Ein Plädoyer für eine begriffliche Entwirrung
Raimund Karl
Abstract: Aufgrund der im österreichischen
Denkmalschutzgesetz (DMSG) erstmals 1990 zusätzlich zum Begriff „Denkmal“
eingeführten Begrifflichkeiten des „Denkmals, das unter Denkmalschutz
steht“ und des „Bodendenkmals“ und deren inkonsistenter Verwendung im
Gesetz kommt es (wohl schon seit 1991, aber gehäuft merklich in den letzten
paar Jahren) zu widersinnigen Anwendungen gesetzlicher Bestimmungen des DMSG.
Das Paradebeispiel dafür ist die angeblich nur mit Genehmigung des BDA gem. §
11 Abs. 1 DMSG gestattete Nachforschung zum Zweck der Entdeckung nicht
denkmalgeschützter „“Denkmale“ im weitesten Sinn“, an deren Erhaltung
zwar gar kein öffentliches Interesse besteht, die aber anscheinend doch vor
Versuchen, sie durch „Forschungsgrabungen“ zu entdecken oder zu
untersuchen, geschützt sind. Derartige nicht denkmalgeschützte geschützte
Denkmale darf daher ihr Eigentümer (oder von diesem ermächtigte Personen) zu
nahezu jedem beliebigen Zweck willkürlich zerstören, verändern oder auch ins
Ausland verbringen, nur eines darf er nicht: sie zu Entdecken oder Untersuchen
versuchen. In diesem Beitrag wird die diesen Unsinn verursachende
Begriffsverwirrung diskutiert und ein Lösungsvorschlag gemacht, mit dem man
diese Begriffsverwirrung sehr leicht beseitigen könnte.
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Ich habe mich in der
„Archäologischen Denkmalpflege“ schon in meinem ersten hier veröffentlichten
Beitrag und seither noch mehrmals damit beschäftigt, dass offensichtlich das
österreichische Bundesdenkmalamt (BDA), aber teilweise auch die
österreichischen Gerichte, bei der Auslegung der Bestimmungen des
österreichischen Denkmalschutzgesetzes (DMSG) erhebliche Schwierigkeiten haben,
den Sinn dieses Gesetzes bzw. seiner einzelnen Bestimmungen richtig zu erkennen.
Sie haben daher auch Schwierigkeiten dabei, dieses Gesetz bzw. seine einzelnen
Bestimmungen richtig anzuwenden. Richtig anwenden bedeutet dabei, das Gesetz so
anzuwenden, dass dadurch das Ziel, das der Gesetzgeber zu erreichen versucht,
tatsächlich erreicht wird bzw. – wenn dieses Ziel nicht vollständig erreicht
werden kann – die größtmögliche Annäherung daran erreicht wird; d.h. der Wille,
den der Gesetzgeber damit verfolgt hat, dass er dieses Gesetz bzw. seine
einzelnen Bestimmungen erlassen hat, möglichst verwirklicht wird.
Damit das BDA bzw. die
seine Entscheidungen nachkontrollierenden Gerichte das Gesetz richtig anwenden
können, ist es also notwendig, dass sie tatsächlich den Willen des Gesetzgebers
bzw. den Sinn des Gesetzes, das er erlassen hat, richtig erkennen. Dies wird
allerdings in der Praxis dadurch maßgeblich erschwert, dass der Wortlaut des
DMSG von einer nachgerade babylonischen Sprachverwirrung gekennzeichnet ist,
insbesondere was die absolut zentralen Begriffe (geschütztes) Denkmal und
Bodendenkmal betrifft, die dort verwendet werden. Zwar hat der Gesetzgeber in
den Erläuterungen zu den Regierungsvorlagen zu den beiden jüngeren Novellen des
DMSG (RV 1990; 1999) seine Absichten (d.h. seinen Willen) genauer zu erklären
und damit auch die Verwirrung bezüglich des Sinns der von ihm – im
Gesetzeswortlaut leider noch dazu höchst uneinheitlich – verwendeten Begriffe
zu beseitigen versucht; der gewünschte Erfolg scheint jedoch bisher nicht bzw.
bestenfalls in sehr geringem Maß (und auch nur deshalb, weil zahlreiche an sich
unnötige Gerichtsverfahren angestrengt wurden, um zu dieser Klärung
beizutragen) eingetreten zu sein.
§ 1 Abs. 1 erster Satz DMSG, heute
und gestern
Die hauptsächliche
Ursache für das bestehende Problem ist die in § 1 Abs. 1 erster Satz DMSG
enthaltene Legaldefinition des sogenannten „weiten“ Denkmalbegriffs
(Bazil et al. 2015, 16 Rz 1) des DMSG. Diese lautet, aus dem weiteren semantischen
Kontext des ersten Satzes des DMSG herausgerissen und im Sinne einer
nominalistischen Definition geringfügig ergänzt:
„[V]on Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“ (§ 1 Abs. 1 erster Satz DMSG) werden in diesem Gesetz „Denkmale“ genannt.
Diese Definition ist,
wenn man voraussetzt, dass mit dem eingeschobenen Satzteil „von
geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“ jedes
– und sei es auch noch so geringe – Maß an Bedeutung gemeint ist, das einem von
Menschen geschaffenen oder auch nur gestaltend veränderten Gegenstand zukommt,
so umfassend, dass damit alles, was man im weitesten Sinn als „Menschenwerk“
bezeichnen könnte, erfasst wird. Denn – wie ich ebenfalls schon mehrfach
ausgeführt habe – kommt jedem von Menschen geschaffenen oder auch nur irgendwie
gestaltend verändertem Gegenstand ein gewisses – wenn auch in den allermeisten
Fällen nur sehr geringes – Maß an solcher – wenigstens geschichtlicher –
Bedeutung zu: schließlich beweist die Tatsache, dass er existiert, dass er –
irgendwann einmal in der ferneren oder näheren Vergangenheit – von einem
Menschen geschaffen oder gestaltend verändert wurde; ist damit eine (mögliche)
Quelle für die Gewinnung (geschichts-) wissenschaftlicher Erkenntnisse über die
Vergangenheit; und hat somit in der Gegenwart ein gewisses – und sei es ein
auch noch so geringes – Maß an geschichtlicher Bedeutung.
