Dienstag, 19. Februar 2019

Wie viele Fundmeldungen braucht das Land?


Abstract: In diesem Beitrag zeige ich, dass es nahezu vollkommen gleichgültig ist, wie viele Fundmeldungen pro Jahr durch MetallsucherInnen in Österreich abgegeben werden. Denn MetallsucherInnen in Österreich machen alljährlich so viele Funde, dass es für die professionelle Archäologie völlig unmöglich wäre, mit den eingehenden Fund- und Informationsmassen fertig zu werden, wenn alle davon alle ihre Bodenfunde oder auch nur Funde bedeutenderer archäologischer Gegenstände tatsächlich melden würden. Es ist daher weit weniger die Menge der eingehenden Fundmeldungen als vielmehr die Qualität der Auswahl der ‚richtigen‘, aus archäologisch-wissenschaftlicher und -denkmalpflegerischer Sicht wirklich ‚wichtigen‘ Funde, die ausschlaggebend dafür ist, ob Fundmeldungen wissenschaftlich und denkmalpflegerisch nützlich oder schädlich sind.

Da aber die meisten Finder von Bodenfunden keine ExpertInnen sind, stellt gerade diese notwendige Vorauswahl durch die Finder selbst ein ernsthaftes Problem dar: die FinderInnen können in der Regel derzeit gar nicht wissen, welche Funde sie nun melden sollen und welche nicht; weil wir uns seit Jahrzehnten standhaft weigern, ihnen auf auch nur ansatzweise verständliche Weise mitzuteilen, welche wir gemeldet bekommen wollen und welche nicht. Dies ist ein rein fachintern verursachtes Problem, das auch nur durch die Fachwissenschaft gelöst werden kann: wir müssen uns darauf einigen, was so wichtig ist, dass wir es unbedingt brauchen, und was nicht wichtig genug ist, um derzeit unsere stark beschränkten Ressourcen darauf verschwenden zu können. Wenn wir das Ergebnis dieses fachinternen Bewertungsprozesses dann im Wege von Bestimmungsbüchern mit archäologisch-wissenschaftlichen Wertangaben mit den interessierten Laien teilen, die – ob mit oder ohne Metallsuchgerät – nach Bodenfunden suchen (oder solche auch nur finden), dann werden wir auch viel eher die Fundmeldungen bekommen, die wir wollen und brauchen, weil sie uns etwas nützen.

Das müssen dafür dann nur erstaunlich wenige sein; eben weil es nicht auf die Quantität, sondern die Qualität der durch Meldungen gewonnenen Informationen ankommt. Damit wäre auch die Betreuung eines systematischen Fundmeldesystems – ob nun freiwillig oder gesetzlich vorgeschrieben – nicht allzu aufwändig: geschätzt würden dafür 11 Vollzeitstellen genügen. Ein solches System würde also kein Vermögen kosten, sondern wäre überschaubar.

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The ‚artefact erosion estimation‘-fallacy


Another response to papers by Samuel A. Hardy

Abstract: In this article, I again discuss the attempts by Samuel A. Hardy to ‘estimate’ the ‘cultural harm’ caused by non-professional metal detecting. I already discussed the serious methodological (and arithmetic) flaws in his original paper in an earlier contribution (Karl 2018a), highlighting why the results of his study were unreliable and thus anything but useful. In this contribution, I focus on the even more fundamental conceptual flaws underpinning his research, which lead to his fundamentally flawed methodology. Particularly crucial in this context is that not only do the assumptions he makes for conducting his study directly determine its outcomes, but that most of these assumptions are fundamentally flawed themselves. For instance, in his attempt to compare the different efficacies of different kinds of (more liberal as opposed to more restrictive and prohibitive) regulations of the practice, he only seriously considers to what extent these different systems (may) reduce the number of artefacts extracted ex situ, while neither considering how different regulatory systems affect reporting frequencies of finds made regardless, nor whether retaining the finds in situ will indeed preserve them until they might be recovered by professional excavation. Nor does he consider that artefacts simply retained, entirely unknown, in situ, are not a cultural good whose extraction from there causes ‘cultural harm’, but rather only gain any cultural value they may be assigned when they are extracted and thus become beneficial to humanity.

