversions of such programs. They substitute faith
for reason, magic exhortation for knowledge and criticism. And yet it must be
recognized that there are enough of these same elements in the operations of
democratic parties to attest to the relation between them and their perverted
descendants, the totalitarian movements. That is why these movements must be
seen and analyzed in their relationship to the democracy they seek to
supplant.’’ (Friedrich
& Brzezinski 1965, 25-6).
[48] „Archäologie
ist ein universelles Allgemeinwohlgut das nicht Gegenstand privater Rechte sein
kann!“ (und daher auch nicht in privatem Eigentum stehen oder als
Handelsware verkauft werden kann).
[49] „Niemand
(außer Archäologen) kann [bzw. darf] graben!“ (oder Archäologie auch
nur berühren); siehe für die explizit als rhetorische (und letztendlich negativ
beantwortete) Frage formulierte Behauptung des Gegenteils im Titel von z.B.
Davydov 2023.
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