Es versteht sich daher
eigentlich von selbst, dass der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des DMSG
nicht alle diese „“Denkmale“ im weitesten Sinn“ (RV 1999, 37) vor „Zerstörung,
Veränderung oder Verbringung ins Ausland“ (§ 1 Abs. 1 letzter Satz DMSG) schützen
wollte, denn das hätte zur Folge, dass man nicht einmal das selbst zubereitete
Essen verspeisen dürfte, ohne dafür zuvor eine denkmalrechtliche Bewilligung
beantragt und erteilt bekommen zu haben: schließlich ist auch die Zubereitung
des Essens eine „gestaltende Veränderung“ der dazu verwendeten Zutaten
durch den es zubereitenden „Menschen“ von wenigstens minimaler „geschichtlicher
Bedeutung“, die zubereitete Speise somit ein „“Denkmal“ im weitesten
Sinn“, und ihr Verspeisen somit eine „Zerstörung“ oder wenigstens
maßgebliche „Veränderung“ eines „Denkmals“ iSd § 1 Abs. 1 erster
Satz DMSG. Hätte der Gesetzgeber also tatsächlich alle „“Denkmale“ im
weitesten Sinn“ denkmalrechtlich schützen wollen, würden wir vermutlich
alle vor dem fertig gekochten Essen verhungern, während wir auf die
denkmalrechtliche Bewilligung warten, es auch verspeisen zu dürfen.
Um auszuschließen,
dass man ihn auf diese Weise missverstehen kann, hat der Gesetzgeber daher
schon in ebendem ersten Satz des DMSG, in den er die Legaldefinition des „weiten“
Denkmalbegriffs (Bazil et al. 2015, 16 Rz 1) eingebaut hat, gleich auch dazu
gesagt, dass er die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen nicht
derart exzessiv angewandt sehen will, sondern deren Anwendung ausschließlich auf
jene „“Denkmale“ im weitesten Sinn“ beschränkt sehen möchte, deren „Erhaltung
dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist“ (§ 1 Abs. 1
erster Satz DMSG). Dass er das auch wirklich so gemeint hat, hat er dann auch
noch zusätzlich in der RV 1999 expliziert, wo er ausdrücklich festhält, dass „[b]ei
weitem nicht alle“ davon „schützenswert“ (RV 1999, 37) sind.
Dass nicht alle „“Denkmale“
im weitesten Sinn“ tatsächlich „schützenswert“ sind, bedeutet
natürlich, dass der Gesetzgeber auch keineswegs alle davon durch die
Bestimmungen des DMSG schützen will; sondern vielmehr, bevor diese Bestimmungen
überhaupt zur Anwendung kommen können, die vom Staat mit dem Vollzug dieses
Gesetzes betraute Behörde, „dh. das Bundesdenkmalamt“, „erst jene“
davon „auswählen“ muss, „deren Bedeutung derart ist, dass ihre
Erhaltung im öffentlichen bzw. nationalen Interesse gelegen ist“ (RV 1999,
37). Daher sagt auch der erste Satz des DMSG, wenn man ihn zur Gänze liest und
nicht nur (wie oben) die Legaldefinition des „weiten“ Denkmalbegriffs
(Bazil et al. 2015, 16 Rz 1) aus ihm herausschält, genau das. Das wird auch
ganz besonders deutlich, wenn man das semiotische Signifikat der
Legaldefinition des „weiten“ Denkmalbegriffs (Bazil et al. 2015, 16 Rz
1), d.h. ihren Inhalt bzw. deren Bedeutung, weg[1]
und stattdessen nur den semiotischen Signifikanten, d.h. den Begriff „Denkmal“,
im Satz stehen lässt:
„Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf […] „Denkmale“ Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist.“ (§ 1 Abs. 1 erster Satz DMSG).
Grammatikalisch
handelt es sich dabei um eine klassische Hauptsatz-Nebensatz-Konstruktion,
wobei es sich bei dem verwendeten Nebensatz um einen Konditionalsatz handelt,
der dementsprechend den Sinn des Hauptsatzes von einer bestimmten Bedingung
abhängig macht. Sagt der Hauptsatz für sich alleine betrachtet, dass die im
DMSG enthaltenen Bestimmungen auf alle „“Denkmale“ im weitesten Sinn“
Anwendung finden, schränkt der Konditionalsatz durch die in ihm enthaltene
Bedingung „wenn ihre Erhaltung […] im öffentlichen Interesse gelegen
ist“ diese Anwendbarkeit der Bestimmungen des DMSG wieder stark ein:
nämlich auf nur jene von allen „“Denkmalen“ im weitesten Sinn“, die der
im Konditionalsatz enthaltenen Bedingung genügen; also die davon, deren Erhaltung
auch tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Das kann nun aber zu
Verständnisschwierigkeiten im weiteren Text des DMSG führen und tut das, wie
die in früheren Beiträgen schon detailliert geschilderten Probleme zeigen, auch
tatsächlich: es ergibt sich nämlich aus dieser Satzkonstruktion
notwendigerweise, dass es viele Gegenstände gibt, die zwar – im Sinne der oben
zitierten Legaldefinition – „Denkmale“ genannt werden (können), auf die
jedoch das DMSG überhaupt nicht anwendbar ist, weil sie die mit der Legaldefinition
mittels Konditionalsatzkonstruktion verbundene Bedingung nicht erfüllen. Und
diese Menge der „“Denkmale“ im weitesten Sinn“, deren Erhaltung
tatsächlich nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist, enthält ein großes
Vielfaches mehr Elemente als die von ihr zu unterscheidende Menge der
(geschützten) „Denkmale“ im engeren Sinn, deren Erhaltung tatsächlich im
öffentlichen Interesse gelegen ist und auf die die Bestimmungen des DMSG daher
auch anwendbar sind. Der Gesetzgeber unterscheidet allerdings – wenigstens
anscheinend – begrifflich nicht zwischen diesen beiden Gruppen sondern nennt
beide gleichermaßen nur „Denkmale“.
Wie war das 1923 und 1978?
