Freitag, 17. Dezember 2021

Jeder kann Fundberichte schreiben?

Eine Beurteilung der Qualität der Fundberichte aus Österreich 2015 

Abstract: In diesem Beitrag wird eine Beurteilung der Qualität der in den Fundberichten aus Österreich veröffentlichten archäologischen Feldforschungsberichte für das Berichtsjahr 2015 vorgestellt. Diese – durchschnittlich gute – Qualität unterscheidet sich allerdings unbeachtlich aller „Normierungsversuche“ der letzten Jahrzehnte teilweise deutlich von Berichtsautor*in zu Berichtsautorin*in, aber auch in anderer Beziehung. So zum Beispiel sind die Berichte aus einigen Bundesländern durchschnittlich signifikant besser als die aus anderen; und auch Berichte bestimmter Typen von Organisationen deutlich besser als die bestimmter anderer Typen von Organisationen. Dabei lässt sich feststellen, dass die Berichte von privaten Grabungsfirmen im Durchschnitt geringfügig besser sind als die von Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen, öffentlichen Museen, Stadtarchäologien etc., während solche von Mitarbeiter*innen des BDA in ihrer Qualität nicht nur deutlich hinter den Berichten aller anderen Arten von Organisationstypen zurückbleiben, sondern sogar durchschnittlich negativ zu beurteilen sind. Ebenfalls beachtenswert ist, dass wenigstens tendenziell die besseren Feldforschungsberichte überwiegend von jungen, noch nicht besonders arrivierten Kolleg*innen zu stammen scheinen, während gerade ältere, arrivierte Kolleg*innen in fachlichen Leitungspositionen des öfteren qualitativ mangelhafte Berichte abzugeben scheinen.

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Die archäologischen Denkmalbehörden im deutschen Sprachraum betrachten seit langem die wissenschaftliche Qualitätskontrolle über das archäologische Grabungs- und Berichtswesen als eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Tatsächlich ist diese Aufgabe vielerorts, so z.B. in Österreich, den Denkmalbehörden sogar explizit gesetzlich aufgetragen. So findet sich schon in der Stammfassung des Denkmalschutzgesetzes (DMSG) von 1923 in § 11 – der Grabungsgenehmigungsbestimmung – im 2. Absatz eine diesbezügliche Ermächtigung: „Das Bundesdenkmalamt ist berechtigt, die Ausgrabungen fachmännisch zu überwachen.“ (§ 11 Abs. 2 DMSG idF BGBl. 533/1923).

In der aktuell gültigen Fassung des DMSG findet sich eine dementsprechende, aber etwas allgemeiner gefasste, Ermächtigung des BDA hingegen in § 30 Abs. 4: „Das Bundesdenkmalamt ist berechtigt, alle Restaurierungen, Ausgrabungen und sonstigen Maßnahmen, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterworfen sind, fachmännisch zu überwachen (oder durch Bevollmächtigte überwachen zu lassen).“ (§ 30 Abs. 4 DMSG idF BGBl. I Nr. 170/1999). Zusätzlich dazu wird das BDA auch durch den vierten Satz des § 11 Abs. 1 DMSG igF dazu ermächtigt, genehmigten archäologischen Feldforschungen Auflagen bezüglich „Meldepflichten, Kontrollen usw.“ zu erteilen. Für genehmigte archäologische Feldforschungen sowie amtswegige archäologische Maßnahmen des BDA besteht darüber hinaus eine durch § 11 Abs. 4 geregelte Fundmelde- sowie eine durch § 11 Abs. 6 geregelte Berichtspflicht (jeweils bis spätestens drei Monate nach Ablauf jenes Kalenderjahres, in dem die Feldforschungsmaßnahme durchgeführt wurde). Das BDA ist umgekehrt gesetzlich dazu verpflichtet, „sämtliche eingehenden Anzeigen und Berichte gemäß den §§ 9 bis 11 (einschließlich der Ergebnisse der vom Bundesdenkmalamt selbst gemachten Funde) aus dem gesamten Bundesgebiet in einer Fundkartei zu sammeln und, soweit sie wissenschaftlich relevant sind, im Rahmen eines jährlichen Druckwerkes als übersichtliche Gesamtdokumentation zusammenzufassen“ (§ 11 Abs. 7 DMSG igF).

Resultat dieser gesetzlichen Verpflichtungen ist die verlässlich jährlich (gewöhnlich mit ca. 2 Jahren Abstand vom Ende des Berichtsjahres) erfolgende Veröffentlichung der Fundberichte aus Österreich. Diese sind, wie ich bereits andernorts angemerkt habe, eine sehr wichtige Ressource und können durchaus berechtigt im Bereich der archäologischen Denkmalpflege als weltführende Leistung betrachtet werden: ein derart systematischer und vollständiger Überblick über alle in einem Kalenderjahr durchgeführten archäologischen Feldforschungen steht in kaum einem anderen Land der Welt in vergleichbarer Weise zur Verfügung, schon gar nicht ununterbrochen seit 1920 (auch wenn die FÖ erst seit 1971 alljährlich erscheinen, sind sie davor seit 1934 erschienen, zumeist in 5 Jahre abdeckenden Bänden). In den letzten 10 Jahren wurde die Nützlichkeit dieser Einrichtung noch zusätzlich dadurch vergrößert, dass den traditionellen, gedruckt erscheinenden, „kurzen“ Fundberichten – die meist maximal ein paar Seiten, oft nur ein paar Absätze oder gar Sätze lang sind – in einem rein elektronischen Teil ausführlichere Feldforschungsberichte – der sogenannte „Teil B (Gesamtdarstellung der Maßnahme)“ laut der Richtlinien für archäologische Maßnahmen des BDA (2018, 36-9) – hinzugefügt wurde. Im zuletzt erschienenen Band 58 der FÖ (BDA 2021) umfasst der traditionelle druckschriftlich veröffentlichte Teil gerade einmal 471 nummerierte Seiten, der elektronische Teil hingegen satte 9.743, von denen wiederum genau 9.000 auf ausführlichere Feldforschungsberichte entfallen.

So beeindruckend der quantitative Umfang der Fundberichte aus Österreich inzwischen auch ist, ist die Qualität ihres Inhalts, ob nun im druckschriftlichen oder im digitalen Teil, nicht gänzlich unumstritten und auch – um es entsprechend höflich auszudrücken – nicht unbedingt gänzlich einheitlich. Einigkeit herrscht wohl darüber, dass manche in den FÖ zu findenden Feldforschungsberichte hervorragend und wissenschaftlich enorm nützlich sind, während manche andere wohl nicht einmal den gesetzlichen Mindestanforderungen genügen dürften, geschweige denn, dass sie irgendjemandem – ob nun WissenschafterInnen oder der interessierten Öffentlichkeit – auch nur minimal nützlich wären. Wie allerdings das Verhältnis zwischen guten und weniger brauchbaren Fundberichten ist und ob es regionale und institutionelle und nicht nur individuelle Qualitätsunterschiede zwischen unterschiedlichen Fundberichten gibt, wurde bislang meines Wissens nicht systematisch erhoben.

