Sonntag, 8. Juli 2018

Zur Möglichkeit einer vollständig privatisierten archäologischen Denkmalpflege

und warum ich dagegen bin, dies umzusetzen

An verschiedenen Orten ist letzthin zur Sprache gekommen, ob eine vollständig privatisierte archäologische Denkmalpflege möglich, sinnvoll und / oder wünschenswert ist; teilweise, aber nicht nur, weil infolge des devastierenden Rechnungshofberichtes (RH 2017) über das österreichische Bundesdenkmalamt (BDA) von Seiten der österreichischen Politik als eine Möglichkeit der Reaktion auf die Kritik an dieser Behörde auch deren Privatisierung angedacht wurde (siehe z.B. Wiener Zeitung 2017). Eine fachliche Debatte über die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit einer sogenannten „Entstaatlichung“ (Donath 2000) der Denkmalpflege gibt es vor allem in der Baudenkmalpflege, aber auch der archäologischen Denkmalpflege bereits seit längerem (für eine Kurzzusammenfassung mit weiterführenden Literaturverweisen siehe Hofmann 2017, 11-2); wobei die Stimmen, die sich gegen eine Privatisierung aussprechen einigermaßen deutlich zu überwiegen scheinen.[1]



Die Privatisierung der Archäologie

Gleichzeitig scheint in vielen Bereichen der archäologischen Denkmalpflege dieser fachliche, wenngleich auch kaum (allgemein)öffentlich geführte, Meinungsstreit von der gelebten Praxis längst überholt worden zu sein: nahezu überall in Europa ist inzwischen die praktische archäologische (Feld-) Arbeit bei denkmalpflegerisch indizierten archäologischen Prospektions-, Präventions- und Rettungsmaßnahmen (lies für die beiden letzteren nur geringfügig vereinfacht: Ausgrabungen), ja oft sogar bei Erhaltungsmaßnahmen großteils, wenn nicht sogar vollständig, an Privatunternehmen ausgelagert worden. Der Grund dafür ist normalerweise, dass die für die praktische archäologische Denkmalpflege zuständigen (oder sich wenigstens in ihrem eigenen, althergebrachten Selbstverständnis dafür zuständig gefühlt habenden) staatlichen Denkmalpflegebehörden einfach nicht mehr die erforderlichen Personalkapazitäten und wirtschaftlichen Ressourcen hatten, um mit dem Arbeitsanfall in diesem Bereich mithalten zu können.[2]

Nachdem – trotz der inzwischen praktisch flächendeckenden Einführung des aus dem Umweltschutz abgeschauten Verursacherprinzips auch in der archäologischen Denkmalpflege – die politischen Entscheidungsträger der öffentlichen Hand auch nicht das Risiko aufbürden wollen, das zusätzliche Personal im öffentlichen Dienst anzustellen, das zur Befriedigung des (stets stark schwankenden) Bedarfs an archäologischer Arbeitskraft im Bereich der bauplanungs- bzw. baubegleitenden Denkmalpflege erforderlich wäre, war die Privatisierung, wenigstens der archäologischen Feldarbeit, daher (beinahe) die einzige mögliche (und vor allem die am besten zur derzeit vorherrschenden Privatisierungsideologie passende) Alternative. Es lagerte diese Privatisierung schließlich das Personalkostenrisiko, das die politischen Entscheidungsträger nicht der öffentlichen Hand aufbürden wollten, als „Unternehmerrisiko“ (Piffko 2018, 3) an jene Privatpersonen aus, die willens waren, archäologische Dienstleistungsunternehmen zu gründen.[3]

Obgleich es schon einigermaßen lange klar war, dass diese Privatisierung unvermeidlich war bzw. ist,[4] haben sich dennoch viele staatliche Denkmalbehörden mehr oder minder intensiv dagegen gewehrt; manche wehren sich sogar noch bis heute dagegen (vgl. dazu auch Lüth 2017a; b; Piffko 2018, 5). Diachron betrachtet gingen bzw. gehen daher dieser Privatisierung oft verschiedene Versuche von Umgehungslösungen[5] oder akute Krisen voraus, während sich die sich zuständige staatliche Denkmalbehörde, so lange es irgendwie geht, gegen die drohende Privatisierung sperrt (z.B. Schorradt 2016; Faltin 2016). Die Gründe, die dabei von den sich gegen diese Art der Entstaatlichung wehrenden oder sie zu vermeiden versuchenden staatlichen Denkmalbehörden (zumeist nur mündlich) für ihren Widerstand genannt werden, sind neben dem (seinerseits wohl wenigstens teilweise ideologischen) Widerstand gegen die „Unterwerfung unter ein »Diktat der Privatisierung und Ökonomisierung« (Hofmann 2017, 12; vgl. dazu die Verbreitungskarten der deutschen Firmenarchäologie in Lüth 2017a; b) vor allem Qualitätssicherungsgründe, primär zumeist die fachliche Qualität der archäologischen Arbeit, aber manchmal auch die – oft mangelhaften und manchmal geradezu problematischen – Arbeitsbedingungen betreffend (Piffko 2018, 2-4).

Es ist an dieser Stelle wichtig, festzuhalten, dass die diesbezüglichen Befürchtungen, wenigstens soweit ich das aus persönlichen Gesprächen beurteilen kann, in den allermeisten Fällen tatsächlich ernste und nicht nur vorgeschobene sind; auch wenn manchmal die Furcht vor dem Unbekannten (oder wenigstens dem noch nicht Gewohnten), vor Verlust von Kontrolle über, Einfluss auf und Zugang zu den Ergebnissen der archäologischen Feldforschung ebenso wie um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes auch mit eine Rolle dabei spielen, warum dieser Widerstand besteht. Ebenso wichtig ist festzuhalten, dass sie auch – wenigstens teilweise – berechtigt sind, vor allem in den ersten Jahren nach der Systemumstellung von einer nahezu vollständig (von vergleichsweise wenigen universitären und musealen Feldforschungsmaßnahmen einmal abgesehen) amtlichen auf eine überwiegend privatwirtschaftlich operierende denkmalpflegerische Feldarchäologie. Denn nicht nur sind die dadurch neu entstehenden Märkte anfänglich meist weitgehend unreguliert, sondern es gibt in ihnen gewöhnlich auch einen beinharten Verdrängungswettbewerb, weil sie noch jung und daher nicht gut entwickelt sind und viel zu viele junge ArchäologInnen, die nach Abschluss ihres Studiums keinen der begehrten und vergleichsweise sicheren Stellen in Denkmalämtern, Museen oder Universitäten ergattern konnten ihr Glück in der Gründung einer eigenen Archäologiefirma suchen (siehe sinngemäß auch Piffko 2018). Dass diese Befürchtungen in den sich wehrenden Denkmalämtern allerdings oft auch stark übertrieben sind, vor allem wenn sich der Markt, z.B. durch Entstehung von qualitätssichernden Berufsverbänden wie CIfA, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen usw. und auch stabileren Firmenstrukturen (d.h. jenen, die aus dem frühen Verdrängungswettbewerb als Sieger hervorgegangen sind) selbst zu regulieren beginnt und sich damit von einem entstehenden in einen reifen Markt verwandelt, muss ebenso an dieser Stelle festgehalten werden.

Privatisierung und die Selbstsicht der Archäologie

Einen wesentlichen Einfluss auf die Einstellung der Fachwelt zur Frage der Privatisierung hat aber auch die historisch gewachsene Selbstsicht bzw. ‚fachliche Weltanschauung‘ der Archäologie. In diesem Zusammenhang sind einige Aspekte besonders relevant, auf die ich daher auch kurz eingehen möchte.

Wichtig ist hier insbesondere, dass die Archäologie, einen nicht unwesentlichen Teil ihres fachlichen Habitus ihrer Entstehungsgeschichte verdankt. Entstanden ist sie bekanntermaßen in erster Linie aus dem antiquarischen Dilettantismus[6] des Adels und Großbürgertums des (späten) 18. und vor allem 19. Jahrhunderts, d.h. aus einer ‚Freizeitbeschäftigung‘ Angehöriger jener gesellschaftlichen Kreise, die so wohlhabend waren, dass sie einen bedeutenden Anteil ihrer Zeit in ihre Liebhabereien – ihre Hobbys – investieren konnten. Archäologie betrieben diese Dilettanten nicht, um damit Geld zu verdienen, sondern investierten vielmehr (manchmal nicht unbedeutende) Teile ihres aus anderen Quellen stammenden Vermögens in die Archäologie.

Nicht zuletzt deshalb lebt bis heute in der Archäologie die Vorstellung nach, dass Archäologie letztendlich ja doch (heute: ‚nur‘) ein schönes Hobby sei (heute: „das man glücklicherweise zum Beruf habe machen können“; Siegmund & Scherzler 2014, 175); ein Luxus, den man eigentlich für gar nichts braucht; eine Beschäftigung (wie es noch einer meiner Universitätslehrer absolut ernst gemeint ausgedrückt hat) für „Söhne reicher Eltern“. Mit dieser Vorstellung wurde aber – wenigstens teilweise, vielleicht sogar großteils unterbewusst – gleichzeitig auch der Teil des aristokratischen und großbürgerlichen Habitus des 19. Jahrhunderts übernommen, dass man über Geld nicht spricht, sondern es hat; und dass die Entlohnung einer Tätigkeit aus dieser keine standesgemäße Liebhaberei, sondern schändliche Erwerbsarbeit macht.

