Ein (selbstverständlich unverbindlicher) Leitfaden
Andreas Konecny
Das Bundesdenkmalamt
der Republik Österreich (BDA) bindet seit 2011, und zumindest bis 2018 ohne bekannte
Ausnahme, an bewilligende Bescheide iSd § 11 Abs 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG),
das sind sogenannte „Grabungsgenehmigungen“, die Richtlinien Archäologie (BDA 2022) als verpflichtende, stereotype
Bescheidauflagensammlung an. Mit ihnen diktiert das Amt bis ins letzte,
kleinste und unnötigste Detail, wie Forscher zu forschen und die Resultate
ihrer Forschung zu formulieren und zu benennen hätten. Begründet wird das durch
die vollkommen substanzlose Behauptung (auch in BDA 2022, p. 6), der Passus im DMSG,
bewilligende Bescheide könnten „mit
Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen verbunden sein (hinsichtlich
Fläche und Tiefe, Art der Durchführung, Meldepflichten, Kontrollen usw.)“,
erlaube dem Amt im Endeffekt die ersatzlose Streichung von Art 17
Staatsgrundgesetz (StGG), der besagt „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“, die Durchlöcherung des
in Art 5 StGG garantierten Schutzes des Eigentums und neuerdings (BDA 2022, p.
11: geforderter Nachweis einer fünfjährigen Praxis) auch die Abschaffung der
Berufsfreiheit für das Fach der feldforschenden Archäologie in Österreich. Ein
allfälliges Rechtsgut, das es dadurch schützen würde, vermag das BDA auch auf
mehrmaliges Nachfragen nicht nachvollziehbar zu benennen − wie sollte es auch?
Nun hat es das
Denkmalamt zwar tatsächlich mit einem kreativen Verwaltungstrick geschafft,
dass praktisch jede*r Antragsteller*in unter Verwendung von Formularen, die das
Amt zur Verfügung stellt, um die Antragstellung „zu vereinfachen“, darum „bittet“,
dass die Anbindung dieser Bescheidauflagen an seine Nachforschungsgenehmigung
iSd § 11 Abs 1 DMSG
erfolgt. Das BDA hat 2018 allerdings auch einen Bescheidwerber, der explizit nicht um die Beauflagung mit den Richtlinien
„gebeten“, sondern sich sogar vehement und ausdrücklich dagegen verwehrt hat,
mit sämtlichen damals 37 normativen Bestandteilen der Richtlinien beauflagt
(Karl 2018). Der Bescheid wurde in Folge vom BVwG wegen fehlender Zuständigkeit
des BDA gleich ratzeputz zur Gänze behoben, weshalb es sich für das Gericht erübrigt
hat, auf die eklatante Rechtswidrigkeit dieser Beauflagung einzugehen.
Nun stellen diese Richtlinien
aber nicht nur eine – verfassungswidrige – Einschränkung grundlegender
persönlicher Freiheiten von Forscher*innen dar und verursachen – vollkommen − unnötige
Kosten durch Verpflichtungen zum Umgang mit Fundmaterial, menschlichen
Überresten etc., die das DMSG
dem BDA gar nicht erlaubt, jemandem vorzuschreiben − nicht einmal dem Besitzer
von Denkmalen darf das Amt derartige Belastungen auferlegen (VwGH 19.5.1993,
89/09/0005; 11.3.2011, 2010/09/0241), noch weniger dem Besitzer von Dingen, die
nicht unter Denkmalschutz stehen (98 % aller Forschungsgrabungen iSd DMSG
in Österreich finden auf nicht denkmalgeschützten Befunden statt, die nichts anderes
sind als gewöhnliche Sachen, und höchstens, sollten sie tatsächlich bis dahin
vollkommen unbekannte Neufunde sein, für 6 Wochen unter dem Schutz des DMSG
stehen, bis das BDA auf eine Unterschutzstellung im überwiegenden Regelfall
verzichtet). Und die Erforscher*innen solcher Dinge, denen sie nicht einmal
gehören, dürfen damit nun schon gar nicht beschwert werden. Außer sie bitten,
w. o., „freiwillig“ darum, weil dann „wollen“ sie das ja.