Einzig 2014 haben Jörg Fürnholzer und Martina Hinterwallner „85% der Dokumentationsunterlagen zu archäologischen Maßnahmen des Jahres 2013“ (Fürnholzer & Hinterwallner 2014, 29) mittels eines vierstufigen Bewertungsschemas evaluiert und haben dabei „für das Jahr 2013 eine überaus positive Bilanz gezogen“ (ibid., 30): „Von den evaluierten Maßnahmen entsprachen 82 % den geltenden Richtlinien für archäologische Maßnahmen (2. Fassung vom 1. Jänner 2012) vollständig; 12 % wiesen geringe und lediglich 2 % deutliche Mängel auf. Erfreulicherweise waren somit nur 4 % der Maßnahmen als mangelhaft einzustufen. Im Rahmen eines standardisierten Mahnprozesses werden derzeit Nachforderungen zu diesen mangelhaften beziehungsweise nicht rechtzeitig eingelangten Dokumentationsunterlagen gestellt. Anzumerken ist, dass die konsequente Missachtung der diesbezüglichen und in den bewilligenden Bescheiden gemäß § 11 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz festgelegten Abgabepflichten die Erteilung weiterer Grabungs- oder Prospektionsgenehmigungen ausschließt.“ (ibid., 29). Aus Erfahrungsberichten diverser Kolleg*innen aus dem ganzen Land lässt sich ableiten, dass diese Mahnungen tatsächlich ausgeschickt werden und teilweise sinnvolle, oft aber auch absurde Nachforderungen gestellt werden. Inwieweit die Behauptung rechtlich belastbar ist, dass eine konsequente Missachtung dieser Mahnungen dazu geeignet sei, säumigen Archäolog*innen weitere Grabungs- bzw. Prospektionsgenehmigungen zu verweigern, sei hier dahingestellt.

Inwieweit sich die angebliche oder tatsächliche Richtlinienkonformität von Grabungsberichten in den Fundberichten aus Österreich niederschlagen sollte, ist sicherlich diskutierbar. Klar ist jedoch, dass die veröffentlichten Fundberichte den gesetzlichen Anforderungen des § 11 Abs. 6 DMSG an die „umfassenden Berichte“ genügen sollten, d.h. anschaulich sein und mit allen für eine solche Anschaulichkeit „notwendigen Zeichnungen, Plänen, Fotos und sonstigem Dokumentationsmaterial“ veröffentlicht werden sollten. Und nachdem das BDA seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Berichtsveröffentlichung inzwischen in vorbildlicher Weise nachkommt, lässt sich das inzwischen anhand einer Beurteilung der Inhalte der Fundberichte aus Österreich überprüfen.

Zu diesem Zweck und um zu gewährleisten, dass nicht allfällige private Vorurteile die Ergebnisse dieser Studie verfälschen, habe 2020 eine vollständige Lektüre und Benotung aller in den FÖ 54, 2015 veröffentlichten Feldforschungsberichte durch zwei Kolleg*innen in Auftrag gegeben, die bisher mit dem archäologischen Berichtswesen in Österreich kaum Berührung hatten. Diesen beiden – sie wollen beide anonym bleiben – sei an dieser Stelle besonders gedankt.

Methodik der Beurteilung

Zur Beurteilung wurden in einem ersten Schritt alle in den FÖ 54, 2015, verzeichneten Maßnahmen tabellarisch mit allen maßgeblichen Informationen (vorerst anonymisiert) erfasst. Aufgezeichnet wurde zu diesem Zweck für jede geplante Maßnahme das Bundesland, die Katastralgemeinde und die Ortsgemeinde, in der die Maßnahme durchgeführt werden sollte, die Maßnahmennummer des BDA, ob die Maßnahme tatsächlich durchgeführt wurde oder nicht, ob die Zusammenfassung (Bericht „Teil A (Ergebnisse)“; BDA 2018, 36-7) gedruckt wurde, ob auch „Teil B (Gesamtdarstellung der Maßnahme)“ (BDA 2018, 38-9) abgegeben und im digitalen Teil des betreffenden Bandes veröffentlicht wurde (inklusive ob ein Bericht sich auf eine Maßnahme aus früheren Jahren bezog, deren Bericht erst verspätet abgegeben worden war, oder ein nicht zeitgerecht für das Berichtsjahr 2015 abgegebener Bericht für eines der Folgejahre in Aussicht gestellt worden war). Auf diese Weise wurden insgesamt 658 geplante Maßnahmen erfasst, von denen 626 tatsächlich durchgeführt worden waren; die 32 verbleibenden wurden ausgeschieden. Zu diesen 626 tatsächlich durchgeführten Maßnahmen lagen insgesamt 178 beurteilbare, gedruckte Kurzberichte und 537 beurteilbare Gesamtdarstellungen im digitalen Teil der FÖ vor.

In einem zweiten Schritt wurde eine Beurteilung mehrerer Aspekte im österreichischen Schulnotensystem (1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = befriedigend, 4 = genügend, 5 = nicht genügend) vorgenommen. Beurteilt wurde, jeweils wo vorhanden:

1) Die Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit der gedruckten Zusammenfassung („Teil A“) 

2) Die Qualität der dem Bericht (ob „Teil A“ oder „Teil B“) beigefügten, „zur anschaulichen Darstellung notwendigen“,

a.       Zeichnungen

b.       Pläne

c.       Fotos

d.       sonstigen Dokumentationsmaterialien

3) Die Qualität der Darstellung insgesamt („Gesamtnote“)

Beurteilt wurden jeweils nur Unterlagen, die tatsächlich den Beurteilenden vorlagen, d.h. fehlende z.B. Zeichnungen, Pläne etc. wurden nicht etwa negativ, sondern überhaupt nicht benotet. Stattdessen wurde – nachdem ein solches Fehlen selbstverständlich die Ursache haben kann, dass das BDA sie als „zur anschaulichen Darstellung“ nicht „notwendig“ erachtet und daher nicht mit dem Bericht publiziert hat – entsprechend vermerkt, dass die betreffende Art von Dokumentationsmaterial fehlt.

Negativ (also mit „nicht genügend“) beurteilt wurden alle Berichte sowie einzelnen Dokumentationsmaterialien, die entweder völlig unverständlich (z.B. Pläne, Zeichnungen oder Fotos, auf denen für den außenstehenden Betrachter nicht zu erkennen ist, was dargestellt sein soll; völlig inkohärente Berichte, anhand derer sich nicht verstehen lässt, welche archäologischen Hinterlassenschaften mit welchem Ergebnis untersucht wurden) oder so unvollständig waren, dass der Leser bzw. Betrachter nach Lektüre des Berichts bzw. Betrachtung der Dokumentationsunterlagen nicht weiß, ob überhaupt etwas bzw. was bei der betreffenden Maßnahme entdeckt und untersucht wurde.

