Montag, 15. April 2024

Raubarchäologie?

Reichsbund für deutsche Vorgeschichte, SS-Ahnenerbe
und die dauerhafte Fundverwahrungspflicht des neuen Denkmalschutzgesetzes

Raimund Karl 

Abstract: In diesem Beitrag wird anhand von Beispielen aus der Zeit zwischen 1939-1945 und der Gegenwart gezeigt, dass die „Raubarchäologie“, betrieben vorwiegend durch professionelle Archäologen des Reichsbunds für deutsche Vorgeschichte und des SS-Ahnenerbe, nicht primär die Folge des (ebenfalls zweifellos vorgekommenen, aber ganz anders gelagerten) „Missbrauchs“ des Faches („der Archäologie“) und der archäologischen Denkmalpflege durch eine totalitäre politische Strömung (durch die NSDAP) war. Vielmehr war sie primär und hauptsächlich durch die seit den Anfängen sowohl des Faches als auch der (anfänglich noch nicht, aber seit dem frühen 20. Jahrhundert überwiegend „staatlichen“) archäologischen Denkmalpflege etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts dominanten, innerfachlichen, ebenso totalitären Ideologie des sogenannten (archäologischen) „Erhaltungsparadigmas“ bzw. des „autorisierten Denkmaldiskurses“ [AHD] verursacht und verschuldet. In höchst bedenklicher Weise ist diese Ideologie innerfachlich immer noch dominant und führt, wie ein konkretes und ganz aktuelles Beispiel zeigt, auch in einem demokratischen Verfassungsstaat wie der Republik Österreich zu – zwar in ihrer Brutalität und Grausamkeit nicht mit jenen des Dritten Reichs vergleichbaren, so doch in ihren Ergebnissen in Hinblick auf den Umgang mit der Archäologie – sehr ähnlichen Konsequenzen; also ebenfalls zu einer – nur geringfügig von der des Dritten Reichs unterschiedlichen – „Raubarchäologie“.

Für „das Fach“ in seiner Gesamtheit – das sich niemals ernsthaft mit der Frage beschäftigt hat, ob es (und nicht nur einzelne „faule Äpfel“ unter seinen Angehörigen) (schon vor,) während des Dritten Reichs (und seither) selbst etwas fundamental falsch gemacht hat und mit seiner eigenen Ideologie etwas nicht stimmen könnte, das maßgeblich zum menschenverachtenden Handeln (vieler) seiner Angehörigen geführt hat, sondern sich stattdessen ein bequemes exkulpatorisches Narrativ, „Opfer des politischen Missbrauchs durch die Nazis“ geworden zu sein, zusammengebastelt hat – und für alle Archäolog*innen als Individuen ist diese Erkenntnis von enormer Bedeutung. Denn sie stellt „das Fach“ wie auch jede*n Einzelne*n von uns vor eine schwierige Entscheidung: ob wir „als Fach“ und individuelle Archäolog*innen in einer demokratischen, auf der Achtung der Menschenwürde und der individuellen Grund- und Menschenrechte beruhenden Gesellschaft leben wollen und daher unsere innerfachliche Ideologie fundamental ändern müssen; oder ob wir die autokratischen Herrscher einer menschenverachtenden Archäokratur sein wollen.

Die meisten Archäolog*innen sind sich einig, dass der Schutz des archäologischen Erbes ein hohes „Allgemeinwohlgut“ ist, dessen Erhaltung aufgrund seiner besonderen Bedeutung für „die Menschheit“ im öffentlichen Interesse gelegen ist; und dass daher seine „private“ Aneignung durch Einzelne, insbesondere durch Schatzsucher*innen, die es aus wirtschaftlichen Gründen dem Erdboden entreißen, ganz grundsätzlich falsch, fachlich schädlich und moralisch höchst verwerflich ist, weshalb es verboten werden sollte bzw. muss. Es ist nach dieser Fachmeinung nicht nur wichtig, sondern sogar notwendig, es in durch speziell dafür ausgebildete Kurator*innen verwalteten und durch ebenso hochqualifizierte Fachkräfte konservatorisch betreuten staatlichen Archiven zu verwahren, weil nur dadurch seine dauerhafte Erhaltung und Zugänglichkeit für die archäologische Forschung gewährleistet werden kann. Die Interessen Einzelner, sogar die der qualifizierten „privaten“ Forscher*innen (siehe dazu schon Karl i.V.) und selbstverständlich noch viel mehr die überhaupt keine fachliche Qualifikation vorweisen könnender Laien, haben daher hinter das Interesse der Allgemeinheit am Schutz des archäologischen Erbes zurückzutreten.

Wenn also vom Staat dazu ermächtigte Organe einen Schatzsucher, der bekanntermaßen serienweise gezielt ungestörte prähistorische Gräber geplündert hat, um mit dem Verkauf der dabei aus ihrem Befundkontext gerissenen Kleinfunde Geld zu verdienen, unter Ermittlungsdruck setzen; wenn sie dessen Privatsammlung durch Überführung in eine öffentliche Sammlung dem Staatsvermögen einverleiben und dem Täter damit letztendlich das Handwerk legen; dann werden die meisten Archäolog*innen das willkommen heißen und als gerechte Strafe betrachten, die einen notorischen Denkmalverbrecher aus dem Verkehr zieht und hoffentlich abschreckende Wirkung entfaltet. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Fall aus Österreich, in dem einem solchen notorischen Schatzgräber – wenn auch erst nach vielen Jahren ungehinderter, ja teilweise sogar von staatlichen archäologischen Einrichtungen unterstützter, Schatzgräberei und Verkauf seiner Funde am Antikenmarkt – endlich durch effektive Zusammenarbeit von Organen der Sicherheitspolizei und professionellen Archäolog*innen ein für alle Mal das Handwerk gelegt wurde. Nicht nur konnten die wirklich bedeutenden Funde aus dessen Privatsammlung ins öffentliche Eigentum überführt werden, sondern sogar jede weitere Plünderung archäologischer Fundstätten durch ihn effektiv verhindert werden. Ich gehe davon aus, dass die meisten professionellen Archäolog*innen das begrüßen werden.

Das heißt, wenigstens so lange man den Fall so erzählt, wie ich das gerade getan habe: grob verallgemeinert, übervereinfacht und völlig aller Details und seines Kontexts entkleidet.

Lässt man die relevanten Details nämlich nicht weg und beraubt den Fall in der Erzählung auch nicht seines wesentlichen Kontextes, stellt sich diese schöne Erfolgsgeschichte über das segensreiche Einschreiten von kooperierenden staatlichen Sicherheitspolizei- und archäologischen Organen plötzlich ganz anders dar. Lassen Sie mich daher diesen Fall noch einmal erzählen:

Der ausgeschaltete Schatzgräber, Privatsammler und Antikenhändler

Der notorische österreichische Schatzgräber, Privatsammler und Antikenhändler, dem in diesem Fall so effektiv das Handwerk gelegt wurde, hieß Robert Wadler (*1906-1938). Wadler war ab etwa 1927 als Ausgräber tätig („für das naturhistorische Museum […], obwohl er zu keinem Zeitpunkt eine Festanstellung hatte“; Friedmann 2013, 85; für Josef Bayer ab 1928 in Wien-Leopoldau und danach auch – mit Genehmigung des BDA – selbstständig; Nebehay 1993, 28-30); unterhielt eine Privatsammlung und verkaufte seine Funde sowohl an das NHM als auch am privaten Antikenmarkt (Nebehay 1993, 28-30).

Kurz vor dessen Tod erwarb Eduard Beninger, der damalige Leiter der prähistorischen Abteilung des NHM, die Hälfte der Privatsammlung Wadlers höchst kostengünstig für das NHM. In einem 1948 geführten Strafprozess sagte Beninger dazu das Folgende aus:

„Im Jahre 1938 war ich dem Juden R. Wadler bei dem Verkaufe seiner Kollektion urgeschichtlicher Funde behilflich, damit er sich mit dem Erlös ein Ausreisevisum kaufen könne. Die Hälfte der Kollektion kaufte der Industrielle Krug, den Rest erwarb ich für das Museum. Aus zeitbedingten Gründen schienen an Stelle Wadlers drei arische Strohmänner als Verkäufer auf.“ (Beninger 3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85).

Dass Wadler Jude war, hat letztendlich auch dazu geführt, dass nicht nur seine Privatsammlung (wenigstens zur Hälfte, wenn man Beninger wenigstens in dieser Beziehung glauben will) ins öffentliche Eigentum überführt werden konnte, sondern ihm durch den auf ihn von den Sicherheitsorganen ausgeübten Druck so effektiv das Handwerk gelegt wurde:

„Wadler, dem ich eine Dankesschuld des Museums abstatten wollte, beging Selbstmord, weil ihm die Kaufsumme von einem Glaubensgenossen unterschlagen wurde.“ (ibid.).

Beninger schob aber nicht nur die Schuld an Wadlers Selbstmord in typisch antisemitischer Manier erst Recht einem von Wadlers „Glaubensgenossen“ in die Schuhe, sondern stellte sich in seiner Aussage im Strafprozess überhaupt als Wohltäter Wadlers dar, der nichts Verwerfliches getan hatte:

„Ich habe nicht arisiert, sondern als einziger Urgeschichtsforscher dem Juden Wadler geholfen.“ (ibid.).

Diese Aussage war allerdings, wie schon Friedmann (2013, 85) anmerkt, wenigstens nicht vollständig wahrheitsgemäß: Wadler hatte nach dem Anschluss mit seiner Frau und Schwiegermutter zu emigrieren versucht, war jedoch schon im Sommer 1938 von der Gestapo verhaftet und nur unter der Bedingung freigelassen worden, Österreich sofort zu verlassen. Infolgedessen erwarb Beninger seine Sammlung zu einem Bruchteil deren Marktwerts für das NHM. Dem folgte im September der Selbstmord Wadlers, nachdem der Ausreiseversuch gescheitert und er neuerlich von der Gestapo vorgeladen worden war.

Aus heutiger Sicht ist unschwer zu erkennen, dass es sich bei diesem Fall um eine typische „Arisierung“ gehandelt hat: Wadler hat selbstverständlich seine Sammlung nicht freiwillig verkauft, sondern wurde (indem ihm vorgegaukelt wurde, dass er durch den „Erlös“ des Verkaufs seiner Sammlung ein lebensrettendes „Ausreisevisum“ kaufen könne) dazu gezwungen und danach in den Selbstmord getrieben. Daran war Beninger nicht nur maßgeblich beteiligt, sondern hat sogar unter vorsätzlicher Vorspiegelung falscher Tatsachen versucht, diesem dreckigen Spiel ein – wenn auch nur höchst fadenscheiniges – Deckmäntelchen der Rechtmäßigkeit umzuhängen.

Bei Wadlers dem Staatsvermögen zugeführter Privatsammlung handelt es sich um das, was man heute gemeinhin als „Nazi-Raubkunst“ bezeichnen würde, aber im konkreten Kontext vielleicht richtiger „Raubarchäologie“ nennen sollte. Wadler wurde von den bzw. wenigstens unter maßgeblicher Beteiligung archäologischer Staatsorgane brutal enteignet und sollte (um das seiner Frau, Schwiegermutter und sein eigenes Leben zu retten) dafür (qua Ausreisevisum) auch noch bezahlen.

Erzählt man die Geschichte, wie einem notorischen Schatzgräber, Privatsammler und Antikenhändler das Handwerk endgültig gelegt wurde, nicht aller ihrer schmutzigen Details und ihres relevanten Kontextes entkleidet, dann ist die Geschichte der Beraubung und Ermordung[1] von Robert Wadler keine schöne Erfolgsgeschichte des erfolgreichen Zusammenwirkens staatlicher Sicherheitspolizei- und archäologischer Organe mehr, sondern die eines Verbrechens gegen die Menschenwürde. Zur Lehre, die man daraus ziehen muss, komme ich noch später in diesem Beitrag.

Raubarchäologie in und jenseits von Österreich, ca. 1938-1945

Es kann als wenigstens innerfachlich allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass der Fall der Beraubung und Ermordung von Robert Wadler unter wenigstens Beitrags-, wenn nicht sogar Haupttäterschaft von archäologischen Organen des Staates wie Eduard Beninger leider alles andere als ein bedauerlicher Einzelfall war (siehe dazu z.B. Bollmus 1970; Arnold 1990; 2004; Bertram 1991; Urban 1996; Haßmann 2000; Steuer 2001; Halle 2002; Kater 2006; Schöbel 2008; Jagust 2009; Focke-Museum 2013; Friedmann 2013; Obermair 2015; Pollak 2015; Taschwer 2016; usw.). Beninger war sogar, wie man den Aussagen zweier weiterer seiner Opfer – wenn auch weniger endgültigen als Wadler – Alphons Barb und Richard Pittioni entnehmen kann (Friedmann 2013, 81-84), wohl – wenigstens im Vergleich mit manchen anderen – nicht der schlimmste Täter; wenn auch sicherlich nicht das unbedeutendste Rädchen im System der „Raubarchäologie“ des Dritten Reichs.

Ganz im Gegenteil: Beninger war schon 1934 zum österreichischen Landesleiter des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte ernannt worden und war und blieb dies bis zum Ende des Dritten Reichs. Er war damit auch der führende Mann des „Rosenberg-Ministeriums“ (Zeugenvernehmung Pittioni, 1.4.1946, WStLA, Vg 1e Vr 1326/46, Strafsache gegen Eduard Beninger; zitiert bei Friedmann 2013, 81) im ehemaligen Österreich. Damit war er selbstverständlich nicht nur Beteiligter, sondern ein wesentlicher Beitragstäter im Versuch der Umsetzung der Pläne von Hans Reinerth.

Reinerth wiederum war schon 1931 der NSDAP beigetreten, wurde 1932 zum direkt Alfred Rosenberg unterstellten Leiter der archäologischen Abteilung des Kampfbundes für deutsche Kultur und stellte noch im gleichen Jahr in den nationalsozialistischen Monatsheften erstmals seine Pläne für die Umstrukturierung der deutschen Archäologie nach dem Führerprinzip vor (Reinerth 1932). Er präsentierte sie dann 1933 bei einer Tagung in Tübingen auch der archäologischen Fachwelt (Bollmus 1970, 154; Unverzagt 1985, 34-5), und publizierte sie in geringfügig abgeänderter Form nochmals (Reinerth 1933). Dieser Plan sah im Prinzip nichts weniger vor als dass die Partei die gesamte Archäologie – d.h. die Bodendenkmalpflege ebenso wie die Museen und Universitäten – unter ihre Kontrolle bringen und in einem – selbstverständlich von ihm selbst geführten – „gleichgeschalteten“ Reichsinstitut für deutsche Vorgeschichte zusammenfassen sollte. Das Reichsinstitut sollte totale Kontrolle über die archäologische Forschung erhalten (Reinerth 1932; Bertram 1991, 26-7).

Die (meisten der) 9 Punkte von Reinerths Plan entsprachen dem Fachkonsens – sieht man einmal von seinem ersten Punkt ab, dem des zentral die gesamte Vorgeschichtsforschung (nach dem Führerprinzip) steuernden Reichsinstitut – sah dieser doch „nur“ die Aufnahme der deutschen Vorgeschichte in den Lehrplan der Schulen, die Einrichtung zusätzlicher archäologischer Lehrstühle und Institute an deutschen Universitäten, die Stärkung der staatlichen Denkmalbehörden, der regionalen und Landesmuseen und der archäologischen Landesaufnahme, der Heimatmuseen für eine Verbesserung des Zugangs der Öffentlichkeit zu „deren“ lokalen Archäologie, einen Ausbau der Denkmalschutzgesetzgebung, eine Verstärkung der medialen Präsenz des Faches, die Nutzung des (damals noch freiwilligen) Reichsarbeitsdienstes für systematische Ausgrabungen und eine Stärkung internationaler akademischer Kooperation[2] vor[3] – und waren daher eigentlich weitgehend unkontroversiell (Bertram 1991, 26). Dennoch protestierten einige (weit etabliertere) Fachvertreter (als der zu dieser Zeit gerade einmal 33-jährige Reinerth) der Römisch-Germanischen Kommission und des archäologischen Lehrstuhls in Marburg.[4] Nachdem man aber nach der Machtübernahme durch die NSDAP den Parteistrukturen und der Unterwanderung des Staates durch diese nicht entgehen konnte, fanden jene Archäologen, die sich nicht Reinerths Führungsanspruch zu unterwerfen bereit waren – der von ihnen selbst und ihren Freunden nach Ende des Kriegs propagierten, höchstens sehr bedingt glaubwürdigen, Behauptung zufolge „nur“ um „Schutz“ vor sonst zu befürchtendem Übergriffen Reinerths zu erhalten (Jagust 2009, 285-91) – im SS-Ahnenerbe Unterschlupf; und versuchten mittels dieser mit dem Reichsamt Rosenberg konkurrierenden Parteiorganisation ihrerseits im Prinzip dasselbe zu erreichen, wie Reinerths Reichsbund, nur nicht unter dessen personeller Führung.

Was die tatsächliche Umsetzung der 9 Punkte von Reinerths (1932; 1933) ursprünglichem Plan betraf, erwies sich das Nazi-Regime als ein unverlässlicher Verbündeter, egal ob für den Reichsbund oder das SS-Ahnenerbe. Obgleich sich das Regime völlig ungehemmt Sachen, die ihm für seine Zwecke – insbesondere die Vorbereitung des Landes auf Krieg – nützlich erschienen, “ausborgte” oder erforderlichenfalls auch ungeniert konfiszierte (Friedrich & Brzezinski 1965, 238-41), und das Eigentum als solcher deklarierter „Volksfeinde“, insbesondere von Juden, sogar offen raubte, war es sehr darum bemüht, wenigstens durch Aufrechterhaltung einer Fassade von vorgeblicher Rechtmäßigkeit, das Privateigentum, insbesondere das wohlhabender „guter Deutscher“, zu schützen. Wenigstens formal blieben daher (normalerweise) bestehende Eigentumstitel unangetastet (ibid., 23, 244), selbst wenn die tatsächliche Nutzung der betreffenden Sachen einer direkten, massiven Steuerung im Interesse von Partei und Staat unterworfen wurde. Wohl sehr zur Enttäuschung vieler Archäologen wurden keine neuen Denkmalschutzgesetze erlassen, die eine “Verstaatlichung” archäologischer Privatsammlungen gestattet oder die Landnutzung auf bekannten oder vermuteten archäologischen Fundstellen einzuschränken oder deren Erhaltung rechtlich zu erzwingen ermöglicht hätten. Vielmehr musste “die Archäologie” weiterhin mit den (von vielen Archäologen als völlig unzureichend empfundenen) bestehenden Gesetzen wie dem preußischen Ausgrabungsgesetz oder in der „Ostmark“ gar dem noch viel liberaleren österreichischen DMSG von 1923 arbeiten (siehe z.B. Kunow 2002, 157-8; Pollak 2015, 14, 41). Die Parteiarchäologen erhielten also wenigstens am Papier weiterhin keine bessere Kontrolle, vor allem nicht über nicht konstitutiv denkmalgeschützte (bekannte oder gar unbekannte) archäologische Fundstellen und Funde als die, die sie schon für erkleckliche Zeit vor der Machtübernahme der NSDAP gehabt hatten.

Erst mit dem Anstieg des von Regime ausgeübten Terrors und der Gewalt, insbesondere nach Beginn des Krieges, ergaben sich mehr Möglichkeiten zur Ausübung archäologischer Alleinherrschaft über archäologische Belange. Am deutlichsten zeigte sich das in den in der Anfangsphase des zweiten Weltkriegs durch das Dritte Reich neu eroberten Gebieten, aber auch, wenn auch nur in etwas geringerem Maß, innerhalb Deutschlands, der Ostmark, und anderen Gebieten mit „ursprünglich deutscher“ Bevölkerung.

Diese Möglichkeiten zur Ausübung größerer Kontrolle über (nicht konstitutiv geschützte) Archäologie wurden in Deutschland und Österreich nie formal in Gesetze gefasst und mussten das auch gar nicht werden: Friedrich und Brzezinski (1965, 215) stellen sehr deutlich dar, dass selbst juristisch sattelfesten Staatsbediensteten wenig anderes übrig blieb als eine völlig willkürliche Anordnung z.B. eines SS-Offiziers zu befolgen, selbst wenn dies bedeutete, dass sie eine gesetzlich verbotene aber politisch gewünschte Entscheidung zu treffen hatten. Widerstand gegen ungesetzliche Forderungen eines Archäologen, der gleichzeitig auch SS-Offizier war, ein Stück Land ungenutzt zu lassen oder diesem dort Ausgrabungen zu gestatten oder ihm Funde zu überlassen, die er “zum Wohl des Volkes und des Staates” verlangte, war daher jedem Durchschnittsbürger (der nicht exquisite Beziehungen zu einem noch höherrangigen Parteigranden hatte) unmöglich und wäre von diesem auch gar nicht versucht wurden. Nachdem es eine „moralische Pflicht“ jedes „guten Deutschen“ war, das „Wohl des Volkes“ enthusiastisch über sein eigenes und selbst seine lebensnotwendigsten Eigeninteressen zu stellen (ibid., 156, 163, 167), wurden alle solchen Forderungen “völlig freiwillig” befolgt, selbst wenn sie nicht einmal explizit ausgesprochen wurden; und sei es nur weil man durch das Arschkriechen Protektion durch das Parteiorgan zu erlangen hoffte und Widerstand dagegen die Todesstrafe nach sich ziehen konnte. Kann ein solcher Staatsterrorist ohnehin ungestraft blanken Terror zum Schutz oder für die Beschlagnahmung archäologischer Denkmale benutzen, ist ein Gesetz, das diesem ausdrücklich das Recht dazu verleiht, nur ein Feigenblatt; und echte Männer brauchen sich damit gar nicht erst aufzuhalten.

Dass “deutsche Archäologen” sich selbst als echte Männer sahen, denen man nicht mit dem Gesetz zu kommen brauchte, zeigte sich dann auch in den eroberten Gebieten, sowohl im Westen als auch im Osten. Bekanntermaßen lieferten sich hier die beiden genannten Parteiorganisationen, das Amt Rosenberg und das SS Ahnenerbe, einen richtiggehenden „Wettbewerb“, wer bei der „Sicherstellung“ – lies: dem Raub – archäologischer Evidenz und Literatur aus öffentlichen und privaten Sammlungen der eroberten Gebiete erfolgreicher war (z.B. Kater 2006, 153-8; Haßmann 2000, 103-8; Kunow 2002, 161). Lastwagenweise wurden Kulturgüter auf Befehl von Archäologen weggekarrt, die sie im Namen des Dritten Reichs beschlagnahmten; auch wenn, wie bereits (z.B. von Kater 2006, 157-8) gezeigt wurde, die persönlichen Forschungsinteressen dieser „beschlagnahmenden“ Archäologen jedenfalls ein signifikanter, wenn nicht sogar der wichtigste Faktor bei deren Entscheidung war, was sie „sicherstellen“ mussten. Weniger diplomatisch gesagt: diese “deutschen Archäologen” raubten einfach, was sie wollten, falls nötig mit vorgehaltener Pistole; und Herbert Jankuhn, einer der Haupttäter, bezeichnete das noch in den 1960ern als „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz“ (ibid., 155).

Archäologische Fundstellen und die lokalen Archäologen, die teilweise vor Ankunft der Nazis dort  schon gegraben hatten, erlitten oft ein ähnliches Schicksal durch die Hände ihrer „verehrten“ „deutschen“ Kollegen. „Deutsche Archäologen” übernahmen die Grabungen an besonders bekannten, eindrucksvollen oder vielversprechenden Fundstellen (oder versuchten das wenigstens), deren vorherige Ausgräber entweder in die zweite Reihe verfrachtet wurden oder ein noch schlimmeres Schicksal erlitten (Haßmann 2000, 104-6). Selbst in anderen “germanischen” Ländern wie den Niederlanden oder Skandinavien wurden lokale Archäologen weitgehend oder ganz ausgebootet, während „deutsche Archäologen“ deren Fundstellen ebenso wie deren Posten übernahmen und ihnen, wenn nötig mit Gewalt, ihren Willen aufzwangen (Kater 2006, 179-88; Haßmann 2000, 103-4). Prominente Fundstellen wie Biskupin oder Dolní Vestonice wurden übernommen und “Rettungsgrabungen“ – die bei weitem nicht alle diesen Namen verdienten – an zahlreichen Orten durchgeführt (Haßmann 2000, 104-7; Kater 2006, 269-71, 292-6). Wer sich widersetzte oder Forderungen zur “Sicherstellung” von Material zu behindern versuchte, wurde oft noch deutlich schlimmer behandelt; in manchen Fällen wurden wenigstens zeitweilige Aufenthalte in „Umerziehungs-“ bzw. „Konzentrationslagern“ einigermaßen großzügig als Strafe für solchen Widerstand gegen zum Wohl des deutschen Volkes und Staates getroffene Entscheidungen der “deutschen Archäologen” verhängt (Haßmann 2000, 103-4; Kater 2006, 185-6).

„Deutsche Archäologen” scheinen auch wenig Hemmungen gehabt zu haben, wenn es um den Einsatz von Zwangsarbeitern ging: sowohl der Einsatz Kriegsgefangener (Jagust 2009, 293) als auch der von Insassen von Konzentrationslagern (e.g. Pollak 2015, 254-71) für archäologische Ausgrabungen ist gut belegt. Solange die schwere körperliche Arbeit erledigt wurde, scheinen die “deutschen Archäologen” sich nicht besonders darum gekümmert zu haben, wer – und wie freiwillig oder unfreiwillig dieser – sie erledigt hat: es war schließlich „zum Wohl des deutschen Volkes“ und, was den Archäologen vielleicht noch wichtiger war, „zum Wohl der Archäologie“.