Deshalb schwingt auch im fachlichen Selbstverständnis seit ihren Anfängen die Vorstellung mit, dass Archäologie eine art pour l’art sei; daher auch nur von den entsprechend kunstsinnigen Mitgliedern des eigenen Standes wirklich geschätzt und verstanden würde (siehe in etwa diesem Sinn auch Bourdieu & Darbel 2006) und auch vor allen anderen – letztendlich unverständigen Banausen, ja nachgerade barbarischen Rüpeln, die nur am schnöden Mammon interessiert sind – geschützt und bewahrt werden müsse. Daraus leiten sich letztendlich auch die hauptsächlichen Feindbilder der (modernen) Archäologie ab: die Raubgräber, die ‚unsere‘ archäologischen ‚Wissensschätze‘ ungeniert zerstören, weil sie in erster Linie oder gar ausschließlich an deren finanziellem und kaum oder gar nicht an deren kulturellem Wert interessiert sind; der Antiken- und Kunsthandel, der aus wirtschaftlicher Profitgier die Raubgräberei finanziert, indem er mit den raubgegrabenen archäologischen Gegenständen handelt, die wir erstens für uns reserviert haben und zweitens als res extra commercium (Weidner 2001) sehen wollen; und schließlich die Bauwirtschaft, die sich für die Archäologie überhaupt nicht interessiert und sie aus wirtschaftlichen Profitmotiven am liebsten einfach wegbaggern dürfen will.

Diese fachliche Selbstsicht und Einschätzung auf wirtschaftlichen Profit orientierter, archäologische Objekte betreffender, wirtschaftlicher Tätigkeiten hat auch inzwischen in fachlichen und professionellen Ethikkodizes einen deutlichen Niederschlag gefunden, die alle das wirtschaftliche Profitieren aus der Zerstörung und dem Handel mit archäologischen Objekten verbieten. So z.B. hält der Code of Practice der European Association of Archaeologists fest: „Archaeologists will not engage in, or allow their names to be associated with, any activity that impacts the archaeological heritage which is carried out for commercial profit which derives directly from or exploits the archaeological heritage itself“ (EAA 2009). Ähnliches liest man im Code of Conduct des Chartered Institute for Archaeologists: „A member shall not knowingly be employed by, or otherwise contract with, an individual or entity where the purpose of the contract is directly to facilitate the excavation and/or recovery of items from archaeological contexts for sale, and where such sale may lead to the irretrievable dispersal of the physical and/or intellectual archive, or where such sale may result in an undispersed archive to which public access is routinely denied” (CIfA 2014, 4). Und auch der Ehrenkodex des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung und der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte besteht im Prinzip auf demselben, wenn er in bestimmten Worten festhält, dass „… die Ziele der Grabung nicht durch die Wünsche etwaiger Sponsoren/innen beeinflusst werden“ (DGUF 2011, 2) dürfen und vor allem „… keine Archäologen/innen in irgendeiner Form für den Kunsthandel tätig werden“ (DGUF 2011, 4) sollen.

Überhaupt betrachtet die archäologische Fachwelt die Archäologie ganz generell als Allgemeingut, d.h. als eine Sache, die stets allen Menschen gemeinsam gehört und daher generell niemals von irgendjemandem für sich allein vereinnahmt – d.h. in anderen Worten niemals privatisiert – werden soll oder gar darf (siehe z.B. Art. 3 der Lausanne-Charter, ICOMOS 1990, 2). Es ist daher also stets jede Form der Privatisierung von Archäologie, insbesondere die zu privaten wirtschaftlichen Profitzwecken, fachideologisch verpönt.

Nun sind aber Privatunternehmen letztendlich auf die Generierung wirtschaftlichen Profits ausgerichtet: der Firmeninhaber, der noch dazu das „Unternehmerrisiko“ (Piffko 2018, 4) trägt und regelhaft auch bedeutende Investitionskosten hatte und hat, will und muss ja auch selbst von irgendetwas leben; und nachdem sein ‚Gehalt‘ letztendlich aus dem Profit kommt, den sein Unternehmen erwirtschaftet, muss sein Unternehmen profitorientiert arbeiten. Daher ist schon selbst die, wie schon oben erwähnt aus gesellschaftspolitischen Gründen unvermeidliche, Durchführung praktischer archäologischer Denkmalpflegemaßnahmen durch private archäologische Dienstleistungsunternehmen, aus fachlicher Sicht inhärent suspekt. Selbst diese Form der Privatisierung von Archäologie reibt sich daher mit der fachlichen Selbstsicht und dem Habitus des Faches, insbesondere im Beamtentum, das seinerseits traditionell eine Domäne des Adels und des Großbürgertums ist.

Denkmalpflege als hoheitliche Tätigkeit und Privatisierung: Theorie

Ist schon die Privatisierung der praktischen archäologisch-denkmalpflegerischen Feldarbeit fachideologisch wenigstens suspekt, ist eine Privatisierung der „öffentliche Belange“ betreffenden „hoheitlichen Aufgaben“ (z.B. Ickerodt 2011, 278-9), die die staatlichen Denkmalbehörden erfüllen, bisher im deutschen Sprachraum noch viel unvorstellbarer. Das ist nicht nur aus fachlicher und denkmalbehördlicher Sicht so, sondern selbst zivilgesellschaftlichen Denkmalpflegeorganisationen wie der österreichischen Initiative Denkmalschutz sind Vorschläge wie die im eingangs genannten Zusammenhang angedachte Ausgliederung des BDA und seine Umwandlung in eine GesmbH (d.h. die Privatisierung der Denkmalbehörde) höchstgradig suspekt: „Wie soll eine GesmbH unbeeinflusste Fachentscheidungen treffen können, wenn diese sich gleichzeitig um externe Aufträge und Geldgeber bemühen muss? Der Anschein einer möglichen Käuflichkeit drängt sich unweigerlich auf.“ (Wiener Zeitung 2017).

Tatsächlich wird derzeit nicht nur in vielen deutschsprachigen Denkmalschutzgesetzen, sondern sogar in (Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG) der österreichischen Bundes- und den meisten deutschen Landesverfassungen (siehe für eine Übersicht Krischok 2016, 181-4) der Denkmalschutz und / oder die Denkmalpflege als Aufgabe des Staates definiert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das historisch gewachsene Verständnis des Denkmalbegriffs unter diesem solche Sachen versteht, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht; wobei dieses öffentliche gegenüber privaten Interessen vom Staat bzw. dessen Behörden vertreten wird. Weil dieses öffentliche Interesse an der Erhaltung der Denkmale besteht, darf der Denkmalschutz, egal ob dieser nun nach dem konstitutiven oder dem deklaratorischen Prinzip (DGUF 2013, 1-2) funktioniert, teilweise massiv (insbesondere, wenn das Gesetz generell nach dem konstitutiven Prinzip funktioniert oder wenigstens Regularien für konstitutiv geschützte Grabungsschutzgebiete im Sinne des Art. 2 (ii) der Valletta-Konvention enthält; Europarat 1992) in private Eigentumsrechte (und teilweise auch andere Grund- und Menschenrechte) eingreifen.

Das scheint eine gänzliche Privatisierung der Denkmalpflege vollständig auszuschließen, weil man kann einen privaten Akteur nicht das öffentliche Interesse vertreten und auf dieser Basis die Rechte anderer beschränken lassen: man kann schließlich nicht davon ausgehen, dass dieser das öffentliche vor seine eigenen privaten oder im Sinne der oben zitierten Befürchtung der Initiative Denkmalschutz vor die Interessen Dritter stellt, die ihn für seine Arbeit bezahlen. Nur der Staat und dessen Behörden scheinen dafür verlässlich genug zu sein, dass man ihnen vertrauen kann, dass sie auch tatsächlich das öffentliche über private Interessen stellen; nicht zuletzt, weil sie ja gerade nicht von Einzelnen, sondern von allen über deren Steuerleistungen bezahlt werden, d.h. in jedem Einzelfall vom konkrete, private Interessen verfolgenden Antragsteller unabhängig sind.

Denkmale als Allgemeingüter

Auch diese Sichtweise beruht aber, wie schon gesagt, auf einem historisch gewachsenen Verständnis, eben dem des Denkmalbegriffes. Dieses sieht – ganz im Sinne des schon in den vorherigen Kapiteln Gesagten – im Denkmal ein Allgemeingut, eben etwas, was allen gleichermaßen ‚gehört‘ und daher im Interesse aller – eben im ‚öffentlichen Interesse‘ – als kollektive Ressource vor partikulären – eben ‚privaten‘ – Einzelinteressen, die zu seiner Zerstörung oder Veränderung führen könnten oder sogar werden, zu schützen und unverändert zu erhalten ist.