Dabei würde diese
Konditionalsatzkonstruktion des § 1 Abs. 1 erster Satz DMSG eigentlich
vollständig für eine klare Abgrenzung genügen, und hat sowohl in der
Stammfassung des DMSG (BGBl. 533/1923) als auch der Fassung nach seiner ersten
großen Revision (BGBl. 167/1978) noch vollständig genügt. Denn diese beiden
ersten Fassungen des DMSG enthalten im Prinzip die gleiche Legaldefinition des „weiten“
Denkmalbegriffs (Bazil et al. 2015, 16 Rz 1) in der gleichen
Konditionalsatzkonstruktion, die auch noch in der derzeit gültigen Fassung des
DMSG zu finden ist: „Die in diesem Gesetz enthaltenen Beschränkungen finden
auf unbewegliche und bewegliche Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer
oder kultureller Bedeutung (Denkmale) Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser
Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist“ (§ 1 Abs. 1 erster
Satz DMSG idF BGBl. 533/1923) bzw. „Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen
Beschränkungen finden auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche
Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller
Bedeutung (Denkmale) Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im
öffentlichen Interesse gelegen ist“ (§ 1 Abs. 1 erster Satz DMSG idF BGBl. 167/1978).
In ihrem restlichen Wortlaut wird dann allerdings der Begriff „Denkmal“ stets[2]
nur in Bezug auf jene Gegenstände benutzt, auf die dieses Gesetz iSd § 1 Abs. 1
erster Satz DMSG tatsächlich anwendbar ist, d.h. an deren Erhaltung ein
öffentliches Interesse tatsächlich besteht.
Besonders deutlich
zeigt sich das z.B. an den nahezu wortlautgleichen Bestimmungen des § 8 DMSG
idF BGBl. 533/1923 und § 8 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 167/1978. Diese lautet in der
Stammfassung:
„Zur Hintanhaltung der Gefährdung von unbeweglichen Denkmalen durch Veränderungen in ihrer Umgebung (zum Beispiel durch Anbringung von Reklameschildern, Schaukästen, Aufschriften und dergleichen) kann die politische Behörde erster Instanz auf Antrag des Bundesdenkmalamtes Verbote erlassen“ (§ 8 DMSG idF BGBl. 533/1923).
Es ist hier vollkommen
selbstverständlich, dass mit der Verwendung des Denkmalbegriffs in diesem Satz
nicht alle unbeweglichen „“Denkmale“ im weitesten Sinn“ (RV 1999, 37) –
also alle von Menschen geschaffenen oder gestaltend veränderten, unbeweglichen
Gegenstände – gemeint sind, sondern nur solche „unbeweglichen Denkmale“,
an deren Erhaltung auch tatsächlich ein öffentliches Interesse besteht: seinem
ersten Satz zufolge sind die Beschränkungen des DMSG schließlich nur auf die
zuletzt genannten und daher „schützenswerten“ (RV 1999, 37) Denkmale anwendbar,
nicht auf alle Sachen, die man im Sinne des „weiten“ Denkmalbegriffs
(Bazil et al. 2015, 16 Rz 1) „Denkmale“ nennen kann.
Die ersten beiden
Fassungen des DMSG kennen also zwar sehr viele Sachen, die man „im weitesten
Sinn“ (RV 1999) „Denkmale“ nennen kann, lassen aber keinerlei
Zweifel daran, dass alle „Beschränkungen“ des DMSG ausschließlich nur
auf solche „Denkmale“ angewendet werden können, an deren Erhaltung
tatsächlich ein öffentliches Interesse besteht. Besonders deutlich zeigt sich
das auch an den Bestimmungen des § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923 und
167/1978, welche die heute in § 8 Abs. 1 DMSG igF enthaltene Fundmeldepflicht für
Zufallsfunde von „Denkmalen“ regeln. Neuerlich im Wortlaut der Stammfassung
zitiert, besagt diese Bestimmung:
„Werden bisher verborgen gewesene Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen, aufgefunden, so hat der Finder und, wenn der Grundbesitzer hievon Kenntnis erhalten hat, auch dieser der politischen Behörde erster Instanz, der Ortspolizeibehörde oder der Gendarmerie sofort, spätestens aber an dem der Auffindung folgenden Tage, Anzeige zu erstatten“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 533/1923).
In dieser Bestimmung
wird nicht einmal der „weite“ Denkmalbegriff des § 1 Abs. 1 DMSG idF
BGBl. 533/1923 benutzt, sondern – um jedes Missverständnis zu vermeiden – von
Gegenständen gesprochen, die offenkundig den Beschränkungen des DMSG
unterliegen; bei denen also schon der Durchschnittsbürger, der ihrer als erster
ansichtig wird, unmittelbar erkennt, dass ihre Erhaltung im öffentlichen
Interesse gelegen ist (bzw. aller Wahrscheinlichkeit nach im öffentlichen
Interesse gelegen sein dürfte). Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl.
533/1923, und auch die desselben Paragrafen idF BGBl. 167/1978, unterwirft also
nur solche Neufunde bisher verborgener Gegenstände der Fundmeldepflicht (samt
deren Rechtsfolgen), die offensichtlich „schützenswert“ (RV 1999, 37)
sind, nicht alle, die irgendwie mit dem „weiten“ Denkmalbegriff des § 1
Abs. 1 DMSG in der jeweiligen Fassung bezeichnet werden können.
Sowohl 1923 als auch
1978 war also völlig klar, dass alle Bestimmungen des DMSG nur auf Denkmale
anzuwenden waren, die „schützenswert“ (RV 1999, 37) sind; und es daher
vollkommen gleichgültig war, dass man auch viele andere Sachen mit dem Begriff „Denkmal“
bezeichnen konnte. Das DMSG kannte sozusagen eine gewaltige Menge von nicht
denkmalschutzwürdigen, aber nur eine (vergleichsweise winzig) kleine Menge von
schützenswerten und daher auch vom DMSG geschützten Denkmalen.
„Geschützte“ und „Bodendenkmale“: die unseligen
Novellen von 1990 und 1999
Erst in den Novellen
des DMSG von 1990 (BGBl. 473/1990) und 1999 (BGBl. I 170/1999) kommt es durch
die Einführung der neuen Rechtsbegriffe des „geschützten“ bzw. „unter
Denkmalschutz stehenden Denkmals“ und des „Bodendenkmals“ und von
nun an hochgradig inkonsistente Begriffsverwendung zur für die jüngere Zeit
charakteristischen Sprachverwirrung im DMSG.