Darüber hinaus
verursachen die Richtlinien als Bescheidauflage aber auch ganz massiv vollkommen
unnötige Arbeit. Das DMSG
verlangt von Forscher*innen die Ablieferung eines umfassende(n) Bericht(s) mit allen zur anschaulichen Darstellung
notwendigen Zeichnungen, Plänen, Fotos und sonstigem Dokumentationsmaterial
(§ 11 Abs 6), der in Form und Umfang
wissenschaftlichen Grundsätzen der Forschung und Dokumentation zu entsprechen
hat (§ 11 Abs 4). Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Von „Technischen Daten“
ist im Gesetz ebenso wenig die Rede, wie davon, dass diesen Berichten alle im
Zuge des Projekts generierten Roh- und Metadaten beizuschließen, vom BDA
diktierte Formulare zu verwenden, diese Formulare in anderen Formularen zu
listen, diese Formularstöße mit wieder anderen Formularen zu bedecken, zahlreiche
Formatvorschriften bis ins kleinste, unwesentlichste Detail zu befolgen, dass
nach Vermessungsverordung vorzugehen wäre, oder dass irgendwelche anderen
willkürlich und sonder Zahl vom BDA erfundenen Vorschriften zu befolgen
wären, die in der derzeit kurrenten Version der Richtlinien schon über 100
Druckseiten füllen.
Verglichen mit
anderen, im Allgemeinen viel sinnvolleren, Dokumentationsmethoden verursachen
die Richtlinien bei Grabungen einen Mehraufwand von 10% bis geschätzt 100% − es
sei denn, es wird kein Befund streng
nach Richtlinien dokumentiert, wie das in einem Band der FuBerÖ auf 10 Seiten
im digitalen Teil zelebriert wird (nicht von Organen des BDA, die halten sich selber ja nicht an ihre eigenen gesetzeswidrigen Vorschriften, vgl. dazu Konecny
2022). In diesem Fall hätte ein formloses Schreiben ans BDA gereicht mit dem
Inhalt, dass die erforschte Fläche befundlos geblieben ist. In den vielen
Stunden Aufarbeitung und Dokumentation von Nichts
sind wahrscheinlich hundert Mal so hohe Kosten angelaufen, wie wenn so eine einfache
Mitteilung verfasst worden wäre. Das kostet alles Aufwand und damit Geld, das
gerade in so einem „Orchideenfach“ (© BM emer. K.-H. Grasser) wie der
Archäologie nicht in solchen Mengen vorhanden ist, dass man es vollkommen ohne
wissenschaftlichen Sinn fröhlich aus dem Fenster pfeffern könnte. Eine
Eingangsbestätigung stellt übrigens jedes andere Amt der Republik selbst aus und
verlangt nicht deren unterschriftsreife Vorausfertigung durch den Bescheideten
(per Bescheidauflage!).
Und dann zwingt der
umfangreiche Vorschriftenkatalog zum Vorgehen bei Grabungen auch noch zur
Anwendung einer ganz bestimmten, bis in ihr letztes Detail verpflichtend
anzuwendenden Grabungsmethode, nämlich des stratigraphischen Abhubs mit allen
zugehörigen, in den Richtlinien katalogisierten Einzelvorschriften. Auch die
Dokumentation und Administration der Grabung und der dabei getätigten Funde und
erforschten Befunde muss akkurat nach dem in den Richtlinien vorgeschriebenen
Schema F erfolgen. Abweichungen sind bewilligungspflichtig – im Vorhinein!