Dabei ist allerdings das ‚öffentliche Interesse‘ zumeist nicht mehr als eine gesellschaftspolitische Fiktion: nur in den seltensten Fällen ist es tatsächlich so, dass alle (außer dem einen, der ein anderes, nämlich sein privates, Interesse verfolgen möchte) oder auch nur tatsächlich eine Mehrheit aller, geschweige denn der ganzen ‚Menschheit‘, gleichgerichtete Interessen hat. Interessen sind bekanntlich in (praktisch allen, wenn nicht sogar allen) Bereichen des menschlichen Handelns vielfältig gestreut. Gerade in der (archäologischen) Denkmalpflege ist es so, dass der wertvolle ‚Wissensschatz‘ des einen (oder auch einer mehr oder minder großen Gruppe der Bevölkerung) der alte, unnötige und bloß störende ‚Mist‘ des anderen (oder einer anderen, ebenfalls mehr oder minder großen Gruppe von Menschen) ist; während er für wieder andere (einzelne oder Gruppen von Menschen) ein wirtschaftlich wertvoller ‚Schatz‘ ist, den sie ökonomisch gewinnbringend ausschlachten wollen.

Das eine, allgemeingültige, ‚öffentliche Interesse‘ gibt es also eigentlich nicht; und bislang ist es – gerade in der (archäologischen) Denkmalpflege – auch so, dass sich der Staat und insbesondere seine Denkmalbehörden bestenfalls sehr bedingt, wenn nicht sogar überhaupt nicht, darum kümmern, was ‚die Allgemeinheit‘, oder auch nur eine Mehrheit davon, eigentlich will; d.h. also wenigstens das ‚mehrheitliche öffentliche Interesse‘ ist. Vielmehr verlässt sich der Staat hier ebenfalls auf eine sehr bequeme Fiktion, oder wenigstens eine sehr grobe Vereinfachung der Realität: dass, weil man durch die Erforschung der Denkmale Wissen über die Vergangenheit gewinnen kann, welches man sonst nicht gewinnen könnte, das bekanntermaßen wenigstens einen bedeutenden Teil der Gesellschaft[7] auch tatsächlich interessiert, durch die Erhaltung der Denkmale – letztendlich zum Zwecke ihrer wissenschaftlichen Erforschung (siehe dazu explizit die Einleitung zu und Art. 1 der Lausanne-Charter; ICOMOS 1990, 1-2; sowie die Präambel und Art. 1 (i) der Valletta-Konvention; Europarat 1992) – die Allgemeinheit wenigstens mittelbar durch dessen seiner Gewinnung folgenden Veröffentlichung einen bedeutenden Nutzen haben könnte, der verlustig gehen würde, wenn man die Denkmale nicht schützt.

Daraus folgt dann natürlich auch, dass der Staat – weil er schließlich nicht einfach alle Sachen als Denkmale erhalten kann, weil das das moderne Leben zum Stillstand bringen würde – auf irgendeiner Basis entscheiden muss, ob die Erhaltung einer ganz konkret bestimmten Sache im derart zu verstehenden ‚öffentlichen Interesse‘ gelegen ist oder nicht. Nachdem sich aber dieses ‚öffentliche Interesse‘ in dieser Fiktion aus dem mittelbaren Allgemeinwohlnutzen der wissenschaftlichen Erforschung der Denkmale als historische Quellen ergibt, ist es nicht nur naheliegend, sondern erforderlich, diese Entscheidung auf Basis der wissenschaftlichen Beurteilung des wissenschaftlichen Werts einer Sache als ‚Geschichtsquelle‘ (bzw. Quelle der archäologischen, kunstgeschichtlichen, technikgeschichtlichen, architekturgeschichtlichen, etc. Forschung) zu treffen. Wäre dem nämlich nicht so, würde die gesellschaftspolitische Fiktion des ‚öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale‘ in sich zusammenbrechen.

Der Staat muss unter dieser Fiktion daher auch Fachkräfte aus einschlägigen Wissenschaftsbereichen beschäftigen; denn er bedarf deren Expertise, damit er fachwissenschaftlich hinreichend begründete Entscheidungen darüber treffen kann, welche konkrete Sache nun ein Denkmal ist und welche keines ist. Das scheint aufgrund der Vielzahl und Vielfältigkeit der anfallenden Fälle – wenigstens solange die Politik nicht weitgehend blind einer Privatisierungsideologie folgt und daher prinzipiell davon ausgeht, dass die Privatwirtschaft alles besser macht als staatliche Einrichtungen – am sinnvollsten dadurch erreichbar zu sein, dass der Staat selbst dieses Fachpersonal (ob nun als echte Beamte oder Vertragsbedienstete) anstellt, weil ihn das in der Regel deutlich billiger kommt, als in jedem Einzelfall die erforderliche Fachexpertise extern zuzukaufen. Schon hier besteht allerdings – dazu komme ich gleich noch – eine Privatisierungsmöglichkeit, denn es ist eben nur normalerweise billiger, dieses Personal direkt im öffentlichen Dienst zu beschäftigen als deren Expertise extern zuzukaufen.

Ergebnis davon ist nahezu notwendigerweise ein elitäres und vor allem bevormundendes, obrigkeitsstaatliches System der Denkmalpflege (Karl 2016): ExpertInnen – d.h. in der Archäologie graduierte ArchäologInnen, die selbstverständlich ganz ausgeprägte eigene Interessen in dem denkmalpflegerischen Bereich haben, in dem sie tätig sind, sonst hätten sie schließlich niemals Archäologie studiert – können, in der Praxis weitestgehend unkontrolliert durch eine effektive Dienst- oder gerichtliche Aufsicht (Hoffmann-Axthelm 2000, 12-3; cf. Karl 2018, 13), weitestgehend autokratisch bestimmen, was nun die Denkmale sind, deren Erhaltung im ‚öffentlichen Interesse‘ – das in Wahrheit primär ihr eigenes bzw. ein breiteres fachliches Partikularinteresse ist – gelegen ist und wie mit ihnen umzugehen ist; während alle anderen ausgeschlossen bleiben (Smith 2006, 29-34). Dafür ist dieses System nicht nur historisch gewachsen und steht daher in einer sehr langen Tradition, an die man sich auch schon sehr schön gewöhnt hat, sondern ist auch aus administrativer Sicht für den Staat, dessen Behörden und die in letzteren tätigen Fachleute sehr bequem und auch sehr effizient: Entscheidungen können schließlich sehr rasch und einfach getroffen werden, weil alles was man tun muss ist, den zuständigen Experten im Haus zu fragen und auf Basis von dessen Expertenmeinung zu entscheiden. Denn die Allgemeinheit, in deren Interesse das alles angeblich passiert, hat schließlich keine, schon gar keine geeinte, Stimme und kann sich daher auch gar nicht wehren.

Denkmale als Kollektivgüter

Man kann jedoch den Denkmalbegriff – in gewissem Sinn ‚moderner‘, wenn auch in Wirklichkeit dem Ursprung des modernen Denkmalschutzgedankens im dilettantischen Antiquarismus des 18. und 19. Jahrhunderts viel näher stehender – auch ganz anders und Denkmale nicht als Allgemein-, sondern als Kollektivgüter verstehen; ein Gedanke der insbesondere auch in der Faro-Konvention (Europarat 2005) seinen Ausdruck findet. Im Unterschied zum Allgemeingut, mit dem eben – meist angeblich – im Interesse aller irgendetwas geschehen soll (wie erhalten und gepflegt werden) und das – stets nur angeblich – allen gehört, ist ein Kollektivgut etwas, an dem nicht unbedingt nur ein Einzelner (gewöhnlich: sein Eigentümer), sondern eben (wenigstens) eine (oder sogar mehrere) Gruppe(n) von Menschen (unabhängig davon, wem es gehört) ein (besonderes) Interesse hat (bzw. haben).

Im Bereich des kulturellen Erbes (d.h. der Denkmale) ist eine derartige Gruppe von Menschen das, was die Faro-Konvention im Originalwortlaut in ihrem Art. 2 (b) als „heritage community“ bezeichnet. Die Definition einer solchen Gruppe lautet in der amtlichen österreichischen Übersetzung dieser Konvention ins Deutsche: „Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck […] Gemeinschaft für das Kulturerbe Menschen, die bestimmte Aspekte des Kulturerbes wertschätzen, das sie im Rahmen öffentlicher Maßnahmen zu wahren und an nachfolgende Generationen zu übertragen wünschen“ (Europarat 2005). Das reflektiert weit besser als die Vorstellung von Denkmalen als Allgemeingut die gesellschaftliche Wirklichkeit, dass eben das ungeheuer wertvolle (archäologische) Kulturgut des (bzw. der) einen (Gruppe von Menschen) gleichzeitig nicht mehr als der unnötige alte Mist des (bzw. der) anderen und ebenso gleichzeitig der wirtschaftlich wertvolle ‚Schatz‘ des (bzw. der) Dritten ist: die Interessen verschiedener Menschen sind eben unterschiedlich, und was der eine unverändert und unberührt erhalten will, mag der andere gebrauchen, der Dritte verändern, der Vierte zerstören usw. wollen.