Das „unter
Denkmalschutz stehende Denkmal“ taucht dabei erstmals konkret in der
Schutzbestimmung des § 4 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990 auf, d.h. dem
gesetzlichen Zerstörungs- und Veränderungsverbot. Hatte diese Bestimmung in der
Fassung von 1978 noch mit der Formulierung „Bei Denkmalen, auf die die
Bestimmungen des § 2 zutreffen oder bei denen das öffentliche Interesse an der
Erhaltung gemäß § 3 Abs. 1 oder § 6 Abs. 2 festgestellt wurde…“ (§ 4 Abs. 1
DMSG idF BGBl. 167/1978) begonnen; lautete die in der Novelle von 1990 neu
gewählte Formulierung nun „Bei Denkmalen, die gemäß §2, § 3 Abs. 1, § 6 Abs.
1 oder 2 (oder in den Fassungen vor der Novelle BGBl. Nr. 167/1978 gemäß § 4
Abs. 2) oder § 10 Abs. 3 unter Denkmalschutz stehen…“ (§ 4 Abs. 1 DMSG idF
BGBl. 473/1990).
Ähnlich verhält es
sich mit dem Begriff des „Bodendenkmals“: lautete die Bestimmung zur
Fundmeldepflicht in der Fassung von 1978 noch „Werden bisher verborgen
gewesene Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit
offenkundig den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen könnten,
aufgefunden, …“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 167/1978); wird in diese
Formulierung nun der Bodendenkmalsbegriff eingefügt und somit (systematisch an
falscher Stelle ins Gesetz integriert) eine neue Legaldefinition generiert: „Werden
unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form
oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Gesetzes unterliegen
könnten (Bodendenkmale), aufgefunden (Zufallsfunde)…“ (§ 9 Abs. 1 DMSG idF
BGBl. 473/1990).
Das erweckt den Eindruck, als ob der Gesetzgeber nun zwischen drei verschiedenen Arten von „Denkmalen“ unterscheiden würde; die sich durch zunehmende begriffliche Weite kennzeichnen:
1.) „Denkmale, die unter Denkmalschutz stehen“; auf die durch explizite Verwendung dieser oder gleichartiger Formulierungen in ihnen die Bestimmungen der §§ 4, 5, und 12 Abs. 2 sowie 5 DMSG idF BGBl. 473/1990 angewendet werden können;
2.) „“Denkmale“ in weitesten Sinn“ (RV 1999, 37), d.h. alle tatsächlich von Menschen geschaffenen oder gestaltend veränderten Sachen von irgendeiner – und sei es auch nur minimaler – geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung iSd § 1 Abs. 1 erster Halbsatz; auf die wohl einige Bestimmungen des DMSG angewendet werden können, nur die unter 1.) spezifisch genannten Bestimmungen nicht; und
3.) „Bodendenkmale“, d.h. alle unter bzw. auf der Erd- bzw. Wasseroberfläche aufgefundenen Gegenstände, die aufgrund ihrer sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften „“Denkmale“ im weitesten Sinn“ sein könnten; auf die (nur) die „archäologischen“ Bestimmungen der §§ 1 Abs. 2 sowie 9-11 DMSG idF BGBl. 473/1990 angewendet werden können.
Dass der Gesetzgeber
das – und vor allem eine sich daraus (wenigstens in der Anwendungspraxis des
BDA) ergebende massive Ausweitung der Anwendbarkeit der diversen Bestimmungen
des DMSG, vor allem auf die praktisch gar nicht mehr begrenzte und vollkommen
unüberschaubare Menge der „Bodendenkmale“ – tatsächlich gewollt hätte,
ist angesichts der Ausführungen in den Erläuterungen zur zugehörigen RV 1990
(und dann ebenso und noch deutlicher zur RV 1999) allerdings auszuschließen.
Schließlich ist beiden Regierungsvorlagen sehr deutlich die Intention des
Gesetzgebers zu entnehmen, den Begriff „Denkmal“ „gegenüber dem
bisherigen rechtlichen Zustand“ nicht auszuweiten (RV 1990, 11); sondern Rechtsunsicherheiten
zu beseitigen, die sich daraus ergeben, dass der Denkmalbegriff „nicht exakt
abgrenzbar“ und „daher – vor allem Nichtfachleuten – in manchen Fällen
nicht klar“ sei, „ob nun einem Objekt wenigstens eine Minimalbedeutung
als Denkmal zukommt und es daher kraft gesetzlicher Vermutung unter
Denkmalschutz steht oder nicht“ (RV 1990, 13); und der Gesetzgeber auch
keineswegs beabsichtigte, alle „Bodendenkmale“ zu schützen, die – selbst
wenn sie andernfalls ohnehin gem. „§ 2 Abs. 1 DMSG (kraft gesetzlicher
Vermutung) unter Denkmalschutz stehen“ (RV 1990, 19) würden – jeden Schutz
verlieren, wenn nicht „innerhalb von sechs Wochen ab Fundmeldung das
Bundesdenkmalamt eine bescheidmäßige Feststellung“ (ibid.) trifft, dass sie
weiterhin unter Denkmalschutz stehen. Noch expliziter ist in dieser Beziehung
dann die RV 1999, die ganz klar feststellt, dass die meisten „“Denkmale“ im
weitesten Sinn“ gerade nicht „schützenswert“ sind und das BDA daher
(bevor das DMSG auf sie angewendet werden kann) jene davon auszuwählen hat,
deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist (RV 1999, 37) und
generell große Besorgnis darüber ausdrückt, dass nur ein geringer Prozentsatz „kraft
gesetzlicher Vermutung“ unter Denkmalschutz stehender unbeweglicher Objekte
das „zu Recht“ tue (RV 1999, 33).