Forscher haben somit schon vor Freilegung eines Befunds zu wissen (um in der
befremdlich aus der Zeit gefallenen obrigkeitsstaatlichen Diktion der Richtlinien
zu bleiben – rechtsverbindliche Steuerrückstands-Mahnungen des Finanzamts
Österreich sind im Übrigen um Größenordnungen höflicher formuliert als der im
rechtlichen Sinn vollkommen unverbindliche Auflagenkatalog des BDA), wie der
gestaltet sein wird, damit sie gnadenhalber vielleicht in dem einen oder anderen
Detail so forschen dürfen, wie sie es selber für richtig und angebracht halten,
und nicht, wie das Amt es ohne jedes Recht dazu und ohne jede sachliche Kenntnis
des konkret betroffenen Befundes stipuliert.
Und ein Jahr nach
Grabungsende kommt gerne eine „Evaluierung der Maßnahme“ hereingeflattert, in der
Gebietsbetreuer*innen des BDA vom Forscher die „Behebung“ von „Mängeln“
verlangen. Dabei handelt es sich in der Regel um unwesentliche Kleinigkeiten,
die weder etwas daran ändern, dass der Bericht wissenschaftlichen Grundsätzen der Forschung und Dokumentation
entspricht, noch gar daran, dass er umfassend
ist. Das sind also vollkommen irrelevante Nachforderungen.
Nichts desto weniger
junktimieren Organe des BDA mitunter sogar die Erteilung von neuen
Genehmigungen mit der „Mängelbehebung“ von alten Berichten entlang ihrer „Mängellisten“
und haben auch die Drohung veröffentlicht, dass die Nichteinhaltung der Richtlinien
dazu führen würde, dass keine weiteren Bewilligungen erteilt würden (Fürnholzer
– Hinterwallner 2014). Es kommt sogar vor, dass Organe des BDA die
Nachlieferung von nicht in den Richtlinien
geforderten Berichtsbestandteilen (die somit auch nicht Teil der
Bescheidauflage waren) zur Bedingung dafür machen, dass sie eine neue
Bewilligung ausstellen (d. h. strenggenommen den Antrag bis zur
Unterschriftsreife vorbereiten). Die Richtlinien sind also nicht nur
entbehrlich und kostentreibend, sie exponieren Bescheidhalter noch dazu
gegenüber Mitarbeiter*innen des BDA, die sie für vollkommen unzulässige Junktime
instrumentalisieren.
Ein Forschungsleben
ohne Richtlinien wäre angesichts all der Mankos dieses Konvoluts voll rechtswidriger
Vorschriften und angesichts dessen, wie sich manche Organe des Amts seiner in
offensichtlicher Willkür bedienen, für Forscher*innen in Österreich wohl mehr
als nur wünschenswert. Doch gehen anscheinend alle oder fast alle von ihnen
davon aus, ein solches wäre nicht möglich, und beantragen mit jedem Antrag iSd
§ 11 Abs 1 DMSG
erneut „freiwillig“ die Bescheidauflage der Richtlinien.
Dies ist allerdings nicht
notwendig. Das BDA hat, offenbar 2018 oder 2019, umgedacht und beauflagt nicht
mehr unterschiedslos alle Bescheide iSd § 11 Abs 1 mit den Richtlinien oder allen
ihren normativen Bausteinen, wenn der Bescheidwerber dies nicht wünscht. Wie
das funktioniert, lässt sich anhand der folgenden vier Beispielsfälle nachvollziehen.