Erkennt man diese gesellschaftliche Wirklichkeit an, dann folgt daraus zwingend, dass die Erhaltung der Denkmale eben nicht im Interesse ‚der Allgemeinheit‘, sondern nicht mehr (aber auch nicht weniger) als ein Partikularinteresse bestimmter Teile der Gesellschaft bzw. politischen Gemeinschaft ist. Ist es jedoch nur ein partikuläres, d.h. ein Einzelinteresse (ob nun eines bestimmten Menschen oder auch einer bestimmten Gruppe von Menschen, eben einer „Gemeinschaft für das Kulturerbe“), ist es auch nicht und kann gar nicht ein ‚öffentliches Interesse’ sein, sondern ist ein privates Interesse – eben das Interesse jener, die ein bestimmtes kulturelles Erbe „zu wahren und an nachfolgende Generationen zu übertragen wünschen“ (Europarat 2005).

In einer demokratischen, rechtsstaatlichen Gesellschaft westlicher Prägung ist das ein enormes Problem: der Staat darf nämlich aufgrund des aus Art. 1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR; Vereinte Nationen 1948), für Österreich zusätzlich aus Art. 7 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und Art. 2 Staatsgrundgesetz 1867 (StGG) und für Deutschland aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleiteten, generellen Diskriminierungsverbotes nicht generell die Interessen der einen (Gruppe von Menschen) gegenüber derer anderer bevorzugen. Vielmehr ist es seine Aufgabe, zwischen diesen Gruppen zu vermitteln und – nötigenfalls, wenn keine Vermittlung möglich ist – unparteiisch zwischen den einander widersprechenden oder sogar entgegengesetzten, berechtigten Interessen je nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls abzuwägen und dementsprechend zu entscheiden, welchen davon in dem konkreten Einzelfall der Vorrang zu geben ist.

Das macht die Angelegenheit natürlich nicht nur maßgeblich komplizierter, insbesondere, wenn – wie sie das zumeist tun – die Interessen der Personengruppe, die ein bestimmtes kulturelles Erbe bewahren will, nicht mit den Interessen des rechtmäßigen Eigentümers dieses kulturellen Erbes übereinstimmen; sondern hat vor allem eine bedeutende Auswirkung auf die Denkmalbehörden. Denn der Staat braucht in diesem Fall eigentlich gar keine Denkmalbehörden mehr: er muss schließlich gar nicht mehr feststellen, welche Sachen nun von derart beschaffener Bedeutung sind, dass ihre Erhaltung im ‚öffentlichen Interesse‘ gelegen ist; sondern nur noch zwischen den Interessen an der Erhaltung eines kulturellen Erbes der einen Gruppe von Menschen und den diesen entgegenlaufenden Interessen eines anderen bzw. einer anderen Gruppe von Menschen vermitteln oder entscheiden; und diese Aufgabe können z.B. genauso gut die Gerichte oder irgendeine staatliche Schlichtungsstelle übernehmen, die von kulturellem Erbe per se überhaupt nichts verstehen. Der Staat braucht daher vor allem kein denkmalpflegerisches Fachpersonal mehr, bzw. braucht dieses höchstens noch zur Verwaltung und Pflege jener Denkmale, die in seinem Eigentum stehen und die er im Staatsinteresse[8] erhalten will. Weil ob etwas ein Denkmal ist oder nicht hängt dann schließlich nicht mehr davon ab, ob es aus geschichtlichen oder sonstigen der üblicherweise in derzeitigen Denkmalschutzgesetzen genannten Gründen derart wichtig ist, dass man diese Sache deswegen erhalten müsste, was nur durch FachexpertInnen festgestellt werden kann; sondern nur davon, ob diese Sache die „Herzen“ irgendeiner Gemeinschaft für das Kulturerbe „bewegt“ (Hoffmann-Axthelm 2000, 31), die ihre Interessen an der Erhaltung des ihr wertvollen Kulturerbes schließlich selbst vertreten kann.

Damit ist dann natürlich auch eine wirklich vollständige Privatisierung der Denkmalpflege möglich (wenngleich nicht unbedingt notwendig): der Staat braucht sich in diesen Bereich des menschlichen Zusammenlebens nur insoweit einmischen, als er auf gesetzlichem Weg Gemeinschaften für das Kulturerbe gewisse Mitspracherechte in Entscheidungen über das Schicksal solcher Sachen, die sie als ihr kulturelles Erbe betrachten, einräumen und geeignete Verfahren vorsehen muss, die ihnen auch die Durchsetzung ihrer diesbezüglichen Interessen ermöglichen. Das macht einen gewissen Eingriff in die willkürliche Verfügungsgewalt der Eigentümer dieser Sachen notwendig; aber eine Beschränkung der Eigentümerwillkür zum Schutz berechtigter Interessen Dritter ist selbstverständlich durchaus möglich und tatsächlich in vielerlei Hinsicht ein ganz normaler Bestandteil des Eigentumsrechts, also auch in Bereich des Kollektivkulturgüterschutzes durchaus vorstellbar.

Mag es also auf den ersten Blick nachgerade unmöglich erschienen sein, die (archäologische) Denkmalpflege vollständig zu privatisieren, so zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass das – wenigstens in der Theorie – durchaus möglich sein sollte. Mehr noch, es lässt sich sogar argumentieren, dass eine solche Privatisierung der Denkmalpflege, inklusive einer kompletten Abschaffung ihrer „hoheitlichen“ Aufgaben, der gesellschaftlichen Realität besser entsprechen würde und insbesondere für die Zivilgesellschaft vorteilhaft wäre: was Denkmale sind und wie mit ihnen zu verfahren ist, würden nicht mehr irgendwelche FachexpertInnen in staatlichen Behörden auf Basis ihrer subjektiven Beurteilungen entscheiden, sondern die BürgerInnen, die ein kulturelles Erbe bewahren und an künftige Generationen übertragen wollen selbst. Schlecht wäre das, so könnte man argumentieren, eigentlich nur für uns, die ExpertInnen, die durch einen derartigen Zugang zur Denkmalpflege nahezu vollständig entmachtet würden; was jedoch demokratiepolitisch durchaus wünschenswert sein könnte.

Die Privatisierung der Denkmalpflege in der Praxis

Dass eine weitgehende, wenn nicht sogar nahvollständige, Privatisierung der (archäologischen) Denkmalpflege auch in der Praxis tatsächlich funktionieren kann, lässt sich auch anhand realer Beispiele zeigen. Denn wenigstens in einigen Teilen des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland ist die Denkmalpflege bereits tatsächlich weitgehend privatisiert und funktioniert trotzdem nicht maßgeblich schlechter als die im deutschen Sprachraum. Manche wären sogar geneigt, zu behaupten, dass die weitgehend privatisierte Denkmalpflege in Großbritannien besser funktioniert als die immer noch wenigstens teilweise, wenn nicht sogar großteils, verstaatlichte im deutschen Sprachraum.

Das wohl bekannteste Beispiel für schon seit langem aus dem öffentlichen Dienst ausgegliederte und damit in wenigstens bereits teilweise entstaatlichte, wenn auch nicht gänzlich privatisierte Denkmalpflegeorganisationen sind die beiden englischen Organisationen Historic England und English Heritage (die bis 2015 eine Organisation waren, die insgesamt als English Heritage firmierte). Das bekannteste Beispiel für eine niemals zum öffentlichen Dienst gehört habende, aber dennoch funktionierende, private Denkmalpflegeorganisation ist der National Trust.

Von diesen ist Historic England ein sogenannter non-departmental public body bzw. eine quasi-autonomous non-governmental organisation (QUANGO) und steht damit etwa auf halbem Weg zwischen staatlicher Behörde und privatwirtschaftlichem Betrieb. Finanziert wird Historic England hauptsächlich vom Department for Culture, Media, and Sports (DCMS), dem englischen Kulturministerium, durch einen alle paar Jahre neu verhandelten, jährlichen Fixbetrag, den es selbst verwaltet. Es untersteht aber nicht dem DCMS, sondern hat ein eigenes Statut und wird von einem ‚unabhängigen‘ (wenngleich vom Kulturminister bestellten) Trust und einem Direktorium (Executive) geleitet, die für die Erfüllung der an Historic England delegierten gesetzlichen Aufgaben dem Parlament gegenüber verantwortlich sind. Die Aufgaben, die Historic England erfüllt, sind im Wesentlichen die, die im deutschen Sprachraum Denkmalbehörden erfüllen würden: nationale Denkmallisten führen, Gutachten in allen konstitutiv geschützte und manche, nicht konstitutiv geschützte Denkmale betreffenden Verfahren verfassen, Denkmalförderungen gewähren, Denkmaleigentümer und sonstige Verfügungsberechtigte beraten, Standards und Richtlinien erstellen, den Erhaltungszustand von Denkmalen überwachen, etc. Historic England kann aber keine Bescheide erlassen: will jemand ein geschütztes Denkmal verändern oder zerstören und bedarf daher einer Genehmigung (scheduled monument consent bzw. listed building consent), wird darüber vom DCMS beschieden, das von Historic England nur (z.B. durch Erstellung von Fachgutachten) beraten wird. Das gleiche gilt in Unterschutzstellungsverfahren nach dem konstitutiven Prinzip (scheduling bei archäologischen bzw. listing bei Baudenkmalen): Historic England verfasst die erforderlichen Fachgutachten, den Bescheid erlässt aber das DCMS (Schofield et al. 2011, 93-6).