Mit „genügend“ beurteilt wurden alle Berichte und beiliegenden Arten von Dokumentationsmaterialen, anhand derer sich zwar grob erkennen ließ, worum es im betreffenden Bericht ging bzw. was dokumentiert worden war, aber die aus irgendeinem Grund grob mangelhaft waren (z.B. Pläne ohne Maßstab, Nordpfeil, Legende und lesbarer Beschriftung, aus denen sich aber dennoch grob erkennen lässt, was auf ihnen dargestellt werden sollte).

Mit „befriedigend“ beurteilt wurden alle Berichte und beiliegenden Arten von Dokumentationsmaterialen, die grundsätzlich verständlich waren und nur geringe Schwächen aufwiesen (z.B. Pläne ohne Legende, die aber ansonsten lesbar sind).

Mit „gut“ beurteilt wurden alle Berichte und beiliegenden Arten von Dokumentationsmaterialen, die sowohl klar verständlich als auch technisch einwandfrei waren, aber noch ausbaufähig erschienen (z.B. die dabei dokumentierten archäologischen Überreste noch detaillierter darstellen bzw. auswerten hätten können).

Mit „sehr gut“ beurteilt wurden alle Berichte und beiliegenden Arten von Dokumentationsmaterialen, die nicht nur die Kriterien für eine „gute“ Beurteilung erfüllten, sondern besonders übersichtlich, vollständig und gut nachvollziehbar argumentiert erschienen bzw. in einer Weise gestaltet waren, durch die entdeckte archäologische Überreste auch für interessierte Laien nachvollziehbar waren.  

Wie jede Art der Qualitätsbeurteilung von wissenschaftlichen Dokumentationen und Argumenten ist die vorgenommene Beurteilung bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Dadurch, dass teilweise Berichte von beiden mit der Beurteilung beauftragten Kolleg*innen unabhängig voneinander beurteilt wurden und dabei die Abweichung in der Beurteilung in keinem Fall mehr als 1 Schulnote betragen hat, wurde jedoch sichergestellt, dass nicht die Vorurteile der Beurteilenden die Notenvergabe übermäßig prägten. Zusätzlich wurden nach Abschluss der Bewertung durch die beiden von mir beauftragten Kolleg*innen auch noch stichprobenartig etwa 5% aller beurteilten Berichte von mir selbst exakt gelesen und nach denselben Kriterien beurteilt, auch die von mir vergebenen Noten sind in keinem Fall mehr als eine Schulnote von den von den Kolleg*innen vergebenen Noten abgewichen. Wo es solche Abweichungen zwischen den von den von mir beauftragten Kolleg*innen und den von mir vergebenen Noten gab, sind die von mir vergebenen Noten regelhaft schlechter ausgefallen als deren. Der folgenden Auswertung liegen ausschließlich die von den von mir beauftragten Kolleg*innen vergebenen Noten zugrunde, die ich unverändert übernommen habe (auch wo ich sie für zu großzügig gehalten habe).

Erst nach Abschluss des Beurteilungsprozesses wurde ein*e Kolleg*in beauftragt, in einem dritten Schritt zu jedem Eintrag im Beurteilungsformular die jeweiligen Berichtsautor*innen sowie, soweit aus den FÖ ermittelbar, deren dienstgebende Organisation hinzuzufügen. Abschließend wurden jene danach noch fehlenden dienstgebenden Organisationen von Berichtserstautor*innen von mir ergänzt, die mir aufgrund persönlicher Kenntnis der betreffenden Individuen bekannt waren. Das war allerdings nur bei einigen wenigen Berichtserstautor*innen der Fall. Danach verblieben nur 28 von 537 beurteilten Berichten, deren Erstautor*innen keiner Organisation zugeordnet werden konnten.

Vorgehensweise bei der Auswertung

In der folgenden Auswertung wurde jeder beurteilte Bericht für die Ermittlung von Durchschnittsnoten jeweils entsprechend dem wissenschaftlichen Usus, dass Erstautor*innen für Inhalt und Gestaltung des betreffenden Forschungsberichts hauptverantwortlich sind, einzelnen Individuen und deren dienstgebenden Organisationen über die Hauptautor*innenschaft zugeordnet. Dadurch wurde eine Mehrfachzählung von Berichten mit mehreren, bei der selben Organisation beschäftigten, Autor*innen und eine damit eventuell verursachte Ergebnisverzerrung ausgeschlossen.

Alle Individuen und Organisationen wurden für die Auswertung wieder so weit als möglich anonymisiert. Diese Anonymisierung ist allerdings bei Organisationen nicht immer wirklich möglich. Das ist einerseits so, weil es sich bei zwei der vertretenen Organisationen um die jeweils einzigen im Berichtsjahr tätigen Institutionen ihrer Art handelt, nämlich um das BDA sowie das Weltkulturerbe Pfahlbau. Andererseits ist eine Privatorganisation anhand der Tatsache, dass mit 144 ihr zuordenbaren Berichten 2015 mehr als vier Mal so viele Berichte von dieser als von jeder anderen berichterstattenden Organisation verfasst wurden, für jeden, der den österreichischen Grabungsmarkt auch nur entfernt kennt, zweifelsfrei als die Firma ARDIG erkennbar.[1] Diese Organisationen werden daher im Auswertungstext, soweit es relevant ist, mit ihrem Namen angesprochen. Alle anderen Organisationen werden hingegen im Text nur mit einer jeweils eine bestimmte Organisation bezeichnenden Nummer genannt. Durchschnittsnoten von Individuen werden generell nur in vollanonymisierter Weise wiedergegeben, um eine Identifizierbarkeit von Einzelpersonen so weit als möglich zu erschweren.

Abb. 1: Farbcodierung der Organisationstypen.
Für die Auswertung wurden alle berichterstattenden Organisationen einem von sieben verschiedenen Typen von Organisationen zugeordnet. Jedem dieser Organisationstypen wurde auch ein Farbcode zugewiesen (Abb. 1), der in den Individuen und Organisationen vergleichenden Diagrammen Verwendung findet. Individuen wurden dabei über ihre dienstgebende Organisation dem entsprechenden Organisationstyp zugeordnet. Individuen, die keiner Organisation zugeordnet werden konnten, werden als dem Organisationstyp „Privatunternehmen“ angehörend gewertet.