Vor allem aber ist die
Verwendung – insbesondere der scheinbar neu eingeführten – Begrifflichkeiten im
Gesetz auch alles andere als konsistent. Von „Denkmalen, die unter
Denkmalschutz stehen“ wird z.B. in der Fassung von 1990 nur in den schon
unter 1.) genannten Bestimmungen der §§ 4, 5, und 12 Abs. 2 sowie 5 DMSG idF
BGBl. 473/1990 gesprochen, obwohl auch einige weitere Bestimmungen des DMSG,
die nur den einfachen Denkmalbegriff verwenden (also sich anscheinend auf alle „“Denkmale“
in weitesten Sinn“ (RV 1999, 37) beziehen), zweifellos nur auf „Denkmale,
die unter Denkmalschutz stehen“ Anwendung finden können.
So bestimmt z.B. § 7
Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990:
„Besteht Gefahr, daß Denkmale (vor allem entgegen den Bestimmungen der §§ 4 bis 6) zerstört, verändert oder veräußert werden und dadurch das Interesse der Denkmalpflege wesentlich geschädigt würde, so hat die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bundesdenkmalamtes oder — bei Gefahr im Verzug — von Amts wegen die jeweils geeigneten Maßnahmen (einschließlich baulicher Art), Verfügungen und Verbote zur Abwendung dieser Gefahr zu treffen.“ (§ 7 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990).
Diese Bestimmung kann
offensichtlich nur auf „Denkmale, die unter Denkmalschutz stehen“
Anwendung finden, weil sonst z.B. die örtlich zuständige
Bezirksverwaltungsbehörde auch jederzeit Verfügungen und Verbote zur Abwendung
der Gefahr treffen könnte, dass im örtlichen Gasthaus Speisen veräußert,
geschweige denn verzehrt werden dürfen: schließlich handelt es sich auch bei
der zubereiteten Speise um ein „“Denkmal“ in weitesten Sinn“ (RV 1999,
37) iSd § 1 Abs. 1 DMSG (in allen Fassungen), deren Verzehr ihre Zerstörung im
denkmalrechtlichen Sinn darstellt. Natürlich ist in dieser Bestimmung mit dem
Begriff „Denkmal“ nur das, „das unter Denkmalschutz steht“
gemeint, nicht jeder beliebige Gegenstand, der aus irgendwelchen Gründen als „“Denkmal“
in weitesten Sinn“ bezeichnet werden kann. Dass damit tatsächlich nur
geschützte Denkmale gemeint sind, ergibt sich aus der RV (1990, 18-19)
sinngemäß eindeutig, ohne dass auch nur einmal der Begriff des „geschützten
Denkmals“ verwendet wird.
Exakt das gleiche gilt
übrigens auch für § 7 Abs. 1 DMSG igF und dessen nahidenten Vorgänger, § 8 Abs.
1 DMSG idF BGBl. 473/1990, in dem ebenfalls der Begriff „Denkmal“ offensichtlich
im Sinn von „eine Sache, die unter Denkmalschutz steht“ verwendet wird.
Diese der „Vermeidung der Gefährdung und Beeinträchtigung des Bestandes oder
Erscheinungsbildes von unbeweglichen Denkmalen durch Veränderung in ihrer
Umgebung (zB durch Anbringung von Reklameschildern, Schaukästen, Aufschriften
und dergleichen)“ dienende Bestimmung findet sich (wie schon oben zitiert)
ja auch schon in nahezu identem Wortlaut in § 8 DMSG idF BGBl. 533/1923, die
damals sicher ausschließlich auf „geschützte Denkmale“ anwendbar war. Es
lässt sich aber weder aus der RV 1990 noch der RV 1999 in irgendeiner Weise
ableiten, dass der Gesetzgeber die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf alle „“Denkmale“
in weitesten Sinn“ (RV 1999, 37) ausweiten wollte.
Noch inkonsistenter
ist die Verwendung des Begriffs „Bodendenkmal“, für den sich zwar nun in
§ 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990 eine Legaldefinition findet, der aber schon
in § 11 Abs. 5 und 8 DMSG idF BGBl. 473/1990 dann in deutlich anderem Sinn verwendet
wird: sind „Bodendenkmale“ iSd § 9 Abs. 1 DMSG idF BGBl. 473/1990 noch
wie unter 3.) ausgeführt Gegenstände, die „“Denkmale“ in weitesten Sinn“
(RV 1999, 37) sein könnten; sind mit demselben Begriff in § 11 Abs. 5 und 8
DMSG idF BGBl. 473/1990 offensichtlich tatsächlich unter Denkmalschutz stehende
archäologische Überreste gemeint.
Völlig unklar, was
jetzt genau mit dem Bodendenkmalbegriff gemeint ist, wird es schließlich in §
10 Abs. 1 DMSG igF. Dieser stellt in seinem letzten Satz fest: „Bewegliche
Bodendenkmale gelten - unabhängig von ihrem Verkehrswert - stets als
Schatzfund“ (im Sinne der §§ 398-401 ABGB). Ist damit gemeint, dass Bodenfunde
beweglicher Gegenstände, die „“Denkmale“ in weitesten Sinn“ (RV 1999, 37)
sein könnten, „stets als Schatzfund“ gelten? Also praktisch jeder
Bodenfund, weil selbst Naturspiele, die der Laie in der Regel nicht als solche
erkennt, könnten schließlich „“Denkmale“ im weitesten Sinn“
(RV 1999, 37) sein, auch wenn sie es – weil sie Naturspiele sind – tatsächlich
nicht sind? Und bleibt ein solches „Bodendenkmal“ ein „Bodendenkmal“,
auch wenn sein Finder es bloß irrtümlich nicht als Naturspiel erkannt und daher
eigentlich fälschlich für ein „Bodendenkmal“ gehalten hat, weil
schließlich nicht ausschlaggebend ist, ob der Fund tatsächlich ein „“Denkmal“
im weitesten Sinn“ (RV 1999, 37) ist oder auch nur sein kann, sondern nur, dass
er aufgrund seiner Lage, Form und Beschaffenheit offenkundig eines sein hätte können?