Der English Heritage Trust (weiterhin gemeinhin als English Heritage bezeichnet) ist noch einen Schritt weiter entstaatlicht, nämlich 2015 in einen Charitable Trust (etwa dem entsprechend, was man im deutschen Sprachraum als gemeinnützige Stiftung bezeichnen würde) umgewandelt worden. Verantwortlich ist English Heritage für die Verwaltung und Erhaltung der in Staatseigentum stehenden „Sammlung“ von (touristisch genutzten) archäologischen Fundstellen und Baudenkmalen. Nachdem diese „Sammlung“ seit 2011 gewinnbringend operiert, wurde sie eben 2015 mit einer Einmalzahlung von £ 80 Millionen als zusätzliche Anstoßfinanzierung praktisch gänzlich vom Staat abgekoppelt.[9] Damit ist die Aufgabe der öffentlichen Vermittlung der (besonders prominenten) Denkmale in England praktisch gänzlich entstaatlicht bzw. de facto privatisiert. Man hat 2014 sogar eine Weile lang überlegt, ob man nicht die „Sammlung“ staatlicher Denkmale gleich der Einfachheit halber dem National Trust anvertrauen sollte, zu dem ich als nächstes komme.

Der National Trust war nie und ist auch nicht eine staatliche, sondern eine private Denkmalpflegeorganisation. Er wurde 1894 als Charity (im Prinzip ein gemeinnütziger Verein) gegründet und ist das immer noch; und hatte zu Ende des Berichtjahres 2016/17 insgesamt 4.828.187 Mitglieder (National Trust 2017, 5 FN 3; das sind ca. 8,25% der Gesamtbevölkerung von England und Wales). Der National Trust ist heute einer der größten Grundeigentümer in Großbritannien (ihm gehören ca. 2.470 km2 Land, ca. 1,6 % der Gesamtfläche von England und Wales) und etwa 350 bedeutendere Kulturdenkmale (um von den ca. 47.000, sich auf seinem Land befindlichen archäologischen Fundstellen, von denen etwa 1.100 auch scheduled sind, gar nicht erst zu reden). Seit 1907 gibt es auch eine eigene (zuletzt 2005 maßgeblicher novellierte bzw. ergänzte) Gesetzgebung für den National Trust (National Trust 2005; The Charities (National Trust) Order 2005). Nachdem der National Trust eine private Denkmalpflegeorganisation ist, steht alles, was dem National Trust gehört, unter privatem Denkmalschutz. Der National Trust hat dafür seine eigenen Regeln und Verfahren, die grundsätzlich den nationalen entsprechen, aber vom (wo das sinnvoll ist auch archäologischen) Personal des National Trust durchgeführt werden.

Man mag davon denken, was man will; aber funktionieren tut dieser private Denkmalschutz durch den National Trust genauso gut wie der staatliche; und eine staatliche Beteiligung daran ist eigentlich überhaupt nicht notwendig – die ca. 46.000 archäologischen Fundstellen, die sich auf dem Land des National Trust befinden, aber nicht scheduled sind, sind genauso gut geschützt wie die ca. 1.100, die es sind (siehe generell zu der archäologischen Denkmalpflege des National Trust auch Schofield et al. 2011, 96-7). Nur am Rande bemerkt: 47.000 archäologische Fundstellen sind beinahe genauso viele, wie dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege aus ganz Bayern; und um etwa 20% mehr, als dem Baden-Württembergischen Landesamt aus ganz Baden-Württemberg bekannt sind.

Eine nahvollständig privatisierte archäologische Denkmalpflege

In Wales funktioniert die archäologische Denkmalpflege, sieht man einmal von den ca. 4.000 scheduled monuments ab, die es hier im Lande gibt, überhaupt weitgehend privatisiert. Cadw, die walisische Denkmalbehörde, kümmert sich selbst praktisch nur um die nach dem konstitutiven Prinzip geschützten archäologischen Denkmale und deren öffentliche Vermittlung; ist aber dafür noch Teil des öffentlichen Dienstes und stellt daher selbst Bescheide aus, z.B. für scheduled monument consent. Schon die walisische nationale Denkmalliste wird hingegen von der Royal Commission on the Ancient and Historic Monuments of Wales geführt, die ähnlich wie Historic England ein QUANGO ist.

Alle anderen archäologischen Denkmale werden hingegen nur durch Planungsbewilligungsverfahren, d.h. primär durch Baugenehmigungsverfahren, geschützt. Diese Verfahren werden von den lokalen Councils (Lokal- bzw. Regionalverwaltung vergleichbar Gemeinde/Bezirksbehörden) bzw. deren Planungsabteilungen durchgeführt, die aber – von vereinzelten Ausnahmen abgesehen – keine archäologischen Fachkräfte beschäftigen. Stattdessen ist die archäologisch-denkmalpflegerische Expertise in Wales nahezu komplett an vier regionale sogenannte „Trusts“ ausgelagert (Clwyd and Powys, Dyfedd, Gwynedd und Glamorgan-Gwent Archaeological Trust). Diese jeweils um die Mitte der 1970er gegründeten Organisationen sind rechtlich entweder als Charity (gemeinnütziger Verein), oder als Charitable Company (gemeinnütziges, nicht profitorientiertes Unternehmen), oder doppelgleisig sowohl als Charity als auch als Limited Company (GesmbH) organisiert, aber unabhänging von der gewählten Konstellation rein private Unternehmen.

Im Auftrag und finanziert durch Cadw führen sie die (gemäß §§ 35-37 des Historic Environment (Wales) Act 2016 auch gesetzlich verpflichtend vorgesehenen) Historic Environment Records (HER); d.h. das lokale Denkmalverzeichnis. In diesem sind alle über 100.000 aus Wales bekannten archäologischen Fundstellen (und etwa noch einmal so viele andere Kulturdenkmale) verzeichnet. Der HER kann auch online unter https://www.archwilio.org.uk/arch/ abgerufen werden, ist also zur Gänze öffentlich zugänglich. Mit individuellen Einträgen verbundene Untersuchungsberichte, z.B. Grabungsberichte, können in den Büros des jeweils örtlich zuständigen Archaeological Trust ausgehoben werden; von interessierten BürgerInnen und für wissenschaftliche Forschungen gewöhnlich kostenlos, für kommerzielle Zwecke hingegen gegen eine (allerdings sehr erträgliche) Gebühr.

In Planungsverfahren müssen Vorhabenträger ihren Anträgen auf Erteilung der erforderlichen Genehmigung durch die Planungsbehörde auch ausreichende Unterlagen beilegen, die es zu beurteilen gestatten, ob von geplanten Vorhaben irgendwelche Denkmale betroffen werden könnten. Die dazu erforderlichen Voruntersuchungen werden dabei gewöhnlich in Auftrag und auf Kosten des Vorhabenträgers von privaten Archäologieunternehmen durchgeführt, die gewöhnlich zuerst den HER konsultieren und dann erforderlichenfalls auch vor Ort Prospektionen und, wo es nötig erscheint, auch Sondierungsgrabungen durchführen. Man beachte: alles noch bevor irgendeine Genehmigung beantragt, geschweige denn erteilt werden musste.

Soweit erforderlich werden diese Unternehmen sowie die Vorhabenträger auch von den Archaeological Trusts beraten, sowohl welche Unterlagen welcher Qualität dem Antrag beizulegen sind; als auch, welche Maßnahmen zur Untersuchung oder Erhaltung allfällig vom geplanten Vorhaben betroffener Denkmale erforderlich sein werden. Diese Maßnahmen hat ebenfalls der Vorhabenträger in seinem Genehmigungsantrag entsprechend zu beschreiben, wenn er eine Genehmigung erteilt bekommen will. Anträge, denen keine oder nur unzureichende Unterlagen beigefügt sind, werden in der Regel von den Planungsbehörden abgelehnt (Welsh Government 2016, 95-7, insbesondere Punkt 6.5.6. letzter Satz). Einigermaßen klare Bewertungshilfen, wie das Research Framework for the Archaeology of Wales (CIfA Wales 2017) helfen bei der Bewertung nicht konstitutiv geschützter Denkmale und dem Setzen von Prioritäten für präventive oder Rettungsgrabungsmaßnahmen ebenso wie für Forschungsgrabungen.