Auch Kurt Willvonseder, seines Zeichens – als führender Mann des SS-Ahnenerbe in der OstmarkSS-Obersturmführer und Gaupfleger für Bodenaltertümer von Wien und Niederdonau – also der damalige Leiter der Einrichtung, die vor 1938 und nach 1945 die archäologische Abteilung des österreichischen Bundesdenkmalamts (BDA) war – war schon von 1939 an mehr mit „Raubarchäologie“ für das Ahnenerbe in der Slowakei, Südtirol und Serbien als mit der Bodendenkmalpflege in Wien und Niederdonau befasst. Dort behielt er allerdings wenigstens seinen eigenen Angaben nach stets die Leitung in der Hand, auch wenn er sich in vielen Angelegenheiten von Hertha (Ladenbauer-)Orel vertreten ließ (Obermair 2015, 159-61). Zu solchen Aufgaben, bei denen ihn die später von Beninger in seiner Verteidigung als „antifaschistisch eingestellte Prähistorikerin“ (Stellungnahme und Beweisanträge, Oktober 1946, WStLA, Vg 1e Vr 1326/46, Strafsache gegen Eduard Beninger; zitiert bei Friedmann 2013, 83) bezeichnete, seine Aussagen zu seiner Wohltätigkeit gegenüber Barb unterstützende, Orel Willvonseder vertrat, gehörten unter anderem „die unter Ausbeutung von KZ-Häftlingen durchgeführten Ausgrabungen rund um das Konzentrationslager Gusen“ (Obermair 2015, 160).

Die Schuld an alledem wird gewöhnlich “den Nazis” angelastet – darunter lange Zeit nicht, zuletzt aber zunehmend dank Einsetzen einer innerfachlichen Aufarbeitung, auch einigen Archäologen, die nachweislich enthusiastische Nazis waren und deshalb auch, ob im Amt Rosenberg oder dem SS-Ahnenerbe in höhere Positionen aufgestiegen sind – die „die Archäologie“ für die politischen Zwecke des Terrorregimes der NSDAP missbraucht hätten. Tatsächlich konnte noch zu Ende des 20. Jh. Georg Kossack schreiben:

„Kein deutscher Archäologe hat so gedacht oder sich am Völkermord beteiligt, auch diejenigen nicht, die in brauner oder schwarzer Uniform sich als „Herrenmenschen“ fühlen mochten oder doch meinten, es sei opportun, Imponiergehabe zur Schau zu stellen, Lumperei des Stärkeren für legitim zu halten, ja die Hilfe denen zu versagen, die unter dem Regime zu leiden hatten.“ (Kossack 1999, 76),

und andere – sonst keineswegs unkritische – wie Hennig Haßmann (2000, 107) konnten sich wundern, “warum sich herausragende Wissenschafter (Jankuhn, zum Beispiel […]) an der Plünderung von Kulturgütern beteiligten“.[5]

Tatsächlich scheint es mir jedoch so, als ob hier nicht die an sich „guten” „deutschen Archäologen” vom „bösen” Nazi-Regime missbraucht (und von diesem vielleicht teilweise zu unethischem Handeln[6] verführt) worden wären, sondern vielmehr die „deutschen Archäologen“ von sich aus die Möglichkeiten, die ihnen die Ideologie und die Terrormethoden des NSDAP-Regimes eröffneten, sehr aktiv dazu benutzt haben, das zu erreichen, was sie eigentlich erreichen wollten: totale Kontrolle über “die Archäologie” und alles was damit zu tun hat. Dazu gehört natürlich nicht zuletzt, um Jankuhn nochmals zu bemühen, für „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz" zu sorgen, z.B. an der Ostfront, „da es dort ja keinen organisierten Denkmalschutz gab" (Gedächtnisprotokoll Jankuhn, 14.5.1963; zitiert bei Kater 2006, 155). Es scheint sich also eher um eine symbiotische Beziehung gehandelt zu haben, die beiden Seiten half, jeweils das zu bekommen, was sie von der anderen wollte.

Die Terrormethoden des Nazi-Regimes scheinen also nur die moralischen Hemmungen entfernt zu haben; dafür gesorgt zu haben, dass die „deutschen Archäologen“ endlich „hobeln“ konnten, wie sie wollten. Was sie dann „gehobelt“ haben, war das, was sie immer schon wollten: die archäologischen Denkmale unter ihre eigene, totale Kontrolle bringen, um sie, wenn nicht „qua“ (dem ohnehin ineffektiven) „Gesetz“ dann mit brutaler Gewalt, „im Interesse aller vor dem Zugriff aller“ (Lüth 2006, 102) effektiv zu schützen. Vor allem natürlich vor dem Zugriff jedes anderen, der ihnen die Kontrolle über die Archäologie streitig machte; d.h. für Archäologen des SS-Ahnenerbes insbesondere vor dem Zugriff Reinerths und dessen Gefolgsleuten; und umgekehrt für Archäologen des Amtes Rosenberg vor dem Zugriff Langsdorffs, Jankuhns und deren Gefolgsleuten. Der Rest, nicht zuletzt die Raubarchäologie, die sie daheim bei angeblichen Volksfeinden wie „dem Juden R. Wadler“ (Beninger 3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85), in den besetzten Gebieten und wo auch immer sonst sie es konnten betrieben, folgte daraus ganz von selbst.

Entnazifizierung?

Dass die Raubarchäologie im Dritten Reich System hatte, ist natürlich völlig unstrittig. Dass die Entnazifizierung der deutschsprachigen Archäologie alles andere als gründlich war, ist das wohl auch: aus dem Fach entfernt wurden in Deutschland hauptsächlich der sicherlich alles andere als un‑, aber ebenso sicherlich nicht alleinschuldige Reinerth, der nach Kriegsende von seinen hauptsächlichen Gegnern im SS-Ahnenerbe als Sündenbock vorgeschoben wurde (Jagust 2009, 285); und Beninger, der österreichische Landesleiter von Reinerths Reichsbund, der sogar zeitweilig seinen Doktortitel verlor (diesen aber nach dem 2. NS-Amnestiegesetz 1957 wieder zugesprochen bekam; Friedmann 2013, 85).

Die Karrieren Jankuhns in Deutschland (siehe z.B. Pape 2001) ebenso wie die des führenden Mannes des SS-Ahnenerbes in der vormaligen Ostmark, Willvonseders (Obermair 2015, 161-170), erlitten hingegen nur einen Abwärtsknick, ehe es rasch wieder bergauf ging. Willvonseder z.B. verlor sehr zu seinem Leidwesen seine Stellung im nunmehr wieder seinen alten Namen führenden österreichischen BDA, die er trotz intensiver Interventionen zu seinen Gunsten durch den damaligen Salzburger Landeshauptmann (1949-1961) und späteren Bundeskanzler (1964-1970) Josef Klaus (ÖVP) nicht wieder erhielt (ibid., 163-164). Umgekehrt setzte sich dann ein namentlich ungenannt bleibender Oberstaatskonservator als Vertreter des Präsidenten des BDA (Otto Demus, der sich selbst gegenteilig ausgesprochen hatte) bei Klaus für die letztendlich 1954 erfolgreiche Bewerbung von Willvonseder um die Stelle als Direktor des Salzburger Museums Carolino Augusteum ein (ibid., 164-166). Selbst (oder gerade?) eindeutige Haupttäter wie Jankuhn und Willvonseder hatten also offensichtlich weiterhin gute politische Kontakte und damit auch bald wieder eine gute Stelle.

Mit den Karrieren von ebenfalls, wenn auch noch weniger als Reinerth, Beninger, Jankuhn und Willvonseder belasteten Archäolog*innen wie Ladenbauer-Orel (ibid., 163-164) und des wohl ebenfalls nicht ganz unbelasteten Richard Pittioni (Friedmann 2013, 91) ging es hingegen bergauf; was wenigstens insofern verständlich ist, als annähernd ausreichend viele, wirklich gänzlich unbelastete Fachkräfte zu finden in der deutschsprachigen Archäologie nach dem Dritten Reich sicherlich völlig unmöglich gewesen wäre (siehe zu dieser Problematik z.B. im Fall Willvonseder auch schon Obermair 2015, 168-170). Die meisten davon wollten entweder vergessen und/oder einen Mantel des Schweigens über die Zeit des Nationalsozialismus breiten, ob sie nun Opfer oder Täter (oder beides gleichzeitig) gewesen waren; und sei es nur, wie das Pittioni gesagt haben soll, weil man mit „Fachkollegen ja nicht ständig auf Kriegsfuß sein“ (Bleichsteiner 14.1.1947, zitiert bei Friedmann 2013, 83) konnte.

Hinweise darauf, dass viele davon, insbesondere jene, die wie Reinerth, Jankuhn, Beninger oder Willvonseder enthusiastische Nazis gewesen waren, sich auch nur ansatzweise selbstkritisch mit ihrem eigenen Verhalten während des Dritten Reichs auseinandergesetzt, geschweige denn ihre fachlichen oder politischen Ansichten ernsthaft hinterfragt und sie grundlegend geändert hätten, fehlen weitestgehend. Ganz im Gegenteil zeigen sowohl die Fälle Beningers als auch Willvonseders, dass sich gerade die, die zweifellos aktive Mittäter an den Verbrechen des Dritten Reichs gewesen waren, nach dem Krieg nicht nur gegenüber der Strafverfolgung als völlig unschuldige Opfer des Terrors des Regimes darstellten, sondern sich selbst als Opfer der Entnazifizierungspolitik sahen (z.B. Friedmann 2013; Obermair 2015). Nicht nur blieben praktisch alle überzeugten Nazis überzeugte Nazis, praktisch alle blieben überzeugt davon, dass sie eigentlich gar nichts falsch gemacht hatten, und wenn sie es doch zugeben mussten, dann nur zähneknirschend und stets verbunden mit der selbstentschuldigenden Erzählung, dass sie Fehler nur deshalb begangen hätten, weil ihnen keine andere Wahl gelassen worden wäre.

Was ebenso (bis lange Zeit nach dem Krieg) ausblieb, war eine selbstkritische Reflexion des Faches oder auch nur eine ernstzunehmende kritische Analyse des Verhaltens einzelner Fachleute, oder gar der Fachgemeinschaft insgesamt, in der Zwischenkriegszeit, während des Dritten Reichs und danach. Es dauerte bis in die frühen 1970er Jahre, dass mit Arbeiten wie jenen von Bollmus (1970) und Kater (1973) eine ernsthaftere Aufarbeitung des Konflikts zwischen Rosenberg und Himmler und deren jeweiligen Parteiorganisationen durch Historiker begann; als wenigstens einige der Betreffenden noch lebten und aktiv tätig waren. Innerfachlich begann eine ernsthaftere kritische Auseinandersetzung mit den Tätern überhaupt erst in den späten 1980ern und 1990ern, also als alle davon wenigstens schon im Ruhestand und die allermeisten sogar schon längst tot waren. Selbst diese kritische Analyse blieb allerdings bisher im Wesentlichen auf die Betrachtung des (gegebenenfalls Fehl-) Verhaltens einzelner Archäologen vor, im und nach dem Dritten Reich beschränkt; also eine historische Analyse ohne signifikanten Gegenwartsbezug.

Eine (selbst-) kritische Analyse des Faches in seiner Gesamtheit, ob und inwieweit dessen Werte und Grundannahmen einen Einfluss darauf hatten, dass es (bzw. die überwältigende Mehrheit der Fachgemeinschaft) sich so verhalten hat, wie es das hat, geschweige denn ob die Werte, Annahmen und Methoden der „Nazi-Archäologie“ ein Nachleben, eine Wirkung bis in die Gegenwart haben, ist bisher hingegen völlig ausgeblieben. Das soll natürlich keineswegs heißen, dass „das Fach“ keine Lehre aus dem Dritten Reich gezogen hat: ganz im Gegenteil wurde und wird das sogenannte „Kossinna-Syndrom“, die jahrzehntelange „Theorie-Abstinenz“ der deutschsprachigen Archäologie (z.B. Wolfram 2000; Mante 2007), sicherlich zurecht als Lehre aus dem Dritten Reich betrachtet. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Lehre aus einer ernsthaften, selbstkritischen Analyse, sondern vielmehr um die logische Folge der kollektiven fachlichen Variante jenes entschuldigenden Narrativs, mit dem sich selbst Haupttäter wie Beninger und Willvonseder vor den Folgen der von ihnen begangenen Verbrechen zu schützen versuchten: das Fach stilisierte sich ebenso als „Opfer“ des politischen und ideologischen „Missbrauchs“ durch „die bösen Nazis“, schob also ebenso wie Beninger und Willvonseder die Schuld an – höchstens zähneknirschend eingestandenen – „Fehlern“ Dritten bzw. politischen Zwängen und Sündenböcken zu (z.B. Friedmann 2013; Obermair 2015).

Das entschuldigende Narrativ auf fachlicher Ebene war also letztendlich, dass das Fach durch externe Gewalttäter (bzw. eventuell auch durch einzelne „faule Äpfel“ in seinen eigenen Reihen, die sich – überwiegend aufgrund erwarteter persönlicher Vorteile für ihre Karrieren und sich selbst – durch die Nazis „missbrauchen“ hatten lassen) politisch und ideologisch vergewaltigt worden wäre, während es – nicht anders als das Beninger bezüglich seiner Opfer Barb, Wadler und Pittioni behauptete (Friedmann 2013, 80-85) – in Wahrheit alles unter den gegebenen Umständen Mögliche getan hätte, um noch Schlimmeres zu verhindern. Die Lehre, die es dann aus dieser Selbstdarstellung als „Opfer“ des Nationalsozialismus zog, war die, dass es künftig rein „ideologiefrei“ (Obermair 2015, 170) arbeiten müsse, um sich gegen jeden möglichen politischen und ideologischen „Missbrauch“ durch Dritte zu schützen. Ein echtes Eingeständnis, selbst gravierende Fehler begangen zu haben, ist das nicht.

Exkurs: der gravierende Fehler des Faches

Es soll hier keineswegs behauptet werden, dass das selbstentschuldigende Narrativ des Faches, „Opfer“ des politischen und ideologischen „Missbrauchs“ durch Dritte gewesen zu sein, zur Gänze eine nachträglich erfundene Selbstschutzlüge war: nicht anders als die selbstentschuldigen Narrative der individuellen Täter, durch externen Druck – z.B. durch Reinerths Versuch, seine Willkürherrschaft über die deutsche Vorgeschichte[7] auch mittels Parteigewalt ( Staatsgewalt) durchzusetzen – dazu gezwungen worden zu sein, um vor den Übergriffen von (anderen) Parteisoldaten Schutz zu erhalten selbst einer Parteiorganisation beizutreten, sicher wenigstens teilweise der Wahrheit entsprachen, entspricht es sicherlich auch wenigstens teilweise der Wahrheit, dass „das Fach“ von der NSDAP für deren Zwecke ge- und damit – wo der Wille der Partei nicht jenem der Fachgemeinschaft entsprach – gewaltsam missbraucht wurde. Aber das war ja – weshalb es sich als entschuldigendes Narrativ überhaupt erst angeboten hat – eigentlich – gerade unter den Umständen der Zeit – überhaupt kein Fehler des Faches: gewaltsamer Missbrauch durch einen übelwollenden Dritten ist schließlich nie die Schuld des Missbrauchten; nicht einmal, wenn er sich dagegen nicht heftig genug gewehrt oder ihn sogar durch „unbedachtes“ eigenes Verhalten erleichtert hat.

Der – wenigstens meiner Meinung nach – gravierende Fehler des Faches war viel mehr der, der sich ganz besonders deutlich am Verhalten der Haupttäter in Fällen wie dem der Beraubung und Ermordung von Robert Wadler zeigt:

Beninger wusste offensichtlich sehr wohl, was diesem wenigstens drohte; und wusste sicher auch, dass er Wadler, als er ihm „bei dem Verkaufe seiner Kollektion urgeschichtlicher Funde behilflich“ (Beninger 3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85) war, de facto beraubte; auch wenn er sich das eventuell damit schöngeredet hat, dass er diesem damit eventuell die Flucht vor dem sonst sicheren Tod ermöglichen könnte. Beninger wusste auch ganz sicher, dass er Wadler dessen Sammlung weit unter deren wahrem Wert „abkaufte“; also Wadler massiv an dessen Vermögen schädigte. Auch das mag er sich damit schöngeredet haben, dass Wadler sowieso ein toter Mann war, dessen Vermögen vom Staat eingesteckt werden würde, und es daher besser und sogar mehr im Sinne Wadlers war, wenn es der Archäologie und dem NHM statt Kriegsvorbereitungen zugute käme; und es noch dazu sicherstellte, dass Wadlers Sammlung dem Fach und dem Allgemeinwohl zugute kam, statt zu dessen privaten Vorteil in der Privatsammlung irgendeines Parteigängers zu verschwinden.

Denn das ist der gemeinsame Nenner der „Raubarchäologie“, ob nun der Beningers, Willvonseders oder der Mehrheit der sonst auf die eine oder andere Weise daran beteiligten Archäologen: dass sie von den Tätern nicht zu deren unmittelbarer, eigener Bereicherung[8] betrieben wurde,[9] sondern tatsächlich wohl hauptsächlich dafür, um das zu erreichen, was sie subjektiv als „der Archäologie“, „dem Fach“ und/oder dem „Allgemeinwohl“ am Förderlichsten erachteten. Auch das zeigt sich in aller Deutlichkeit im Fall Wadler: Beninger hätte diesem problemlos dessen Sammlung ebenso billig ab- und sie dann dem NHM zu ihrem wahren Wert weiterverkaufen können, wie er sie Wadler im Namen des NHM abgekauft hat; hätte sich also durch Beraubung Wadlers signifikant selbst bereichern können. Das scheint er allerdings nicht getan zu haben, obwohl es damals – auch wenn selbstverständlich schon den Meisten klar war, dass das einen gewissen Interessenskonflikt erzeugte – noch nicht einmal besonders verpönt, geschweige denn durch irgendwelche Standesregeln oder Gesetze verboten war, dass Museumsangestellte Privatsammlungen unterhielten und diese oder wenigstens „gute Stücke“ daraus „ihrem“ Museum verkauften. Wenigstens grosso modo das gleiche gilt auch für den Rest der „Raubarchäologie“: konkrete Hinweise darauf, dass sich einzelne Archäologen damit selbst bereichert hätten, geschweige denn massiv und systematisch, fehlen zur Gänze.

Die Archäologen-Täter haben also „Raubarchäologie“ nicht zur Selbstbereicherung betrieben, sondern mit Sicherheit zum Wohle „der Archäologie“, „des Faches“, oder auch „der Allgemeinheit“; eben, um Jankuhns Worte noch einmal zu wiederholen, um für „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz“ (Jankuhn 14.5.1963; zitiert bei Kater 2006, 155) zu sorgen, wo es ihrer subjektiven Meinung nach keinen oder wenigstens keinen zureichenden gab. Genau das wollte „das Fach“ aber schon seit seinen Anfängen; und war schon ebenso lange überzeugt, dass der Schutz der (archäologischen) Denkmale nicht etwa nur ein „privates“, partikuläres Eigeninteresse „des Faches“ ist, sondern für das  „Allgemeinwohl“ so absolut und unabdingbar notwendig, dass er das einzig entscheidende, alle anderen automatisch überwiegende „öffentliche Interesse“ ist.[10] Es ist diese Stelle, an welcher der wirklich gravierende Fehler „des Faches“ liegt: es hat – schon lange vor der Machtübernahme der Nazis – dem (wirklichen oder vermeintlichen) „öffentlichen Interesse“ am Schutz „der Archäologie“ unbedingten Vorrang vor den subjektiven Interessen jedes einzelnen Menschen eingeräumt; hat seine primäre Aufgabe darin gesehen, die Archäologie „im Interesse aller vor dem Zugriff aller“ (Lüth 2006, 102) zu schützen.

Das entsprach aber nun exakt dem „nationalsozialistischen Leitsatz[…], der Einzelne sei nichts, der Staat (oder die Gemeinschaft) alles“ (Jarass & Pieroth 2016, 41). Es entsprach exakt dem, was das deutsche Bundesverfassungsgericht ([BVerfG]E 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34-35) als charakteristisch für das „Verwaltungsdenken des totalitären Staates“ herausgearbeitet hat: „die wirklichen oder vermeintlichen Staatsinteressen“ genossen in diesem Denken „unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers“, „Grundrechte gab es nicht mehr und subjektiv-öffentliche Rechte gegenüber der Verwaltung wurden nicht anerkannt“, weil „der staatlichen Lenkungsbefugnis“ absoluter Vorrang vor allem anderen eingeräumt wurde (ibid.); letztendlich sogar vor dem Schutz von individuellen Eigentumsrechten, Leib oder Leben.

Was „das Fach“ in Hinblick auf die archäologischen Denkmale schon immer gewollt hatte – absolut uneingeschränkte „Lenkungsbefugnis“ darüber, was mit den archäologischen Denkmalen zu geschehen habe – und was die NSDAP (nicht nur in allen anderen Belangen, sondern natürlich auch in Hinblick auf die archäologischen Denkmale, auch wenn ihr diese außer für propagandistische Zwecke weitgehend gleichgültig waren) wollte – absolut uneingeschränkte „Lenkungsbefugnis“ über alle Lebensbelange – waren also in Hinblick auf die archäologischen Denkmale ein und dasselbe. Daher war die NSDAP für „deutsche Archäologen“ auch enorm attraktiv, denn wurde ein Archäologe ein Parteiorgan mit Entscheidungsbefugnis in einem bestimmten Wirkungsbereich, dann konnte er in diesem in Hinblick auf die archäologischen Denkmale tun oder lassen, was auch immer er wollte. Die „Raubarchäologie“ war nur die logische Konsequenz davon, war das Resultat der Ausübung dieser uneingeschränkten Lenkungsbefugnis von „archäologischen“ Parteiorganen in der Praxis.

Das ist dann auch genau das, was Beninger im Fall Wadler gemacht hat: diese „Lenkungsbefugnis“ wahrgenommen, so wie er es in der konkreten Situation willkürlich für richtig gehalten hat; und dabei auf Wadler und dessen „private“ Interessen nur insoweit Rücksicht genommen, als er, wie er das selbst ausgesagt hat, diesem „eine Dankesschuld des Museums abstatten wollte“ (Beninger 3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85). Priorität hatte aber eindeutig „die wissenschaftliche Sicherung prähistorischer Funde“, wie auch Pittioni in dieser Angelegenheit nach dem Krieg zugunsten Beningers aussagte (Friedmann 2013, 84).

Konsequenzen: Raubarchäologie in Österreich, 2024

Nachdem „das Fach“ bisher nicht analysiert hat, ob und wenn ja welche gravierenden Fehler es gemacht hat, sondern sich als – eigentlich gänzlich unschuldiges, wenn auch vielleicht etwas unvorsichtiges – Missbrauchsopfer gesehen hat und noch immer sieht, nachdem es auch nicht effektiv entnazifiziert wurde, und auch selbst die obersten Parteiarchäologen der NSDAP sich keineswegs als schuldhaft Fehler begangen habende Täter, sondern wenn überhaupt als Opfer, erst des an den Exzessen der Nazi-Archäologie alleinschuldigen Reinerths und dann des Entnazifizierungsprozesses, gesehen haben, und da es auch keine signifikanten Hinweise darauf gibt, dass „das Fach“ seit Ende des Dritten Reichs sein Verhalten maßgeblich geändert hat, besteht also eine ernstzunehmende Gefahr, dass es bei nächster Gelegenheit genau denselben Fehler wieder begehen wird, den es in Österreich im Zeitraum zwischen 1938 und 1945 begangen hat: den wirklichen oder vermeintlichen „Interessen der Archäologie“ neuerlich unbedingten Vorrang vor selbst den Grund- und Menschenrechten des einzelnen Staatsbürgers einzuräumen. Und leider gibt es nicht nur schwache Hinweise darauf, auf die nun eingegangen werden soll. Um damit zu beginnen, ist allerdings zuerst ein weiterer kurzer Exkurs notwendig:

Exkurs: Die Balance von öffentlichen und privaten Interessen und das Eigentumsrecht

In modernen demokratischen Verfassungsstaaten, wie Österreich einer ist, ist der Schutz und die Achtung der (verfassungsgesetzlich garantierten) Grund- und Menschenrechte jedes einzelnen Staatsbürgers einer der höchsten Verfassungswerte. In Deutschland und Österreich ist das sogar definitiv der höchste Verfassungswert; und das nicht grundlos: kleinster gemeinsamer Nenner der bzw. grundlegende Ursache für all die Gräueltaten des Dritten Reichs – inklusive der „Raubarchäologie“ von Nazi-Archäologen – war schließlich die soeben erwähnte, komplette Unterordnung, selbst der fundamentalsten Bedürfnisse bzw. Rechte auf Eigentum, Gesundheit, Leib und Leben des einzelnen Menschen (selbst des einzelnen Staatsbürgers) unter die wirklichen oder vermeintlichen Interessen „der Allgemeinheit“ bzw. des diese vertretenden Staates (bzw. seiner Organe).