Der Verf. und Raimund
Karl haben 2021 unabhängig voneinander Anträge auf Bewilligung gestellt für Forschungsgrabungen iSd § 11 Abs 1 DMSG
auf nicht unter Denkmalschutz stehenden Grundstücken. In beiden Anträgen haben
sie im Formular Konzept des BDA nicht
die Tickbox gemäß den „Richtlinien für
archäologische Maßnahmen“ in der gültigen Fassung, sondern gemäß folgenden Ausführungen angekreuzt
und ihren jeweiligen Antrag mit einer Beilage bewehrt, in der nicht nur die
Forschungsziele des geplanten Projekts, sondern auch die Methoden, die sie zu
deren Erreichung zu wählen beabsichtigten, und dazu der beabsichtigte Umfang
der Dokumentation iSd § 11 Abs 6 DMSG
skizziert wurden. Im Antrag des Verf. liest sich das so:
Wissenschaftliche Methodik
Die archäologische Grabung wird nach Maßgabe der forscherischen Notwendigkeit und auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte nach allgemein bekannten und anerkannten und gängigen Prinzipien feldarchäologischer Methodik, abhängig von den abzutragenden Primärkontexten bevorzugter Weise im kontextfolgenden Abtrag, durchgeführt und mit entsprechenden, allgemein anerkannten Methoden unter Anwendung analoger und digitaler Prozeduren im wissenschaftlich notwendigen Ausmaß dokumentiert. Allfälliges Fundmaterial wird nach o. a. Prinzipien archiviert und seine Auffindung im Fall, dass es bewegliche Denkmale im Sinne des DMSG darstellen könnte, dem BDA mit Fundmeldung immediat angezeigt. Fundmaterial verbleibt auf der Hofstelle des Grundeigners. Nach Abschluss der Arbeiten wird dem BDA nach Maßgabe der Vorschriften des DMSG zu Umfang, Inhalt und Frist Bericht gelegt, insbesondere mit planimetrischer Darstellung der gegrabenen Fläche in Gauss-Krüger im Österreichischen Bundesmeldenetz im Meridianstreifen M 34 (NÖ-Wien-Bgld.) und einer umfassenden Darstellung des erforschten Befunds mit allen zu seiner anschaulichen Darstellung (von Form, Gestalt, Stratigraphie etc.) notwendigen Photographien, Zeichnungen, Plänen und sonstigen Dokumentationsbestandteilen.
Die methodenbezogene
Bescheidauflage im auf diesen Antrag folgenden bewilligenden Bescheid des BDA (GZ:
2021-0.544.655) lautet nun wie folgt:
1. Bei archäologisch relevante (sic) Befunden, insbesonders der Grube der Kosihy-Čaka Kultur, ist die stratigraphische Grabungsmethode anzuwenden. Dabei ist jede stratigraphische Einheit zu dokumentieren.
Mehr Methodenauflage steht
nicht im Bescheid. Vor allem kein Wort von den oder aus den Richtlinien. Auch
keine Vorschriften zu Dokumentation, Datenverwaltung, Roh- und
Metadatenablieferung, Formularverwendung, etc. Als Ersatz dafür hat das Amt gegenständlichem
Antrag beigegebene Beilage zu Forschungszielen und Methodik (s. o.) als Konzept 2 der Bewilligung sozusagen als
Auflage angebunden und damit den Abriss des Antragstellers, wie er vorzugehen
gewillt ist, für diesen verbindlich gemacht. Der muss also jetzt, abgesehen einmal
von der zwingenden Vorschrift der Stratigraphischen Methode, tun, was er von
Anfang an ohnehin tun wollte. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Auch der Bescheid, der
Raimund Karl ausgestellt wurde (GZ: 2021-0.385.686), enthält als
Methodenauflage
1. Im Falle des Auftretens relevanter archäologischer Befunde, insbesondere der Überreste des erwarteten lengyelzeitlichen Hauses, ist die stratigraphische Grabungsmethode anzuwenden…
Auch hier also keine
ungebetene Auflage der Richtlinien oder auch nur einzelner Bestandteile davon.
Ein wenig anders lesen
sich bewilligende Bescheide iSd § 11 Abs 1 DMSG
für Nachforschungen an Befunden, die unter Denkmalschutz stehen. Auch für
diesen Fall liegen zwei Bescheide vor, beide ergangen an den Verf., beide im
BDA-Formular Konzept ohne Richtlinien
beantragt.