Die Begutachtung der den Genehmigungsanträgen beigelegten archäologischen Unterlagen ebenso wie der nach bauvorbereitend oder -begleitend durchgeführten Feldarbeiten abzugebenden Grabungs- bzw. sonstigen Projektberichte wird von den Planungsabteilungen der Councils auch – weil ihnen ja eigene Expertise fehlt – an die Archaeological Trusts ausgelagert, die die Planungsbehörden dann selbstverständlich auch in Hinblick auf mit Genehmigungen zu verbindende Auflagen beraten. Nachdem die Endberichte letztendlich ohnehin in den jeweiligen lokal zuständigen HER eingepflegt werden müssen, ist ein derartiges Arrangement auch durchaus sinnvoll: schließlich soll das, was am Ende im örtlichen Denkmalverzeichnis steht, auch sinnvoll und – ob nun für interessierte Mitglieder der Öffentlichkeit, die wissenschaftliche archäologische Forschung und natürlich auch zukünftige Vorhabenträger bzw. die in deren Auftrag die erforderlichen Antragsunterlagen erstellende archäologische Dienstleistungsunternehmen – nützlich sein. Dass das auch tatsächlich der Fall ist, zeigen zum Beispiel die Ergebnisse des von mir selbst geleiteten und mit meiner Kollegin Kate Waddington durchgeführten Projekts zur Erforschung des spätbronzezeitlichen bis frühmittelalterlichen Siedlungswesens in Nordwest-Wales: die Ergebnisse dieses Projektes beruhten großteils auf den im HER enthaltenen Grabungsberichten von durch kommerzielle Archäologieunternehmen und/oder Gwynedd Archaeological Trust selbst (oft bauvorbereitend oder -begleitend) durchgeführten Untersuchungen (Waddington 2013).

Staatliche Behörden, und insbesondere die staatliche Denkmalbehörde Cadw, sind also – abgesehen von den etwa 4.000 konstitutiv geschützten archäologischen Denkmalen – in die praktische archäologische Denkmalpflege so gut wie überhaupt nicht involviert. Diese wird vielmehr praktisch komplett von privaten Unternehmen durchgeführt, während die staatlichen bzw. lokalen Behörden nur zwischen den einander oft entgegengesetzten Interessen von privaten Vorhabenträgern und der archäologischen Denkmalpflege abwägen und entscheiden. Die Archäologie wird durch diese nahezu vollständig privatisierte archäologische Denkmalpflege dabei aber nicht schlechter geschützt, als sie anderswo durch eine vollständig oder überwiegend staatliche Denkmalpflege geschützt wird.

Das zeigt, dass eine nahvollständig privatisierte archäologische Denkmalpflege nicht nur in der Theorie funktionieren kann, sondern auch tatsächlich in der Praxis funktioniert. Man kann also die archäologische Denkmalpflege durchaus so gut wie gänzlich entstaatlichen, wenn man das will.

Umweltverträglichkeitsprüfungen

Auch im deutschen Sprachraum sollte man davon ausgehen, dass auch eine nahezu gänzlich privatisierte archäologische Denkmalpflege funktionieren könnte; denn im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen tut sie das beinahe schon, bzw. könnte sie es sehr einfach. Und geht es in Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren, dann sollte es auch in der sonstigen archäologischen Denkmalpflege durchaus möglich sein.

Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren funktionieren EU-weit nahezu gleich, weil sie alle auf den jeweiligen nationalen Umsetzungen der Direktiven 2014/52/EU und 2011/92/EU (und noch älteren Vorgängerdirektiven) beruhen, also durch europäisches Unionsrecht determiniert sind. Laut dem relevanten Art. 3 (c) Direktive 2011/92/EU „identifiziert, beschreibt und bewertet“ die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht nur „die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf“ den Menschen und seine natürliche Umwelt, sondern auch auf „Sachgüter und kulturelles Erbe“. Dabei entspricht das Vorgehen wenigstens vor der Antragstellung weitgehend dem, das gerade für Wales beschrieben wurde: Vorhabenträger haben von sich aus die voraussichtlichen Auswirkungen des von ihnen geplanten Projekts auf die Umwelt (inklusive der Kulturgüter) zu ermitteln und beschreiben oder von dafür von ihnen angestellten Dritten (gewöhnlich privaten Dienstleistungsunternehmen) ermitteln und beschreiben zu lassen. Die Ergebnisse dieser Ermittlungen sind dem Antrag beizulegen und haben gem. Art. 5 (3) Direktive 2011/92/EU jedenfalls „b) eine Beschreibung der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen vermieden, verringert und soweit möglich ausgeglichen werden sollen; c) die notwendigen Angaben zur Feststellung und Beurteilung der Hauptauswirkungen, die das Projekt voraussichtlich auf die Umwelt haben wird;“ und sogar „d) eine Übersicht über die wichtigsten anderweitigen vom Projektträger geprüften Lösungsmöglichkeiten und Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen“ zu enthalten.

Zwar wird durch Art. 6 Abs. 1 vorgesehen, dass alle „Behörden, die in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich von dem Projekt berührt sein könnten, die Möglichkeit haben, ihre Stellungnahme zu den Angaben des Projektträgers und zu dem Antrag auf Genehmigung abzugeben“. Sofern es also eine staatliche Denkmalbehörde gibt, muss diese auch am UVP-Verfahren beteiligt werden.

Gäbe es jedoch keine staatliche Behörde, die Denkmalschutzaufgaben hat, sondern ist in einem Staat der Denkmalschutz und die Denkmalpflege vollständig privatisiert, würde das jedoch keineswegs unbedingt bedeuten, dass die Agenden der Sach- und Kulturgüter im UVP-Verfahren völlig unberücksichtigt bleiben würden bzw. müssten. Denn Art. 6 Abs. 2-6 sehen eine allgemeine Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit am Verfahren vor. Laut Abs. 4 muss der Öffentlichkeit „frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit“ gegeben werden, „sich an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren“ zu beteiligen. Zu diesem Zweck hat die Öffentlichkeit das Recht, „der zuständigen Behörde bzw. den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offen stehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird“. Gem. Art. 8 sind auch die gemäß Artikel 6 eingeholten Angaben beim Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen“. Behördliche und private Stellungnahmen sind daher in UVP-Verfahren nicht von unterschiedlichem Wert, sondern alle sind von der entscheidenden Planungsbehörde gleichermaßen ernst zu nehmen und auch entsprechend ihres jeweiligen inhaltlichen Wertes zu berücksichtigen.

In Österreich können, falls dies der Planungsbehörde für ihre Entscheidung erforderlich erscheint, gem. § 3b Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVPG 2000) auch nichtamtliche Sachverständige, inklusive „fachlich einschlägige Anstalten, Institute oder Unternehmen“ auf Kosten des Antragstellers bestellt werden. Sinngemäß das gleiche gilt auch gem. § 15 des deutschen Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Es können also, wenn es erforderlich erscheint, zum Verfahren auch auf Kosten des Antragstellers private Sachverständige aller Art beigezogen werden; darunter selbstverständlich auch solche für Denkmalschutz oder Denkmalpflege betreffende Fragen.

Noch wichtiger ist jedoch, dass auch zivilgesellschaftliche Umweltorganisationen (NGO) als Teil der betroffenen Öffentlichkeit an UVP-Verfahren zu beteiligen sind, selbst wenn sie nicht unmittelbar von den Umweltauswirkungen eines konkreten, geplanten Vorhabens betroffen sind. In Österreich haben gem. § 19 Abs. 1 Z 7 UVPG 2000 Umweltorganisationen gem. Abs. 6 Parteienstellung in UVP-Verfahren, wenn sie gem. Abs. 7-9 vom zuständigen Bundesministerium anerkannt sind. Gem. § 19 Abs. 10 UVPG 2000 ist eine derartige Umweltorganisation auch berechtigt, „die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften im Verfahren geltend zu machen, soweit sie während der Auflagefrist gemäß § 9 Abs. 1 schriftlich Einwendungen erhoben hat. Sie ist auch berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben“; es kommt derartigen Umweltorganisationen also auch ein Verbandsklagerecht zu. In Deutschland gilt gem. § 18 UVPG für „nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen“ im Wesentlichen das gleiche, diesen kommt gem. § 2 UmwRG ebenfalls ein Verbandsklagerecht zu (siehe für Deutschland dazu auch Kemper 2017, 45-7, insbesondere 46).

