Dienstag, 23. April 2024

Deutschlands Archäologie zwischen Gemeinfreiheit und Umsatzsteuer

Eric Biermann

Zusammenfassung: Die Ergebnisse archäologischer Feldforschungen in Form von Dokumentations-unterlagen und Berichten fallen auch nach Ansicht deutscher Bundesgerichte unter den verfassungsmäßigen Schutz der Wissenschaftsfreiheit und des geistigen Eigentums (insbes. Urheberrecht). Dennoch wird auch noch in jüngeren Vergangenheit von Archäolog*innen und Jurist*innen staatlicher Denkmalbehörden immer wieder darauf abgezielt, dass dies nicht der Fall sei. In der Konsequenz wären entsprechende Werke folglich gemeinfrei. Die Finanzgesetzgebung (Umsatzsteuergesetz) folgt hingegen der Annahme, dass Forschungsberichte, Gutachten und auch allgemein Sprachwerke, in die ausschließlich handwerkliche, technische und wissenschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen eingeflossen sind, z.B. technische Darstellungen, dem Urheberrecht unterliegen und entsprechend zu besteuern sind. Gleiches gilt für andere Werkarten, z.B. Bildwerke. In beiden Fällen wäre eine erzwungene Einschränkung der Publikationsrechte an den Werken rechtlich ausgesprochen fragwürdig.

Abstract: According to the German federal courts, the results of archaeological field research, such as records and reports, are protected by the constitutional rights of academic freedom and intellectual property rights (especially copyright). Nevertheless, even in the recent past, it has been repeatedly argued by archaeologists and jurists of state monuments agencies that this is not the case. Accordingly, any such works would be in the public domain. The financial legislation (Value Added Tax Act), on the other hand, assumes that research records, reports and general written works based on the application of craft, technical and scientific knowledge and experience, e.g. technical representations, are subject to copyright and must be taxed accordingly. The same applies to other types of works, e.g. pictures. In either case, an enforced restriction on the publication rights of these works would be legally questionable.

Montag, 15. April 2024

Raubarchäologie?

Reichsbund für deutsche Vorgeschichte, SS-Ahnenerbe
und die dauerhafte Fundverwahrungspflicht des neuen Denkmalschutzgesetzes

Raimund Karl 

Abstract: In diesem Beitrag wird anhand von Beispielen aus der Zeit zwischen 1939-1945 und der Gegenwart gezeigt, dass die „Raubarchäologie“, betrieben vorwiegend durch professionelle Archäologen des Reichsbunds für deutsche Vorgeschichte und des SS-Ahnenerbe, nicht primär die Folge des (ebenfalls zweifellos vorgekommenen, aber ganz anders gelagerten) „Missbrauchs“ des Faches („der Archäologie“) und der archäologischen Denkmalpflege durch eine totalitäre politische Strömung (durch die NSDAP) war. Vielmehr war sie primär und hauptsächlich durch die seit den Anfängen sowohl des Faches als auch der (anfänglich noch nicht, aber seit dem frühen 20. Jahrhundert überwiegend „staatlichen“) archäologischen Denkmalpflege etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts dominanten, innerfachlichen, ebenso totalitären Ideologie des sogenannten (archäologischen) „Erhaltungsparadigmas“ bzw. des „autorisierten Denkmaldiskurses“ [AHD] verursacht und verschuldet. In höchst bedenklicher Weise ist diese Ideologie innerfachlich immer noch dominant und führt, wie ein konkretes und ganz aktuelles Beispiel zeigt, auch in einem demokratischen Verfassungsstaat wie der Republik Österreich zu – zwar in ihrer Brutalität und Grausamkeit nicht mit jenen des Dritten Reichs vergleichbaren, so doch in ihren Ergebnissen in Hinblick auf den Umgang mit der Archäologie – sehr ähnlichen Konsequenzen; also ebenfalls zu einer – nur geringfügig von der des Dritten Reichs unterschiedlichen – „Raubarchäologie“.

Für „das Fach“ in seiner Gesamtheit – das sich niemals ernsthaft mit der Frage beschäftigt hat, ob es (und nicht nur einzelne „faule Äpfel“ unter seinen Angehörigen) (schon vor,) während des Dritten Reichs (und seither) selbst etwas fundamental falsch gemacht hat und mit seiner eigenen Ideologie etwas nicht stimmen könnte, das maßgeblich zum menschenverachtenden Handeln (vieler) seiner Angehörigen geführt hat, sondern sich stattdessen ein bequemes exkulpatorisches Narrativ, „Opfer des politischen Missbrauchs durch die Nazis“ geworden zu sein, zusammengebastelt hat – und für alle Archäolog*innen als Individuen ist diese Erkenntnis von enormer Bedeutung. Denn sie stellt „das Fach“ wie auch jede*n Einzelne*n von uns vor eine schwierige Entscheidung: ob wir „als Fach“ und individuelle Archäolog*innen in einer demokratischen, auf der Achtung der Menschenwürde und der individuellen Grund- und Menschenrechte beruhenden Gesellschaft leben wollen und daher unsere innerfachliche Ideologie fundamental ändern müssen; oder ob wir die autokratischen Herrscher einer menschenverachtenden Archäokratur sein wollen.