Oder ist damit gemeint, dass bewegliche Kleinfunde im oder auf dem Erdboden,
die Bestandteil eines „Denkmals“ sind, „das unter Denkmalschutz
steht“, „stets als Schatzfund“ gelten? Und wer bestimmt eigentlich
in welchem Verfahren, ob ein konkreter Fundgegenstand nun tatsächlich ein „Bodendenkmal“
ist und nicht nur eines sein könnte? Der Laie, der den Fundgegenstand entdeckt
hat, kann das ja selbst gar nicht verlässlich beurteilen (und der Fachmann auch
nicht; weil ob etwas eine Sache ist, die eine andere Sache sein könnte, weil
der Durchschnittsbürger sie eventuell für eine solche Sache halten könnte, die
sie eventuell gar nicht ist, das ist selbst für den Fachmann nur durch willkürliches
Machtwort und nicht vernünftig aufgrund von Fakten entscheidbar; vergleiche
dazu auch Karl et al. 2017, 111-117, insbesondere 111-112).
Geschützte nicht denkmalgeschützte
Denkmale?
Resultat dieser
totalen begrifflichen Ungenauigkeit ist, dass es enorm schwierig wird, von den
Bestimmungen des DMSG nicht vollständig verwirrt zu werden.
In der Praxis hat das
die Folge, dass teilweise selbst normalerweise hoch kompetente Gerichte die
Meinung vertreten, es sei „zwischen dem Begriff des Denkmals und des
denkmalgeschützten Denkmals zu unterscheiden“ (BVwG 15.12.2021, W183
2245660-1/3E, 10) und daher für die Anwendung mancher Bestimmungen des DMSG,
wie z.B. der des § 11 Abs. 1, völlig irrelevant, ob „mangels
Seltenheitswertes und Dokumentationscharakters“ die „Voraussetzungen für
eine Unterschutzstellung“ eines von (geplanten) Nachforschungen betroffenen
„Denkmals“ nicht gegeben seien (ibid.). Das würde jedoch bedeuten, dass
es nicht denkmalgeschützte Denkmale gibt, die dennoch, weil sie „“Denkmale“
im weitesten Sinn“ sind, geschützt sind; also „geschützte nicht
denkmalgeschützte Denkmale“, die der Gesetzgeber zwar nicht als „schützenswert“
(RV 1999, 37) betrachtet, aber dann trotzdem – zwar nicht vor ihrer
willkürlichen Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland, aber ihrer
Entdeckung durch wissenschaftliche Nachforschungen – schützt (was noch dazu überhaupt
keinen Sinn ergibt, weil dadurch genau das Gegenteil dessen erreicht wird, was
der Gesetzgeber explizit laut § 1 Abs. 1 DMSG mit dem DMSG erreichen will).
Dabei hat dieses
Gericht zwar durchaus damit recht, dass zwischen dem „“Denkmal“ im weitesten
Sinn“ und dem „denkmalgeschützten Denkmal“ zu unterscheiden ist;
nämlich so, wie es der Gesetzgeber schon in den Fassungen des DSMG von 1923 und
1978 getan hat und auch in denen von 1990 und 1999 weiter tun will: „geschützt“
sind bzw. sollen solche „“Denkmale“ im weitesten Sinn“ werden, deren
Erhaltung ihrer Bedeutung wegen „im öffentlichen bzw. nationalen Interesse
gelegen ist“; während die Erhaltung aller anderen „“Denkmale“ im
weitesten Sinn“ gerade nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist und sie
daher „bei weitem nicht […] schützenswert“ (RV 1999, 37) sind.
Dass er das nicht in jeder einzelnen Bestimmung des DMSG neuerlich dazu sagt,
sondern nur in manchen extra erwähnt, liegt aber nicht etwa daran, dass er nun
zwischen (nur ein wenig) geschützten nicht denkmalgeschützten „Denkmalen“
und (etwas mehr) geschützten „denkmalgeschützten Denkmalen“
unterscheidet, weil er letztendlich doch alle „“Denkmale“ im weitesten Sinn“
schützen will; sondern vielmehr daran, dass im Text des DMSG inzwischen eine
solche babylonische Sprachverwirrung herrscht, die bewirkt, dass ein Denkmal
einmal als geschütztes und ein anderes Mal als Bodendenkmal und wieder ein
anderes Mal einfach nur als Denkmal und, weil es so viel Spaß macht, auch noch
als Bodendenkmal, aber eventuell in anderen Sinn als in einer anderen
Verwendung des Bodendenkmalbegriffs, bezeichnet wird.
Nicht geschützte denkmalgeschützte
Denkmale!
Aus dieser Tatsache –
dass nämlich der Gesetzgeber überhaupt nur tatsächlich „schützenswerte“ Denkmalsubstanz
erhalten will, nicht alle „“Denkmale“ im weitesten Sinn“ (RV 1999, 37) mit
den zwischen Substanzteilen gelegenen „Freiflächen“ (RV 1990, 11) – folgt
gerade bei „archäologischen Denkmalen“ (Bazil et al. 2015, 43 Rz 6) –
was auch immer jetzt genau unter dieser wiederum anderen Begrifflichkeit zu
verstehen ist – dass es sogar Teile von „denkmalgeschützten Denkmalen“
(wenn man unter diesem Begriff die konstitutiv durch Verordnung oder Bescheid denkmalgeschützte
Bodenfläche verstehen will, in der sich irgendwelche Überreste vergangener
gestaltender menschlichen Tätigkeit verbergen) gibt, die (wenigstens teilweise,
wenn nicht sogar großteils) durch das DMSG überhaupt nicht – also nicht einmal
durch das Zerstörungs- bzw. Veränderungsverbot des § 4 Abs. 1 DMSG igF –
geschützt sind.