Der eine Antrag bezog
sich auf kleinräumige Oberflächensurveys ohne Fundaufnahme und darauffolgende
kleinsträumige Grabungen in den Surveyflächen. Die Methodikbeschreibung, die
dem Antrag beigelegt war, liest sich auszugsweise wie folgt:
Zur Feststellung der Oberflächenbefunddichten werden … an vier Stellen … jeweils auf 2 m² die an der Oberfläche sichtbare Menge an Artefakten aller Art ausgezählt. Dies erfolgt wiederholterweise zu unterschiedlichen Bewuchs-, Bearbeitungs- und Bewetterungszuständen… werden dabei keine Funde aufgenommen… Im Zuge des Projekts wird … jeweils auf einer Fläche von ¼ m² der umgepflügte… Boden, wenn vorhanden der darunter zu vermutende Verfallshorizont und die obersten 15 cm der … ungestörten Stratifizierung abgegraben.
Die Grabung wird mit allgemein anerkannten Methoden der Oberflächenprospektion und der forschenden Grabung durchgeführt und unter Anwendung analoger und digitaler Prozeduren im wissenschaftlich notwendigen Ausmaß planimetrisch, zeichnerisch und photographisch dokumentiert.
Die Eingriffe werden in der forscherisch angezeigten Genauigkeit in Lage und Höhe in Gauss-Krüger im Österreichischen Bundesmeldenetz im Meridianstreifen M 34 (NÖ-Wien-Bgld.) lokalisiert.
Die dem Bescheid GZ
2022-0.246.998 angebundene methoden- und dokumentationsbezogenen
Bescheidauflagen lesen sich wie folgt:
1. Maßnahmennummer: Die vom Bundesdenkmalamt für das Jahr 2022 und das Jahr 2023 bereitgestellten Maßnahmennummern sind auf allen angefertigten Dokumenten (Berichte, Fototafeln, Fundverpackungen, Fundzettel, Pläne, Protokollblätter usw.) anzuführen.
2. Grabungsmethode: Im Falle des Auftretens relevanter archäologischer Befunde ist die stratigrafische Grabungsmethode anzuwenden. Jede stratigrafische Einheit (SE) ist zu dokumentieren und zu beschreiben. Die Beziehung aller stratigrafischen Einheiten zueinander ist in einem Dokumentationssystem darzustellen. Die Nummern der stratigrafischen Einheiten sind auf allen Dokumentationsunterlagen sowie auf Fundzetteln, Fundlisten, Fototafeln usw. anzugeben. Für jeden archäologischen Fund (=bewegliches archäologisches Bodendenkmal) ist seine Zuordenbarkeit zur jeweiligen stratigrafischen Einheit dauerhaft zu gewährleisten. Die archäologischen Funde sind nach stratigrafischen Einheiten und Materialien zu trennen und jeweils mit eigenen Fundzetteln zu verpacken.
3. Vermessung und Planerstellung: Der Lage- und Höhenanschluss ist im Sinn der …Vermessungsverordnung… herzustellen und in einem Messprotokoll zu dokumentieren…. Ein Maßnahmenpolygon…ist als Shapefile oder CAD-Datei…mit zugehöriger…EXCEL Datei…zu erstellen. In einem interpretierenden Gesamtplan sind georeferenziert alle relevanten Befunde…darzustellen. Als Basis…ist ein Technischer Gesamtplan zu erstellen…
4. Berichtabgabe und Dateiformate: Der digital abzugebende Bericht samt zugehörigen Dokumentationsunterlagen hat alle relevanten, im Zuge der Maßnahme erhobenen Informationen zu enthalten. Für die Abgabe sind ausschließlich die der aktuellen Kundmachung des Bundesdenkmalamtes gemäß § 13 Allgemeines Verwaltungsgesetz 1991 (AVG) zu entnehmenden Dateiformate zulässig.