Daher hat der deutsche Verfassungsgesetzgeber ganz explizit (in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland [GG]) die Menschenwürde – definiert und garantiert in Form von „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ (Art. 1 Abs. 2 GG) – für unantastbar und deren Schutz und Achtung zur „Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Art. 1 Abs. 1 GG) erklärt. Dem BVerfG (z.B. BVerfGE 109, 279/311) zufolge ist die Menschenwürde der „oberste Verfassungswert“ und die wichtigste Wertentscheidung des GG (Jarass & Pieroth 2016, 41 Rz 2 mwN). Der österreichische Verfassungsgesetzgeber war zwar – weil er nach dem 2. Weltkrieg seine vor dem Anschluss bestehende Verfassung einfach wieder in Kraft gesetzt statt neu geschaffen hat – in dieser Beziehung weniger explizit als der deutsche; hat aber durch Erhebung der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK] samt deren ersten Zusatzprotokolls [1. ZProt.] (CoE 1950; 1952; BGBl. Nr. 210/1958) in den Verfassungsrang (BGBl. Nr. 59/1964) letztendlich dieselbe Wertentscheidung getroffen; stellt doch auch die EMRK schon in ihrer Präambel fest, dass die Grundfreiheiten – d.h. das was der deutsche Verfassungsgesetzgeber als „Menschenwürde“ bezeichnet hat – „die Grundlage der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bilden“ (Präambel EMRK) und verweist in dieser auch explizit auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte [AEMR] (UN 1948). Letztere wiederum erwähnt explizit in ihrer Präambel, dass sie nicht zuletzt deshalb verabschiedet wurde, „da Verkennung und Missachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei führten, die das Gewissen der Menschheit tief verletzt haben“ (Präambel AEMR), also gerade aufgrund der Verbrechen des Dritten Reichs inklusive der „Raubarchäologie“, die oben besprochen wurden; und stellt an gleicher Stelle zusätzlich fest, dass „es wesentlich ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechts zu schützen, damit der Mensch nicht zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung als letztem Mittel gezwungen wird“ (ibid.).

Es ist daher, besonders in Deutschland und Österreich, gerade für ein Fach wie das unsere, das nicht ein unschuldiges Opfer war, sondern sich der nachgerade enthusiastischen Mittäterschaft an ebendiesen Gräueltaten schuldig gemacht hat, essenziell, stets an vorderster Stelle im Geist zu behalten, dass eben auch und insbesondere im Wirkungsbereich unseres Faches nicht „die wirklichen oder vermeintlichen Staatsinteressen unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers“ (BVerfGE 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34) genießen; sondern – wenn ein „privates“ Einzelinteresse und ein (tatsächlich festgestelltermaßen bestehendes) „öffentliches Interesse“ an der Erhaltung und Erforschung der archäologischen Denkmale miteinander kollidieren – diese Interessen gegeneinander abgewogen und miteinander in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen, wobei insbesondere die Wertmaßstäbe einer demokratischen Gesellschaft zu berücksichtigen bzw. für diese Abwägung heranzuziehen sind (Berka 1999, 161-167, Rz 274-286). Diese Abwägung ist nicht zuletzt dafür unbedingt erforderlich, um sicherzustellen, dass sich Fälle wie der oben dargestellte der Beraubung und Ermordung des Robert Wadler niemals mehr – und sei es auch nur irrtümlich und völlig unbeabsichtigt – wiederholen (können).

Es trifft in dieser Beziehung daher nicht nur „das Fach“ in dessen Gesamtheit, sondern auch insbesondere jeden „deutschen“ und jeden „österreichischen“ Archäologen und selbstverständlich auch jede „deutsche“ und jede „österreichische“ Archäologin eine besondere moralische Verpflichtung, in seinem bzw. ihrem gesamten fachlichen und außerfachlichen Verhalten besonders darauf zu achten, nicht – und sei es nur unabsichtlich aufgrund von Gedankenlosigkeit – die Grund- und Menschenrechte einzelner Staatsbürger zugunsten der „Interessen der Archäologie“ ebenso zu missachten, wie wir alle wissen (müssen), dass es unsere Vorgänger wie Reinerth und Beninger, Jankuhn und Willvonseder tatsächlich getan haben. Auch wenn uns das aufgrund unserer subjektiven und disziplinären Vorlieben und Werte nicht gefallen mag: die „Interessen der Archäologie“ sind nicht wichtiger als die berechtigten „privaten“ Interessen Einzelner, und die wirklichen oder vermeintlichen Bedürfnisse „der Allgemeinheit“ genießen keinen unbedingten Vorrang vor allen, selbst den grundlegendsten, Bedürfnissen des Einzelnen. Ganz im Gegenteil: so wie (in Umkehrung der Satzteilstellung des ersten Satzes des Herrenchiemsee-Entwurfs des GG) „der Mensch nicht um des Staates willen“, sondern der Staat „um des Menschen willen“ (Jarass & Pieroth 2016, 41 Rz 1) da ist; ist auch der Mensch nicht um der Archäologie willen, sondern die Archäologie um des Menschen willen da.

Zwar können die Grund- und Menschenrechte des Einzelnen durchaus eingeschränkt werden, wenn diese Einschränkung dafür geeignet und auf jene Maßnahme beschränkt ist, die zum Schutz eines überwiegenden öffentlichen Interesses unbedingt erforderlich und mit dem Gewicht der durch sie verursachten Grundrechtsbeschränkung in einem wohl ausgewogenen Verhältnis ist (vgl. Berka 1999, 156-167, Rz 266-286; Jarass & Pieroth 2016, 32-33, Rz 45-46a). Eingriffe in verfassungsgesetzlich gewährleistete Grund- und Menschenrechte, die über diese zum Schutz überwiegender „öffentlicher Interessen“ tatsächlich geeigneten, unbedingt erforderlichen und verhältnismäßigen Beschränkungen hinausgehen, sind hingegen – auch dem Gesetzgeber, wenn sie von durch von diesem erlassene Gesetze verursacht werden – vollständig verboten.

Eigentumsgarantie und Eigentumsrecht

Eines der wesentlichen dieser Grund- und Menschenrechte ist die Eigentumsgarantie. Diese wird in Deutschland durch Art. 14 GG; in Österreich durch Art. 5 Staatsgrundgesetz 1867 (StGG) und Art. 1 1. ZProt. EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistet, wobei in allen genannten Fällen diese Garantie unter Gesetzesvorbehalt gestellt ist. Gleichermaßen wird diese Garantie – ebenfalls unter Gesetzesvorbehalt – durch Art. 17 der Charter der Grundrechte der Europäischen Union [CFREU] (EU 2012) europarechtlich, Art. 1 1. ZProt. EMRK und – vorbehaltlos – durch Art. 17 AEMR völkerrechtlich gewährleistet. Insbesondere enthalten alle diese verfassungs-, europa- und völkerrechtlichen Bestimmungen ein Verbot der (willkürlichen) Enteignung; wobei für Deutschland und Österreich auch insbesondere Art. 17 Abs. 1 CFREU und für Deutschland zusätzlich Art. 14 Abs. 3 GG wesentlich sind, die entschädigungslose Enteignungen absolut verbieten.

In Österreich definiert § 353 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches [ABGB] im objektiven Sinn das Eigentum als „[a]lles, was jemanden zugehöret, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen“. Der materielle Gehalt des Eigentumsrechts, also das, was der Eigentümer (subjektiv) mit seinen Sachen zu tun (oder zu lassen) berechtigt ist, wird in Österreich allgemein durch die Bestimmungen der §§ 354 und 362 ABGB bestimmt. Es handelt sich beim Eigentumsrecht nach diesen Legaldefinitionen um „das Befugniß, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten, und jeden Andern davon auszuschließen“ (§ 354 ABGB), d.h. konkreter „Kraft des Rechtes, frey über sein Eigenthum zu verfügen, kann der vollständige Eigenthümer in der Regel seine Sache nach Willkühr benützen oder unbenützt lassen; er kann sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen“ (§ 362 ABGB). Nur unmaßgeblich vereinfacht gesagt bedeutet das also, dass der vollständige Eigentümer mit seinem Eigentum alles gesetzlich Erlaubte tun und lassen kann, was er will; d.h. über dessen Schicksal willkürlich rechtsverbindlich verfügen darf. Eigentum ist in diesem Sinn also nichts anderes als die rechtsverbindliche Verfügungsgewalt über seine Sachen durch dessen Eigentümer.

Es ist daher diese freie Verfügungsgewalt über sein Eigentum, die dem Eigentümer in Österreich durch Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZProt. EMRK verfassungsgesetzlich, Art. 17 CFREU (EU 2012) europarechtlich und durch Art. 1 1. ZProt. EMRK und Art. 17 AEMR völkerrechtlich garantiert wird; die ihm also nicht (bzw. nur aufgrund eines überwiegenden „öffentlichen Interesses“ durch ein Gesetz, das – und sei es in Österreich auch nur wegen der diesbezüglichen Bestimmung des Art. 17 CFREU[11] – bestimmen muss, wie die ihm in einem solchen Fall absolut verpflichtend zustehende, gerechte Entschädigung zu bestimmen ist) zugunsten eines beliebigen Dritten (inklusive des Staates) entzogen werden darf. Zu beachten ist hierbei allerdings besonders, dass aufgrund des Gesetzesvorbehalts, unter dem die Eigentumsgarantie steht, eine stärkere als durch das ABGB vorgesehene Beschränkung der Verfügungsgewalt des Eigentümers über sein Eigentum durch den Gesetzgeber – wie z.B. durch Denkmalschutzgesetze[12] – verfassungsrechtlich unbedenklich und daher sehr wohl zulässig ist (VfGH 1.10.1986, B164/85; Berka 1999, 407, Rz 724). Eine solche bloße Beschränkung der Verfügungsgewalt des Eigentümers über seine Sache, durch die ihm „die unter Umständen wirtschaftlich erheblich belastende Pflicht“ aufgelastet wird, „Veränderungen oder Zerstörungen des Denkmals zu unterlassen und gewisse Instandhaltungsarbeiten durchzuführen“ (Berka 1999, 407, Rz 724) stellt also, solange sie im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren und generell Verhältnismäßigen bleibt (VfGH 1.10.1986, B164/85, II.3.), (noch) keine Enteignung im soeben erklärten Sinn dar.

Geht ein (auch ein gesetzlicher), wenngleich nicht explizit als Enteignung bezeichneter, Eigentumseingriff hingegen so weit, dass dem Eigentümer die Verfügungsgewalt über seine Sache dadurch zur Gänze entzogen wird, das Eigentumsrecht also zu einem reinen „nudum ius“ wird – d.h. einem Recht, das nur noch auf dem Papier besteht, das also keinen materiellen Gehalt mehr hat und aus dem sein Inhaber keinen Vorteil oder Nutzen für sich selbst (mehr) ziehen kann – handelt es sich dabei um eine sogenannte „materielle Enteignung“ (Berka 1999, 407-409, Rz 725-728). Diese ist einer expliziten Enteignung jedenfalls gleichzuhalten und zieht insbesondere als Rechtsfolge das Bestehen einer materiellen Entschädigungspflicht nach sich.

Kann also jemand „mit der Substanz und den Nutzungen“ einer „Sache“ überhaupt nicht mehr „nach Willkühr [..] schalten“, auch nicht mehr „jeden Andern davon aus[]schließen“ (§ 354 ABGB) und diese auch weder „nach Willkühr benützen oder unbenützt lassen“ noch „sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen“ (§ 362 ABGB), weil alle diese Befugnisse – und sei es nur de facto – gegen seinen Willen auf einen beliebigen Dritten (inklusive des Staates) übertragen wurden, ist es unerheblich, ob er am Papier immer noch als Eigentümer dieser Sache aufscheint, weil er, wenn auch nicht de iure, so doch materiell enteignet wurde. Konkret bedeutet das im Kontext des oben zum Umgang des Dritten Reichs und seiner „Raubarchäologie“ mit dem Eigentum Einzelner Gesagten, dass, wenn bezüglich einer bestimmten Sache (ob nun durch einfaches Gesetz oder Verwaltungsakt) „der staatlichen Lenkungsbefugnis“ absoluter Vorrang (sogar) vor der Verfügungsgewalt des am Papier als ihr Eigentümer ausgewiesenen Einzelnen eingeräumt wurde oder wird, es sich dabei um eine verfassungs-, europa- und völkerrechtswidrige Enteignung handelt – egal mit welchen Worten diese nun tatsächlich bezeichnet und wie sie vom Staat oder sonst jemandem schönzureden versucht wird.

Der gravierende Fehler des gegenwärtigen „Faches“

Damit bleibt nun noch zu überprüfen, ob und inwieweit das Fach den gravierenden Fehler, der zur „Raubarchäologie“ der Nazi-Archäologen geführt hat, weiterhin macht und daher weiterhin die Gefahr besteht, dass es bzw. individuelle Archäolog*innen die gleichen oder wenigstens gleichartige Menschenrechtsverletzungen begehen könnten wie diese, oder ob das nicht der Fall ist.

Um festzustellen, ob auch heutige Archäolog*innen den „wirklichen oder vermeintlichen Staatinteressen“ immer noch „unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers“ (BVerfGE 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34) einräumen, also das „öffentliche Interesse“ an der „Erhaltung der archäologischen Denkmale“ als jedenfalls immer und automatisch den „privaten Interessen Einzelner“ vorrangig erachten, habe ich schon von Mitte März bis Ende April 2020 eine kleine Umfrage durchgeführt. Diese wurde über diverse elektronische Medien verbreitet, insbesondere über einige der unter professionellen Archäolog*innen ebenso wie unter archäologieinteressierten Laien populärsten und einige sich primär an Metallsucher richtende Facebook-Gruppen sowie einen populären Email- und Online-Newsletter für Antikenhändler und Sammler. Das Spektrum der angesprochenen Interessensgruppen war dabei deshalb so gewählt, um auch einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Ansichten in unterschiedliche Ziele verfolgenden Gruppen mit Interesse an archäologischen Funden und Befunden anstellen zu können.

In den etwa 6 Wochen, während der die Umfrage offen war, gingen insgesamt 122 weitgehend vollständige Antworten ein. Von den Antwortenden identifizierten sich 30 selbst als professionelle Archäolog*innen oder derzeit aktive Studierende eines archäologischen Faches, 22 als Metallsucher*innen, 33 als Personen, die ein rechtliches oder berufliches Interesse an Archäologie haben (z.B. Eigentümer archäologischer Funde oder Fundstellen, Antikenhändler, ehemalige Archäologiestudierende, die nicht im Fach arbeiten, etc.), und 37 als Personen mit einem generellen „kulturellen“ Interesse an Archäologie (die, als Mitglieder von Gruppen über die der Survey verbreitet worden war, dem autorisierten Denkmaldiskurs [AHD; Smith 2006, 29-34] ausgesetzt gewesen und – wie die Antworten dieser Gruppe auf viele Fragen zeigten – von diesem beeinflusst worden waren). Die Umfrage ist natürlich statistisch nicht repräsentativ, ihre Ergebnisse können allerdings durchaus als Hinweis darauf gewertet werden, wie sich unterschiedliche Meinungen tendenziell in den verschiedenen Interessensgruppen verteilen bzw. wie häufig oder selten sie in diesen unterschiedlichen Gruppen anzutreffen sind.

Als letzte Frage in dieser Umfrage – die sich primär mit Fragen, wem archäologische Denkmale gehören und wer für ihre Erhaltung und Erforschung bezahlen solle, beschäftigte – wurden Probanden gebeten, anzugeben, ob ihrer Ansicht nach in Fällen von Konflikten zwischen diesen „öffentliche“ oder berechtigte „private“ Interessen überwiegen würden. Die fünf möglichen Antwortoptionen waren, dass das öffentliche immer das private Interesse überwiegt, dass das öffentliche normalerweise (aber nicht unbedingt immer) das private Interesse überwiegt, dass öffentliches und privates Interesse in jedem Einzelfall gegeneinander abgewogen und in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden müssen, dass das private normalerweise (aber nicht unbedingt immer) das öffentliche Interesse überwiegt, oder dass das private immer das öffentliche Interesse überwiegt.

Dabei waren diese Antwortmöglichkeiten natürlich sehr bewusst gewählt: die mittlere (dritte) davon ist nämlich nicht nur die rechtlich (einzig) richtige Antwort; sondern ist auch die (einzige), die den grundlegenden Wertentscheidungen der deutschen und österreichischen Bundesverfassungen, des Europa- und des Völkerrechts entspricht; vor allem aber und vielleicht noch wichtiger, die (einzige), die auch dem vielleicht wichtigsten allgemeinen ethischen Grundprinzip primum non nocere[13] (d.h. dem Schadensvermeidungsprinzip) genügt. Schließlich wird das Risiko wenigstens billigend in Kauf genommen, dass dem, dessen Interesse a priori als nachrangig betrachtet wird, mehr Schaden zugefügt wird, als in einem solchen Interessenskonflikt unvermeidlich ist, wenn einem der beiden Interessen (weitgehend) unbeachtlich der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls Vorrang vor dem anderen eingeräumt wird (und sie daher nicht in ein ausgewogenes Verhältnis miteinander gebracht werden) – wenn dabei nicht sogar vorsätzlich Schaden zugunsten des anderen Interesses zugefügt wird.

Von dieser – in den soeben genannten drei Sinnen einzig richtigen – Antwortmöglichkeiten weichen die anderen vier hingegen jeweils moderat (bzw. tendenziell) bzw. radikal (bzw. extrem) in zwei entgegengesetzte Richtungen[14] ab; nämlich einerseits in die des schon oben genannten „Verwaltungsdenkens des totalitären Staates“ (BVerfGE 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34) bzw. des „nationalsozialistischen Leitsatzes, der Einzelne sei nichts, der Staat (oder die Gemeinschaft) alles“ (Jarass & Pieroth 2016, 41); und andererseits in die genau entgegengesetzte, die eines (moderaten oder extremen) Libertarismus (z.B. Boaz 1998), d.h. jener (vor allem in den USA populären, letztendlich genauso illiberalen) politischen Philosophie, die Eingriffen des Staates in individuelle Rechte bzw. dem Staat an sich ablehnend gegenübersteht (sozusagen: „der Staat – oder die Gemeinschaft – ist nichts, der Einzelne alles“) bzw. der Anarchie. Beide Richtungen sind mit demokratischen Gesellschaftsordnungen, die auf der Gleichheit aller Staatsbürger*innen vor dem und der Herrschaft des Gesetzes beruhen, vollkommen unvereinbar, weil sie beide letztendlich eine Willkürautokratie propagieren: entweder eine Willkürautokratie des (monarchischen oder der oligarchischen) Staatsführer(s); oder eine jedes Einzelnen; was beides auf das „Recht des Stärkeren“ hinausläuft.

In einer gesellschaftlichen Gruppe, deren Angehörige in einem demokratischen System leben wollen, wäre also zu erwarten, dass eine Mehrheit der Probanden die „mittlere“ der fünf möglichen Antworten wählt; mit jeweils einem kleineren Anteil, der eine der beiden moderat, und jeweils einem viel kleineren Anteil, eine der beiden extrem von der „demokratischen Mitte“ abweichenden Antworten wählt. Weist man den beiden extremen Antworten einen Wert von plus und minus 2, den moderaten von plus und minus 1, und der mittleren Antwort einen Wert von 0 zu und berechnet damit das gewichtete Mittel des Wertes der Antworten der Angehörigen einer solchen Gruppe sollte das Ergebnis nahe bei Null zu liegen kommen. Je weiter hingegen das gewichtete Mittel der Antworten einer Interessensgruppe – ob nun in der einen oder anderen Richtung – von Null abweicht, desto stärker tendiert das kollektive Denken dieser Gruppe entweder zum Totalitarismus oder zum Libertarismus.

Abb. 1 zeigt das doch – gerade im Zusammenhang mit dem zuvor zur Nazi-Archäologie Gesagten – eher bedenkliche Ergebnis der Umfrage.

Abb. 1: Ergebnisse der Umfrage zur Gewichtung öffentlicher und privater Interessen, geordnet nach verschiedenen Interessensgruppen in absteigender Ordnung des gewichteten Mittels der Antworten.

Wenig überraschend tendiert in allen untersuchten Gruppen das gewichtete Mittel der Antworten in Richtung des totalitären Denkens: es gibt im deutschen Sprachraum – im Gegensatz z.B. zu den USA – schließlich keine nennenswerte libertäre oder anarchistische Tradition, während wenigstens in weiten Teilen des deutschen Sprachraums noch zahlreiche Menschen eigene – und keineswegs alle davon nur schlechte – Erinnerungen an das Leben unter totalitären Herrschaftssystemen haben. Nachdem totalitäre Systeme sich unter anderem dadurch kennzeichnen, dass sie ihre Angehörigen ideologisch zu indoktrinieren versuchen, und dass totalitäres Denken inhärenter Bestandteil jeder totalitären Ideologie ist (z.B. Friedrich & Brzezinski 1965), ist eine gewisse Prägung des kollektiven Denkens einer lange unter einem totalitären System gelebt habenden Bevölkerung unvermeidlich und daher zu erwarten.

Was an dem – noch einmal, streng genommen wohl nicht statistisch repräsentativen – Ergebnis der Umfrage allerdings doch eher erschreckend ist, ist nicht nur, dass von den vier miteinander verglichenen Gruppen nicht nur die Gruppe der professionellen Archäolog*innen und Archäologiestudierenden jene ist, deren kollektives Denken am stärksten in Richtung des Totalitarismus tendiert – das gewichtete Mittel der Antworten von Angehörigen dieser Gruppe von 1,03 liegt bereits im Bereich zwischen moderater und extremer totalitärer Tendenz – sondern auch dass die Tendenz zum totalitären Denken im Vergleich zwischen den anderen drei Gruppen umso höher ist, desto näher diese Gruppe der archäologischen Fachwelt und deren Interessen steht. Das gewichtete Mittel der Antworten der durch den AHD beeinflussten – also wenn man so will „von der professionellen archäologischen Denkmalpflege indoktrinierten“ – archäologieinteressierten Laien liegt nämlich bei 0,81, zeigt also eine etwas schwächere, aber immer noch deutliche totalitäre Tendenz; das der Antworten der Denkmaleigentümer*innen, Antikenhändler*innen, aber auch ehemaligen Archäologiestudierenden, die „das Fach“ seither verlassen haben – deren Verhältnis zur professionellen Archäologie und Denkmalpflege deutlich gespaltener ist als jenes der zuletzt genannten Gruppe – hingegen bei 0,61 und damit immer noch klar außerhalb dessen, was man als das „demokratische Mittel“ im Bereich zwischen 0,5 und -0,5 bezeichnen könnte. Nur die Antworten jener Gruppe, deren Angehörige eines der, wenn nicht sogar das hauptsächliche Feindbild vieler professioneller Archäolog*innen und Denkmalpfleger*innen sind, die der Metallsucher*innen, liegen mit einem gewichteten Mittel von 0,27 in jenem Bereich, in dem man in einer (durch eine teilweise nicht allzu lange zurückliegende, totalitäre Vergangenheit geprägten) demokratischen Gesellschaft erwarten würde und können sollte. Gleichermaßen bemerkenswert und bedenklich ist zudem, dass von den insgesamt 67 den Gruppen der professionellen Archäolog*innen und Archäologiestudierenden sowie der (AHD-beeinflussten) archäologieinteressierten Laien angehörenden Probanden kein einziger eine der beiden in die libertäre bzw. anarchistische Richtung weisenden Antworten wählte; während immerhin 5 (d.h. ca. 9%) der 55 den beiden anderen Gruppen angehörenden Probanden in diese Richtung weisende Antworten gaben.

Klarerweise kann man aus den Ergebnissen einer solchen, nicht repräsentativen, Umfrage keine stark belastbaren Schlussfolgerungen ziehen: dafür war das Sample, das noch dazu selbstselektierend war, selbstverständlich viel zu klein. Es zeigt dennoch eine sehr bedenkliche Tendenz, vor allem, wenn man bedenkt, dass „das Fach“ bei historischer Betrachtung eben alles andere als in der (sich in der Umfrage zeigenden) Art des Denkens unbefleckt ist. Es bestätigt auch, dass eine ernsthafte „Enttotalisierung“ des Faches weder nach Ende des Dritten Reichs noch nach dem des ebenso totalitären realen Sozialismus der DDR stattgefunden hat, sondern sich „das Fach“ ebenso wie selbst offensichtliche Haupttäter nur selbstentschuldigende Opfermythen zusammengebastelt haben. Konkrete Hinweise sprechen sogar dafür, dass der dominanten Ideologie der (archäologischen und sonstigen) Denkmalpflege, dem AHD (Smith 2006, 29-34), wenigstens oligarchisches, wenn nicht sogar autokratisches Denken, und somit Vorformen des totalitären Denkens inhärent sind; und das noch völlig abgesehen davon, dass die in der staatlichen archäologischen Denkmalpflege offensichtlich dominante Vorstellung, dass nur „staatliche“ auch gute Archäologie sei, während man „privaten Nachforschungen“ grundsätzlich nicht vertrauen könne (siehe z.B. Martin & Krautzberger 2010, 888; cf. Karl i.V.), ebenfalls in erschreckender Deutlichkeit in die gleiche Richtung zu weisen scheint. Es ist also keineswegs so, dass die sich in dieser Umfrage zeigende Tendenz einen unerwarteten und von anderer Evidenz widerlegten Ausreißer darstellen würde. Ganz im Gegenteil gibt es eine Unzahl von Hinweisen, die darauf hindeuten, dass die Archäologie und insbesondere die (staatliche) archäologische Denkmalpflege für totalitäres Denken wenigstens sehr empfänglich bzw. stark anfällig sind.