Ergebnisse

Abb. 2: Notenverteilung Österreich
(gesamt, n=554).
Das doch recht erfreuliche Gesamtergebnis dieses Beurteilungsprozesses ist, dass die in den FÖ 54, 2015 veröffentlichten Feldforschungsberichte im österreichweiten Durchschnitt mit einer Note von ca. 2,75 beurteilt wurden. Insgesamt wurden ca. 47% aller eingegangenen Berichte mit den Noten 1 (sehr gut) oder 2 (gut), mit ca. 26% etwa ein Viertel mit 3 (befriedigend) und weitere ca. 16% wenigstens mit 4 (genügend) beurteilt; nur ca. 12% wurden mit 5 (nicht genügend) und somit negativ beurteilt (Abb. 2).

Dieses Ergebnis ist zwar nicht ganz so positiv wie die Beurteilung der Richtlinienkonformität der 2013 beim BDA eingegangenen Grabungsberichte (Fürnholzer & Hinterwallner 2014, 29), demzufolge nur 4% so schwer mangelhaft waren, dass sie die Vorgaben der Richtlinien nicht erfüllten. Es ist aber dennoch ein durchaus gutes Ergebnis, denn es bedeutet, dass ungefähr 9 von 10 veröffentlichten Feldforschungsberichten wenigstens so kompetent verfasst wurden, dass sie den gesetzlichen Anforderungen genügen, und in über 2/3 aller Fälle auch eine einigermaßen einwandfreie Nachvollziehbarkeit der Forschungsergebnisse ermöglichen. Dass eine solche Notenverteilung keineswegs selbstverständlich ist, werden wir später noch anhand einiger Beispiele sehen.

Soweit die 178 kurzen Forschungsberichte im gedruckten Teil der FÖ betroffen sind, ist das Ergebnis mit einer Durchschnittsnote von 2,26 sogar noch besser. Diese Kurzberichte („Teil A“, BDA 2018, 36-7) wurden in Hinblick auf ihre Übersichtlichkeit und Verständlichkeit für Durchschnittsbürger beurteilt, da ihr Zweck erkenntlich nicht so sehr die Information der Behörde bzw. der Fachwelt – für diese ist der „Teil B“ (BDA 2018, 38-9) von weitaus größerer Bedeutung – sondern primär die Information der interessierten Öffentlichkeit über archäologische Feldforschungsergebnisse ist. Inwieweit die gedruckten FÖ dafür heute noch ein geeignetes Medium sind oder jemals ein geeignetes Medium waren sei hier dahingestellt.


Abb. 3: Notenverteilung für die
Übersichtlichkeit der Kurzbeiträge ("Teil A")
im gedruckten Teil der FÖ 54, 2015
(n=178 Berichte).
 
Von den Kurzberichten wurden insgesamt ca. 61% als sehr gut (1) oder gut (2), ein weiteres Drittel (ca. 33%) als befriedigend (3) und nur ca. 6% als genügend (4) beurteilt; negativ (5) wurde überhaupt nur 1 Kurzbericht benotet (Abb. 3). Interessierte Laien, die ein gedrucktes Exemplar der FÖ in einer öffentlichen Bibliothek lesen, sind also sicherlich gut bedient, wenn es ihnen darum geht, sich einen Überblick über die signifikanteren archäologischen Feldforschungsergebnisse des betreffenden Jahres in Österreich zu verschaffen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass das BDA offenkundig nur diese 178 Maßnahmenberichte für „wissenschaftlich relevant“ erachtet, die anderen 376 Berichte, die sich nur im digitalen Teil der FÖ befinden, hingegen scheinbar nicht. Diese Bewertung ergibt sich e contrario aus der Tatsache, dass das BDA gesetzlich dazu verpflichtet ist, „sämtliche eingehenden Anzeigen und Berichte […] soweit sie wissenschaftlich relevant sind, im Rahmen eines jährlichen Druckwerkes als übersichtliche Gesamtdokumentation zusammenzufassen“ (§ 11 Abs. 7 DMSG). Nachdem Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung und insbesondere der in ihr geforderten Druckschriftlichkeit offensichtlich ist, die von der zuständigen Bundesbehörde als „wissenschaftlich relevant“ erachteten Fundberichte der interessierten Öffentlichkeit auch tatsächlich zu deren selbstbestimmter (nicht zuletzt wissenschaftlicher) Nutzung in einer Form zur Verfügung zu stellen, die auch für den Durchschnittsbürger zugänglich ist, z.B. in öffentlichen Bibliotheken, statt bei der Behörde direkt nach allfällig dort aufliegenden Informationen anfragen zu müssen, folgt aus der Nichtaufnahme eines Berichts in den druckschriftlich veröffentlichten Teil der FÖ, dass es ihm an der erforderlichen wissenschaftlichen Relevanz für die druckschriftliche Veröffentlichung mangelt.

Qualitätsverteilung nach Bundesland

Die Qualität der Fundberichte ist allerdings nicht österreichweit konsistent, sondern unterscheidet sich, wie erwartet, sowohl räumlich als auch in anderen Aspekten.

Abb. 4: Verteilung der auswertbaren Berichte
auf die einzelnen Bundesländer (n=554 Berichte).
Im Bundesländervergleich gibt es zum Beispiel deutliche Unterschiede in der durchschnittlichen Qualität der in verschiedenen Bundesländern eingegangenen Feldforschungsberichte. Dabei ist allerdings zuerst einmal zu bemerken, dass die Anzahl der veröffentlichten Berichte ebenso wie die Anzahl der in jedem einzelnen Bundesland durchgeführten Maßnahmen stark variiert. In unserer Stichprobe, den FÖ 54, 2015, stammten mit 270 etwa die Hälfte aller auswertbaren Berichte aus Niederösterreich, während jeweils gerade nur etwa 3% aller Berichte aus dem Burgenland und Kärnten stammten (Abb. 4).

Abb. 5: Durchschnittsnoten der Bundesländer
im Vergleich (n=554 Berichte).
Diese Unterschiede in der Stichprobengröße könnten tatsächlich wenigstens teilweise erklären, weshalb bei der Durchschnittsnote das Burgenland und Kärnten am stärksten vom Österreichdurchschnitt abweichen: mit einer Durchschnittsnote von 3,56 (bei 16 auswertbaren Berichten) ist das Burgenland das Bundesland mit der mit Abstand schlechtesten Note, während Kärnten mit 2,05 (bei 19 auswertbaren Berichten) mit Abstand das bestbenotete Bundesland ist. Bei den beiden anderen Bundesländern, deren Notendurchschnitt deutlich vom österreichweiten Schnitt abweichen, ist jedoch eine Verzerrung aufgrund der kleinen Stichprobengröße nicht mehr besonders wahrscheinlich: Salzburg kommt (bei 51 auswertbaren Berichten) auf eine Durchschnittsnote von 3,24 und weicht damit deutlich negativ von österreichweiten Durchschnitt von 2,75 ab, während Tirol (bei 38 beurteilbaren Berichten) auf eine Durchschnittsnote von 2,34 kommt und damit die immer noch mit deutlichem Abstand zum sonstigen Durchschnitt zweitbeste Note erreicht (Abb. 5).