Dem Bescheid wurde
wiederum die dem Antrag beigefügte Methodikbeschreibung als integraler Bestandteil angebunden und
somit Bescheidauflage.
Der zweite Antrag
bezog sich auf kleinräumige Notgrabungen auf einem ebenfalls denkmalgeschützten
Grundstück. Auch ihm war zusätzlich ein ausformuliertes Konzept beigelegt,
dessen Methodikteil folgendermaßen lautete:
Die archäologische Grabung wird, nach maschinellem Abtrag der durch jahrzehntelanges modernes Pflügen zerstörten obersten etwa 40 cm des Ackerbodens und anderer moderner Störungen bzw. nach Aushub der bestehenden Drainagenkünette mit dem Bagger, nach Maßgabe der forscherischen Notwendigkeit und auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte nach geltenden wissenschaftlichen Grundsätzen der Forschung mit Methoden, die international anerkannten Standards der Grabungstechnik entsprechen (v. a. kontextorientierter Abtrag, dazu wenn angebracht Planunmsgenerierung, Sondierschnitte, aber auch Künettenpräparierung entlang vorhandener Störungen etc.) durchgeführt und mit entsprechenden, allgemein anerkannten Methoden der Wissenschaft unter Anwendung analoger und digitaler Prozeduren dokumentiert. ... Fundmaterial wird nach o. a. Prinzipien archiviert, sodass es den einzelnen Teilen und Komponenten des Denkmals, denen es entnommen wurde, zuordenbar bleibt. ... Die Grabungsflächen werden in der forscherisch angezeigten Genauigkeit in Lage und Höhe in Gauss-Krüger im Österreichischen Bundesmeldenetz im Meridianstreifen M 34 (NÖ-Wien-Bgld.) abgesteckt und eingemessen.
Die dem bewilligenden
Bescheid GZ 2022-0.216.415 angebundenen, relevanten Bescheidauflagen Punkt 1
bis Punkt 4 sind gänzlich wortident zu denen des vorigen Bescheids, sodass sich
ihre Zitierung hier erübrigt. Und auch diesem Bescheid wurde die dem Antrag
beigefügte Methodikbeschreibung als integraler
Bestandteil angebunden und damit zur Bescheidauflage geadelt.
Insgesamt sind das jetzt
zwar wieder willkürliche, jegliche Begründung in der Sache missende Vorschriften
zur wissenschaftlichen Methodik und zur wissenschaftlichen Dokumentation, die
in eklatantem Widerspruch stehen zum vorbehaltlosen Grundrecht auf
Forschungsfreiheit, das nicht nur die Methodenfreiheit schützt, sondern auch
die Freiheit in der Art und Weise, wie der Forscher die Elemente und Resultate
seiner Forschung benennt. Doch interessiert das hier weniger. Und das ist überdies
im ersten Fall ein mit (unerbetenen grundgesetzwidrigen) Auflagen bewehrter bewilligender
Bescheid für ein Oberflächensurvey ohne Fundaufnahme, das lt. DMSG
und einschlägiger Judikatur (VwGH 24.6.1985, 84/12/0213; BVwG 11.9.2017, W183
2168814-1/2E) keiner Bewilligung bedürfte. Das Amt hätte diesen Teil des Antrags
wegen Unzuständigkeit in der Sache zurückzuweisen gehabt, anstatt den Bescheidwerber
durch darauf bezogene Bescheidauflagen in seinen Rechten zu schädigen.