Ein konkretes Fallbeispiel: der § 11 der Novelle 2024 des DMSG

Um abschließend auch noch anhand eines konkreten Fallbeispiels zu zeigen, dass der Verdacht begründet ist, dass „das Fach“ den gravierenden Fehler, den es schon im Dritten Reich gemacht und der zu einem der damaligen Verbrechen, der „Raubarchäologie“ geführt hat, immer noch begeht, wenn es nicht von Dritten rechtzeitig aufgehalten wird, sei hier noch kurz die jüngst novellierte Bestimmung in § 11 des österreichischen DMSG zur „dauerhaften Fundaufbewahrung“ genauer analysiert. Dabei ist besonders zu beachten, dass diese Bestimmung, die zweifelsfrei das geistige Kind (wenigstens auch) archäologischer Fachbeamter des österreichischen Bundesdenkmalamtes ist, politisch von Angehörigen jener Partei zu verantworten ist, die sich selbst als „Verteidiger der Grund- und Menschenrechte“ sieht, den „Grünen“: vom derzeitigen Vizekanzler Werner Kogler und der Staatssekretärin Eva Blimlinger.

Betrachten wir zuerst den Wortlaut der hier zu analysierenden Bestimmung:

„§ 11. (1) Werden archäologische Grabungen bewilligt, ist gleichzeitig im Bescheid zu bestimmen, wie die zu erwartenden Funde dauernd verwahrt werden.

(2) Erfüllt die von der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller gemäß § 10 Abs. 6 beigebrachte Regelung nicht die Voraussetzungen einer dauernden Verwahrung, kann das Bundesdenkmalamt die dauernde Verwahrung der Funde gegen einen Kostenersatz anbieten.

(3) Der Kostenersatz ist als Einmalzahlung pauschaliert nach Volumen anzubieten. Die Funde sind dem Bundesdenkmalamt auf Kosten der Antragstellerin bzw. des Antragstellers in depotfähigem, fachgerecht gereinigtem und gefestigtem Zustand samt Inventarliste zu übergeben.

(4) Der pauschalierte Kostenersatz wird nach Volumen und auf 25 Jahre Verwahrzeit bemessen und in einer Verordnung vom Bundesdenkmalamt festgesetzt.“  (RV 2024, 8-9).

Dies wirkt auf den ersten Blick – wenigstens aus archäologischer Sicht – nicht besonders dramatisch, sondern eventuell sogar sinnvoll: zwar ist bekannt, dass praktisch alle schon derzeit bestehenden archäologischen Archive in Österreich schon seit langem aus allen Nähten platzen und in diesen schon jetzt mehrere zehn (wenn nicht deutlich über 100) Millionen wissenschaftlich kaum oder gar nicht ausgewertete Funde von bewilligten archäologischen Ausgrabungen lagern; aber in der Archäologie ist (zwar widersinnigerweise aufgrund einer aus epistemologischen Gründen zwingend objektiv falschen Fehlannahme, wie wissenschaftliche Erkenntnis gewonnen werden kann; siehe dazu schon Karl 2010; und entgegen internationalen Empfehlungen zur archäologischen Archivierung; EAC 2014; 2021) immer noch die Vorstellung weit verbreitet, dass alle „archäologischen Funde“ – selbst jede noch so offensichtlich unbedeutende, undiagnostische und unverzierte Wandscherbe eines Gefäßes – dauerhaft erhalten werden müsse. Welchen Sinn das haben soll, obwohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weit über 95% davon niemals wieder auch nur von einem Fachmann wissenschaftlich ausgewertet werden wird, geschweige denn daraus eine in irgendeiner Weise signifikante Erkenntnis gewonnen werden könnte, bleibt auch in der RV und den zugehörigen Erläuterungen genauso wie in der Fachliteratur völlig unerklärt.[15] Aber völlig abgesehen von der Frage, ob diese Bestimmung überhaupt dazu geeignet ist, ein legitimes gesetzliches (oder auch nur sinnvolles archäologisches) Schutzziel zu erreichen (siehe zur Eignung Berka 1999, 159, Rz 271), ist hier gleich mehreres Weiteres zu bedenken und der Wortlaut der Bestimmung nicht isoliert aus rein archäologischer Sicht zu betrachten.

Vielmehr ist hier zuallererst zu bedenken, dass die „archäologischen Funde“, die bei bewilligten archäologischen Grabungen entdeckt werden (unter der Neuregelung der Materie durch Streichung des alten § 10 DMSG), gem. § 395 ABGB ins alleinige Eigentum ihres Finders bzw., wenn es sich dabei iSd § 398 ABGB um „Geld, Schmuck oder ander[e] Kostbarkeiten“ handelt – und weitgehend bedeutungslose Fundgegenstände entsprechen dieser Legaldefinition sicherlich nicht – gem. § 399 ABGB in das hälftig geteilte Eigentum von Finder und Grundeigentümer[16] (sofern dieser nicht ohnehin ein und dieselbe Person sind) übergehen. Wird die Grabung also nicht von Einrichtungen der öffentlichen Hand (oder, soweit es sich um Schatzfunde iSd § 398 ABGB auf öffentlichem Grund handelt) durchgeführt, stehen alle diese „archäologischen Funde“ in Privateigentum.

Zweitens ist zu bedenken, dass sich diese Bestimmung keineswegs nur auf solche „archäologischen Funde“ bezieht, deren Erhaltung als „archäologische Denkmale“ (iSd Legaldefinition dieses Begriffs in § 8 Abs. 1 der Novelle) aufgrund der ihnen tatsächlich zukommenden, qualifizierenden Bedeutung (iSd § 1 Abs. 4 der Novelle) im öffentlichen Interesse gelegen ist und die das BDA daher bescheidmäßig unter Denkmalschutz stellt. Die Aufbewahrungspflicht gilt ganz im Gegenteil vom Wortlaut her für alle bei bewilligten Grabungen entdeckten Funde, völlig unbeachtlich dessen, ob ihnen – ob nun einzeln oder kollektiv – überhaupt irgendeine geschichtliche, künstlerische oder sonstige Bedeutung zukommt; also unbeachtlich dessen, ob es sich dabei auch nur um „archäologische Denkmale“ iSd § 8 Abs. 1 handelt oder nicht. Nun besteht gem. § 1 Abs. 4 der Novelle ein öffentliches Interesse aber überhaupt nur am Schutz von Denkmalen, und selbst das nur, wenn sie aufgrund ihrer Bedeutung den dort genannten Kriterien (Qualität, Vielzahl, Vielfalt, Verteilung und geschichtlicher Dokumentationswert) entsprechen; was neuerlich weit über 99,9% aller Grabungsfunde sicherlich nicht tun.

Drittens ist zu beachten, was mit „dauerhafter Fundverwahrung“ überhaupt gemeint ist bzw. was man sich darunter vorzustellen hat. Das Konzept der „dauerhaften Verwahrung“ ist im DMSG völlig neu, und könnte daher – nachdem der Gesetzestext nicht genauer definiert, was damit gemeint ist – alles mögliche bedeuten. Die Erläuterungen spezifizieren allerdings dazu: „Anzustreben ist eine Verwahrung der Funde möglichst in der Nähe der jeweiligen Fundstelle durch lokale Trägerorganisationen. Ist es der Bewilligungswerberin bzw. dem Bewilligungswerber gemäß § 11 nicht möglich, eine derartige Verwahrung vorzubereiten, kann das Bundesdenkmalamt die dauernde Verwahrung anbieten.“ (Erläuterungen zur RV 2024, 9). Nachdem bekannt ist, dass das BDA seine archäologische Fundlagerung inzwischen an das (auf Archivierung spezialisierte) Privatunternehmen Iron Mountain[17] ausgelagert hat, wo wohl auch die „dauerhafte Verwahrung“ erfolgen wird, wenn ein Antragsteller ein vom BDA gem. § 11 Abs. 2 gemachtes Angebot annimmt, ist davon auszugehen, dass eine solche Art von Archivierung unter dem Begriff „dauerhafte Verwahrung“ zu verstehen ist. Gleichermaßen dürfte unter „lokalen Trägerorganisationen“ ebenfalls ein derartiges auf Langzeitarchivierung spezialisiertes „gewerbliches Lagerhaus“ (ibid.) oder eventuell ein lokales öffentliches Museum, das den gleichen Anforderungen genügt, zu verstehen sein.

Zudem ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 der Novelle, dass das Fundmaterial vor dessen Einlagerung „in depotfähige[n], fachgerecht gereinigte[n] und gefestigte[n] Zustand“ zu versetzen und eine „Inventarliste“ anzulegen ist; was impliziert, dass das Fundmaterial nicht bloß in jenem Zustand belassen werden soll, in dem es dem Boden entnommen wurde – d.h. nur nicht vorsätzlich zerstört, verändert, veräußert oder verlassen, aber wenigstens dem natürlichen Verfall überlassen werden darf – sondern wohl dauerhaft konservatorisch betreut und eventuell sogar restauriert werden muss. Diese Vermutung findet Bestätigung in den zugehörigen Erläuterungen (RV 2024), aus denen hervorgeht, dass der vom BDA für die durch es selbst angebotene „dauerhafte Verwahrung“ gem. § 11 Abs. 3 und 4 zu verrechnende, durch Verordnung festzusetzende „pauschalierte Kostenersatz […] nicht als bloßer Deckungsbetrag zu verstehen“ ist, sondern „dem Bundesdenkmalamt sämtliche Kosten ersetzen“ soll, „die diesem im Zusammenhang mit der Verwahrung und Erhaltung der Funde entstehen“ (Erläuterungen zur RV 2024, 9). Die zu erwartenden Kosten für die „dauerhafte Verwahrung“ pro m3 Fundmaterial sind also beträchtlich.[18]

Schließlich ist viertens auch noch zu beachten, dass die Pflicht des Fundeigentümers, die für die „dauerhafte Verwahrung“ seiner Funde anfallenden Kosten zu tragen, weder durch die Bestimmungen der §§ 10 und § 11 noch die Erläuterungen (RV 2024, 7-9) in irgendeiner Weise gedeckelt sind; nicht auf den für deren Eigentümer aus der Nutzung oder Verwertung seiner Funde erzielbaren Ertrag oder Profit; und nicht einmal auf jene finanziellen Belastungen, die ihm wirtschaftlich zumutbar sind. Das ist deshalb besonders wesentlich, als schon in den Erläuterungen (RV 2024, 9) festgehalten wird, dass „[d]ie weit überwiegende Zahl archäologischer Funde […] für sich genommen zumeist von keinem oder nur sehr geringem wirtschaftlichen Wert“ sind, d.h. ihr Ertragswert praktisch Null und auch ihr Verkehrswert kaum höher ist; einmal abgesehen davon, dass aufgrund der Verpflichtung zur „dauerhaften Verwahrung“ das Fundmaterial wohl in aller Regel ohnehin gänzlich unverkäuflich, also nicht verwertbar sein wird. Der Fundeigentümer soll also – nachdem ihm wohl nicht nur das BDA, sondern auch „lokale Trägerorganisationen“ wenigstens die ihnen entstehenden Kosten verrechnen werden – die „dauerhafte Verwahrung“ seiner Grabungsfunde aus seinem sonstigen Privatvermögen bezahlen.

Eine entschädigungslose Enteignung, für die der Enteignete seinen Enteigner auch noch bezahlen soll

Zusammengenommen bedeutet also die „dauerhafte Fundverwahrung“ des § 11 der Novelle (RV 2024) nichts anderes als das Folgende:

  •     Wird einer – ob nun natürlichen oder juristischen – Person vom BDA gem. § 10 (RV 2024) eine „Nachforschung nach archäologischen Denkmalen“ durch Grabung bewilligt, wird entweder diese Person (bzw. eventuell sogar der „Finder“ iSd § 389 Abs. 1 ABGB[19] jedes einzelnen Fundes) gem. §§ 397 iVm 395 ABGB alleiniger rechtmäßiger Eigentümer aller dabei entdeckten geringwertigen sowie – falls sich unter den Grabungsfunden ein „Schatz“ iSd § 398 ABGB befindet und diese Person nicht auch gleichzeitig der Grundeigentümer der Grabungsstelle ist – gem. § 399 ABGB hälftig mit dem Grundeigentümer geteilter Eigentümer wirtschaftlich hochwertigen Grabungsfunde. Dieser Eigentumserwerb erfolgt – wenigstens der hälftige durch den Grundeigentümer im Fall eines Schatzfundes iSd § 398 ABGB – gegebenenfalls auch ohne Wissen und Willen des Berechtigten (OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90).[20]

  •       Aufgrund der Bestimmungen der §§ 10 Abs. 6 iVm 11 der Novelle ist diese Person allerdings verpflichtet, die „dauerhafte Verwahrung“ aller dabei entdeckten „archäologischen Funde“ – d.h. selbst jener, denen keine für ein öffentliches Interesse an deren Erhaltung iSd § 1 Abs. 4 oder sogar überhaupt keine Bedeutung iSd §§ 1 Abs. 1 bzw. 8 Abs. 1 (RV 2024) zukommt – derart zu regeln, dass dies (wie vom BDA bescheidmäßig festzulegen ist) den gesetzlichen Anforderungen daran entspricht; bzw. kann das BDA dieser Person, wenn die von ihr vorgeschlagene Regelung diesen nicht entspricht, eine diesen genügende „dauerhafte Verwahrung“ gegen Kostenersatz gem. § 11 Abs. 2-4 anbieten. „Anzustreben“ ist dafür entsprechend den Erläuterungen (RV 2024, 9) eine zeitlich unbefristete, konservatorisch betreute (und somit wohl jedenfalls für die Fundeigentümer kostenpflichtige) Lagerung „möglichst in der Nähe der jeweiligen Fundstelle durch lokale Trägerorganisationen“ bzw. eben das BDA selbst; d.h. gerade nicht die „dauerhafte Verwahrung“ durch den Fundeigentümer selbst, wenigstens sofern dieser nicht auf eigene Kosten ein museumstaugliches Fundarchiv einrichtet.

  •  Es geht durch diese Verpflichtung zur „dauerhaften Fundverwahrung“ bei realistischer Betrachtung in nahezu keinem Fall durch den Fundeigentümer selbst – daher (nahezu) immer die tatsächliche Verfügungsgewalt über dessen Eigentum vom Fundeigentümer auf einen Dritten über; entweder einen kommerziellen Dauerarchivierungsdienstleister oder eine öffentliche Einrichtung (wie das BDA, ein Bundes-, Landes- oder Gemeindemuseum[21]).

  •      Die rechtliche Verfügungsgewalt des Fundeigentümers über seine Fundsachen wird hingegen durch die ihm gesetzlich durch §§ 10 Abs. 6 iVm § 11 (RV 2024) auferlegte Verpflichtung zu deren „dauerhafter Verwahrung“ zur Gänze ihres materiellen Gehalts beraubt. Der Fundeigentümer kann weder – weil sie ja in aller Regel in die tatsächliche Verfügungsgewalt eines Dritten gegeben werden müssen – über die Substanz noch die Nutzungen seiner Fundsachen willkürlich schalten. Er kann sie – weil er sie in aller Regel in die tatsächliche Verfügungsgewalt eines Dritten wird geben müssen – auch nicht „jeden“ anderen von der Verfügung über Substanz und Nutzung seines Eigentums ausschließen.[22] Er kann sie auch nicht mehr in für sich vorteilhafter Weise nutzen, nicht einmal mehr – weil diese Funde ja in aller Regel in irgendeiner Lagereinrichtung gelagert werden, zu der er sich nicht jederzeit Zugang verschaffen, geschweige denn dort selbstständig seine Funde aus dem Regal und Lagerbehälter, in dem sie verwahrt werden, entnehmen kann – dadurch, dass er sich willkürlich an ihrer Betrachtung ergötzt[23]. Er kann sie auch nicht vertilgen, d.h. zerstören, weil das der „dauerhaften Verwahrung“ einer Sache diametral widerspricht; und sich ihrer aus demselben Grund auch nicht mehr begeben, z.B. indem er sie einfach der Müllabfuhr übergibt. Und der Fundeigentümer kann seine Sachen – nachdem sie ihm unter diesen Bedingungen auch kein Dritter abkaufen oder sie sich von ihm schenken (oder auch nur testamentarisch übertragen) lassen wird – auch weder ganz noch zu Teilen auf andere übertragen, geschweige denn zu seinem eigenen (wirtschaftlichen) Vorteil verwerten, also verkaufen. Das Eigentumsrecht des Fundeigentümers an seinen Funden wird also durch die gesetzliche Verpflichtung zur „dauerhaften Verwahrung“ der Funde zu einem reinem nudum ius (Berka 1999, 407, Rz 725), einem Recht, das nur noch am Papier besteht, aber seinem Inhaber überhaupt keine der in §§ 354 und 362 ABGB definierten subjektiven Befugnisse belässt. Die Bestimmung des § 11 (RV 2024) führt also unweigerlich zu einer materiellen Enteignung (Berka 1999, 407, Rz 725) des (bzw. der) Fundeigentümer(s).

  •     Aufgrund des gesetzlichen Eigentumserwerbsautomatismus der §§ 395 (iVm 397) und 399 ABGB können auch weder der Finder iSd 389 Abs. 1 ABGB noch gegebenenfalls (bei einem Schatzfund iSd § 398 ABGB) der Grundeigentümer (OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90) auf das Fundeigentum (und sei es im Voraus) verzichten.

  •     Nachdem die Verpflichtung zur „dauerhaften Verwahrung“ auch nicht auf die (aufgrund der dauerhaften Verwahrungspflicht in aller Regel auch überhaupt nicht gegebene) Ertrags- bzw. Verwertungsfähigkeit des Fundmaterials selbst oder auch nur das dem Fundeigentümer wirtschaftlich zumutbare beschränkt ist, haftet der (selbst der gegen sein Wissen und seinen Willen durch einen Schatzfund iSd § 398 ABGB aufgrund von § 399 ABGB unweigerlich zum Hälfteeigentümer der Schatzfunde werdende Grund-) Eigentümer somit mit seinem gesamten Privatvermögen für die durch die „dauerhafte Verwahrung“ seiner Funde anfallenden Kosten. Nachdem diese jedenfalls erhebliche Kosten verursacht und der Fundeigentümer dafür in der Regel auf Dritte (wie z.B. das BDA selbst) zurückgreifen wird müssen, soll der Fundeigentümer daher für seine dauerhafte materielle Enteignung dem Dritten, dem er die tatsächliche Verfügungsgewalt übertragen musste, d.h. zu dessen Gunsten er enteignet wurde, auch noch aus seinem Privatvermögen die diesem anfallenden Kosten bezahlen.

Dass das nicht nur praktisch dasselbe, sondern eine noch viel krassere Beraubung der davon Betroffenen ist, als es jene des „Juden R. Wadler“ durch Eduard Beninger (3.6.1952; zitiert bei Friedmann 2013, 85) zugunsten des NHM im Sommer 1938[24] war, sollte offensichtlich sein. Ebenso offensichtlich sollte sein, dass es sich dabei um genau dieselbe, angeblich für den „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz“ (Jankuhn, 14.5.1963; zitiert bei Kater 2006, 155) erforderliche, Art von „Raubarchäologie“ handelt, deren sich die archäologischen Haupt- und Mittäter an den Gräueltaten des Dritten Reichs schuldig gemacht haben.

Damit sollte jedenfalls auch klar sein, dass die Regelung der „dauernden Fundverwahrung“ der RV (2024) ganz eindeutig dem entspricht, was das deutsche Bundesverfassungsgericht ([BVerfG]E 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34-35) als das „Verwaltungsdenken des totalitären Staates“ bezeichnet hat: es räumt diese Regelung den „wirklichen oder vermeintlichen Staatsinteressen unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers“ ein, „Grundrechte“ werden dadurch völlig missachtet, und „der staatlichen Lenkungsbefugnis“ absoluter Vorrang vor den Eigentumsrechten des einzelnen Staatsbürgers eingeräumt.

Wie demokratischen Politikern totalitäre Gesetze eingeredet werden

Wie das konkrete Beispiel der Enteignungsermächtigungsbestimmung des § 11 der Novelle des österreichischen DMSG zeigt, tritt „die archäologische Denkmalpflege“ Grund- und Menschenrechte mit Füßen, wenn sie das kann; selbst in einem demokratischen Verfassungsstaat wie Österreich, wenn die Politiker, die dafür zuständig sind, genau solche totalitären Bestrebungen der Bürokratie abzuwehren, am Steuer schlafen.

Das Versagen der Politiker, darauf aufzupassen und Versuche abzuwehren, die Grund- und Menschenrechte auszuhöhlen, ist im Fall der (archäologischen) Denkmalschutzgesetzgebung deshalb besonders problematisch, weil „das Fach“ und insbesondere dessen Vertreter*innen, die in der „staatlichen archäologischen Denkmalpflege“ beschäftigt sind, ganz offensichtlich die alleinige Verfügungsgewalt über alles ausüben wollen, was sie als „Archäologie“ bzw. „archäologische Denkmale“ betrachten. Nachdem dem jedoch die verfassungs-, europa- und menschenrechtliche Eigentumsgarantie – das derart gewährleistete Eigentumsrecht ist schließlich (in Österreich gem. § 354 ABGB) nichts anderes als das subjektive Recht des privaten Eigentümers einer Sache, über diese willkürlich zu verfügen und jeden anderen, d.h. auch den Staat und dessen Organe, von dieser Sache selbst und der Verfügung über sie auszuschließen – diametral entgegensteht, versuchen „das Fach“ und seine Vertreter*innen in der (staatlichen) Denkmalpflege schon seit es sie gibt, diese Eigentumsgarantie für „archäologische Sachen“ abzuschaffen oder wenigstens ihres materiellen Gehalts völlig zu berauben. Sei es durch die ständig wiederholte Behauptung, „die Vergangenheit“ sei ein „Allgemeinwohlgut“, das „der Menschheit“, „Allen“ bzw. „Niemandem privat“ gehöre bzw. gehören dürfe oder könne;[25] dass „archäologische Sachen“ eine res extra commercium – d.h. in anderen Worten wieder nichts anderes als eine Sache, die nicht privateigentumsfähig ist – sei oder wenigstens sein solle; oder durch praktische Maßnahmen wie z.B. „archäologische Schatzregale“ oder solche wie die Regelung des § 11 (RV 2024): „Fach“ bzw. „(staatliche) archäologische Denkmalpflege“ versuchen auf jede erdenkliche Weise, vor allem aber durch den Gebrauch (bzw. Missbrauch) der bürokratischer Strukturen und Systeme des Staates, sich die alleinige Verfügungsgewalt – also das Eigentum – an allen Sachen zu verschaffen, die sie als „archäologische“ und damit „ihre“ Sachen betrachten. Wenn ihnen der Staat bzw. dessen bürokratische Strukturen das ermöglichen – ob nun, wie z.B. während des Dritten Reichs, in totalitären kommunistischen Diktaturen oder ebenso totalitären Theokratien, in denen die jeweilige Staatsführung diese totale Verfügungsgewalt (über den einzelnen Staatsangehörigen oder alle Menschen schlechthin) ohnehin in allen Belangen auch selbst will; oder wenn in demokratischen Verfassungsstaaten, wie aktuell in Österreich, die Politik am Steuer eingeschlafen ist und versagt – dann reißen sie diese Verfügungsgewalt auch ungeniert mit jedem verfügbaren Mittel an sich, egal ob Einzelne dadurch geschädigt werden oder nicht.

Tatsächlich ist diese „Raubarchäologie“-Mentalität „des Faches“ und insbesondere der „(staatlichen) archäologischen Denkmalpflege“ sogar noch weit schlimmer und geht weiter als das, wie das konkrete österreichische Fallbeispiel der „dauernden Verwahrungspflicht“ in aller Deutlichkeit zeigt. Denn diese endet nicht bei der bloßen Aneignung der subjektiv von Archäolog*innen oder staatlichen archäologischen Denkmalpfleger*innen als „archäologisch“ betrachteten Sachen und der Verfügung darüber; sondern geht deutlich über diese hinaus.

Gelindere Eingriffsmöglichkeiten zum Erreichen desselben Zwecks

Schließlich hätte es in Österreich – wenn man davon ausgehen will, dass die „dauerhafte Verwahrung“ aller archäologischen (und sei es nur: „bewilligter Grabungs-“) Funde tatsächlich im „öffentlichen Interesse“ gelegen ist – für den Gesetzgeber nicht nur eine mit der Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZProt. EMRK und Art. 17 CFREU, sondern auch den Regelungen des Eigentumsrechts der §§ 353-446 ABGB komplett in Einklang stehende – also rechtlich, verfassungs-, europa- und völkerrechtlich absolut „saubere“ – Möglichkeit gegeben, genau dieses Ziel mit absoluter Sicherheit zu erreichen: die der gem. § 365 ABGB, Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZProt. EMRK und Art. 17 CFREU „[w]enn es das allgemeine Beste erheischt“ zulässigen Enteignung „gegen eine angemessene Schadloshaltung“ (§ 365 ABGB). Jeder österreichische Staatsbürger (und jeder mit diesen gleich zu behandelnde Mensch) kann und darf nämlich, wenn das für ein tatsächlich bestehendes, überwiegendes „öffentliches Interesse“ unabdingbar erforderlich ist, ohnehin verpflichtet werden, zugunsten des Staates auch auf sein „vollständiges“ Eigentum zu verzichten und es diesem zu übertragen.