Wie der VwGH festgestellt
hat, ist vielmehr „iSd § 1 Abs. 2 und § 4 DMSG 1923 "(d)er Grundsatz
der geringstmöglichen Unterschutzstellung" anzunehmen“ und darf „die
Unterschutzstellung "die unbedingt notwendige Eigentumsbeschränkung nicht
überschreiten" (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur DSMG-Novelle
1999, 1789 BlgNR, 20. GP, 39)“ (VwGH 25.6.2013, 2011/09/0178), woraus
folgt, „dass sich das“ durch eine Unterschutzstellung „ausgesprochene
Verbot der Zerstörung sowie jeder Veränderung, die den Bestand (Substanz), die
überlieferte (gewachsene) Erscheinung oder künstlerische Wirkung des unter
Schutz gestellten Denkmals beeinflussen könnte, gemäß § 4 Abs. 1 DMSG 1923“
nur auf dem denkmalgeschützten Denkmal „zuordenbare Überreste (§ 1 Abs. 8
und 9 DMSG 1923) bezieht“ und „daher nicht die - keine Überreste
enthaltenden Teile - der betroffenen Grundstücke“ betrifft (ibid.). Dieser
Gedanke, sinngemäß fortgesetzt, bedeutet übrigens sogar, dass auf einem z.B.
aufgrund des dortigen Vorkommens einer römischen Villa aufgrund deren Bedeutung
unter Denkmalschutz gestellten Grundstück allfällig zwischen den tatsächlich
zur römischen Benutzungsphase dieser Fundstelle gehörenden Überresten
anzutreffende archäologische Funde und Befunde anderer Zeitstellung ebenfalls
nicht unter Denkmalschutz stehen und daher willkürlich zerstört, verändert und
ins Ausland verbracht werden dürfen, obwohl sie sich in einer Bodenfläche befinden
bzw. aus einer Bodenfläche stammen die, weil sich in ihr auch ein
denkmalgeschütztes Denkmal befindet, unter Denkmalschutz steht.
Diese Funde und
Befunde anderer Zeitstellung wären somit nicht geschützte „“Denkmale“ im
weitesten Sinn“, die von einem „denkmalgeschützten Grundstück“
stammen, auf (bzw. in) dem sich auch ein „denkmalgeschütztes Denkmal“
befindet. Die dadurch generierte Rechtsunsicherheit, Unklarheit und natürlich
auch völlige Unverständlichkeit der gesetzlichen Bestimmungen für den
Normunterworfenen ist also maximal.
Dass sich in einem
Gesetz, das nicht geschützte nicht denkmalgeschützte Denkmale, geschützte nicht
denkmalgeschützte Denkmale, nicht geschützte denkmalgeschützte und geschützte
denkmalgeschützte Denkmale kennt, die es je nach Lust und Laune unsystematisch und
unabhängig davon, was jetzt konkret gemeint ist, einmal einfach nur „Denkmal“,
ein anderes Mal „unter Denkmalschutz stehendes Denkmal“, und dann wieder
einmal „Bodendenkmal“ nennt, kein Mensch mehr auskennt, versteht sich
eigentlich von selbst. Dass sich da selbst die mit dem Vollzug des Gesetzes
betraute Behörde und die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht leicht tut, liegt auf
der Hand (auch wenn das systematische Fehlentscheidungen des BDA, die stets in
eine ganz bestimmte Richtung ausfallen, nicht entschuldigt).
Ein Lösungsvorschlag
Dabei wäre und ist das
Problem der begrifflichen Verwirrung eigentlich recht leicht zu beseitigen; und
es sollte auch dringend beseitigt werden.
Die optimale Lösung
wäre natürlich, ein von Grund auf neues und auf gegenwärtige Gegebenheiten
angepasstes DMSG zu entwickeln. Wie ich schon des Öfteren erwähnt habe, wurde
der Entwurf für das DMSG 1923 noch von Alois Riegl kurz nach 1900 auf Basis
verschiedener Vorschläge aus dem späten 19. Jahrhundert verfasst. Als es 1923
dann erlassen wurde, war es für die damaligen Verhältnisse relativ gut
angepasst. Sowohl im noch nicht industrialisierten Bauwesen als auch in der
noch nicht industrialisierten Land- und Forstwirtschaft wurden Baugruben damals
noch überwiegend händisch von Bauarbeitern ausgeschachtet, die Felder praktisch
durchgehend noch mit von Pferden gezogenen Handpflügen gepflügt, und auch die
Waldarbeit noch fast durchgehend manuell, maximal unterstützt mit
pferdegezogenen Karren, durchgeführt (Karl 2014, 19-20, 33). Heute – das DMSG
feiert nächstes Jahr seinen 100. Geburtstag – ist es hingegen nicht mehr
adäquat, und die kleinen, überwiegend kosmetischen Anpassungen, die durch die 3
„großen“ Novellen des DMSG 1978, 1990 und 1999 vorgenommen wurden, haben an der
grundsätzlichen Funktionsweise – und damit auch seiner Eignung für moderne
Verhältnisse – nichts verbessert. Ganz im Gegenteil, wie oben gezeigt wurde,
haben insbesondere die letzten beiden „größeren“ Novellen ob ihrer
Sprachverwirrung die Situation maßgeblich verschlechtert, statt das Gesetz an
gegenwärtige Bedürfnisse anzupassen.
Die einfachere und
weniger aufwändige, aber wenigstens für ein besseres Verständnis der
Bestimmungen des DMSG sicher ausreichende, wenn auch weniger befriedigende
Lösung wäre es aber, die ganzen völlig unnötigerweise in der Novelle von 1990
eingefügten Zusatzbegriffe wie „Denkmale, die unter Denkmalschutz stehen“
und „Bodendenkmale“ aus dem Wortlaut des Gesetzes ersatzlos zu
streichen. Denn alle Bestimmungen des DMSG sind vollständig und tatsächlich
richtig verständlich, wenn man die babylonische Sprachverwirrung einfach
beseitigt und überall nur noch von „Denkmalen“ bzw. „Gegenständen,
die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes [erforderlichenfalls:
offenkundig] unterliegen“ spricht. Denn schon alleine dadurch wäre
wieder dank der Bestimmung des § 1 Abs. 1 DMSG erster Satz völlig klar, dass –
obwohl man alle von Menschen gestaltend geschaffenen oder veränderten Gegenstände
„im weitesten Sinn“ mit dem Begriff „Denkmal“ bezeichnen kann –
die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nur auf solche „Denkmale“
Anwendung finden, deren „Erhaltung“ ihrer geschichtlichen,
künstlerischen oder sonstigen kulturellen „Bedeutung wegen im öffentlichen
Interesse gelegen ist“. Denn auf diese, und zwar auf nur diese, will der
Gesetzgeber diese Bestimmungen auch tatsächlich angewendet wissen, und zwar in
praktisch allen Fällen (außer bei wirklich erstmals neu entdeckten Bodenfunden,
die offenkundig denkmalschutzwürdig sind, auf die die Bestimmungen des § 8 samt
deren Rechtsfolgen gem. § 9 DMSG igF anzuwenden sind; bezüglich derer aber gem.