Abb. 6: Notenprofile der Bundesländer
im Vergleich (n=554 Berichte).
Wodurch diese Unterschiede verursacht werden, lässt sich zwar nicht feststellen, sie sind allerdings durchaus signifikant, was noch deutlicher wird, wenn man sich die Notenverteilungen in den verschiedenen Bundesländern im Vergleich ansieht. Dabei zeigt sich, dass im Burgenland beinahe 2/3 aller Berichte mit der Note 4 (56%) oder 5 (6%) und in Salzburg immer noch etwa die Hälfte aller Berichte mit 4 (22%) oder – die höchste Negativquote österreichweit – mit 5 (29%) beurteilt wurden. Im Gegensatz dazu entfallen in Kärnten über drei Viertel aller Noten auf 1 (32%) und 2 (47%) und in Tirol immer noch mehr als die Hälfte auf – die österreichweit höchste Quote – 1 (37%) und 2 (21%). Beachtenswert ist aber auch, dass es auch in einigen anderen Bundesländern recht hohe Negativquoten gab, so z.B. in Vorarlberg (23%) und Niederösterreich (11%), die aber durch eine recht gute Qualität der anderen Fundberichte aufgewogen wurde (Abb. 6).

Qualitätsverteilung nach Organisationstypen

Abb. 7: Durchschnittsnoten-
vergleich alle berichterstattenden
Organisationen (n=509 Berichte).
Unterschiede in der Qualität der abgegebenen Forschungsberichte finden sich aber auch zwischen den verschiedenen Organisationen, deren Mitarbeiter*innen solche Berichte verfassen, und auch zwischen Organisationen unterschiedlicher Typen (für die in dieser Studie verwendeten Typen von Organisationen und die auf den entsprechenden Diagrammen in diesem und dem nächsten Abschnitt verwendeten Farbcodierungen siehe Abb. 1). Wie auf Abb. 7 erkennbar ist, variiert die Durchschnittsnote für die auswertbaren Berichte jeder der insgesamt 61 in dieser Studie beurteilten Organisationen von 1,0 bis 5,0, wobei die Durchschnittsnote von 18 Organisationen zwischen 1,00 und 2,00 liegt, von 24 Organisationen zwischen 2,01 und 3,00, von 13 Organisationen zwischen 3,01 und 4,00 und von 8 Organisationen zwischen 4,01 und 5,00. Etwas über 2/3 der berichterstattenden Organisationen geben also überwiegend besser als befriedigende Berichte ab, etwas weniger als 1/3 schlechter als befriedigende Berichte.

Allerdings ist hierbei zu bedenken, dass ziemlich genau zwei Drittel aller berichterstattenden Organisationen im Berichtsjahr 2015 nur sehr wenige Berichte erstattet haben, viele davon sogar nur einen einzigen. Dies verzerrt in der Gesamtdarstellung die Ergebnisse dieser Untersuchung signifikant. Tatsächlich ist es so, dass viele (aber nicht alle) der genau auf eine Schulnote fallenden Durchschnittsnoten die Note für einen einzigen abgegebenen Bericht sind, insbesondere am positiven und negativen Ende der Skala.

Abb. 8: Vergleich der Durchschnittsnoten
der Organisationen, die wenigstens
5 Berichte in FÖ 54, 2015
veröffentlicht haben.
Um diese Verzerrung durch einzelne Berichte auszuschließen, erscheint es angebracht, nur die Durchschnittsnoten jener 21 Organisationen miteinander zu vergleichen, die im Berichtsjahr 2015 wenigstens 5 Berichte abgegeben haben (Abb. 8). Dadurch scheiden zwar Organisationen bestimmter Typen aus der vergleichenden Bewertung aus – so z.B. das Weltkulturerbe Pfahlbau, die verschiedenen (Einrichtungen von) Akademien der Wissenschaften und berichterstattende Laienorganisationen, dafür wird allerdings die ungleiche Verteilung der Durchschnittsnoten viel deutlicher.

Bei diesem Vergleich der produktiveren Organisationen zeigt sich nämlich, dass etwa 14% Durchschnittsnoten im Bereich zwischen 1,00 und 2,00 erreichen, wobei insbesondere Inst.Nr. 52 mit einer Durchschnittsnote von 1,50 bei 14 abgegebenen Berichten positiv hervorsticht. Diesen besonders guten Berichterstattern, die allesamt Privatunternehmen sind, folgt eine große Gruppe (insgesamt ca. 67%) von produktiveren Organisationen, die Durchschnittsnoten im Bereich zwischen 2,01 und 3,00 erreichen. Auch diese Organisationen sind überwiegend Privatunternehmen, darunter alle der produktivsten, sowie alle produktiveren Universitäten und Forschungseinrichtungen, Museen der Gebietskörperschaften und Stadtarchäologien. Der schon eingangs genannte Marktführer, die Firma ARDIG, erreicht z.B. bei 144 veröffentlichten Berichten eine Durchschnittsnote von 2,33 und rangiert damit im obersten Drittel aller produktiveren Organisationen, was die Qualität der abgelieferten Grabungsberichte betrifft, aber auch alle größeren Konkurrenzunternehmen liefern durchschnittlich fast genau so gute Grabungsberichte ab. Grosso modo muss man sich also über die Qualität der Berichte von „privaten Grabungsfirmen“ in Österreich keine Sorgen machen. Überhaupt ist dieses Ergebnis als durchaus positiv zu betrachten: immerhin sind die Grabungsberichte von über 80%, und vor allem die der produktivsten archäologischen Organisationen in Österreich, durchschnittlich besser als befriedigend.

Im Bereich zwischen durchschnittlich befriedigenden und genügenden Feldforschungsberichten liegen nur drei der Organisationen, die 2015 wenigstens 5 Berichte abgeliefert haben, wobei zwei davon durchschnittlich näher am Befriedigend als am Genügend liegen. Dabei handelt es sich ebenfalls um drei private Grabungsunternehmen, die etwa gleich viele Berichte verfasst haben wie die drei privaten Grabungsunternehmen, die die besten Ergebnisse erzielt haben.

Weit abgeschlagen von allen anderen folgt schließlich am negativen Ende der Skala bloß eine einzige produktivere archäologische Organisation, nämlich mit einer Durchschnittsnote von 4,58 bei 31 beurteilten Berichten das Bundesdenkmalamt selbst. Dieses Ergebnis ist umso erschreckender, als von den von Mitarbeiter*innen des BDA abgegebenen Feldforschungsberichten gerade einmal einer (3%) als gut (2), nur ein weiterer (3%) als befriedigend (3), 8 (26%) als genügend (4) und volle 21 (68%) als nicht genügend (5) beurteilt wurden (Abb. 9).

Abb. 9: Notenverteilung nach Organisationstyp (n=537 Berichte).