Eine derartige Regelung findet sich sogar in den ebenfalls neuen Bestimmungen zum „Ersatzkaufverfahren“ in § 20 der Novelle (RV 2024) für bewegliche Denkmale, deren dauerhafte Ausfuhr ins Ausland ihrem rechtmäßigem Eigentümer aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses an ihrer Erhaltung im Inland verboten wird. Der Gesetzgeber hat also offensichtlich gewusst, dass eine solche Enteignung zugunsten des Staates bei Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses daran rechtlich möglich ist und wie eine solche Enteignung rechtlich korrekt zu gestalten ist. Er muss also auch gewusst haben, dass er die genau gleiche Regelung auch für bei bewilligten Ausgrabungen entdeckte „archäologische Funde“ ins Gesetz aufnehmen hätte können; wenn er es denn nur gewollt hätte; wenn es damit nicht wenigstens eines von zwei möglichen Problemen (oder sogar beide) gäbe: entweder jenes, dass der überwältigen Mehrheit aller archäologischen Grabungsfunde gerade nicht jenes Maß an geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung iSd § 1 Abs. 4 der RV (2024) zukommt, dass ein „öffentliches Interesse“ an deren dauerhafter Erhaltung tatsächlich besteht; oder das, dass die „dauerhafte Verwahrung“ aller (mehrheitlich ganz oder weitgehend bedeutungslosen) „archäologischen Funde“ viel mehr Geld kostet, als der Staat für deren „dauerhafte Verwahrung“ aus Steuermitteln aufwenden will.

Tatsächlich wäre dem Gesetzgeber bezüglich der bei „bewilligten Grabungen“ entdeckten Funde sogar noch eine zweite, zwar – weil sie von der „allgemeinen“ Fundeigentumserwerbsregelung der §§ 385-401 ABGB abweicht – etwas weniger „saubere“, aber dennoch jedenfalls verfassungs-, europa- und völkerrechtskonforme, legistische Möglichkeit zur Verfügung gestanden, um auf gesetzlichem Weg deren „dauerhafte Verwahrung“ mit absoluter Sicherheit zu erreichen: er hätte – und zwar unbeachtlich dessen, ob tatsächlich ein iSd § 1 Abs. 4 der RV (2024) überwiegendes „öffentliches Interesse“ an einer solchen „dauerhaften Fundverwahrung“ besteht, einfach ein „archäologisches Grabungsfundregal“ (vulgo: Schatzregal) in die Novelle aufnehmen können. Denn es liegt gänzlich im Rahmen des sehr weit gefassten „rechtpolitischen Gestaltungsspielraum[s] (Berka 1999, 157, Rz 268), der dem Gesetzgeber zukommt, den Fundeigentumserwerb an „archäologisch bedeutenden“ Sachen durch eine lex specialis abweichend von den allgemeinen Bestimmungen des ABGB zu regeln.

Das muss er dann zwar sachlich begründen; aber eine solche sachliche Begründung, warum er die mehrheitlich bei isolierter Betrachtung jeweils für sich allein aufgrund ihrer jeweils verschwindend geringen Bedeutung von beliebigen anderen Verlustfunden nicht unterscheidbaren Grabungsfunde dennoch rechtlich anders behandelt als andere Bodenfunde inklusive „Zufallsfunde archäologischer Denkmale“ iSd § 8 Abs. 1 der RV (2024), lässt sich über die kollektive Bedeutung der Grabungsfunde als „Sammlung“ iSd § 1 Abs. 1 wohl (wenigstens in den meisten Fällen) durchaus finden.[26] Eine solche Lösung wäre zwar offensichtlich – weil es die Rechtslage durch eine Sonderregelung verkompliziert – weniger „elegant“ als die erstgenannte Möglichkeit, aber wenigstens formal verfassungs-, europa- und völkerrechtlich unbedenklich; und würde es gestatten, das erstgenannte Problem, das mit der „normalen“ Enteignung iSd § 365 ABGB besteht – nämlich dass eben in der Einzelfallbetrachtung der überwältigenden Mehrheit der Grabungsfunde die iSd § 1 Abs. 4 der RV (2024) die für das Bestehen eines „öffentlichen Interesses“ an deren „dauerhafter Verwahrung“ qualifizierende Bedeutung fehlt, durch Umstieg auf eine kollektiv-additive Betrachtung ihrer Bedeutung als „Sammlung“ – zu  umschiffen.

Was allerdings auch durch diese Umgehung der Notwendigkeit zu einer Enteignung der gem. § 385-401 ABGB zu den Fundeigentümern werdenden Privatpersonen nicht gelöst werden kann, ist das Problem der Unwilligkeit des Staates, die mit der „dauerhaften Verwahrung“ aller „archäologischen Grabungsfunde“ in Anbetracht ihrer Menge (und mit dem Erwerb des Eigentumstitels daran durch den Staat) unweigerlich verbundenen Lasten – nämlich die Kosten der dauerhaften Erhaltung dieser Fundmassen – aus Steuermitteln zu tragen. Denn es fehlen dem BDA (und jenen anderen „lokalen Trägereinrichtungen“, an die das BDA bei Verwendung dieses Begriffes zweifellos vorwiegend gedacht hat, d.h. den Sammlungen öffentlicher „archäologischer“ Museen) schon seit langem die ausreichenden finanziellen Mittel, um auch nur die schon derzeit in seiner (bzw. deren jeweiliger) „Sammlung“ deponierten Fundmassen auch nur ansatzweise ausreichend konservatorisch betreut zu verwahren.

Eine „saubere“ Enteignungsregelung wie die zuerst genannte würde daher zwangsweise dazu führen, dass nur ein kleiner Teil der Grabungsfunde – eben die, die, ob nun individuell oder kollektiv, als „wertvoll“ genug eingestuft würden, um sie aus den (dem BDA und anderen „lokalen Trägereinrichtungen“) nur sehr beschränkt zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln zwangsankaufen zu können, also sicher nicht alle – ins öffentliche Eigentum und damit in eine „dauerhafte Verwahrung“ überführt werden könnte. Und selbst unter der billigeren Lösung eines staatlichen Grabungsfundregals könnte nur ein kleiner Teil der dadurch jedes Jahr zum schon derzeit bestehenden Sammlungsbestand hinzukommenden Funde – jedenfalls wohl über eine, wenn nicht mehrere Millionen Objekte im Jahr – tatsächlich adäquat konservatorisch betreut und damit längerfristig tatsächlich dauerhaft erhalten (statt nur dem konstanten Verfall im Depot überlassen) werden.

Will „die archäologische Denkmalpflege“ also ihr subjektives Ziel tatsächlich erreichen, dass „alle“ Sachen, die irgendwelche ihrer Vertreter*innen für so „archäologisch bedeutend“ halten, dass diese „dauerhaft verwahrt“ werden sollten (unbeachtlich dessen, ob das aus wissenschaftlicher und/oder denkmalfachlicher Sicht nun tatsächlich oder nur angeblich erforderlich ist), auch wirklich – eben auch konservatorisch adäquat betreut – „dauerhaft erhalten“ werden (bzw. bleiben), muss sie sich das dafür erforderliche Geld von jemand anderem als „dem Staat“ holen. Denn der Staat ist bekanntermaßen und offensichtlich schon seit langem nicht (mehr) willens, aus Steuermitteln auch nur die „Erhaltung“ (besonders) „bedeutender Denkmale“ zu bezahlen, geschweige denn auch die all des „alten Mists“, der keine oder nur minimale geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung hat und den aller Voraussicht nach niemand jemals mehr für irgendetwas (auch nicht für einen signifikanten wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn) brauchen wird.

Die Verschleierung der Tatsache, dass der Enteignete seinen Enteigner bezahlen soll

Genau an dieser Stelle setzt die in der Novelle (RV 2024) gewählte Regelung des neuen § 11 an, indem sie das für eine „dauerhafte Erhaltung“ erforderliche Geld einfach jemand anderem wegzunehmen versucht, nämlich dem „Inhaber“ der Grabungsgenehmigung bzw. dem (den) Fundeigentümer(n); aus dessen sonstigem (d.h. nicht aus der Nutzung des Denkmals gewonnenen) Privatvermögen. Dass durch die „dauernde Verwahrungspflicht“ eine entschädigungslose Enteignung des Fundeigentümers vorgenommen wird, für die dieser den, der ihn enteignet, auch noch bezahlen soll, wird dabei nicht nur ganz gezielt und vorsätzlich dadurch zu verschleiern versucht, wie diese Maßnahme präsentiert wird. Vielmehr wird auch eine Scheinbegründung dafür, warum diese „Verwahrungspflicht“ notwendig sein soll, durch eine vorsätzlich falsche bzw. wenigstens bestenfalls teilweise korrekte, bewusst irreführend vereinfachte, scheinbare Tatsachenbehauptung in den Erläuterungen (RV 2024, 9) zu erzeugen versucht: „Die weit überwiegende Zahl archäologischer Funde sind zwar in ihrer Gesamtheit von hohem wissenschaftlichen Wert, für sich genommen zumeist von keinem oder nur sehr geringem wirtschaftlichen Wert.“

Bleiben wir zuerst bei der Verschleierung, dass es sich bei der „Verwahrungspflicht“ um eine entschädigungslose Enteignung handelt. Schon die Wahl des Begriffs „dauernde Fundverwahrung“ statt – was eigentlich gemeint ist – „dauerhafte Erhaltung“ ist hier aufschlussreich. Denn „Verwahrung“ bedeutet sowohl in der alltäglichen Sprache[27] als auch im Sinne des § 958 ABGB nur eine Aufbewahrung einer Sache für einen Dritten, durch die der Aufbewahrende „weder Eigenthum, noch Besitz, noch Gebrauchsrecht“ erwirbt, sondern „bloßer Inhaber mit der Pflicht, die ihm anvertraute Sache vor Schaden zu sichern“ ist.[28] Eine bloße „Verwahrungspflicht“ scheint also weniger weitreichend zu sein als die denkmalrechtliche „Erhaltungspflicht“ des § 4 (RV 2024), die den Denkmaleigentümer nun durch ihren Abs. 1 auch dazu verpflichtet, „aktive“ Maßnahmen zu setzen, um ihr Denkmal in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten.

Tatsächlich geht aber das, was den Erläuterungen (RV 2024, 9) zufolge unter der „dauernden Fundverwahrung“ zu verstehen ist, weit über selbst die neue „aktive Erhaltungspflicht“ des § 4 Abs. 1 (RV 2024) hinaus. Das beginnt schon damit, dass die „Erhaltungspflicht“ des § 4 Abs. 1 nur für Denkmale besteht, die Kraft gesetzlicher Vermutung, Verordnung oder Bescheid des BDA (d.h. gem. §§ 2, 2a oder 3 sowie 9 Abs. 1 und 2; RV 2024) unter Denkmalschutz stehen; d.h. bezüglich derer das tatsächliche Bestehen eines öffentlichen Interesses an deren Erhaltung wenigstens (hoch) wahrscheinlich oder bereits tatsächlich festgestellt ist. Sie ist zudem weiterhin, wenn auch etwas weniger als zuvor, auf solche Erhaltungsmaßnahmen beschränkt, deren Kosten aus der „tatsächlichen oder möglichen Ertragsfähigkeit oder sonstigen Verwertbarkeit des Denkmals“ (§ 4 Abs. 1; RV 2024), also dem aus der Nutzung seines Denkmals durch den Denkmaleigentümer gewonnenen wirtschaftlichen Vorteil, gedeckt werden können. Und diese „Erhaltungspflicht“ belässt dem Denkmaleigentümer auch – abgesehen vom ebenfalls im Wesentlichen unveränderten Verbot, es vorsätzlich oder durch „Verfallen lassen in Zerstörungsabsicht“ zu verändern oder zerstören – das Recht, sein Denkmal zu seinem wirtschaftlichen Vorteil willkürlich zu benutzen oder unbenutzt zu lassen, jeden anderen davon auszuschließen und/oder es durch Verkauf an Dritte zu verwerten.

Die Pflicht zur „dauerhaften Fundverwahrung“ im Sinne der Erläuterungen (RV 2024, 9) gilt hingegen nicht nur für besonders bedeutende und daher denkmalschutzwürdige, sondern alle „archäologischen Funde“, auch jene, denen keinerlei oder nur so geringe Bedeutung zukommt, dass ihre Erhaltung deswegen gerade nicht iSd § 1 Abs. 4 im „öffentlichen Interesse“ gelegen ist. Sie ist auch nicht auf die „tatsächliche oder mögliche Ertragsfähigkeit oder sonstige Verwertbarkeit“ dieser Funde beschränkt, sondern überhaupt nicht gedeckelt; und belässt ihrem Eigentümer – nachdem die konservatorisch betreute „Verwahrung“ in einem Archiv einer „lokalen Trägerorganisation“ bzw. des BDA angestrebt wird – auch nicht mehr das Recht, die Funde zu nutzen oder unbenutzt zu lassen und jeden anderen davon auszuschließen; und macht es ihm sogar de facto unmöglich, sie durch Verkauf an Dritte zu verwerten. Dass das weit über die Begriffsbedeutung von „Verwahrung“ iSd § 958 und den in §§ 962-966 ABGB festgesetzten Pflichten des Verwahrers und sogar die „Erhaltung“ iSd § 4 Abs. 1 (RV 2024) hinausgeht, ist also offensichtlich – allerdings erst bei genauerer Betrachtung, nicht wenn man die Regelung nur oberflächlich betrachtet.

Die Wahl des bereits qua Legaldefinition des § 958 und §§ 961-966 ABGB inhaltlich bestimmten (auch im Sicherheitspolizeigesetz [SPG] in §§ 15a, 42 und 42a für beschlagnahmte und sichergestellte Sachen im gleichen Sinne verwendeten und mit den gleichen Verpflichtungen einhergehenden) und auch in der gewöhnlichen Sprache im selben Sinn verwendeten, harmlos wirkenden Begriffs der „Verwahrung“, um eine legistische Maßnahme, die de facto eine materielle Enteignung ist, rechtlich unbedenklich erscheinen zu lassen, stellt also sicherlich eine vorsätzliche Verschleierung des eigentlich damit von den Autoren des Gesetzestextes verfolgten Ziels dar. Wer auch immer den Wortlaut des Gesetzestextes (und die Erläuterungen dazu) verfasst hat, hat also sehr genau gewusst, was er tut, und hat das verwendete Wort sehr bewusst gewählt, um die (am Steuer schlafenden) Politiker über die damit verfolgte Enteignungsabsicht hinwegzutäuschen.

Die vorsätzliche Unbestimmtheit, wer die „dauernde Verwahrung“ bezahlen muss

Ebenso vorsätzlich haben die Autoren der Novelle (RV 2024) zu verschleiern versucht, wer denn jetzt eigentlich überhaupt für die „dauernde Fundverwahrung“ bezahlen muss. In Verbindung von § 10 Abs. 3 und 6 trifft die Pflicht, die „dauerhafte Fundverwahrung“ zu „regeln“, primär den, der eine NFG gem. § 10 Abs. 1 beantragt; wobei das BDA gem. § 11 Abs. 1 im Bescheid festzulegen hat, „wie die zu erwartenden Funde dauernd verwahrt werden“, wobei ihm das Recht zuerkannt wird, dem Antragsteller die Verwahrung gem. § 11 Abs. 2-4 durch das BDA selbst anzubieten, wenn die vom Antragsteller vorgeschlagene Regelung nach Ansicht des BDA unzureichend ist.

Eine solche Genehmigung kann gem. § 10 Abs. 3 „von jeder Person beantragt werden, die an dieser ein zivilrechtlich durchsetzbares, wissenschaftliches oder öffentliches Interesse wahrnimmt“, wobei gemäß den Erläuterungen (RV 2024, 8) ein solches „jedenfalls dann gegeben“ ist, „wenn für die Grabungsarbeiten vom ausführenden Unternehmen vertraglich die Zustimmung der Grundeigentümerin bzw. des Grundeigentümers (bzw. der sonst dinglich Berechtigten) eingeholt wurde“. Den Antrag kann also (wenigstens) entweder das beauftragte Unternehmen (bzw. einer von dessen Mitarbeitern in eigenem Namen, wie das bisher aufgrund der Bestimmung des § 11 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999 der Fall war), der Auftraggeber der Grabung, oder der Eigentümer des Grundstücks stellen, auf dem die Grabung stattfinden soll. Das lässt allerdings nun völlig ungeklärt, wer die Kosten der „dauerhaften Verwahrung“ der dabei entdeckten Funde tragen muss.

Hier könnte man nun natürlich sagen, dass sich einfach das die Grabung durchführende Unternehmen, der Auftraggeber und/oder (falls von letzterem verschieden) der Grundeigentümer im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit untereinander ausmachen sollen, wer von ihnen denn nun die Kosten der „dauerhaften Fundverwahrung“ zu tragen hat; d.h. diese Regelung (wenn auch ohne das ausdrücklich zu sagen) das „Verursacherprinzip“ dafür einführt bzw. in der Praxis zu einer Kostentragungspflicht von deren „Verursacher“ für die „dauerhafte Fundverwahrung“ führt. Schließlich wird das die Grabung durchführende Unternehmen die Kosten für die Fundverwahrung nicht auf sich nehmen, sondern – wenn der z.B. dort wo die Grabung durchgeführt werden soll bauen will – diese auf seinen Auftraggeber (bzw. ob nun direkt oder mittelbar auf den Grundeigentümer) abwälzen; und umgekehrt der Grundeigentümer diese Kosten nicht auf sich nehmen, wenn die Grabung nicht in seinem Auftrag, sondern z.B. von einer Universität oder auch einem beliebigen sonstigen Dritten (z.B. einem „Privatgelehrten“) aufgrund eines wissenschaftlichen Forschungsinteresses durchgeführt wird.

Das wirkt auf den ersten Blick nach einer „sauberen“ Lösung, erweist sich aber bei genauerer Analyse als das Gegenteil davon, weil es das Problem der materiellen Enteignung des Fundeigentümers, für die dieser den, der ihn enteignet, auch noch bezahlen soll, nicht nur nicht löst, sondern nur noch zusätzlich verschärft.

Denn damit der Antragsteller überhaupt die „dauerhafte Fundverwahrung“ rechtsverbindlich regeln kann, muss er der Eigentümer der Funde sein bzw. werden: ist er das nämlich nicht, kann er überhaupt nicht darüber verfügen, was mit den Funden geschehen soll, schon gar nicht „dauerhaft“, weil er keine rechtliche Verfügungsgewalt über diese Sachen hat, die (aufgrund von §§ 354 und 362 ABGB) ausschließlich nur deren Eigentümer zukommt. Mit einer Bewilligung verbundene, ob nun im Bescheidspruch oder in Auflagen festgestellte Pflichten wie die zur „dauerhaften Fundverwahrung“ verpflichten nämlich immer nur den Inhaber der Bewilligung, der „die der Erfüllung der Auflage allenfalls entgegenstehenden Hindernisse – wie etwa die mangelnde privatrechtliche Verfügungsgewalt – zu beheben“ (VwGH 2.7.1998, 97/06/0057) hat. Nachdem aber nun §§ 962-963 ABGB bezüglich Verwahrungsverträgen bestimmen, dass diese vom (die Verfügungsgewalt über die hinterlegte Sache habenden) Hinterleger jederzeit gekündigt werden können; ist die einzige Möglichkeit, wie der Antragsteller tatsächlich die „dauerhafte Fundverwahrung“ sicherstellen kann die, dass er das vollständige Eigentum an den von ihm in Verwahrung gegebenen Funden hat.[29]

Nachdem aber aufgrund der eigentlich nicht für archäologische Funde gedachten Eigentumserwerbsregelungen der §§ 381-382 und 385-401 ABGB entweder der Finder jedes Fundes,[30] das grabende Unternehmen, der Auftraggeber und/oder (und sei es nur aufgrund des Automatismus des § 399 ABGB) der Grundeigentümer – allein oder geteilt mit anderen – zu den Eigentümer*innen der entdeckten Funde werden, kann die Eigentumsfrage zum Zeitpunkt der Antragstellung nur schwer geklärt werden. Eine im Voraus abgegebene Verzichtserklärung ist – nachdem die konkrete Zusammensetzung und der Wert des entdeckten Fundmaterials nicht vorhersehbar ist – vermutlich wenigstens anfechtbar, wenn unerwartet wertvolle Funde auftreten. Ein Vorkaufsrecht kann überhaupt nur im Fall realisiert werden, wenn der Eigentümer der Sache sie verkaufen will.[31] Einigermaßen sicher sind wohl nur Vorverträge gem. § 936 ABGB, mittels der sich die möglichen anderen Fundeigentümer verpflichten, den Titel an den Grabungsfunden, die ganz oder teilweise in ihr Eigentum übergehen, zu deren gewöhnlichen Wert dem Antragsteller zu verkaufen. Hierbei ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass jeweils ein solcher Vorvertrag mit jeder einzelnen Person abgeschlossen werden muss, die möglicherweise Eigentümer von Grabungsfunden werden kann, d.h. auch mit jeder bei der Grabung mitarbeitenden Arbeitskraft.[32]

Folge davon ist aber jedenfalls, dass der Antragsteller alleiniges vollständiges Fundeigentum erwerben muss, um die ihm bescheidmäßig auferlegte Verpflichtung zur „dauerhaften Fundverwahrung“ tatsächlich erfüllen zu können. Die dem Antragsteller für den Erwerb dieser Funde anfallenden (zusätzlichen) Kosten können wir an dieser Stelle noch vernachlässigen; auch wenn wir auf diesen Aspekt gleich noch zurückkommen müssen, weil sie alles andere als irrelevant sind. Hier ist vorerst nur wichtig, dass das Eigentumsrecht, das er mit Mitteln aus seinem (nicht aus der Nutzung oder Verwertung seines Denkmals gewonnenen) sonstigen Privatvermögen erwerben muss, um seine Funde in „dauernde Verwahrung“ geben zu können, ihm dadurch unmittelbar gänzlich entzogen wird. Und dafür, dass er zugunsten der „lokalen Trägerorganisation“ bzw. dem BDA, die seine Funde „dauernd verwahren“, materiell enteignet wird, muss er dann dieser „lokalen Trägerorganisation“ bzw. dem BDA auch noch mit aus seinem sonstigen Privatvermögen entnommenen Mitteln die diesen für die „dauerhafte Erhaltung“ seiner Funde erwachsenden Kosten erstatten. Damit die „dauerhafte Verwahrung“ funktioniert, muss der materiell Enteignete also gleich zweimal aus seinem Privatvermögen für die Sachen bezahlen, über die er dann genau keine Verfügungsgewalt mehr hat.

Die Verschleierung, wer jetzt konkret für die Kosten der „dauerhaften Verwahrung“ bezahlen muss, dient einzig dem Zweck, die Tatsache zu verbergen, dass es sich bei § 11 der Novelle (RV 2024) um eine versteckte (materielle) Enteignungsbestimmung des Fundeigentümers handelt. Und sie schädigt den Enteigneten gleich dreimal: erstens dadurch, dass er für diese (materielle) Enteignung nicht (wie sowohl durch § 365 ABGB als auch Art. 1 Abs. 1 ZProt. EMRK verpflichtend vorgesehen) gerecht entschädigt wird; zweitens dadurch, dass er dafür, dass er den Erfolg seiner (materiellen) Enteignung auch sicherstellen kann, aus seinen Privatmitteln erst das vollständige Alleineigentum an den Grabungsfunden erwerben muss; und drittens dann dadurch, dass er die durch die „dauerhafte Verwahrung“ seiner Grabungsfunde entstehenden Kosten aus seinen Privatmitteln bezahlen muss. Dass ein demokratischer Verfassungsstaat wie die Republik Österreich das wirklich wollen könnte, kann man nicht ernsthaft annehmen. Es ist aber genau das, was „das Fach“ bzw. die „archäologische Denkmalpflege“ schon immer will: die gesamte Verfügungsgewalt über „archäologische“ Sachen für sich selbst monopolisieren, aber jemand anderen die Kosten dafür aufbürden.

Der wissenschaftliche und der wirtschaftliche Wert von Grabungsfunden

Das führt uns schließlich zu der in den Erläuterungen (RV 2024, 9) zur Begründung der angeblichen Erforderlichkeit dieser legistischen Maßnahme erhobenen Behauptung „[d]ie weit überwiegende Zahl archäologischer Funde“ sei „zwar in ihrer Gesamtheit von hohem wissenschaftlichen Wert, für sich genommen zumeist von keinem oder nur sehr geringem wirtschaftlichen Wert.“ Diese Behauptung ist ein Sophismus allererster Ordnung, ein in Täuschungsabsicht vorgebrachter Trugschluss; der noch dazu aus Halb- bzw. Unwahrheiten besteht, aber neuerlich solchen, die auf den ersten Blick gar nicht so unvernünftig erscheinen.