Dies aber nur in
Parenthese. Was für vorliegenden Beitrag von Relevanz ist, das sind wiederum die
nicht den Bescheiden im Ganzen oder
stückweise angebunden Richtlinien. Von den mehr als 100 Seiten Richtlinien in
der aktuellen Fassung finden sich hier gerade einmal vielleicht zwei oder drei
in obendrein noch verständlicher Paraphrase. Diese Absenz erspart einem im
Endeffekt schon ziemlich viel ziemlich sinnlose Arbeit, und man wird in seiner
forscherischen Freiheit um einiges weniger eingeschränkt, als hätte man die
kompletten Richtlinien zu befolgen. Kolleg*innen mit einem passenden akademischen
Abschluss dürfen eine Bewilligung beantragen und bekommen die auch ausgestellt,
unabhängig von ihrer Berufs- und Grabungspraxis, weil so steht’s im Gesetz (das
ja von den Richtlinien nichts weiß). Und ihre Mitarbeiter*innen müssen auch
nicht als Meister*innen vom Himmel gefallen sein, weil das dem DMSG
ebenso egal ist. Der von den Verfassern der Richtlinien ganz offensichtlich
bezweckte Ausschluss einer ganzen Alterskohorte aus der ihr vom DMSG
ganz explizit erlaubten eigenverantwortlichen Forschung hat sich damit
erfreulicherweise wieder relativiert.
Mit einer derartigen
Verwaltungspraxis bindet sich das Amt nun aber auch selbst. Es muss
Antragsteller*innen in gleicher Sache gleichbehandeln. Wenn also ab jetzt
jemand kommt und im Antrag festhält, gewünscht ist, ohne Richtlinien zu graben,
auf einem Befund nicht unter Schutz oder auf einem unter Schutz, dann hat sich
das Amt durch eigenes Handeln dazu verpflichtet, dies auch zu bewilligen – und
das in der Gestalt, wie es das den Herrn Karl und Konecny bewilligt hat, mit
den gleichen Bescheidauflagen, aber keinen umfangreicheren, welche die
Forschungsfreiheit stärker einschränken. Folgt es dieser selbst eingegangenen Verpflichtung
nicht, verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz des Bundes-Verfassungsgesetzes
und auch gegen ein paar andere gesetzliche Bestimmungen, nicht alle nur von nebensächlicher
Natur. Verantwortliche Organe des Amts würden sich damit dem ernstzunehmenden
Risiko einer Strafverfolgung aussetzen. Und weil Bescheide mit gesetzeswidrigen
Bescheidauflagen Bescheidwerber in ihren Rechten (immaterielle und materielle) schädigen,
wäre die anzuwendende Gesetzesbestimmung möglicherweise § 302
Strafgesetzbuch (StGB) Amtsmissbrauch – mit einer Strafdrohung von 6 Monaten bis
5 Jahren Haft. Es ist davon auszugehen, dass niemand im BDA vor den Strafrichter
will, nur damit das Amt doch noch einmal Bescheidauflagen anbinden kann, die,
wenn man sie nicht mag, auch nach der 2018 oder 2019 im Amt offensichtlich erfolgten
eigenen Einsicht gesetzeswidrig sind. Nicht einmal zur Erstellung eines
zusammenfassenden Berichts zur Veröffentlichung in den FuBerÖ (früher „Bericht
A“) wird der/die Bescheidete übrigens noch verpflichtet. Das DMSG
lastet diese Aufgabe in § 11 Abs 7 ja auch explizit dem Amt an und nicht
Bescheidhaltern des BDA.
Eine gewisse Vorlaufzeit
ist bei solch einem Vorgehen wahrscheinlich einzukalkulieren. Anträge mit Richtlinien
bewilligt das BDA normalerweise innert zweier Wochen, wobei Bewilligungen
mitunter auch binnen zweier oder dreier Werktage eintrudeln können, wenn’s dringend
ist. Die beiden o. a. Bescheide des Verf. und Raimund Karls für nicht
denkmalgeschützte Befunde haben in der Erledigung ein Monat bzw. 6 Wochen bis
zur Zustellung benötigt, weil sie die Rechtsabteilung passieren mussten. Dies
ist somit die Richtschnur für die Dauer von Anträgen, die diesen Weg zu gehen
haben. Viel länger liegenlassen sollte das Amt derartige Anträge allerdings nicht,
weil daraus ließe sich schnell der Verdacht der subjektiv willkürlich erfolgten
Ungleichbehandlung mit der zumindest billigenden Inkaufnahme einer Schädigung
in immateriellen und materiellen Rechten durch Organe des BDA ableiten – womit
wir wieder beim vorigen Absatz angelangt wären.