Abb. 10: Durchschnittsnoten nach
Organisationstyp für Organisationstypen
mit mehr als 30 Berichten in FÖ 54, 2015
(n=524 Berichte).
Eine auch nur annähernd gleich schlechte Notenverteilung findet sich bei keinem einzigen anderen Organisationstyp, was sich auch in den Durchschnittsnoten per Organisationstyp niederschlägt (Abb. 10). Hier liegen archäologische Privatunternehmen mit Durchschnittsnote 2,59 deutlich unter dem Österreichdurchschnitt von 2,75, während sich Universitäten und Forschungseinrichtungen mit Durchschnittsnote 2,82 und Museen der Gebietskörperschaften und Stadtarchäologien mit Durchschnittsnote 2,88 nur knapp über der gesamtösterreichischen Durchschnittsnote liegen.

Auch was negativ beurteilte Berichte betrifft, unterscheiden sich diese anderen Organisationen drastisch vom BDA. Überhaupt nur 1 einziger Bericht (2%) von Museen und Stadtarchäologien wurde negativ beurteilt, und auch nur ca. 8% (30 von 395) der Berichte von Privatunternehmen waren negativ (und diese entfielen zu mehr als der Hälfte auf Ausgräber ohne erkennbare institutionelle Anbindung, die nur einen einzigen oder maximal eine Handvoll von Berichten abgegeben hatten). Einzig bei den Universitäten ist ein bedeutenderer Anteil von ca. 16% (9 von 56) der Berichte mit 5 (nicht genügend) beurteilt worden, wobei besonders darauf hinzuweisen ist, dass die schlechter benoteten Berichte nahezu ausschließlich von Universitätsprofessor*innen oder vergleichbar hochrangigem Personal stammen, während die überwiegende Mehrheit der 23%  (13 von 56) mit 1 (sehr gut) beurteilten Berichte von studentischen oder niederrangigen Mitarbeiter*innen von Universitäten und Forschungseinrichtungen verfasst wurde.

Die Ergebnisse dieses Vergleichs der Berichtsqualität verschiedener Organisationen sind außerordentlich bedenklich: wenn gerade die von Mitarbeiter*innen des BDA verfassten Berichte in den FÖ so massiv negativ vom österreichischen Durchschnitt abweichen, ja die Berichte dieser Mitarbeiter*innen des BDA mehrheitlich negativ zu beurteilen sind, stellt das die fachliche Kompetenz der Betreffenden zur Erfüllung ihrer  dienstlichen Aufgaben gravierend in Frage. Schließlich sind diese Mitarbeiter*innen des BDA in Genehmigungsverfahren gem. § 11 DMSG als Amtssachverständige dazu berufen, über die Wissenschaftlichkeit der in den Anträgen beschriebenen Vorgehensweisen zu urteilen. Gleichermaßen sind es gerade diese als Amtssachverständigen tätigen Archäolog*innen, die die eingehenden Berichte ihrer nicht beim BDA tätigen Kolleg*innen kontrollieren und gegebenenfalls auch Nachforderungen stellen; ja ihren Kolleg*innen eventuell sogar die Erteilung weiterer Genehmigungen gem. § 11 DMSG verweigern, wenn sie diesen Aufforderungen nicht nachkommen (Fürnholzer & Hinterwallner 2014, 29). Dass gerade jene, die selbst signifikant schlechtere Berichte als nahezu alle ihre nicht beim Amt beschäftigten Kolleg*innen vorlegen, die offenkundig im Amt auch nicht einmal einer internen Qualitätskontrolle unterzogen werden, die Qualität der Arbeitsleistungen dieser offensichtlich weit kompetenteren Kolleg*innen kontrollieren sollen, wirkt einigermaßen absurd, fügt sich allerdings nahtlos in ein Bild grassierender Inkompetenz in dieser Bundesbehörde (siehe dazu Karl 2021) ein.

Qualitätsverteilung individueller Berichterstatter

Abb. 11: Vergleich der
Durchschnittsnoten
der Berichterstatter.

Kompetenzunterschiede zeigen sich auch deutlich bei der Betrachtung des Berichtswesens auf der Ebene der berichterstattenden Individuen, d.h. der Erstautor*innen der verschiedenen Feldforschungsberichte.

Insgesamt konnten Berichte von 161 individuellen Autor*innen beurteilt werden, deren Durchschnittsnoten nicht anders als bei den Organisationen zwischen 1,00 und 5,00 variieren (Abb. 11), wobei hier natürlich noch mehr als bei den Organisationen zu bedenken ist, dass viele Autor*innen tatsächlich überhaupt im Jahr 2015 nur einen Bericht abgegeben haben, d.h. ihre Durchschnittsnote der Note für ihren einzigen abgegebenen Bericht entspricht. Daher kommt es auch hier zu einer deutlichen Verzerrung der Ergebnisse, die insbesondere bei den 1,00 und 5,00-Beurteilungen zu Buche schlägt.

Auch hier ist es daher angebracht, nur die Ergebnisse jener Individuen miteinander zu vergleichen, die wenigstens 5 Berichte im untersuchten Band 54 der FÖ für das Jahr 2015 veröffentlicht haben. Dabei handelt es sich um 32 Individuen oder ziemlich genau ein Fünftel aller Berichtserstautor*innen.

Abb. 12: Individuelle Durchschnittsnoten
von Erstautor*innen mit wenigstens 5
veröffentlichten Berichten in FÖ 54, 2015.
Von diesen erreichen 8 (25%) eine Durchschnittsnote zwischen 1,00 und 2,00, wobei zwei, Individuen 9 und 35, bei jeweils 5 veröffentlichten Berichten die beeindruckende Durchschnittsnote von 1,40 erreichen konnten (Abb. 12). Diese 8 „Spitzenautor*innen“ sind allesamt im Bereich der privatwirtschaftlichen Archäologie beschäftigt gewesen. Weitere 15 Individuen (47%) erreichten eine Durchschnittsnote zwischen 2,01 und 3,00. Auch von diesen sind 13 aus dem privatwirtschaftlichen Bereich, hinzu kommen ein produktiver Mitarbeiter einer Forschungseinrichtung und ein ebenfalls produktiver Mitarbeiter einer Stadtarchäologie, die jeweils eine Durchschnittsnote von 2,25 bei 12 bzw. 8 veröffentlichten Berichten erreichten. Weitere 6 (19%) produktive Erstautor*innen haben weniger beeindruckende Durchschnittsnoten zwischen 3,01 und 4,00 erreicht, wobei zwei Drittel davon näher am Befriedigend (3) als am Genügend (4) liegen; alle 6 stammen aus dem Bereich der privatwirtschaftlichen Archäologie. Schließlich finden sich 3 (9%) produktivere Autor*innen mit ihrer jeweiligen Durchschnittsnote im Bereich zwischen 4,01 und 5,00. Von den Letzteren ist eine*r Mitarbeiter*in eines archäologischen Privatunternehmens mit einer Durchschnittsnote von 4,29 bei 7 veröffentlichten Berichten. Das Schlusslicht der Tabelle bilden aber zwei produktive Mitarbeiter*innen des BDA, die bei jeweils über 10 Berichten auf Durchschnittsnoten von 4,50 bzw. 4,60 kommen, indem sie jeweils mehrheitlich negativ beurteilte Berichte verfasst haben.