Beginnen wir mit dem durch die Art des Vergleichs produzierten Trugschluss: gegenübergestellt wird hier der (angeblich hohe wissenschaftliche) Gesamtwert eines Kollektivs von Sachen (des gesamten Fundmaterials der Grabung) dem (angeblich inexistenten oder nur sehr geringen wirtschaftlichen) Stückwert einer (zu diesem Kollektiv gehörenden) einzelnen Sache (jedes Fundes). Ein solcher Vergleich ist natürlich logisch völlig unzulässig: der Gesamtwert einer großen Menge geringwertiger Sachen ist in aller Regel um ein Vielfaches höher als der Wert jeder beliebigen einzelnen dieser Sachen. Es ist dieses Argument also ein reines rhetorisches Scheinargument, das vorsätzlich den falschen Eindruck erwecken soll, dass die Funde zwar enorm hohen wissenschaftlichen Wert haben, sie ihren Eigentümer*innen einfach wegzunehmen diesen aber keinen nennenswerten wirtschaftlichen Schaden verursacht. Man könnte es jedoch mit exakt der gleichen Berechtigung auch genau umgekehrt formulieren: die weit überwiegende Zahl archäologischer Funde ist zwar in ihrer Gesamtheit von hohem wirtschaftlichem Wert, für sich genommen zumeist von keinem oder nur sehr geringem wissenschaftlichen Wert.[33]

Schon die gewählte Argumentationsstruktur zeigt also eindeutig, dass deren Autor*innen diesen Vergleich nur deshalb in die Erläuterungen (RV 2024, 9) aufgenommen haben, um die (wichtigsten) Leser*innen der RV – die Politiker, die darüber zu entscheiden haben, ob das, was die Autor*innen der RV vorgeschlagen hatten, Gesetz werden soll oder nicht – über die Gründe, warum das, was als Gesetz vorgeschlagen wurde, angeblich erforderlich sein soll – und damit natürlich über die Erforderlichkeit dieser Bestimmung schlechthin – vorsätzlich zu täuschen. Aber das ist noch keineswegs alles, denn auch für sich betrachtet sind die Behauptungen, die in diese Struktur eingesetzt wurden, bestenfalls Halbwahrheiten, wenn nicht sogar blanke Lügen.

Der wissenschaftliche Wert von Grabungsfunden, kollektiv und individuell

Beginnen wir mit der Behauptung, der wissenschaftliche Wert von Grabungsfunden sei hoch; und betrachten diese sowohl in Hinblick darauf, ob sie (wenigstens) kollektiv für alle Funde einer Grabung „in ihrer Gesamtheit“, als auch darauf, ob sie auch individuell für jeden einzelnen Fund einer Grabung „für sich genommen“, tatsächlich richtig oder auch nur wahrscheinlich ist.

Dafür ist zuerst einmal festzustellen, wie überhaupt (noch dazu prognostisch) bestimmt werden kann (bzw. zu bestimmen ist), wie hoch der wissenschaftliche Wert einer bestimmte Quelle (wie z.B. den Funden einer archäologischen Ausgrabung) bzw. der aus dieser zu gewinnenden wissenschaftlichen Erkenntnisse (Aussagen) ist. Dafür bieten sich als Ausgangspunkt Poppers (1994) grundlegende Ausführungen zur Qualität bzw. dem relativen Wert wissenschaftlicher Aussagen an: eine wissenschaftliche Aussage ist demzufolge umso wertvoller, je höher ihre Reichweite und Erklärungskraft ist. Einfacher gesagt bedeutet das: eine wissenschaftliche Aussage ist umso wertvoller, desto mehr Ergebnisse zukünftiger Beobachtungen der Wirklichkeit sie korrekt vorhersagen kann, ohne dadurch (wenn deren Ergebnisse von der Vorhersagen der Aussage signifikant abweichen) widerlegt zu werden.

Kann man also aus einer Quelle nur solche wissenschaftlichen Aussagen ableiten, die etwas über diese Quelle selbst aussagen, aber keine, die darüber hinausgehen, hat sie gar keinen oder höchstens minimalen wissenschaftlichen Wert: schließlich bleibt die Reichweite dieser Aussagen auf die Quelle selbst beschränkt, aus der sie geschöpft werden; und auch ihre Erklärungskraft beschränkt ausschließlich sich auf sie selbst. Solche ausschließlich selbstreferenziellen Aussagen – wie z.B. die Feststellung „es regnet gerade, daher ist der Boden hier nass“ – bringen keinen signifikanten wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, sondern sind trivial; man braucht sie nicht, weil man das, was man mit dieser Aussage beschreibt, ohnehin sieht und auch schon längst weiß: wenn es wo regnet, dann wird dort immer der Boden nass. Man braucht daher auch die konkrete Quelle nicht, also den Regen, der hier gerade fällt und daher den Boden benässt, aus der man diese Aussage ableitet; bzw. maximal nur dafür, dass man weiß, dass der Boden nicht etwa deshalb nass ist, weil man gerade Wasser verschüttet hat, sondern deshalb, weil es gerade regnet.

Kann man hingegen aus einer bestimmten Quelle auch wissenschaftliche Aussagen ableiten, die über diese Quelle selbst hinausreichen und mehr über andere Sachen als diese Quelle selbst verraten, kommt diesen Aussagen und damit auch deren Quelle wenigstens ein Minimum an wissenschaftlichem Wert zu. Wie hoch der Wert dieser Quelle im Vergleich zu dem anderer Quellen ist, hängt dann primär davon ab, wie weitreichend und erklärungskräftig die wissenschaftlichen Aussagen sind, die aus dieser konkreten im Vergleich zu den aus anderen (ähnlichen) Quellen ableitbaren Aussagen sind. Zusätzlich dazu, wenn auch nur sekundär, hängt der Wert einer bestimmten Quelle auch noch davon ab, ob sie eine von sehr wenigen ist, aus denen sich die gleiche, signifikante (d.h. nicht bloß triviale) wissenschaftliche Aussage ableiten lässt; oder es (noch) viele gleichartige Quellen gibt, mittels derer dieselbe Aussage abgeleitet werden kann. Je weniger Quellen es gibt, aus denen die gleiche, signifikante Aussage abgeleitet werden kann, desto wertvoller sind diese wenigen Quellen. Offensichtlich ist jede einzelne dieser die gleichen Aussagen abzuleiten gestattenden Quellen umso weniger wertvoll, desto mehr solche Quellen es noch gibt; denn desto beliebiger ist jede einzelne davon durch jede beliebige andere der gleichartigen Quellen ersetzbar.

Der tatsächliche wissenschaftliche Wert jeder beliebigen, konkreten Quelle kann natürlich stets nur ex post bestimmt werden, d.h. erst nachdem sie vollständig wissenschaftlich ausgewertet und alle aus ihr potenziell ableitbaren wissenschaftlichen Aussagen auch tatsächlich abgeleitet wurden. Dies ist jedoch naturgegebenermaßen erst möglich, wenn die wissenschaftliche Forschung zu einem endgültigen Abschluss gekommen ist (siehe dazu schon Karl 2019, 129-135).

Für unseren Zweck (und natürlich genauso in Genehmigungsverfahren gem. § 10 der Novelle; RV 2024) muss daher der mutmaßliche Wert der Quelle (d.h. des Fundmaterials einer bewilligten Grabung) prognostisch bestimmt werden, weil nur das bei der dafür erforderlichen Beurteilung ex ante überhaupt möglich ist. Dafür ist eine generalisierende Betrachtungsweise erforderlich, die und deren Ergebnisse ich ebenfalls bereits andernorts publiziert habe (Karl 2019, 135-158), denn nur dadurch lässt sich prognostisch beurteilen, ob der mutmaßliche Wert einer Quelle (eines bestimmten durch seine Ausgrabung gewonnenen archäologischen Fundmaterials) vergleichsweise hoch oder nur niedrig oder gar sehr niedrig ist.

Für unsere konkrete Frage ergibt sich dabei bei generalisierend-prognostischer Betrachtung, dass die Höhe des wissenschaftlichen Werts des Fundmaterials einer archäologischen Grabung „in“ dessen „Gesamtheit“ sowohl stark davon abhängt, welcher Typ (bzw. Typen) von „archäologischem Denkmal“ (ibid., 141-156), welcher Anteil dieses Denkmals und wie vollständig dieser ausgegraben werden soll, als auch davon, wie selten oder häufig gleichartige Denkmale noch sind. Das bedeutet, dass dem Fundmaterial der vollständigen Ausgrabung eines „archäologischen Denkmals“ des „Typ 5“ (= einer einzigartigen oder sehr seltenen, gesamten „archäologischen Befundlandschaft“; ibid., 153-156) „in“ dessen „Gesamtheit“ voraussichtlich sehr hoher wissenschaftlicher Wert zukommen dürfte; während bereits dem Fundmaterial einer ebenso vollständigen Ausgrabung eines noch einigermaßen häufig vorkommenden „archäologischen Denkmals“ von „Typ 4“ (= einer „Fundstelle“; ibid., 150-153) einer bestimmten Art[34] selbst „in“ dessen „Gesamtheit“ nur noch ein deutlich geringer wissenschaftlicher Wert zukommt. Nachdem die meisten archäologischen Ausgrabungen aber nicht einmal ein „archäologisches Denkmal“ vom Typ 4 vollständig ausgraben, sondern in der Regel nur einen relativ geringen Prozentsatz davon, ist das Fundmaterial der meisten archäologischen Ausgrabungen, selbst jeweils „in“ dessen „Gesamtheit“, nur von geringem oder sogar verschwindend geringem wissenschaftlichen Wert: was dabei in aller Regel ausgegraben wird, sind nur eines oder mehrere „archäologische Denkmale“ der Typen 2 (= „Einzelbefunde“; ibid., 144-147) und 3 (= „Stratifikationen“; ibid., 147-150), von denen es selbst auf derselben „Fundstelle“ noch viele weitere gleichartige gibt, die auch nach der Grabung im Boden verbleiben; deren wissenschaftlicher Wert als Quelle (und somit auch der wissenschaftliche Wert des aus ihnen entnommenen Fundmaterials) daher bei der erforderlichen generalisierend-prognostischen Betrachtung nur sehr gering ist (schon Hoernes 1892, 36 nennt sie explizit „unbedeutend“; eine Fachmeinung, die seither unverändert fortbesteht).

Diese Wertbestimmung zeigt sich auch in der tatsächlichen wissenschaftlichen Praxis seit über 150 Jahren: es gibt praktisch kein Fundmaterial einer einzelnen archäologischen Ausgrabung,[35] das – „in“ seiner „Gesamtheit“, aber „für sich“, also nur das der jeweiligen, einzelnen Ausgrabung, betrachtet – tatsächlich so unverzichtbar wäre, dass ihm wirklich ein hoher wissenschaftlicher Wert zukäme. Dass auch das Fundmaterial praktisch jeder archäologischen Ausgrabung selbst „in“ dessen „Gesamtheit“ höchst verzichtbar und daher eben gerade nicht von hohem, sondern nur von geringem wissenschaftlichen Wert ist, zeigt sich zudem in aller vorstellbaren Deutlichkeit auch insbesondere daran, dass von der archäologischen Wissenschaft schon seit ihren Anfängen und bis heute ungebrochen auf die Aufarbeitung der überwältigenden Mehrheit davon tatsächlich verzichtet wird.

Setzt man die Anfänge unseres – wenigstens des halbwegs modernen – Faches und der Denkmalpflege grob um die Mitte des 19. Jahrhunderts an, wurden weit über die ersten 100 Jahre ihrer Existenz regelhaft die Mehrheit aller Grabungsfunde als unwesentlich verworfen. International ist es auch schon wieder wenigstens die letzten 30 Jahre die Norm, dass selbst ganze Fundstellen – natürlich samt des gesamten in diesen enthaltenen Fundmaterials – verworfen, d.h. der undokumentierten Zerstörung überlassen werden (siehe dazu z.B. Siegmund & Scherzler 2014, 172) und Standard bzw. gute Praxis, dass bei Grabungen schon nur ein kleiner Prozentsatz der angetroffenen Befunde überhaupt teilweise oder vollständig ausgegraben und selbst das aus diesen entnommene Grabungsfundmaterial vor der Archivierung aussortiert und großteils verworfen – d.h. weggeworfen – wird (siehe z.B. EAC 2014; 2021). Und selbst dieses dann nach der doppelten Vorselektion archivierte Grabungsfundmaterial wurde schon in den Jahren seit etwa 1960 zu „weit weniger als 25 Prozent“[36] (Boardman 2009, 109) oder weniger als 20% (Stoddart & Malone 2001) so weit wissenschaftlich ausgewertet, dass es auch nur wissenschaftlich sachgerecht publiziert wird; geschweige denn, dass aus der Mehrheit der publizierten Grabungsfundmaterialien signifikante wissenschaftliche Erkenntnisse von hoher Reichweite und Erklärungskraft gewonnen worden wären. In Österreich ist die Situation sogar jetzt schon noch viel extremer als das, hier sind sicherlich deutlich weniger als 5% aller Grabungsfundmaterialen auch nur in Form eines als halbwegs adäquat zu betrachtenden Vorberichts vorgelegt, und wohl kaum mehr als 1% einigermaßen wissenschaftlich sachgerecht ausgewertet und publiziert (siehe zum Schicksal des durchschnittlichen Fundmaterials von vom BDA bewilligten Rettungsgrabungen z.B. Hebert 2018, 84-85).

Bei vernünftiger Betrachtung dieser Tatsachen kann niemand ernsthaft zum Schluss gelangen, dass alle Grabungsfunde aller Grabungen – selbst bei der Betrachtung „in ihrer Gesamtheit“„von hohem wissenschaftlichen Wert“ (RV 2024, 9) wären, schon gar nicht von so hohem, dass ihre „dauernde Verwahrung“ völlig unbeachtlich der dadurch verursachten Kosten dieses Wertes wegen „im öffentlichen Interesse“ gelegen wäre. Dass der durchschnittliche wissenschaftliche Wert eines jeden einzelnen archäologischen Fundes jeweils „für sich genommen“ noch viel, viel geringer ist, versteht sich von selbst und braucht nicht mehr genauer erörtert zu werden. Ganz im Gegenteil kann man, ganz im Sinne von Hoernes (1892, 36) attestieren, dass jeder einzelne Fund „für sich genommen“ weitgehend oder gänzlich „unbedeutend“ ist, d.h. nicht einmal ein „archäologisches Denkmal“ iSd § 8 Abs. 1 der RV, ein Begriff, dessen Legaldefinition jedenfalls wenigstens ein gewisses Mindestmaß an geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung voraussetzt.

Dass die sicherlich im BDA zu verortenden Autor*innen der RV (2024) diese Tatsachen nicht kennen, ist – setzt man für sie wenigstens eine grundlegende archäologische oder denkmalpflegerische Fachkompetenz voraus – mit Sicherheit auszuschließen. Sie können daher auch nicht vernünftig zu der Schlussfolgerung gelangt sein, dass „[d]ie weit überwiegende Zahl archäologischer Funde“ tatsächlich oder auch nur wahrscheinlich in ihrer Gesamtheit von hohem wissenschaftlichen Wert“ (ibid., 9) ist; denn die Behauptung ist in Anbetracht der real gegebenen Tatsachen schlicht und einfach offensichtlich falsch; ist Unsinn.

Diese Behauptung in den Erläuterungen (RV 2024, 9) ist also nur dann nicht als vorsätzliche Lüge, sondern als bloßer Irrtum zu beurteilen, wenn ihren Autor*innen ein massiver Kategorienfehler unterlaufen ist: wenn sie die (rein) hypothetisch (immer) bestehende Möglichkeit, dass einem ganz bestimmten „archäologischen Denkmal“ (egal welchen Typs; siehe Karl 2019,  141-156) tatsächlich doch bei der Betrachtung ex post hohe Bedeutung zukommt, mit der Tatsache verwechselt haben, dass „archäologischen Funden“ (aber auch „Befunden“, „Stratifikationen“ und sogar den meisten „Fundstellen“) sowohl mutmaßlich bei prognostischer Betrachtung ex ante als auch tatsächlich bei der Betrachtung ex post keine oder nur sehr geringe wissenschaftliche Bedeutung zukommt. Oder anders und einfacher gesagt: diese Behauptung ist nur möglich, wenn man die sehr seltene Ausnahme mit der Regel verwechselt. Ein solch kapitaler Fehler kann aber einem unvoreingenommenen, vernünftigen Menschen gar nicht passieren; sondern ist nur durch ein Vorurteil erklärbar, an dem dogmatisch festgehalten wird, selbst wenn es offensichtlich durch die gegebenen Tatsachen widerlegt wird.

Der wirtschaftliche Wert von Grabungsfunden, kollektiv und individuell

Im Gegensatz zu ihrem wissenschaftlichen ist der wirtschaftliche Wert von Grabungsfunden vergleichsweise sehr leicht zu ermitteln und – weil man ihn als Geldwert angeben kann – auch leicht zu bestimmen, ob er als hoch oder niedrig zu betrachten ist; sowohl „für sich genommen“ der jedes einzelnen Fundstücks als auch der aller Funde einer Grabung „in ihrer Gesamtheit“.

Das einzige Problem hier kann sein, dass es in der Ökonomie mehrere miteinander konkurrierende Definitionen von und Theorien zur Bestimmung des Wertes von Sachen gibt; man also je nachdem, welche davon man heranzieht, zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Werten für die gleiche Sache kommen kann. Z.B. kann es für die Ermittlung des wirtschaftlichen Werts eines Fundes einen enormen Unterschied machen, ob man dafür auf seinen subjektiven Nutzen (z.B. für „die Allgemeinheit“), die zu seiner Gewinnung aufgewendeten Kosten bzw. Arbeitszeit oder den sich aus Angebot und Nachfrage ergebenden Verkaufspreis in einem freien Markt abstellt. Dass es solche Unterschiede gibt, ist spätestens seit der Beschreibung des klassischen Wertparadoxons der Wirtschaftslehre durch John Law (1705, 4) bekannt, der feststellte, dass Wasser einen hohen Gebrauchs- aber einen geringen Tauschwert besitze, während das bei Diamanten genau umgekehrt sei.

Soweit der wirtschaftliche Wert von Grabungsfundmaterial betroffen ist, stellen die Autor*innen der RV (2024, 9) für ihre Behauptung, archäologische Funde seien „für sich genommen zumeist von keinem oder nur sehr geringem wirtschaftlichen Wert“ wohl auf den Marktpreis ab, d.h. auf den Geldbetrag, um den ein einzelner Fund an einen Dritten verkauft werden könnte. Bei derartiger Bestimmung des wirtschaftlichen Werts jedes Einzelfundes ist diese Behauptung auch wenigstens insoweit bzw. im Wesentlichen korrekt, als es zwar selbst für Wandscherben von Gefäßen – die normalerweise den größten Anteil der Funde einer Grabung ausmachen – einen Sammlermarkt gibt,[37] auf dem selbst noch so unansehnliche Stücke verkauft werden können, der Einzelstückpreis selbst auf diesem Sammlermarkt für die meisten Stücke aber im Bereich von etwa 50 Cent bis zu ein paar Euro,[38] nur für einen recht kleinen Prozentsatz über € 10 und bei nahezu keinem Stück über 100 € liegt. Nachdem die Geringfügigkeitsgrenze für die Meldepflicht gem. § 390 ABGB durch § 391 Abs. 2 auf € 10 festgesetzt wird, ist also der wirtschaftliche Wert der meisten archäologischen Funde, als Einzelstück betrachtet, tatsächlich als gering zu beurteilen.

Schon das ist allerdings eine Darstellung, die den wirtschaftlichen Wert des durchschnittlichen Grabungsfundmaterials – also aller bei einer archäologischen Ausgrabung entdeckten Funde – in einer grob irreführenden, wertverschleiernden Weise darstellt. Denn bei einer archäologischen Ausgrabung wird normalerweise nicht bloß ein einzelnes Fundstück entdeckt, dessen wirtschaftlicher Wert tatsächlich – wenigstens aller Wahrscheinlichkeit nach bei der Durchschnittsfallbetrachtung – nur gering ist, d.h. die genannten € 10 nicht übersteigt. Vielmehr werden bei den meisten archäologischen Ausgrabungen wenigstens mehrere hunderte, tausende, wenn nicht sogar mehrere zehntausende Fundstücke entdeckt; bei Großgrabungen in fundreichen Fundstellen manchmal sogar über hunderttausend. Das bedeutet aber, dass der Marktpreis der Grabungsfunde „in ihrer Gesamtheit“ – wenn man von einem (sicherlich nicht zu niedrig gegriffenen) Durchschnittspreis von nur einem Euro pro Fundstück ausgeht – selbst bei kleinen Grabungen normalerweise im Bereich von wenigen hundert oder gar ein paar tausend Euro; bei größeren Grabungen in fundreichen Fundstellen sogar leicht im Bereich zehntausender, wenn nicht gar hunderttausender Euro liegen kann. Das ist selbst dann kein geringer Wert mehr, wenn man vernachlässigt, dass – wenn auch nur sehr selten – auch bei Grabungen Funde entdeckt werden können, die schon als Einzelstück (wie z.B. der Pferdekopf von Waldgirmes) auch einmal über eine Million Euro wert sein können.

Es ist allerdings höchst fragwürdig, ob man den wirtschaftlichen Wert des Fundmaterials einer archäologischen Ausgrabung überhaupt sinnvoll dadurch bestimmen kann, dass man den Marktpreis des durchschnittlichen Einzelfundes schätzt: schließlich werden die bei archäologischen Ausgrabungen entdeckten Funde in aller Regel nicht als Einzelstücke am Kunst- und Antikenmarkt feilgeboten. Aufgrund des in praktisch allen archäologischen Fachethiken (z.B. WSVA 2010, 4-5; EAA 2022, 5-9; CIfA 2022, 4-5) zu findenden expliziten Verbots, Grabungen zum Zweck der wirtschaftlichen Verwertung des Fundmaterials durch dessen Verkauf durchzuführen, ist ein derartiger „Einzelhandel“ mit Grabungsfundmaterial de facto sogar völlig ausgeschlossen: die „Produzenten“ von Grabungsfundmaterials weigern sich schließlich systematisch, die „Produkte“ ihrer Arbeit am „freien Markt“ zu verkaufen.

Es scheint daher weit zielführender und auch sachlich richtiger, den wirtschaftlichen Wert des Grabungsfundmaterials entsprechend der klassischen Volkwirtschaftslehre nach Adam Smith (1776) anhand der für ihre Gewinnung aufgewendeten Arbeit bzw., in Geldwert umgerechnet, ihrer „Herstellungskosten“ zu bestimmen. Das entspricht schon allein deshalb weit besser der tatsächlichen Sachlage, als die Gewinnung des Grabungsfundmaterials in aller Regel alles andere als kostenlos ist: schließlich müssen die „Unternehmen“, durch die archäologische Grabungen durchgeführt werden, die anfallenden Kosten bezahlen; egal wer diese letztendlich trägt.[39] Und es entspricht auch insofern weit besser der Sachlage, als diese Grabungen eben gerade nicht zum Zweck, Funde für den profitausgerichteten, stückweisen Verkauf im Einzelhandel zu gewinnen, durchgeführt werden, sondern um das in der Kombination von Grabungsdokumentation und Fundmaterial liegende wissenschaftliche Erkenntnispotenzial (im Fall dessen sonstiger Zerstörung durch andere Ursachen als die Ausgrabung) möglichst unversehrt zu erhalten und auch (wenigstens hypothetisch) tatsächlich nutzbar zu machen.[40] Der wirtschaftliche Wert jedes einzelnen Fundstücks, jeweils „für sich genommen“, ist daher völlig unerheblich, weil – wenigstens primär – die Nutzung des gesamten bei der Grabung entdeckten Fundmaterials samt der damit verbundenen Dokumentation „in ihrer Gesamtheit“ (ob nun jetzt oder später) der eigentliche Zweck der Durchführung der Grabung ist.

Betrachtet man also die Grabung, wie man es aufgrund ihres klaren Zweckes bei der gebotenen sachlichen Betrachtung auch muss, „in ihrer Gesamtheit“, lässt sich auch der wirtschaftliche Wert des dabei entdeckten Fundmaterials ganz leicht bestimmen; ja sogar dessen Verkehrswert bzw. Preis am „freien Markt“: er ist, in Geldwert ausgedrückt, genau das, was der (ob das nun eine natürliche oder eine juristische Person oder auch eine sich wie auch immer zusammensetzende Kombination mehrerer oder gar vieler davon ist), der letztendlich die durch die betreffende Grabung verursachten Kosten – samt aller allfälligen Neben- und Folgekosten wie jener für eine allfällige „dauernde Verwahrung“ des dabei entdeckten Fundmaterials – trägt, dafür in Summe ausgibt. Dieser Preis wird auch tatsächlich durch Angebot und Nachfrage geregelt und ist genau das, was es dem, der die dafür anfallenden Kosten letztendlich trägt, auch tatsächlich wert ist; er bezahlt schließlich genau diesen Preis dafür, dass die Grabung durchgeführt (und gegebenenfalls das dabei entdeckte Fundmaterial „dauernd verwahrt“) wird.