§ 9 Abs. 3 DMSG igF binnen 6 Wochen ab Abgabe der diesbezüglichen Fundmeldung jedenfalls
ebenfalls bescheidmäßig festzustellen ist, ob ihre Erhaltung tatsächlich im
öffentlichen Interesse gelegen ist oder nicht).
Wobei: wenn man schon
dabei ist, den Wortlaut des DMSG dahingehend zu ändern, dass er verständlicher
ist, könnte man gleich auch den Wortlaut des § 1 Abs. 1 DMSG dahingehend
ändern, dass auch dem ebenfalls unnötig Verwirrung stiftenden „weiten“
Denkmalbegriff (Bazil et al. 2015, 16 Rz 1) des DMSG der Garaus gemacht wird.
Dazu braucht man nicht mehr zu tun, als den in Klammer gesetzten Ausdruck „Denkmale“
vom Ende des Hauptsatzes an das Ende des an diesen angefügten Konditionalsatzes
zu verschieben und diesen mit dem Wort „deren“ statt den Worten „wenn
ihre“ beginnen zu lassen. Das Ergebnis davon wäre der folgende Satz:
„Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung Anwendung, deren Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist („Denkmale“)“. (Neuvorschlag für § 1 Abs. 1 erster Satz DMSG).
Damit würde die Bedeutung
des Rechtsbegriffs „Denkmale“ auf jene Gegenstände beschränkt, die der
Gesetzgeber auch tatsächlich als „schützenswert“ (RV 1999, 37) erachtet
und auf die er daher die Bestimmungen des „Denkmalschutzgesetzes“
angewendet sehen will.
Dies würde an der
einen oder anderen Stelle des Gesetzes eventuell kleine sprachliche Anpassungen
erforderlich machen, so z.B. in der Bestimmung des § 30 Abs. 1 DMSG igF, in der
der Beginn des ersten Satzes von „Jedermann ist verpflichtet, zur Ermittlung
und Auffindung von Denkmalen und zur Verzeichnung, zur Beaufsichtigung
(Kontrolle) und Bewahrung (Rettung) vorhandener Denkmalbestände…“ auf „Jedermann
ist verpflichtet, zur Ermittlung und Auffindung von Gegenständen, die Denkmale
iSd § 1 Abs. 1 sein könnten, und zur Verzeichnung, zur Beaufsichtigung
(Kontrolle) und Bewahrung (Rettung) vorhandener Denkmalbestände…“ geändert
werden könnte, um jedes mögliche Missverständnis von vornherein auszuschließen.
Von solchen kleinen Änderungen abgesehen, könnte aber der Wortlaut des DMSG
weitestgehend unverändert bleiben.
Der insgesamt durch
eine solche Gesetzesänderung verursachte Arbeitsaufwand (inklusive des
notwendigen Aufwands an parlamentarischer Zeit) wäre also minimal. Wenigstens
so viel sollte die dadurch erzeugte, maßgeblich verbesserte Rechtssicherheit
dem Gesetzgeber zum 100-jährigen Jubiläum des DMSG eigentlich schon wert sein:
schließlich ist es genau diese Rechtssicherheit und Klarheit, die er schon
durch die 1990 und 1999 getroffenen Neuregelungen erreichen wollte (RV 1999, 32-34,
37-44), aber offensichtlich aufgrund der begrifflichen Unklarheit, die er durch
die uneinheitliche und verwirrende Verwendung verschiedener Denkmalbegriffe in
den Novellen vom 1990 und 1999 erzeugt hat, nicht erreicht hat.
Bibliografie
Bazil, C., Binder-Krieglstein, R., Kraft, N.
2015. Das österreichische Denkmalschutzrecht. Kurzkommentar. 2. Aufl.,
Wien: Manz.
Karl, R. 2014. Was ist eine Forschungsgrabung?
Überlegungen zu archäologischem Recht, Theorie und Praxis im Denkmalschutz. Wien: http://archaeologieforum.at, 2014
[4.9.2022].
Karl, S., Koch, I., Pieler, E. 2017. Revidierung der gesetzlichen
Vorschriften zu archäologischen Funden und Schätzen in der österreichischen
Monarchie zwischen 1834 und 1846. Mit einem Ausblick auf die heutige Situation. Österreichische Zeitschrift für Kunst und
Denkmalpflege LXXI/1, 86-119 [4.9.2022].
RV 1990. Regierungsvorlage. Bundesgesetz vom
XX.XXXXX, mit welchem das Bundesgesetz betreffend Beschränkungen in der
Verfügung über Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller
Bedeutung (Denkmalschutzgesetz) geändert wird. 1275 der Beilagen zu den
Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP [4.9.2022].
RV 1999. Regierungsvorlage. Bundesgesetz, mit
welchem das Bundesgesetz betreffend Beschränkungen in der Verfügung über
Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung
(Denkmalschutzgesetz – DMSG) geändert wird. 1769 der Beilagen zu den Stenographischen
Protokollen des Nationalrates XX. GP [4.9.2022].
[1] In diesem vollständigen Zitat des ersten Satzes des DMSG ist das
Signifikat der Legaldefinition des Denkmalbegriffs (des „Denkmal“
genannten Signifikanten) durchgestrichen, um dies zu verdeutlichen: „Die in
diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen
geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten
und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter
oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder
sonstiger kultureller Bedeutung („Denkmale“) Anwendung, wenn ihre Erhaltung
dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist.“ (§ 1 Abs. 1
erster Satz DMSG).
[2] Es gibt von dieser konsistenten Verwendung des Denkmalbegriffs in den
Fassungen BGBl. 533/1923 und 167/1978 nur eine einzige Ausnahme, nämlich der
bei „Denkmalen“ im öffentlichen oder kirchlichen Eigentum (bzw. Besitz),
die kraft gesetzlicher Vermutung automatisch unter Denkmalschutz stehen, bis
das BDA auf Antrag des Eigentümers oder Besitzers oder von Amts wegen
festgestellt hat, dass ein öffentliches Interesse an deren Erhaltung
tatsächlich nicht besteht.
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