Perhaps most crucial however, for someone claiming to be interested in improving legal regulation, he shows astonishing disregard for the law, and a serious lack of understanding of what the law aims to achieve. Sadly, not entirely unlike quite a significant segment of other archaeologists, too, he appears to believe that the law, and especially heritage law, is there to allow us to achieve our goal, the (ideally total) protection of the archaeological heritage from anyone other than professional archaeologists. As a consequence, he substitutes his belief as to what the ‘spirit of the law’ should be for what it actually is, which has to be determined not by archaeological (or archaeologists’) bias, but by careful analysis of the intent of the legislator. Using the Austrian Denkmalschutzgesetz (Monuments Protection Law), it is demonstrated how such a careful interpretation is to be done, and why it is essential to undertake it, rather than seeing heritage law as a means which allows archaeologists to advance their own, personal, entirely private interests. This allows to demonstrate that, at least in Austria, it is not necessarily causing ‘cultural harm’ if archaeology is extracted ex situ, and that, indeed, most such extraction activities, including entirely unprofessionally conducted ones aimed at generating private economic profits, must actually be considered to be culturally beneficial and in the public interest.

The crucial lesson to be learned, thus, is that it is not we professional archaeologists who get to define what cultural values and what private actions are in the public interest and serve the greater common good, and not our values which reign absolute. Rather, it is for all citizens alike, via their duly elected representatives in parliament, to define what the cultural values of a particular society are, and what actions are in the public interest and serve the greater common good. Unless we understand that it is not we who are the absolute sovereign in all matters archaeological, but that, as everyone else too, are just one private interest group with particular (and particularly uncommon) interests, whose interests the legislature and the courts must balance with equally justified interests of others, we will never be able to actually advance our interests reasonably, and achieve the most effective protection of our values possible under the law.
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Samstag, 9. Februar 2019

Denkmalschutz durch Industrienorm statt Gesetz?


ÖNORM S 2411
„Identifikation und Bewertung von Risiken im Boden von Liegenschaften“
Abstract: Zwar hat die Republik Österreich die Valletta-Konvention 2015 ratifiziert, die Umsetzung ihrer wichtigsten Bestimmung, die in ihrem Artikel 5 vorgesehene, vollständige Einbindung der Archäologie in den Raum- und Bauplanungsprozess, aber bislang nicht gesetzlich umgesetzt. Eine solche gesetzliche Umsetzung dieser vertraglichen Verpflichtung scheint auch weder geplant noch der dafür notwendige politische Wille vorhanden zu sein. In der Praxis stellt dies insbesondere für die archäologische Denkmalpflege ein gravierendes Problem dar, weil die gesetzlichen Schutzbestimmungen des Denkmalschutzgesetzes erst greifen, wenn bei Erdarbeiten zufällig archäologische Hinterlassenschaften angetroffen werden, die iSd § 8 Abs. 1 DMSG als Bodendenkmale zu betrachten sind. Nachdem deren rechtlich korrekte Behandlung jedoch zu gravierenden Verzögerungen oder sogar dem Scheitern des betroffenen Entwicklungsprojektes führen können und die die Erdarbeiten durchführenden Arbeitskräfte oft genug auch tatsächlich hochsignifikante archäologische Hinterlassenschaften im Erdboden nicht erkennen oder richtig deuten können, wird die angetroffene Archäologie derzeit oft – ob nun vorsätzlich, irrtümlich oder unwissentlich – einfach weggebaggert und damit undokumentiert vernichtet. Wird sie hingegen nicht zerstört, sondern rechtlich korrekt behandelt, entsteht oft signifikanter wirtschaftlicher Schaden.

Um dieses Problem für sowohl die Entwicklungsprojekte planende bzw. diese finanzierende oder versichernde Wirtschaft als auch die archäologische Denkmalpflege so gut als möglich zu lösen, wurde daher nun auf Initiative der Wirtschaft die ÖNORM S 2411 „Identifikation und Bewertung von Risiken im Boden von Liegenschaften“ entwickelt. Diese sieht eine freiwillige, den Vorgaben des Art. 5 der Valletta-Konvention entsprechende, frühzeitige Einbindung der Archäologie in den Raum- und Bauplanungsprozess vor, um allfällige Risiken durch archäologische (und auch andere relevante) Altlasten im Boden präventiv erkennen, bewerten und folglich bei der Planung von Entwicklungsvorhaben sachgerecht berücksichtigen zu können. Dadurch sollen Schäden, sowohl für die Wirtschaft, als auch an archäologischen Hinterlassenschaften, möglichst minimiert oder sogar – falls möglich – gänzlich vermieden werden. Dieser Beitrag diskutiert daher die Probleme, die zur Entwicklung dieser ÖNORM geführt haben und stellt die in ihr normierte Vorgehensweise zur (auch archäologischen) Vorerkennung von Risiken im Boden von Liegenschaften vor.