Dieser wirtschaftliche Wert lässt sich auch wenigstens ungefähr abschätzen, weil es jedes Jahr in Österreich etwa 700 bewilligte Grabungen gibt, für die irgendwer letztendlich bezahlt; ob jetzt weil er das aus denkmalrechtlichen Gründen muss, um ein (anderes) Projekt, das er verwirklichen möchte, verwirklichen zu dürfen und können, oder ob rein freiwillig, weil er ein wissenschaftliches Forschungsinteresse damit befriedigen möchte. Zu beziffern ist dieser wirtschaftliche Wert derzeit durchschnittlich mit geschätzt ca. € 100.000 pro 100 m3 ausgegrabener Stratifikation.[41] Dazu kommen in Zukunft (wenn die Pflicht dazu vor den VfGH halten sollte) – bei einem geschätzten Anteil von ca. 3% Fundmaterial im Aushubvolumen[42] – durchschnittlich weitere geschätzt ca. € 90.000 für dessen „dauerhafte Verwahrung“. Selbst wenn man das auf den Kubikmeter ausgehobene Stratifikation[43] herunterbricht, ist das schon derzeit ein wirtschaftlicher Wert von € 1.000; rechnet man dazu dann ab September 2024 auch noch die Kosten der „dauerhaften Fundverwahrung“, landet man bei 3% Fundanteil im Aushubvolumen[44] bei € 1.918.[45] Das sind Beträge, die sicherlich nicht mehr als „geringer“ wirtschaftlicher Wert zu betrachten sind: schließlich bekommt man um dieses Geld schon recht problemlos einen halbwegs brauchbaren Gebrauchtwagen; und ab etwa 6 m3 Aushubvolumen sogar schon einen Neuwagen.

Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass man auf dieser Basis nun natürlich auch den wirtschaftlichen Wert eines jeden einzelnen Fundstücks errechnen könnte und dabei zu einem durchschnittlichen Stückpreis pro Fund kommen würde, der ebenfalls „nur“ im Bereich von irgendwo zwischen ein paar und ein paar zehn Euro liegen würde; also bei einem geringen Wert pro jeweils „für sich genommen“ betrachteten Fund. Aber das wäre eben völlig irreführend, weil der, der für die Grabung samt ihren Folgekosten bezahlt und dem ab September 2024 durch die gesetzliche Verpflichtung zur „dauernden Fundverwahrung“ auch die Kosten für die „dauerhafte Erhaltung“ seines (Fund-) Eigentums, das jedoch seiner rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsgewalt (wenigstens de facto) vollständig entzogen wird, aufgebürdet werden sollen, ja nicht Funde einzelstückweise ankauft. Der muss vielmehr für die Grabung samt deren Folgekosten „in ihrer Gesamtheit“ bezahlen, wenn er nicht ganz auf das Projekt, das er umsetzen will oder muss – egal ob es sich dabei nun um ein Bau-, ein wissenschaftliches Forschungsprojekt, eine Lehrveranstaltung zur praktischen Ausbildung von angehenden Archäolog*innen in der Grabunsmethodik, oder ein beliebiges sonstiges Projekt handelt, zu dessen Verwirklichung die Grabung erforderlich ist – verzichten will.

Was der einzelne Fund jeweils „für sich genommen“ wirtschaftlich wert ist, ist also völlig irrelevant. Dass die Kosten einer archäologischen Ausgrabung alles andere als gering und daher auch der wirtschaftliche Wert ihrer Durchführung und des dadurch erzeugten Produkts – der Grabungsergebnisse samt des zu diesen dazugehörenden Fundmaterials – bedeutend, wenn nicht sogar sehr hoch sind, müssen die Autor*innen des Gesetzestextes und der zugehörigen Erläuterungen ebenso wissen, wie dass der Eigentümer der Grabungsfunde diese nicht auf Einzelstückbasis in der von ihm benötigten Menge kauft.

Sie konnten daher bei sachgerechter Betrachtung des im Fall einer bewilligten Grabung maßgeblichen Sachverhalts nicht zum Schluss kommen, dass die dabei entdeckten Funde, die nach Abschluss der Grabung von einer „lokalen Trägerorganisation“ oder dem BDA selbst „dauerhaft verwahrt“ werden und somit der Verfügungsgewalt ihres Eigentümers de facto vollständig entzogen werden sollen, „von keinem oder nur sehr geringem wirtschaftlichen Wert“ wären. Ganz im Gegenteil: bei realistischer Betrachtung der Kosten, die – auch den Autor*innen des Gesetzes tatsächlich bekanntermaßen – für die Erzeugung der Ergebnisse einer Grabung inklusive des dabei entdeckten Fundmaterials anfallen, hätten sie ausschließlich zu dem Schluss kommen können, dass deren „wirtschaftlicher Wert“ – vor allem für den diese Kosten tragen müssenden Betroffenen – jedenfalls sehr erheblich, wenn nicht sogar prohibitiv hoch ist.

Aber statt diese unbestreitbare Tatsache in den Erläuterungen (RV 2024, 9) korrekt darzustellen – und sei es nur, indem sie den tatsächlich hohen oder sogar sehr hohen wirtschaftlichen Wert der Grabung (inklusive des dabei entdeckten Fundmaterials) „in ihrer Gesamtheit“ mit dem (wenigstens ihren Angaben nach) „hohe[n] wissenschaftlichen Wert“ der Grabungsergebnisse (inklusive des zu diesen gehörenden Fundmaterials) „in ihrer Gesamtheit“, also wenigstes Gleiches mit Gleichem verglichen hätten – haben sie diese Tatsache verschwiegen und stattdessen durch einen logisch ebenso wie sachlich völlig unzulässigen Vergleich des (angeblich hohen) wissenschaftlichen Gesamtwerts aller Funde mit deren (tatsächlich) relativ geringen wirtschaftlichen Einzelstückwert den irreführenden Eindruck zu erwecken versucht (und wohl auch, wenigstens bei den am Steuer schlafenden Politikern, erfolgreich erweckt), dass die Funde zwar wirtschaftlich praktisch wertlos aber wissenschaftlich dafür enorm wertvoll wären.

Das kann nun aber schon gar nicht mehr ein harmloser Irrtum gewesen sein: es handelt sich dabei um einen nachgerade klassischen Sophismus, um ein geschickt konstruiertes, aber inhaltlich falsches Argument, das die Zuhörer von der tatsächlichen Richtigkeit der darin erhobenen Behauptungen überzeugen soll, obwohl der, der es führt, weiß, dass das, was er behauptet, unwahr ist. Wie es Karl Schmitt in „Der Begriff des Politischen“ in Hinblick auf die (für die [archäologische] Denkmalpflege auch nachgerade charakteristische) rhetorische Berufung auf „die Menschheit“ gesagt hat, wer ein derartiges Argument benutzt, der „will betrügen“ (Schmitt 2015, 51).

Totalitäre archäologische Erhaltungsideologie und Raubarchäologie

Ich habe mich im ersten Teil dieses Beitrags etwas genauer mit der „Raubarchäologie“ des Dritten Reichs auseinandergesetzt, unter anderem anhand eines sehr konkreten, österreichischen Beispiels der Beraubung – zugunsten des NHM – des professionellen jüdischen Ausgräbers, Kunsthändlers und Privatsammlers Robert Wadler kurz nach dem Anschluss im Jahr 1938 durch den ebenda beschäftigten Archäologen Dr. Eduard Beninger, der schon seit 1934 österreichischer Landesleiter des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte war. Die archäologischen Haupttäter begründeten die von ihnen betriebene „Raubarchäologie“ selbst noch in den 1960ern explizit als „vorgeschichtlichen Denkmalschutz“ bzw. mit der "Notwendigkeit", archäologische Funde vor der Gefahr des sonstigen Abhandenkommens zu retten. Nachdem (sowohl) die österreichische (als auch die deutsche) Archäologie nach Kriegsende nie ernsthaft entnazifiziert wurde und das Fach sich seither als „Opfer“ des „politischen Missbrauchs“ dargestellt und nicht analysiert hat, warum viele Archäologen zu willigen Tätern wurden, habe ich darauf hingewiesen, dass die Gefahr besteht, dass sich die Denkmuster, die zur Nazi-„Raubarchäologie“ geführt haben, bis in die Gegenwart perpetuiert haben könnten.

Im zweiten Teil habe ich anhand der Ergebnisse einer kleinen Umfrage und des ganz konkreten Beispiels der neuen Regelung der „dauernden Fundverwahrung“ des Fundmaterials bewilligter Ausgrabungen durch die gerade vom österreichischen Nationalrat beschlossene Novelle des DMSG gezeigt, dass „das Fach“ und die „archäologische Denkmalpflege“ auch in der Gegenwart das Grund- und Menschenrecht einzelner Staatsbürger auf Eigentum nicht respektieren, wenn dieses ihrem Ziel entgegensteht, die exklusive, willkürliche Verfügungsgewalt über „archäologische Sachen“ zu erhalten. Dabei endet erschreckenderweise die Bereitschaft der archäologischen Denkmalpflege, auf das Eigentum von Staatsbürgerinnen zum (angeblichen) „Wohl der Denkmale“ zuzugreifen, nicht einmal bei den „archäologischen Denkmalen“ selbst; sondern sie will sogar Zugriff auf das sonstige Privatvermögen der Betroffenen: nicht nur soll dem Eigentümer eines „archäologischen Denkmals" dieses selbst und vor allem die Verfügungsgewalt darüber völlig entzogen, er also (materiell) enteignet werden. Er soll seinen Enteigner dafür sogar noch aus seinem sonstigen Vermögen „entschädigen“, statt – wie eigentlich durch Gesetz, Verfassung, Europa- und Völkerrecht vorgesehen – vom Enteigner für sein entzogenes Eigentum entschädigt zu werden!

Im dritten Teil habe ich schließlich gezeigt, mit welchen Verschleierungs- und Täuschungsmanövern die Autor*innen des Textes von Novelle und Erläuterung (RV 2024) – die zweifellos im BDA (und in sehr geringem Maß vielleicht auch noch im diesem vorgesetzten Ministerium) selbst zu lokalisieren sind – die Tatsache, dass die Bestimmung zur „dauernden Fundverwahrung“ eine krass rechts-, verfassungs-, europa- und völkerrechtswidrige entschädigungslose Enteignung ist, für die der Enteignete seinen Enteigner auch noch bezahlen soll, vor dem Gesetzgeber verbergen. Ich habe des weiteren gezeigt, dass sie den Gesetzgeber durch gezielt irreführende Verwendung von Sophismen vorsätzlich über die tatsächlich bestehenden Sachverhalte im konkret betroffenen Regelungsbereich (erfolgreich) zu täuschen versuchten, um bei diesen den fälschlichen Eindruck zu erwecken, dass die legistische Maßnahme, die die Verfügungsgewalt über und die „archäologischen Sache“ selbst deren Eigentümer entzieht und die Kontrolle darüber der behördlichen Willkür unterwirft, die Betroffenen ohnehin überhaupt nicht signifikant schädigen würde, während sie gleichzeitig für „das Fach“ unbedingt erforderlich wäre.

Das zeigt, dass – wenigstens in der Gegenwart – nicht etwa eine totalitäre politische Bewegung „die Archäologie“ und „die archäologische Denkmalpflege“ instrumentalisiert und zu ihren Zwecken missbraucht, sondern umgekehrt die Vertreter „des Faches“ bzw. der „staatlichen archäologischen Denkmalpflege“ das politische System und ihre Positionen im Verwaltungsapparat des Staates aktiv zu ihren eigenen Zwecken missbrauchen. Das wiederum legt nahe – insbesondere in Anbetracht der Selbstrechtfertigung der archäologischen Haupttäter für die von ihnen während des Dritten Reichs betriebene „Raubarchäologie“, nämlich dass diese für den „vorgeschichtliche[n] Denkmalschutz“ (Jankuhn, 14.5.1963; zitiert bei Kater 2006, 155) bzw. „die wissenschaftliche Sicherung prähistorischer Funde“ (Pittioni 10.11.1951; siehe Friedmann 2013, 84) erforderlich gewesen wäre – dass auch während des Dritten Reichs „das Fach“ bzw. dessen Vertreter in der „staatlichen archäologischen Denkmalpflege“ das politische System und ihre Positionen im Verwaltungsapparat des Nazi-Staates aktiv für ihre eigenen Zwecke (eben: die „Raubarchäologie“) missbraucht haben – auch wenn während des Dritten Reichs (im Unterschied zu heute) dieser Missbrauch natürlich ein gegenseitiger war; also die NSDAP die Archäologie und archäologische Denkmalpflege tatsächlich auch für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert und damit missbraucht hat.

Das wiederum weist, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass das „Programm“ von Hans Reinerth (1932; 1933) für die „nationalsozialistische“ Neugestaltung der Archäologie inhaltlich nicht nur damals aus fachlicher Sicht eigentlich unkontroversiell war, sondern auch im Wesentlichen – d.h. mit nur marginalen Änderungen[46] – den wichtigsten gegenwärtigen Forderungen und Wünschen „des Faches“ entspricht, sehr stark darauf hin, dass die Ideologie, die für die „Raubarchäologie“ des Dritten Reichs hauptverantwortlich war, nicht die politische Ideologie der NSDAP war, sondern die fachliche Ideologie der Archäologie. Und es weist die Tatsache, dass der österreichische Gesetzgeber gerade ein „Raubarchäologie-Ermächtigungsgesetz“ beschlossen hat, das dem „Verwaltungsdenken des totalitären Staates“ entsprungen ist, das „der staatlichen Lenkungsbefugnis“ und den „vermeintlichen Staatsinteressen unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers“ einräumt und „Grundrechte“ missachtet (BVerfGE 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rz 34-35), darauf hin, dass auch in der Gegenwart die Ursache dafür die fachliche Ideologie ist.

Es gibt nämlich keinen Grund anzunehmen, dass die Autor*innen des neuen Gesetzestextes des DMSG und der zugehörigen Erläuterungen (RV 2024) Nazis oder der politischen Ideologie des Nationalsozialismus in irgendeiner Weise zugetan wären. Gründe dafür, anzunehmen, dass sie (noch dazu völlig unreflektiert) einer ganz bestimmten fachlichen Ideologie folgen (implizit erkenntlich aus Pollak 2011, 227) – nämlich der des insbesondere auf John Ruskin (1849) zurückgehenden Erhaltungs-Paradigmas der (archäologischen) Denkmalpflege (Holtorf 2014) bzw. des AHD (cf. Smith 2006) – gibt es hingegen in überwältigender Menge. Und diese fachliche Ideologie ist, von ihrer Struktur als auch von ihrem Inhalt her, eine ebenso inhärent totalitäre Ideologie wie jene des Nationalsozialismus, des Kommunismus oder fundamentalistischer theokratischer politischer Ideologien.

In ihrer wegweisenden Studie über totalitäre Bewegungen stellen Carl J. Friedrich und Zbigniew K. Brzezinski fest, dass die für eine solche stets typische totalitäre Ideologie im demokratischen Kontext ihrer Entstehung betrachtet und analysiert werden muss und

„… aus einer offiziellen Doktrin besteht, die radikal die bestehende in den Begrifflichkeiten eines chiliastischen Vorschlags für eine neue Gesellschaft ablehnt. Sie enthält stark utopische Elemente, eine Art Vorstellung eines Paradieses auf Erden. Diese utopische und chiliastische Perspektive totalitärer Ideologien gibt ihnen eine pseudo-religiöse Beschaffenheit.“[47] (Friedrich & Brzezinski 1965, 25-6).

Das archäologische Erhaltungsparadigma beruht auf zwei (sinngemäß auf Ruskin 1849 zurückgehenden) kategorischen Imperativen (Kant 1778, 28), aus denen sich sowohl die radikale Ablehnung der derzeitigen und der chiliastische Vorschlag für eine neue und die paradiesische Zustände auf Erden versprechende Utopie für Archäolog*innen ergeben. Diese kategorischen Imperative sind:

1.    „archaeologia res communis universalis extra commercium est”,198F[48] und

2.    „nullus (nisi archaeologi) effodere potest“199F[49]

Das Versprechen dieser beiden kategorischen Imperative des archäologischen Erhaltungsparadigmas ist, dass Archäolog*innen uneingeschränkte Herrschaft über archäologische Angelegenheiten ausüben und dadurch „zukünftigen Generationen“ „der Menschheit“ die „archäologischen Denkmale“ „unverändert erhalten“ werden, wofür ihnen diese unendlich dankbar sein werden. Das Denkmal für ihre Mühen, die Leistung, die diese künftigen Generationen ganz im Sinne Ruskins (1849, 237-238) genauso dauerhaft erhalten werden müssen wie heutige Archäolog*innen die Kulturleistungen unserer Vorfahren, sind die Denkmale, die sie erhalten haben, damit diese künftigen Generationen sie für noch fernere, künftigere Generationen erhalten können, ad infinitum. Das ist das archäologisch-denkmalpflegerische Utopia.

Menschen, insbesondere derzeit lebende Menschen und deren individuelle Rechte, haben einfach keinen Platz in diesem großen Plan für eine glorreiche Zukunft der unverändert für eine noch zukünftigere Zukunft erhaltenen archäologischen Denkmale. Ganz im Gegenteil, sie sind jene gegenwärtige Gesellschaft, die durch die offizielle Doktrin der Ideologie radikal abgelehnt wird; sie sind die Bedrohung für das archäologische Utopia, und insbesondere für die uneingeschränkte Herrschaftsbefugnis derzeitiger Archäolog*innen über alle derzeitigen archäologischen Belange, die unabdingbar erforderlich ist, um das archäologische Utopia schaffen zu können. Die Menschen, insbesondere die derzeit lebenden Menschen müssen daher lernen, ihren archäologischen „Philosophen-Königen“ (Prantl 1857; Watzlawick 2001, 102-103) zu „gehorchen“ (Rączkowski 2011, 206; cf. Friedrich & Brzezinski 1965, 155-60, insbesondere 157); oder sind der Feind „der Menschheit“, dem „die Qualität des Menschen abgesprochen“ (Schmitt 2015, 51) wird und der mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft werden darf und sogar muss. Denn für das “Wohl der Archäologie” unter dem archäologischen Erhaltungsparadigma ist „der Einzelne […] nichts, […] die Gemeinschaft“ hingegen „alles“ (Jarass & Pieroth 2016, 41).

Diese Ideologie ist natürlich nicht nur in extremem Maß inhärent demokratiefeindlich, sie ist auch verfassungs-, europa-, völker- und insbesondere menschen(rechts)feindlich; und natürlich – und das macht sie, als ob der Rest nicht schon genügen würde, endgültig pervers – auch ganz besonders wissenschaftsfeindlich. Denn sie ist – als dogmatisch vertretene, pseudo-religiöse Irrlehre – natürlich auch völlig evidenzresistent und kritikunfähig. Und sie ist natürlich insbesondere wenn die (wissenschaftlich) beobachtbare Wirklichkeit dem widerspricht, was von der Ideologie zur ewigen Wahrheit erklärt wurde, zur aktiven Unterdrückung der freien Wissenschaft und ihrer Ergebnisse gezwungen (siehe dazu auch, weil auch das ein Charakteristikum totalitärer Systeme ist,  Friedrich & Brzezinski 1965, insbesondere 316-328). Das richtet dann in der Praxis – siehe den Mythos der „unveränderten Erhaltung in situ“, die bekanntermaßen überhaupt nicht möglich ist und, wenn sie doch (im Endeffekt stets nur am Papier) durchzusetzen versucht wird, nur die wissenschaftliche Erforschung der „archäologischen Denkmale“ wenigstens massiv be-, wenn nicht sogar gänzlich verhindert – sogar massiven realen Schaden an gerade dem an, das den Postulaten der Ideologie zufolge „geschützt“ oder „gerettet“ werden soll; also sowohl an „den Quellen“ der archäologischen Wissenschaft, wie auch an ihren Ergebnissen, und natürlich nicht zuletzt am tatsächlichen (und nicht nur vermeintlichen) „Allgemeinwohl“ – nämlich der den „obersten Verfassungswert“ (z.B. BVerfGE 109, 279/311) demokratischer Gesellschaften darstellenden „Menschenwürde“ (Präambel AEMR; UN 1948).

Wie in diesem Beitrag gezeigt wurde, ist es also nicht so, dass Archäolog*innen dadurch zur „Raubarchäologie“ verleitet werden, dass sie einer externen politischen Strömungen folgen; also sozusagen durch „schlechte Einflüsse“ von außerhalb „des Faches“, sei es durch politische Extremisten oder religiöse Fanatiker, verdorben werden. Sie betreiben vielmehr – wenn die Politik ihnen das erlaubt; sei es weil sie sich selbst einen Vorteil davon verspricht, oder sei es, weil sie von Fachvertreter*innen dazu betrogen werden kann – „Raubarchäologie“ deshalb, weil sie der (seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts dominanten) archäologischen und denkmalpflegerischen Fachideologie anhängen, die zwar nicht die politische Ideologie der Nazis oder kommunistischer Parteien oder die religiöser Fundamentalisten ist, aber genauso inhärent totalitär wie ebendiese.

Würde man also „den Anfängen“ totalitärer Archäologie „wehren“ wollen, dann ist es dafür schon lange viel zu spät. Denn wir sind nicht mehr bei den Anfängen, sondern von Anfang unseres Faches und unserer denkmalpflegerischen Bemühungen ab schon meilenweit über diese Anfänge hinaus.

Wollen wir also keine totalitäre Archäologie, sondern – wie es z.B. die EAA in ihrem Code of Practice (unter 1b.i, als 4. Punkt unter 1c.ii, EAA 2022), in ihren Prinzipien (unter 2b.1, wenn auch explizit nur bezogen auf menschliche Überreste, nicht lebende Menschen; EAA 2022) und in ihrem „Bern Statement“ (EAA 2019) gleich vielfach ausdrückt – „das gemeinsame Ziel Europas: friedliche und stabile Gesellschaften, die ihrerseits auf der Achtung der Menschenrechte, geistiger und akademischer Freiheit, Demokratie, kultureller Vielfalt und Rechtsstaatlichkeit beruhen“ (EAA 2019, 1) zu verwirklichen helfen, dann müssen wir unsere Ideologie, das Fach und die archäologische Denkmalpflege, und zwar wirklich, sowohl in der Theorie als auch der Praxis, ganz fundamental ändern. Denn tun wir das nicht, dann macht uns das zwar nicht zu Nazis, aber trotzdem nur unmaßgeblich besser als jene Archäolog*innen, die zu den Haupttätern der archäologischen Verbrechen des Dritten Reichs gehören; und akut gefährdet, deren Fehler – wenn auch vielleicht nicht mit genau derselben rücksichtslosen Brutalität, wenigstens nicht, solange uns jemand anderer, verantwortungsvollerer wenigstens von den ärgsten Exzessen abhält – jederzeit zu wiederholen.

Die Entscheidung und die Verantwortung dafür liegt bei jedem Einzelnen von uns.

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[1] Dass der Tod Robert Wadlers – auch wenn die ausführende Hand letztendlich seine eigene war – kein „Freitod“ war, sondern als eiskalter Judenmord zu betrachten ist, braucht in Anbetracht des Holocausts wohl nicht näher begründet zu werden: was Wadler nach dem Scheitern seines Ausreiseversuchs (lies: seiner Flucht) bevorstand, war nicht nur ihm, sondern wohl auch seinen Zeitgenossen wie Beninger und ist jedenfalls heute jedem auch nur halbwegs verständigem Menschen völlig klar.

[2] Reinerths Vorstellung nach im Sinne der Nazi-Ideologie primär mit den „nordischen Ländern“; aber hier hätte sich mit Sicherheit auch leicht eine Kompromissformel finden lassen, die auch jene Kollegen zufrieden gestellt hätte, die nicht gerade mit „nordischen“ Ländern, aber dennoch mit ausländischen Kollegen kooperieren wollten.

[3] Alles Forderungen, die man noch heute in ähnlicher Form bei jeder Verbandstagung der Altertumsverbände Deutschlands hört und für die man dort auch heute noch breite Unterstützung fände.

[4] Ein Protest, der wohl ausgeblieben wäre, wenn Reinerth die Rolle des „Führers“ des Reichsinstituts (und sei es nur vorerst) Gero von Merhart als dem etabliertesten und allgemein höchst angesehenen Vorgeschichtler und Inhaber des ersten Lehrstuhls für dieses Fach an einer deutschen Universität angeboten hätte.

[5] Übersetzung: Autor; im englischen Original: ‘… why outstanding scholars (Jankuhn, for example […]) took part in the plundering of cultural artefacts’ (Haßmann 2000, 107).

[6] Handlungen, die selbst wenn man beiseite lässt, dass die damaligen fachlichen Standards und ethischen Grundsätze in Hinblick darauf, dass Kulturgüter nicht aus ihrem „Herkunftsland“ entfernt werden sollten, noch deutlich anders waren als die Standards der meisten heute tätigen Archäologen, auch schon damals offensichtlich höchstgradig unethisch waren.

[7] Gemeint ist damit sowohl die „deutsche“ Vorgeschichte selbst, also die Vergangenheit (bzw. wenigstens die Narrative über sie), als auch deren Erforschung, d.h. die Fachgemeinschaft der Vorgeschichtsforscher, die gleichermaßen – so erforderlich auch mit Gewalt – dem Willen Reinerths bzw. den Vorstellungen der NSDAP unterworfen bzw. damit „gleichgeschaltet“ werden sollten.

[8] Dass sich daraus für diese Täter eventuell mittelbar dennoch auch konkrete wirtschaftliche Vorteile (wie bezahlte Stellen, mehr Geld für ihre eigenen Forschungen, usw.) ergaben bzw. sie sich diese wenigstens erhofften, versteht sich von selbst; ist aber etwas ganz anderes als eine direkte, wirtschaftliche Selbstbereicherungsabsicht. Ebenso versteht sich von selbst, dass nicht wenige der beteiligten Archäologen dabei auch durchaus ihre eigenen Interessen nicht nur verfolgten, sondern diesen – z.B. in der schon erwähnten Auswahl, welche Sachen sie raubten, also hauptsächlich jene, die ihren eigenen Forschungsinteressen dienlich sein konnten – die höchste Priorität einräumten; aber auch das ist etwas ganz anderes als eine direkte, wirtschaftliche Selbstbereicherung.