Dass die angebliche Qualitätskontrolle der eingehenden Berichte durch das BDA irgendeine nennenswerte Auswirkung hat, oder die durch die Richtlinien (BDA 2018) angeblich herbeigeführte Standardisierung der Grabungs- und Berichtsprozesse tatsächlich irgendeine Verbesserung der Berichtsqualität gebracht hat, muss in Anbetracht dieser Ergebnisse doch stark bezweifelt werden. Vielmehr scheint es so zu sein, dass alle Erstautor*innen, wie wohl schon immer, ihre Feldforschungsberichte so gut verfassen, wie sie es unter den äußeren (z.B. sonstige Arbeitsbelastung) und inneren Umständen (z.B. Interesse für und Kenntnis der Archäologie der Periode, aus der die erforschte Fundstelle stammt) der Berichtserstellung können; und so scheinen diese Berichte dann auch veröffentlicht zu werden.

Qualität beizulegender Dokumentationsmaterialien

Dass keine seriöse Qualitätskontrolle bzw. Nachbesserung von eingesandten Feldforschungsberichten erfolgt, ergibt sich auch aus den gem. § 11 Abs. 6 DMSG den „umfassenden Berichten“ beizulegenden, für eine anschauliche Darstellung „notwendigen Zeichnungen, Plänen, Fotos und sonstigem Dokumentationsmaterial“, die dann wohl auch mit den Berichten in der zusammenfassenden Gesamtdarstellung gem. § 11 Abs. 7 zu veröffentlichen sind. Diese fehlen nämlich bei zahlreichen Berichten, was nicht immer zu deren Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit beiträgt, und sie sind, auch wenn sie vorhanden sind, nicht immer von ausreichender Qualität um wirklich nützlich zu sein.

Generell enthalten ca. 76% der Feldforschungsberichte Pläne und ca. 83% Fotos, die zur Illustration der im Text des jeweiligen Berichts dargestellten archäologischen Beobachtungen und Erkenntnisse dienen. Sonstige Dokumentationsmaterialien – in erster Linie Tabellen mit Daten verschiedener Art – sind in 47% aller Berichte enthalten, während Zeichnungen nur ca. 5 % aller Berichte angeschlossen sind (Abb. 13). Beigefügte Unterlagen der genannten Arten fehlen dabei – wenig überraschend – vor allem bei schlecht oder negativ beurteilten Beiträgen weitestgehend oder vollständig, d.h. es wird einigermaßen eindeutig auch der gesetzlichen Verpflichtung des § 11 Abs. 6 DMSG nicht Genüge getan. Dass das BDA nichts unternommen zu haben scheint, dass solche Mängel in den abgegebenen und veröffentlichten Berichten vor deren Veröffentlichung behoben wurden, ist vielleicht am ehesten damit zu erklären, dass etwa ein Drittel (21 von 64) aller im Jahr 2015 negativ beurteilten Berichte von Mitarbeiter*innen des BDA verfasst wurden.

Abb. 13: Qualität von Berichten gem. § 11 Abs. 6 DMSG beizulegender Dokumentationsmaterialien (n=541 Berichte).

Wo solche für die anschauliche Darstellung notwendigen Dokumentationsunterlagen Feldforschungsberichten angeschlossen wurden, sind diese generell nahezu durchgehend von recht guter Qualität. Zwar sind nur 28 Berichten Zeichnungen angeschlossen gewesen, von denen waren aber keine von schlechterer als befriedigender Qualität, mehr als die Hälfte (54%) sogar von sehr guter. Bei den 256 Berichten, die sonstige Dokumentationsmaterialien beinhalteten, verhält es sich ähnlich, hier waren 99% der vorgelegten Materialien wenigstens von befriedigender oder besserer Qualität, immerhin ca. 30% davon sogar sehr gut, nur in 2 Fällen (<1%) wurden beiliegende sonstige Materialien negativ beurteilt. 409 Berichten waren Pläne beigefügt, auch hier waren ca. 97% von wenigstens befriedigender Qualität, 31% sogar sehr gut; und nur in 3 Fällen (<1%) Pläne derart unbrauchbar, dass sie negativ beurteilt werden mussten. Bei den 451 mit Fotos illustrierten Berichten schließlich  waren in 92% aller Fälle die beigefügten Fotos von wenigstens befriedigender Qualität, 28% sogar von sehr guter; und nur in einem einzigen Fall (<1%) war die Fotoqualität negativ zu beurteilen. Wenn also einem Bericht zusätzliche Dokumentationsunterlagen beiliegen, dann ist an diesen gewöhnlich nichts Signifikantes zu beanstanden.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Im Großen und Ganzen erbrachte die Beurteilung aller im Band 54 der Fundberichte aus Österreich für das Jahr 2015 veröffentlichten Grabungs- und Prospektionsberichte ein durchaus positives Ergebnis. Die Qualität dieser Berichte ist österreichweit durchschnittlich mit 2,75 im Bereich zwischen Gut (2) und Befriedigend (3) anzusiedeln und somit ausreichend, um mit der Mehrheit der Berichte produktiv weiterarbeiten zu können. Nur etwa jeder zehnte Bericht (12% der Stichprobe) ist von derart schlechter Qualität, dass er als für die weitere Verwendung weitgehend unbrauchbar angesehen werden muss. Dafür ist beinahe die Hälfte aller Berichte von sehr guter (17%) oder guter Qualität (30%). Rechnet man die Berichte von Mitarbeiter*innen des BDA aus der Stichprobe heraus, verbessert sich die durchschnittliche Qualität der sonstigen Berichte noch einmal signifikant, die Durchschnittsgesamtnote verbessert sich in diesem Fall auf 2,62, der Anteil sehr guter Berichte steigt auf 18%, der guter auf 32%, und der befriedigender (von 26%) auf 28%, während der negativ zu beurteilender Berichte (von 12%) auf nur 8% der Stichprobe fällt.

Besonders beachtenswert ist, dass es insbesondere die privaten archäologischen Dienstleister sind, die überdurchschnittliche viele Berichte guter und sehr guter Qualität produziert haben. Dieser Sektor im archäologischen Feldforschungswesen erreicht eine Durchschnittsnote von 2,59. Ebenfalls recht gut abgeschnitten haben einerseits Universitäten und Forschungseinrichtungen mit einer Durchschnittsnote von 2,82 und Einrichtungen von Gebietskörperschaften wie Museen und Stadtarchäologien mit einer Durchschnittsnote von 2,88, die damit nur geringfügig schlechtere Berichte abliefern als private Dienstleister. Beachtenswert ist hier allerdings, dass es, gerade im Bereich der Universitäten und Forschungseinrichtungen, insbesondere studentische und niederrangige Mitarbeiter*innen sind, die gute und sehr gute Forschungsberichte abliefern, während schlechte oder gar negativ zu beurteilende Berichte in erster Linie aus der Feder von hochrangigeren Mitarbeiter*innen wie Professor*innen stammen.