Die Berücksichtigung der Interessen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege könnte also – bei Interpretation des Denkmalbegriffs als Kollektiv-, nicht als Allgemeingut im oben definierten Sinn – in UVP-Verfahren gänzlich ohne Beteiligung staatlicher Denkmalbehörden gewährleistet werden: allfällig notwendige Sachverständigengutachten könnten von privatwirtschaftlich tätigen Sachverständigen oder fachlich einschlägigen Anstalten, Instituten (wie z.B. in der archäologischen Denkmalpflege von archäologischen Universitätsinstituten) oder auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen (wie archäologischen Dienstleistungsunternehmen) oder auch entsprechenden NGOs eingeholt werden. NGOs – also z.B. satzungsgemäß einschlägige Interessen am Schutz der kulturellen Umwelt und der Denkmale vertretende Vereine wie in Österreich die Initiative Denkmalschutz oder ArchaeoPublica, in Deutschland die DGUF, etc. – könnten hingegen nötigenfalls Rechtsmittel ergreifen, wenn sie Grund zur Annahme haben, dass einschlägige Rechtsvorschriften im UVP-Verfahren missachtet wurden.

Streng genommen braucht man unter diesen Voraussetzungen staatliche Denkmalbehörden überhaupt nicht, Denkmalschutz und Denkmalpflege könnten also durchaus vollständig privaten Unternehmen und zivilgesellschaftlich organisierten BürgerInnen selbst überlassen werden. Nachdem eine Aufnahme des Verbandsklagerechts in die Denkmalschutzgesetze ohnehin auch schon – meiner Meinung nach völlig berechtigterweise – von einigen Seiten gefordert wird (siehe auch dazu Kemper 2017), wäre also auch in der archäologischen Denkmalpflege jenseits von UVP-Verfahren eine derartige völlige Privatisierung der derzeit von den staatlichen Behörden wahrgenommenen Aufgaben durchaus möglich, auch im deutschen Sprachraum.

Warum ich dennoch gegen eine vollständige Privatisierung bin

Wie ich im bisher Gesagten gezeigt habe, ist eine vollständige Privatisierung des archäologischen Denkmalschutzes und der Denkmalpflege also nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis möglich und damit keineswegs so unvorstellbar, wie man es in der archäologischen Fachwelt immer noch gerne und mehrheitlich glaubt. Es ist hier aber auch noch zu besprechen, ob eine vollständige Entstaatlichung der archäologischen Denkmalpflege aus fachlicher und gesellschaftspolitischer Sicht auch wünschenswert ist; weil bloß, weil etwas in Theorie und Praxis funktionieren kann, bedeutet ja noch lange nicht, dass man es deswegen auch so machen sollte.

Vorauszuschicken ist hier, dass auch ich – wenigstens teilweise – durch die schon oben genannte fachliche Ideologie mitgeprägt bin, dass man – um es bewusst etwas neutraler als in der Archäologie sonst üblich zu formulieren – mit der nicht wissenschaftlich nachhaltigen Ausbeutung der Archäologie keinen wirtschaftlichen Profit machen sollte.[10] Ich bin daher bis zu einem gewissen Grad gegen eine Vollprivatisierung der archäologischen Denkmalpflege prädisponiert. Ich denke allerdings, dass es auch eine Reihe nicht fachideologischer Gründe gibt, die noch weit mehr gegen eine vollständige Privatisierung der archäologischen Denkmalpflege sprechen (nicht jedoch gegen eine verstärkte Bürgerbeteiligung an ihr). Die folgende kurze Darstellung dieser Gründe erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ich denke aber, dass schon sie dafür ausreichen, zum Schluss zu kommen, dass eine vollständige Privatisierung der staatlichen Denkmalpflege tatsächlich nicht empfehlens-, geschweige denn wünschenswert ist.

Höhere gesamtgesellschaftliche Kosten

Der größte Reiz einer Privatisierung der staatlichen Denkmalpflege ist insbesondere für die Politik der, dass sie – vor allem dem Staat als Rechtsperson – Kosten zu ersparen scheint. Für den Staat als Rechtsperson stimmt das natürlich auch insofern, als die Kosten für die Denkmalpflege aus seinem Budget verschwinden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Denkmalpflege verschwinden, wenigstens, wenn diese durch die Privatisierung der staatlichen Aufgaben nicht gänzlich abgeschafft werden soll bzw. wird: die Kosten werden nur aus dem staatlichen in private Budgets verlagert.

Die Kostenreduktion durch den ‚freien Wettbewerb‘ zwischen privaten Unternehmen, die – um selbst überleben zu können – angeblich effizienter arbeiten müssen als der Staat und seine Behörden, entsteht – wenn überhaupt – nur anfänglich. Tatsächlich kann es bei kurzfristiger Betrachtung zu einer Senkung der gesamtgesellschaftlichen Kosten der Denkmalpflege kommen, weil in einem noch unausgereiften, neu entstandenen und noch weitgehend unregulierten Markt ein Verdrängungswettbewerb zwischen verschiedenen, miteinander konkurrierenden Unternehmen die Preise senkt. Dies ist aber bestenfalls ein zeitweiliger Effekt, denn früher oder später reift der Markt aus. Das bedeutet, dass sich einige wenige, wenn nicht sogar nur ein einziges Unternehmen gegen die Konkurrenz durchsetzt; und der Sektor sich auch zunehmend selbst zu regulieren beginnt; ja sich zu regulieren beginnen muss, schon allein, weil das dem Preiskampf, der im Endeffekt alle bis auf einen ruiniert, entgegenzuwirken hilft. Sobald der Markt gereift ist, können aber alle noch überlebenden Anbieter mit den Preisen anziehen, was im Endeffekt die gesamtgesellschaftlichen Kosten über die einer staatlichen Regelung erhöht.

Hinzu kommt noch, dass es im Bereich der staatlichen Denkmalpflege auch wenigstens ein natürliches Monopol gibt: zwar können, rein hypothetisch, auch verschiedene, miteinander konkurrierende Unternehmen eigene, nicht miteinander abgeglichene Denkmallisten (bzw. Listen archäologischer Fundstellen) führen, in der Praxis ist das aber wenigstens sinnlos und aller Wahrscheinlichkeit nach sogar schädlich. Denn gibt es nicht miteinander abgeglichene, separate Listen, müssen jeweils vor und in Planungsverfahren alle davon nach Hinweisen auf möglicherweise durch ein Vorhaben betroffene Denkmale durchsucht werden, was die Kosten für alle Beteiligten maßgeblich steigert. Wird hingegen die örtlich verbindliche Liste von einem einzelnen Anbieter geführt, hat der ein Monopol und kann – wenn nicht seine Preisgestaltungspolitik gesetzlich geregelt wird, was jedwede Privatisierung ad absurdum führt – für das Führen dieser Liste verlangen, was auch immer er will. Diese Liste ist aber für jede sinnvolle Denkmalpflege unumgänglich notwendig: man kann schließlich nur schützen, was man schon kennt.

Verlagerung der Kosten auf Einzelne, insbesondere finanzschwache Einzelne

Als Resultat einer vollständigen Privatisierung der Denkmalpflege ist also letztendlich eine erhebliche Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Kosten zu erwarten; auch wenn diese Kosten dann nicht mehr in den Staatsausgaben aufscheinen. Verschärfend kommt dann auch noch dazu, dass diese Kosten vor allem auf finanzschwache Einzelne abgewälzt werden (siehe auch, wenn auch in deutlich anderem Sinn als hier, Hoffmann-Axthelm 2000, 12).

Am deutlichsten zu erkennen ist diese Verlagerung der Kosten der Denkmalpflege auf betroffene Einzelne am schon so gut wie überall eingeführten Verursacherprinzip, das derzeit besonders in der Archäologie populär ist. Auf den ersten Blick erscheint das Verursacherprinzip – insbesondere aus archäologisch-denkmalpflegerischer Sicht – eine sehr gute Idee zu sein, denn die meisten ArchäologInnen haben in erster Linie mit besonders großen Vorhaben zu tun, insbesondere Großbauprojekten und der großflächigen Ausbeutung natürlicher Ressourcen (z.B. Schotterabbau, Braunkohletagbau, etc.). Diese werden gewöhnlich von großen, gewinnorientiert arbeitenden, privaten Unternehmen (Bau-, Bergbau, Energieproduktionsfirmen, etc.) durchgeführt und kosten in der Regel insgesamt viele Millionen, manchmal sogar mehrere Milliarden Euro. Im Vergleich dazu sind die Kosten für die dabei notwendig werdenden archäologisch-denkmalpflegerischen Maßnahmen in der Regel verschwindend gering und erscheinen daher den betreffenden Unternehmen auch vollständig zumutbar.

Dabei vergessen wir ArchäologInnen aber allzu gerne, dass die Kosten für die anfallenden archäologischen Maßnahmen nicht diese Großunternehmen tragen. Vielmehr kalkulieren diese Unternehmen die Kosten für archäologische Maßnahmen einfach in ihre Preiskalkulation ein und geben die Kosten nicht nur an die Endverbraucher ihrer Produkte weiter, sondern schlagen – wenn sie nicht vollkommen inkompetent geführt sind – auf die archäologischen Kosten noch ihre gewöhnliche Profitspanne auf. Das bedeutet z.B. bei staatlich finanzierten Infrastrukturbauvorhaben wie z.B. dem Bau neuer Autobahnen, dass der Staat in der Regel nicht nur die Kosten bezahlt, die die erforderlich werdenden archäologischen Arbeiten verursachen, sondern zusätzlich noch die darauf aufgeschlagene Profitspanne des Bauunternehmens, das die Autobahn baut. Der Staat zahlt also zugunsten des ‚Verursachers‘ der archäologischen Untersuchungen mehr für die erbrachte archäologische Dienstleistung, als ihn diese gekostet hätte, wenn er sie selbst erbracht hätte.