[9] Ganz im Gegensatz zur populären (z.B. auch in populären Hollywood-Filmen wie „Monuments Men“ wenigstens unterschwellig propagierten) Vorstellung, dass „böse Nazis“ wirtschaftlich wertvolle Kunstgegenstände aus den besetzten Gebieten raubten, um sich persönlich zu bereichern oder sich wenigstens für nach dem Kriegsende finanziell abzusichern – auch wenn es sicher auch solche Fälle gegeben hat.

[10] Siehe dazu schon die Kernaussage der Denkmalschutzphilosophie von John Ruskin zum Umgang mit Denkmalen: We have no right whatever to touch them. They are not ours. They belong partly to those who built them, and partly to all the generations of mankind who are to follow us. The dead still have their right in them: that which they laboured for, the praise of achievement or the expression of religious feeling, or whatsoever else it might be which in those buildings they intended to be permanent, we have no right to obliterate. What we have ourselves built, we are at liberty to throw down; but what other men gave their strength and wealth and life to accomplish, their right over does not pass away with their death: still less is the right to the use of what they have left vested in us only. It belongs to all their successors.“ (Ruskin 1859, 237-238; Hervorhebung: im Original).

[11] Zudem regelt allerdings auch § 365 ABGB – wenn auch nur einfachgesetzlich – dass „[w]enn es das allgemeine Beste erheischt, […] ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigenthum einer Sache abtreten“ muss; sieht also ebenfalls eine Pflicht zur gerechten Entschädigung des Enteigneten durch den Staat für eine im „öffentlichen Interesse“ gelegene Enteignung vor.

[12] Siehe dazu explizit den Langtitel der Stammfassung des österreichischen Denkmalschutzgesetzes von 1923, der vollständig „533. Bundesgesetz vom 25. September 1923, betreffend Beschränkungen in der Verfügung über Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung (Denkmalschutzgesetz)“ lautete.

[13] Erstens: füge keinen Schaden zu!

[14] Hier ist besonders zu beachten, dass beide dieser Richtungen nichts mit einer bestimmten politischen Ideologie zu tun haben: totalitäres Denken findet sich sowohl in politisch „rechten“ Ideologien wie jener der Nazis; politisch „linken“ wie jener des Kommunismus; aber auch fundamentalistischen religiösen Ideologien usw. Auch eine denkmalpflegerische Ideologie wie z.B. die des AHD (Smith 2006, 29-34) kann daher mit totalitärem Denken kombiniert werden bzw. ist solchem im konkreten Fall sogar förderlich, weil unter den Prämissen des AHD einzig eine Expertenelite dazu fähig ist, richtig zu erkennen, was „für die Denkmale“ notwendig und daher „das Beste“ für „das Allgemeinwohl“ ist, und daher – eben um „das Beste“ für „die Denkmale“ und damit auch für „das Allgemeinwohl“ zu erreichen – sowohl dazu ermächtigt als auch dazu verpflichtet ist, denkmalpflegerische Entscheidungen unter Ausschluss aller – eben nicht „das Beste“ für „die Denkmale“ und daher „das Allgemeinwohl“ erkennen könnenden – Anderen zu treffen und auch mit Staatsgewalt durchzusetzen. Dem AHD ist also jenes wenigstens oligarchische, wenn nicht sogar autokratische Denken inhärent, das eine unabdingbare Voraussetzung für totalitäres Denken ist. Das gleiche gilt umgekehrt auch für die entgegengesetzte Richtung: der Libertarismus wird schließlich gewöhnlich als „rechte“ politische Ideologie gesehen, während der Anarchismus als „linke“ politische Ideologie gilt; beide lehnen aber in ihrer Extremform gleichermaßen jedes Eingriffsrechts des Kollektivs in die individuelle Freiheit des Einzelnen ab, zu tun und zu lassen was auch immer er will.

[15] Wenn man einmal von der in der Fachliteratur gelegentlich geäußerten, „rein vernünftigen“ (im Sinne von Kant 1781) und daher (wie schon Kant 1781 gezeigt hat) unzulässigen Spekulation absieht, dass rein hypothetisch aus jedem Fund mit derzeit noch völlig unbekannten zukünftigen Methoden vielleicht irgendwann einmal doch irgendeine und vielleicht sogar eine wichtige Erkenntnis gewonnen werden könnte. Dass es sich dabei gleichzeitig um eine nicht falsifizierbare (Popper 1994), somit höchstgradig unwissenschaftliche und daher auch völlig belanglose Behauptung handelt, sei nur am Rande erwähnt.

[16] Laut den Erläuterungen (RV 2024, 9) entfällt die „bisherige Fiktion, dass archäologische Funde zivilrechtlich stets als Schatzfunde gemäß §§ 399 ABGB zu behandeln sind“; d.h. es ist ab 1.9.2024 der Verkehrswert jedes einzelnen Fundes zu bestimmen. Sofern dieser über der bisher nicht ausjudizierten Wertgrenze liegt, die ihn zu einer „Kostbarkeit“ und somit einem Schatz iSd § 398 ABGB machen, geht er gem. § 399 unmittelbar mit seiner Entdeckung ins hälftig geteilte Eigentum von Finder und Grundeigentümer über, wobei der Eigentumserwerb durch den Grundeigentümer gegebenenfalls auch ohne dessen Wissen und Willen erfolgt (OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90). Liegt der Verkehrswert eines Fundes hingegen unter dieser Grenze aber über € 10, dann entsteht dem Finder alleiniges Eigentum; und zwar iSd §§ 397 iVm 395 ABGB erst ein halbes oder gar ein Jahr nachdem er der Fundmeldepflicht gem. § 390 ABGB nachgekommen ist; bzw. wenn sein Verkehrswert € 10 oder weniger beträgt und der Fund somit unter die Ausnahme von der zivilrechtlichen Fundmeldepflicht des § 391 Abs. 2 ABGB fällt, ein Jahr nach der Entdeckung der Funde. Die Fundeigentumsregelung wird also einigermaßen kompliziert werden.

[18] Bei tatsächlich ernsthaft konservatorisch betreuter Lagerung in einer Einrichtung eines auf Langzeitarchivierung spezialisierten Unternehmens ist hier pro m3 Fundmaterial derzeit sicherlich wenigstens mit jährlich € 1.000 Lagerkosten zu rechnen, eventuell sogar deutlich mehr.

[19] Wenigstens sofern sie nicht durch einen Dritten iSd § 401 ABGB „zur Aufsuchung eines Schatzes gedungen worden“ sind; wobei – nachdem die bisher bestehende gesetzliche Fiktion des § 10 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I Nr. 170/1999, dass alle Funde von Bodendenkmalen Schatzfunde iSd § 398 ABGB sind, nunmehr aufgegeben wurde – die bloße Beauftragung mit „Nachforschungen nach archäologischen Denkmalen“ (geschweige denn nach „archäologischen Funden“) nicht mehr automatisch eine Beauftragung „zur Aufsuchung eines Schatzes“ ist und somit – wenigstens sofern dies zwischen diesem und seinem Auftraggeber nicht vertraglich anders geregelt ist – der Inhaber der Grabungsgenehmigung bzw. eventuell sogar die Arbeitskraft, die den Fund tatsächlich entdeckt hat, (siehe dazu auch OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90) „Finder“ iSd § 389 Abs. 1 ABGB ist.

[20] Ob der Finder bezüglich der von ihm entdeckten geringwertigen Funde auf diesen Eigentumstitel verzichten kann (und was das für Rechtsfolgen nach sich zieht) ist bisher nicht ausjudiziert; nachdem aber § 395 ABGB ein Verzichtsrecht (wenigstens nicht explizit bzw.) nicht vorsieht, ist wenigstens bis zu einer allfälligen, gegenteiligen Entscheidung der Gerichtsbarkeit davon auszugehen, dass analog zum im Falle eines Schatzfundes auch ohne Wissen und Willen automatisch vollzogenen Erwerb des Hälfteeigentums durch den Grundeigentümer (OGH 12.10.1982 4Ob604/81; 19.7.1990, 13Os64/90) auch der Finder ohne und sogar gegen seinen explizit deklarierten, gegenteiligen Willen zum (ob nun alleinigen oder hälftig geteilten) Eigentümer all seiner Funde wird.

[21] Auch wenn private Museen existieren, gibt es kaum ein Privatmuseum, das über ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes, konservatorisch betreutes Dauerlager verfügt. Privatmuseen können daher hier getrost vernachlässigt werden; völlig abgesehen davon, dass auch die wenigen davon, die über eventuell geeignete Archivierungsmöglichkeiten verfügen, gewöhnlich dem Fundeigentümer einen Kostenersatz für die Dauerlagerung seines Fundmaterials verrechnen werden.

[22] Insbesondere auch deshalb nicht, weil wenn er – z.B. indem er schriftlich verfügt, dass seine Funde von niemand anderem als ihm selbst auch nur gesehen, geschweige denn in irgendeiner anderen Weise genützt werden dürfen – jeden anderen von seinem Fundmaterial ausschließen könnte, der Fundeigentümer nicht nur die konservatorische Betreuung dieses Fundmaterials vereiteln könnte, sondern auch vereiteln könnte, dass die „dauerhafte Verwahrung“ seiner Funde den ihr vom Gesetzgeber offensichtlich zugedachten Sinn – nämlich als „geschichtliche Dokumentation“ iSd § 1 Abs. 4 (RV 2024) dauerhaft für zukünftige wissenschaftliche Untersuchungen und wohl auch bei Bedarf auch zur volksbildnerischen Nutzung zur Verfügung stehen – nicht erfüllen könnte; d.h. zum Erreichen ihres offensichtlichen Zwecks ebenso offensichtlich ungeeignet wäre.

[23] Wobei ohnehin fragwürdig ist, ob das Recht, sich an seiner Sache zu ergötzen, indem man sie aus für ihre dauerhafte Verwahrung sicheren Distanz anschaut, überhaupt einen Nutzen im Sinne des primär dem Schutz wirtschaftlicher Interessen des Eigentümers dienenden Eigentumsrechts darstellt.

[24] Immerhin hat Beninger Wadler wenigstens einen Teil des wahren Werts von dessen Sammlung bezahlt, also ihn wenigstens ein wenig – wenn auch alles andere als „fair“ iSd Art. 17 CFREU – für die Enteignung entschädigt und ihn nicht stattdessen für das Privileg, zugunsten der „Allgemeinheit“ enteignet zu werden, auch noch bezahlen lassen.

[25] Was per se zwar durchaus stimmt, weil die Vergangenheit durch gegenwärtige menschliche Handlungen nicht verändert werden kann und sich somit der gegenwärtigen Verfügung durch den Menschen vollständig entzieht (und damit per Definition im rechtlichen Sinn nicht „eigentumsfähig“ ist); aber bewusst die Tatsache ausblendet bzw. abzuleugnen versucht, dass die Sachen „aus der Vergangenheit“, über die „das Fach“ bzw. die „staatliche archäologische Denkmalpflege“ allein verfügen will, eben nicht dasselbe wie „die Vergangenheit“ und auch nicht (mehr) „in der Vergangenheit“ sind; sondern, so wie alle anderen gegenwärtig existierenden Sachen auch, über die (allein) eine (rechtliche und tatsächliche) Verfügung in der Gegenwart möglich ist (und die somit „eigentumsfähig“ sind), Sachen „der Gegenwart“ und „in der Gegenwart“ sind. Es handelt sich also bei dieser Behauptung um nicht mehr als einen Sophismus, ein Scheinargument bzw. einen vorsätzlichen rhetorischen Fehlschluss, dessen einziger Zweck es ist, die, denen gegenüber dieses Argument geführt wird, über den tatsächlichen Sachverhalt zu täuschen, um ein – übrigens privates (!) – Eigeninteresse der diese Behauptung Verbreitenden durchsetzen zu können. Siehe insbesondere dazu, angeblich im Namen „der Menschheit“ zu sprechen, Karl Schmitt (2015, 51).

[26] Zwar würde das vermutlich bereits das natürliche Rechtsempfinden eines bedeutenden Anteils der Bevölkerung verletzen, weil es natürlich offensichtlich ein verwaltungsrechtlicher „Trick“ ist, um die „allgemeine“ Fundeigentumserwerbsregel des ABGB zu umgehen; also von vielen als eine „versteckte entschädigungslose Enteignung“ empfunden werden würde; würde aber wohl – wenigstens solange eine solche Eigentumsregelung mit einer den Regelungen des ABGB zum gerechten Finderlohn entsprechenden Entschädigung für ihre Funde „ehrlich“ meldenden Findern verbunden ist – von einer Bevölkerungsmehrheit als akzeptable Lösung der Materie betrachtet.

[28] Dies entspricht im Wesentlichen der nach bisheriger Rechtslage bestehenden „passiven“ Erhaltungspflicht des § 4 Abs. 1 DMSG idF BGBl. I 170/1999, die den Denkmaleigentümer nicht zu „aktiven“ Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet hat, sondern nur dazu, jene Maßnahmen zu setzen, „die jeder durchschnittlich sorgfältige Eigentümer aus eigenem Antrieb laufend durchführen würde (VwGH 11.3.2011, 2010/09/0241)“ (Bazil et al. 2015, 43-44, Rz 11) und daher auch nicht die Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG verletzt hat, weil dadurch „dem Eigentümer eines Denkmals keine über den schon an sich gegebenen Erhaltungsaufwand hinausgehende Belastung“ (VfGH 1.10.1986, B 164/85) auferlegt wurde.

[29] Und selbst in diesem Fall kann vermutlich ein allfälliger Erbe des Antragsstellers nach dessen Tod den Verwahrungsvertrag unmittelbar aufkündigen (und allfällig schon geleistete Vorauszahlungen wenigstens anteilig zurückfordern); weil der den Antragsteller bindende Bescheid wohl auch gegen dessen Erben nicht durchgesetzt werden kann.

[30] In diesem Sinne zu verstehen OGH 12.10.1982 4Ob604/81.

[31] Noch dazu ist im Fall der Wahrnehmung eines Vorkaufsrechts der Vorkaufsberechtigte an den zwischen dem Eigentümer und einen potentiellen (anderen) Käufer abgeschlossenen Kaufvertrag gebunden, d.h. muss eventuell einen deutlich überhöhten Preis für die Sachen bezahlen, auf die er ein Vorkaufsrecht hat; selbst wenn dadurch die Bestimmung des § 934 ABGB die Überzahlung auf maximal das Doppelte des gewöhnlichen Werts der Sache beschränkt ist.

[32] Dieses Problem kann zwar bei Funden, die als Schatzfunde iSd § 398 ABGB zu beurteilen sind, dadurch gelöst werden, dass in deren Dienstvertrag eine Klausel aufgenommen wird, dass sie als iSd § 401 ABGB zur Auffindung von Schätzen gedungene Arbeitskräfte zu betrachten sind; gleichermaßen kann im Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Grabungsunternehmen das letztere als iSd § 401 ABGB zur Schatzsuche gedungene (juristische) Person bestimmt werden. Dies löst aber das Problem bei geringwertigen, also nicht als Schätze iSd § 398 ABGB zu klassifizierenden Funden nicht, weil für diese die Regelung des § 401 ABGB nicht anwendbar ist. Vielmehr entsteht dem Finder solcher geringwertiger Funde aufgrund der Bestimmungen des § 397 iVm 395 ABGB wohl (sinngemäß entsprechend zu OGH 12.10.1982 4Ob604/81) mit der Entdeckung eines solchen automatisch alleiniges Eigentum daran. Zur Umgehung dieses Problems müsste man daher wohl die geringwertigen Grabungsfunde als freistehende Sachen iSd § 381-382 ABGB statt als Funde von „verborgenen Gegenständen“ iSd § 397 ansehen; da die Zueignung einer freistehenden Sache nicht automatisch erfolgt. Inwieweit das rechtlich tragfähig ist, müsste allerdings wohl erst ausjudiziert werden.

[33] Dieses Argument ist natürlich aus dem gleichen Grund genauso wertlos wie das in den Erläuterungen (RV 2024, 9) zu findende: nicht nur werden Äpfel mit Birnen verglichen, sondern eine Lastwagenladung von Äpfeln mit einer einzelnen Birne. Das ist offensichtlich Unsinn und kann nur dem Zweck der Täuschung dienen; sonst hätte der, der dieses Argument führt, nicht den Wert einer großen Menge von Sachen mit dem Wert eines Einzelstücks dieser Sachen, sondern einfach (mengenmäßig) Gleiches mit Gleichem verglichen. Von seiner Struktur her entspricht das Argument ähnlichen, in Täuschungsabsicht geführten Argumenten wie z.B. dem, dass die Ladung Öl eines Megatankers in ihrer Gesamtheit einen enorm hohen wirtschaftlichen Wert hat, für sich betrachtet ein einzelner Tropfen ausgelaufenes Öl hingegen zumeist keinen oder nur sehr geringen ökologischen Schaden verursacht: wer ein solches unsachliches Argument führt, der will die, denen er es vorträgt, über die tatsächlich bestehende Relation zwischen den verglichenen Werten betrügen, nicht einen ehrlichen Wertvergleich anstellen.

[34] Wie z.B. einer durchschnittlichen latènezeitlichen Siedlung in Niederösterreich, von denen es bekanntermaßen noch wenigstens mehrere hunderte – d.h. voraussichtlich tatsächlich (zu über 90% noch gänzlich unbekannte) mehrere tausende – Exemplare gibt.

[35] Selbst das Fundmaterial jeder einzelnen Grabung von Ramsauer im Gräberfeld von Hallstatt – das immerhin namengebend für eine der großen prähistorischen Kulturgruppen Europas ist, dem also in Summe (d.h. über alle Ausgrabungen und die noch nicht ausgegrabenen, mehreren tausenden Grabbefundkomplexe gerechnet) tatsächlich hoher wissenschaftlicher Wert zukommt – ist, jeweils für sich betrachtet, verzichtbar und daher eben nur von geringem, nicht von hohem wissenschaftlichen Wert. Tatsächlich gibt es – sogar wenn das Gräberfeld von Hallstatt nie entdeckt und ausgegraben worden wäre – mehr als genug andere Grabfundmaterialien aus der prähistorischen Materialgruppe, die wir aus forschungsgeschichtlichen Gründen „die Hallstattkultur“ nennen, dass die diese „Kultur“ definierenden wissenschaftlichen Aussagen ebenso gut daraus abzuleiten und diese somit zu definieren gewesen wäre. Sie würde dann zwar anders bezeichnet werden (z.B. die „Hochdorfkultur“), aber wie sie bezeichnet wird ist letztendlich wissenschaftlich irrelevant.

[36] „over the last fifty years, far less than 25 percent of material and results of professional archaeological excavations has been properly published, and the rest will never get beyond preliminary reports, if that” (Boardman 2009, 109).

[37] Siehe z.B. für römische Sigillata-Fragmente https://www.ebay.at/sch/i.html?_nkw=terra+sigillata [28.3.2024].

[39] D.h. bei durch archäologische Dienstleister durchgeführten Grabungen deren Auftraggeber; bei durch Universitäten oder andere Forschungseinrichtungen durchgeführte Lehr- und Forschungsgrabungen diese selbst bzw. die sie finanzierenden öffentlichen oder privaten Förderer; und selbst bei durch unbezahlte Arbeitskräfte durchgeführten „Hobbygrabungen“ wie jener, die ich im Dezember 2023 mit Freunden in Mitterdorf im Mürztal durchgeführt habe, sind Kosten angefallen, die wir teilweise selbst übernommen haben und die teilweise die Gemeinde St. Barbara im Mürztal getragen hat.

[40] Dabei ist gleichgültig, ob das in den Produkten der Grabung (also der Kombination von Dokumentation und geborgenem Fundmaterial) steckende wissenschaftliche Erkenntnispotenzial gleich, erst irgendwann später, oder sogar niemals tatsächlich genutzt wird: erst durch die Ausgrabung wird dieses Potenzial tatsächlich nutzbar. Solange Befunde und Funde in situ im Boden belassen werden, können sie schließlich nicht wissenschaftlich ausgewertet werden und sind daher tatsächlich wissenschaftlich (wenigstens weitestgehend) nutzlos.

[41] Diese Durchschnittskosten sind nicht systematisch ermittelt worden, nicht zuletzt weil archäologische Dienstleistungsunternehmen ihre Preisgestaltung gewöhnlich als Geschäftsgeheimnis schützen und sie (außer Kunden) und wie sie sie berechnen (Dritten schon überhaupt) nicht weitergeben. Sie ergeben sich vielmehr aus den Kosten mehrerer (10+) bewilligter archäologischer Ausgrabungen in Österreich, die mir in den letzten 3 Jahren in ausreichender Detailschärfe bekannt gewordenen sind, um die dabei bewegte Kubatur stratifizierten Erdreichs einigermaßen verlässlich schätzen zu können. Was diese Grabungen gekostet haben, haben mir dabei jene Personen verraten, die letztendlich die Rechnung für sie bezahlt haben.

[42] In gereinigtem, stabilisiertem und für eine konservatorisch adäquate (d.h. wenigstens ihrer dauerhaften Erhaltung nicht abträgliche) Dauerlagerung wenigstens getrennt nach Einzelkontexten (bzw. in der Diktion des BDA: Schichteinheiten) verpacktem Zustand: die Funde können ja nicht einfach bequem in einen Quader gepresst werden, damit sie möglichst platzsparend gelagert werden können. Je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls kann dieser Anteil des Fundmaterials (in dauerlagerfähigem Zustand) am Aushubvolumen tatsächlich bedeutender höher als 3% ausfallen, bei meiner letzten Grabung in der späthallstattzeitlichen Siedlung von Mitterdorf im Mürztal betrug er z.B. sogar etwa 15% des Aushubvolumens; und das ist, wenn auch ungewöhnlich hoch, keineswegs der höchste mir bekannte Anteil an Fundmaterial in Grabungsaushubsvolumina.

[43] Das entspricht etwa dem Inhalt einer Vorratsgrube mit ca. 1,1 m Durchmesser und ca. 1 m erhaltener Tiefe.

[44] Das entspricht den Dimensionen von drei Euro-Normlagerbehältern der zweitkleinsten verfügbaren Größe, die mit Außenabmessungen von 30 x 20 x 17 cm jeweils ein Volumen von 0,0102 m3 aufweisen; also drei davon ein Gesamtvolumen von 0,0306 m3.

[45] Selbst wenn man nur einen Fundanteil von 0,72% im Aushubvolumen annimmt, d.h. mit einem Euro-Normlagerbehältern der kleinsten verfügbaren Größe auskommt, der mit Außenabmessungen von 30 x 20 x 12 cm ein Volumen von 0,0072 m3 hat, landet man immer noch bei geschätzt € 1.216 pro Kubikmeter Aushubvolumen. Unter diese Dauerlagerkosten kann man zwar eventuell bei Großgrabungen auf Fundstellen kommen, auf denen der Fundanteil (in dauerlagerfähigem Zustand) im stratifizierten Erdreich bei unter 0,72% liegt, dies ist aber – wenn nicht schon auf der Fundstelle das Fundmaterial radikal selektiert wird (d.h. alle vom Grabungspersonal als mutmaßlich „insignifikant“ angesehenen Funde gleich auf der Grabung weggeworfen werden) – sicherlich nur sehr selten der Fall.

[46] Z.B. dass Reinerths der politischen Ideologie der NSDAP geschuldete Forderung nach einer Verstärkung der fachlichen Kooperation „mit den nordischen Ländern“ heute allgemeiner als Forderung nach einer Verstärkung der internationalen fachlichen Kooperation, egal mit welchen anderen Ländern, formuliert würde.

[47] ‘‘Not only the party but also its ideology harken back to the democratic context within which the totalitarian movements arose. Ideology generally, but more especially totalitarian ideology, involves a high degree of convictional certainty. As has been indicated, totalitarian ideology consists of an official doctrine that radically rejects the existing society in terms of a chiliastic proposal for a new one. It contains strongly Utopian elements, some kind of notion of a paradise on earth. This Utopian and chiliastic outlook of totalitarian ideologies gives them a pseudo-religious quality. In fact, they often elicit in their less critical followers a depth of conviction and a fervor of devotion usually found only among persons inspired by a transcendent faith. Whether these aspects of totalitarian ideologies bear some sort of relationship to the religions that they seek to replace is arguable. Marx denounced religion as the opium of the people. It would seem that this is rather an appropriate way of describing totalitarian ideologies. In place of the more or less sane platforms of regular political parties, critical of the existing state of affairs in a limited way, totalitarian ideologies are perversions of such programs. They substitute faith for reason, magic exhortation for knowledge and criticism. And yet it must be recognized that there are enough of these same elements in the operations of democratic parties to attest to the relation between them and their perverted descendants, the totalitarian movements. That is why these movements must be seen and analyzed in their relationship to the democracy they seek to supplant.’’ (Friedrich & Brzezinski 1965, 25-6).

[48] „Archäologie ist ein universelles Allgemeinwohlgut das nicht Gegenstand privater Rechte sein kann!“ (und daher auch nicht in privatem Eigentum stehen oder als Handelsware verkauft werden kann).

[49] „Niemand (außer Archäologen) kann [bzw. darf] graben!“ (oder Archäologie auch nur berühren); siehe für die explizit als rhetorische (und letztendlich negativ beantwortete) Frage formulierte Behauptung des Gegenteils im Titel von z.B. Davydov 2023.

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