Unterschiedliche Durchschnittsnoten für Berichte aus verschiedenen Bundesländern lassen sich eventuell teilweise durch zu kleine Samples erklären, sind aber dennoch sicherlich auch bis zu einem gewissen Grad signifikant. Im Vergleich sind die Feldforschungsberichte aus Kärnten (Durchschnittsnote 2,05) und Tirol (Durchschnittsnote 2,34) überdurchschnittlich gut, während die aus Salzburg (Durchschnittsnote 3,24) und aus dem Burgenland (Durchschnittsnote 3,56) überdurchschnittlich schlecht sind. Was die Ursachen für derartige räumliche Unterschiede in der Berichtsqualität sind, konnte in dieser Studie nicht ermittelt werden, wäre aber eventuell ein interessantes Thema für eine Folgeuntersuchung.

Vom allgemein recht positiven Bild bezüglich der Forschungsberichtsqualität weicht einzig eine Organisation, die 2015 recht viele Feldforschungsmaßnahmen durchgeführt hat, deutlich ab. Bedenklicher- und bedauerlicherweise ist diese Organisation, deren Berichte nur eine Durchschnittsnote von 4,58 erreichen, von deren Berichten zwei Drittel negativ beurteilt wurden und von der etwa ein Drittel aller negativ beurteilten Berichte im Band 54, 2015 der FÖ verfasst wurden, das BDA selbst, also die staatliche Behörde, die eigentlich dafür verantwortlich ist, die Qualität der  Erforschung von Denkmalen sicherzustellen und die Qualität der Berichte über die Entdeckung und Untersuchung von Denkmalen zu überprüfen. Wenigstens die interne Qualitätskontrolle im BDA – das von den Berichtspflichten des § 11 Abs. 6 DMSG nicht ausgenommen ist und durch Abs. 7 auch zur adäquaten Veröffentlichung seiner eigenen Forschungsergebnisse verpflichtet ist – scheint daher völlig zu versagen; und die erschreckend schlechten Berichte der Mitarbeiter*innen des BDA erwecken auch nicht unbedingt Vertrauen in die Kompetenz der zuständigen Fachabteilung dieser Behörde zur sachgerechten Kontrolle der Qualität der Nachforschungen und Berichtslegung durch ihre durchschnittlich weit besser als die „Qualitätsprüfer“ selbst arbeitenden Kolleg*innen.

Zwar lässt sich aus der Qualität von Grabungs- und sonstigen Nachforschungsberichten nur bedingt auf die Qualität der Feldforschungen selbst rückschließen, weil man einerseits wenigstens hypothetisch gesprochen auch gute Berichte über schlechte Grabungen fälschen kann und andererseits auch über gute Grabungen schlechte Berichte schreiben kann. Es lässt sich allerdings dennoch wenigstens im Sinne einer ersten Näherung annehmen, dass die meisten Feldforschungsprojekte, die gut nachvollziehbare, verständliche und durch entsprechende Dokumentationsmaterialien unterstützte Berichte abgegeben haben, auch tatsächlich im Feld sachgerecht und kompetent durchgeführt wurden, während umgekehrt Feldforschungsprojekte, die nicht ausreichend qualitative Berichte abgeliefert haben, um auch nur halbwegs nachvollziehen zu können, was bei diesen Feldforschungen tatsächlich an relevanten Beobachtungen gemacht wurde, wohl auch schon im Feld oft in mangelhafter Qualität durchgeführt worden sein dürften. Dass viele der schlechten Berichte gerade von jenen stammen, die eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen sollten – hochrangige Akademiker*innen und die Beamt*innen der Denkmalschutzbehörde – ist jedenfalls kein gutes Zeichen.

Abschließend ist also festzustellen, dass die meisten in Österreich tätigen Archäolog*innen Fundberichte schreiben können; aber keineswegs unbedingt alle. Unglücklicherweise sind die, die es am schlechtesten zu können scheinen gerade jene, die angeblich die Qualität der Arbeit aller ihrer kompetenteren Kolleg*innen zu beurteilen befugt und berufen sind und deren Richtlinien (BDA 2018) allen anderen in deren Wissenschaftsfreiheit aufhebender Weise vorschreibt, wie sie zu forschen haben. Man sollte in Anbetracht dieser Ergebnisse darüber nachzudenken beginnen, ob es nicht bessere Mittel zur Qualitätskontrolle wissenschaftlicher archäologischer Feldforschung gibt als durch eine staatliche Behörde, deren Mitarbeiter*innen das, was sie kontrollieren sollen, selbst nicht ordentlich können, oder man eine solche Qualitätskontrolle überhaupt braucht, wenn dann die, die sie durchführen, die sind, die mit Abstand am wenigsten die geforderte Leistungsqualität auch selbst erbringen.

Bibliografie

BDA 2018. Richtlinien für archäologische Maßnahmen. 5. Fassung – 1. Jänner 2018. Wien: Bundesdenkmalamt [11.12.2021].

BDA 2021. Fundberichte aus Österreich 58, 2019. Wien: Bundesdenkmalamt.

Fürnholzer, J., Hinterwallner, M. 2014. Evaluierung der archäologischen Maßnahmen 2013 und der 3. Fassung der Richtlinien für archäologische Maßnahmen. Fundberichte aus Österreich 53, 2014, 29-30. Wien: Bundesdenkmalamt.

Karl, R. 2011. Archäologischer Denkmalschutz in Österreich. Praxis – Probleme – Lösungsvorschläge. Wien: Sramek.



[1] Die Dominanz dieser Firma im privaten archäologischen Feldforschungsmarkt ist dabei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es sich bei ihr um die inzwischen unter anderem Namen auftretende Grabungsfirma handelt, die in den 1990ern und 2000ern von Beamt*innen der archäologischen Abteilung des BDA als „Grabungsverein“ geleitet und in extrem marktverzerrender und wohl auch deutlich rechtswidriger Weise massiv begünstigt wurde (siehe dazu Karl 2011, 94-127). Wie sie ihre Marktdominanz erreicht hat, ist allerdings glücklicherweise für die Beurteilung der Qualität der von ihren Mitarbeiter*innen verfassten Feldforschungsberichte irrelevant, weshalb diese dominante Stellung in diesem Beitrag nur dahingehend von Bedeutung ist, als sich diese Firma daher nicht effektiv anonymisieren lässt.

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