Erleichtern kann man
dem Amt die Ausstellung entsprechend formulierter bewilligender Bescheide
wahrscheinlich damit, dass man die o. a. Bescheidauflagen, wie sie vom BDA
schon einmal formuliert wurden, differenziert danach, ob man auf nicht
denkmalgeschütztem oder auf denkmalgeschütztem Grund graben will, einfach in
seinen Antrag auf Bewilligung hineinkopiert und sagt, man will so vorgehen.
Dann besteht kein Zweifel daran, dass das Amt einem diese Punkte als Auflagen
vorschreiben darf ohne auch nur das allerkleinste Risiko einzugehen, sich damit
strafbar zu machen. Das könnte essenziell sein, weil, w. o. a., ist auch die
Vorschreibung der stratigraphischen Methode ein Eingriff in die
Forschungsfreiheit, und kein unwesentlicher dazu. Hält man im Antrag jedoch
fest, man wolle genau so arbeiten, dann wird einem diese Bescheidauflage ja auf
eigenem Wunsch erteilt und das Konzept als integraler
Bestandteil dem Bescheid angebunden, womit es selber auch zur
Bescheidauflage wird. Das ist in Ordnung und das Amt damit aus dem Schneider.
Und ob man wirklich immer alle Primärkontexte streng nach der Single Layer Method abnimmt und dokumentiert,
oder hin und wieder ein Zwischenstratum oder einen arbiträren Abhub einlegt,
oder einen Probeschlitz absticht, um die Stratigraphie zu bestimmen oder zu
prüfen – für eine Überprüfung davon fehlt dem BDA ohnehin das Personal.
Natürlich wird man,
auch ohne durch die entsprechende Bescheidauflage dazu gezwungen zu sein,
zusätzlich zum umfassenden auch einen
zusammenfassenden Bericht zur Veröffentlichung im gedruckten Teil der FuBerÖ verfassen
und nach den redaktionellen Richtlinien dieser Zeitschrift gestalten. Das BDA
verfügt gar nicht über die personelle Kapazität, jährlich etwa 675 eingehende,
oft wirklich umfassende Langberichte
in Zusammenfassungen zu gießen. Es ist also gescheiter, man macht das selbst. Insgesamt
steht aber, folgt man diesem vollkommen unverbindlichen (der Verf. ist ja nicht
das Amt, dass er irgendjemandem gegen seinen Willen dumme Vorschriften machen
wollte) Leitfaden, einem einigermaßen gedeihlichen Graben, grosso modo nach
eigenem forscherischem Wunsch, nicht mehr viel im Weg.
Priv.-Doz. Dr. Andreas Konecny
Institut für Antike
Universität Graz
Universitätsplatz 3/II
A-8010 Graz
Bibliografie
BDA 2022. Richtlinien: Archäologische
Maßnahmen. 6. Fassung: 1. Jänner 2022. Wien: Bundesdenkmalamt [30/8/2022].
Fürnholzer, J., Hinterwallner, M. 2014.
Evaluierung der archäologischen Maßnahmen 2013 und 3. Fassung der Richtlinien
für archäologische Maßnahmen, FuBerÖ 53, 2014, 29-30.
Karl, R. 2018. Bescheid
des BDA 2018 und Antrag iSd § 11 Abs 1 DMSG dazu. [30/8/2022].
Konecny, A. 2022. Wer prüft
die Prüfer? Das Bundesdenkmalamt und die behauptete „Qualitätssicherung“ von
archäologischer Feldforschung in Österreich. Archäologische
Denkmalpflege 3, 276-299 [30/8/2022].
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