Bei privaten Großvorhaben werden die Kosten der erforderlich werdenden, archäologischen Maßnahmen ebenfalls nicht vom ‚Verursacher‘ im rechtlichen Sinn, d.h. vom Vorhabenträger, getragen, sondern einfach – ebenfalls zuzüglich seiner Profitspanne – auf die Endabnehmer seines Produktes abgewälzt. Der Braunkohlestrom z.B. wird einfach – wenn auch vielleicht für den Einzelnen unmerklich – ein wenig teurer; kostet aber gesamtgesellschaftlich betrachtet insgesamt mehr, als wenn die archäologischen Dienstleistungen vom Staat selbst erbracht oder archäologische Dienstleister direkt bezahlt worden wären.

Die Kosten erforderlicher archäologischer Maßnahmen tragen in einem solchen System also die Kleinen und die Kleinsten, die noch dazu als Individuen umso stärker betroffen sind, wenn sie selbst zum ‚Verursacher‘ archäologisch-denkmalpflegerischer Maßnahmen werden. Der Eigentümer eines kleinen Baugrundstückes, der darauf (vermutlich noch dazu auf Kredit) sein Einfamilienhaus errichten will, auf dem – ob nun bereits bei Voruntersuchungen während der Bauplanung oder bei den Baumaßnahmen selbst – zuvor noch unbekannte archäologische Denkmale entdeckt werden, muss mit einer erheblichen Steigerung seiner Kosten rechnen.

Schon die allfällig durchzuführenden Voruntersuchungen belasten den ‚kleinen Hausbauer‘ erheblich mehr als das Großunternehmen. Denn die Kosten für die Archivuntersuchungen und das Verfassen eines Berichts oder sachverständigen Gutachtens über allfällig betroffene Denkmale steigen nicht proportional mit der betroffenen Fläche, sondern es gibt einen bedeutenden Degressionseffekt: je mehr Fläche voruntersucht werden muss, desto geringer werden die Voruntersuchungskosten pro Flächeneinheit.

Einen ebensolchen Degressionseffekt gibt es bei den Kosten für bauvorbereitend oder baubegleitend notwendig werdenden Grabungen und auch deren Auswertung. Die Kosten, die die archäologische Denkmalpflege verursacht, sind also für jene am höchsten, die schon an sich die geringste Finanzkraft haben und die am ehesten auch durch – absolut betrachtet vergleichsweise minimal erscheinende Beträge – in größere Schwierigkeiten gebracht werden können. Für den sein Eigenheim bauen wollenden Durchschnittsverdiener macht es einen nicht unerheblichen Unterschied, ob sein Haus um 10% mehr kostet oder nicht, weil diese 10% für ihn ein durchschnittliches Jahreseinkommen sein können.

Mehr privat, weniger Staat nutzt also in diesem Fall primär den Großunternehmen, die ihre ‚Verursacherkosten‘ auf den jeweiligen Endverbraucher ihrer Produkte abwälzen und durch die Kostentragungspflicht für archäologische Maßnahmen nur noch ihren Profit vergrößern können; während sie vor allem den betroffenen kleinen StaatsbürgerInnen schadet, sowohl kollektiv als auch insbesondere individuell jenen, die als Endverbraucher gleichzeitig zu ‚Verursachern‘ archäologisch-denkmalpflegerisch notwendig erachteter Maßnahmen werden. Egal ob man Denkmale nun im Sinne der obigen Definitionen als Allgemein- oder nur als Kollektivgut betrachten will; die Verlagerung der Kosten auf zufällige Dritte, d.h. die Endabnehmer von Produkten, durch deren Erzeugung archäologische Maßnahmen verursacht wurden, oder – noch schlimmer – Einzelne, die zufällig das Pech hatten, auf ihrem Grundeigentum eine archäologische Fundstelle zu haben, erscheint wenigstens mir ausgesprochen unfair.

Gesellschaftliche Identitätsstiftung

Bei einer vollständigen Privatisierung der archäologischen Denkmalpflege stellt sich auch die Frage, ob damit nicht ein wichtiges Instrument gesamtgesellschaftlicher Identitätsstiftung verloren gehen würde. Man kann natürlich zu Nationalstaaten stehen, wie man will – ich bin eher kein großer Freund davon – aber es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass jede beliebige menschliche Gesellschaft irgendwelche Instrumente braucht, um ihren internen Zusammenhalt zu gewährleisten. Denkmale als Symbole einer kollektiven Identität und konstitutive Elemente eines kollektiven kulturellen Gedächtnisses sind bekanntermaßen eines der wichtigeren Mittel, diesen Zusammenhalt auch tatsächlich zu stiften; was auch von politischen Gremien offen eingestandener Weise ihr – wenigstens für die Politik – wichtigster Zweck ist (siehe dazu z.B. erster Satz der Einleitung zur Lausanne-Charter, ICOMOS 1990; Art. 1 (i) der Valletta-Konvention, Europarat 1992; Art 2 (a) der Faro-Konvention, Europarat 2005).

Den Schutz und die Pflege wenigstens einer selektiven Auswahl aller auf dem Gebiet eines Nationalstaates befindlichen Denkmale als Symbole für diesen Staat und auch als kollektives kulturelles Gedächtnis seiner Gesellschaft gänzlich aus der Hand dieses Staates in die vollständige Kontrolle durch Private zu geben, erscheint daher aus identitätspolitischer Sicht eher ungünstig. Will der Staat eine gewisse Kontrolle über – wenigstens – einen Teil der auf seinem Territorium befindlichen Denkmale behalten, wird er kaum darum herumkommen, auch eine staatliche Behörde oder wenigstens einen QUANGO für die Verwaltung, den Schutz und die Pflege wenigstens dieser Denkmale zu unterhalten (wie er es ja auch in England und Wales tut), denn nur dann kann er das Argument aufrechterhalten, dass die Denkmale – oder wenigstens die davon, die er auswählt – tatsächlich ein Allgemein- und nicht nur ein Kollektivgut sind.

Die Fiktion der Denkmale als Allgemeingut ist darüber hinaus auch dafür hilfreich, Instrumente wie das Verursacherprinzip – und sei es nur für die ausgewählten nationalen Denkmale – aufrechterhalten zu können. Besteht nämlich kein öffentliches Interesse, sondern nur verschiedene, einander teilweise überschneidende, aber auch teilweise gegenseitig ausschließende, private Individual- und Kollektivinteressen, wird es wenigstens weit schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich, zu argumentieren, dass der ‚Verursacher‘ wenigstens einen erheblichen Teil der durch seine Vorhaben entstehenden Kosten für archäologische Maßnahmen zu tragen hat. Schließlich stehen im letzteren Fall einander nur verschiedene private Interessen entgegen, und dann ist nicht wirklich einzusehen, warum der eine Private die Kosten tragen soll, die dadurch entstehen, dass andere Private andere Interessen als er an einer in seinem Eigentum stehenden oder sich zufällig auf diesem befindlichen Sache haben. Wenn diese anderen ein derart hohes Interesse an dieser Sache haben, können sie schließlich selbst die Kosten dafür tragen, dass sie unverändert in situ erhalten oder wenigstens wissenschaftlich dokumentiert wird. Solche innergesellschaftlichen Interessenskonflikte sind aber dann ihrerseits eher dazu geeignet, ein gesamtgesellschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl zu schwächen als zu stärken.

Denkmalpflegerische Beliebigkeit und die Wissenschaftsfreiheit

Ein weiterer Problemkreis bei einer vollständigen Privatisierung der staatlichen Denkmalpflege und einer kompletten Übertragung ihrer Aufgaben an Privatunternehmen und die Zivilgesellschaft ist die damit verbundene Gefahr einer (verstärkten) denkmalpflegerischen Beliebigkeit.

Zwar haben auch und gerade staatliche DenkmalpflegerInnen oft persönliche Vorlieben bzw. Vorurteile, was (besonders) erhaltenswerte Denkmale sind und was nicht: Denkmale der jüngeren und jüngsten Vergangenheit und politisch oder gesellschaftlich problematische Denkmale wurden und werden zum Beispiel von der staatlichen Denkmalpflege oft stiefmütterlich behandelt. Interessierte Teile der Zivilgesellschaft haben diesen hingegen oft weit früher Denkmalwert zugeschrieben und Schritte zur Erhaltung derartigen ‚staatlich ungeliebten‘ kulturellen Erbes gesetzt. Auch die staatliche Denkmalpflege muss sich also wenigstens teilweise den Vorwurf einer gewissen Beliebigkeit ihres denkmalpflegerischen Handelns gefallen lassen.

Dennoch gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen staatlicher und privater denkmalpflegerischer Beliebigkeit. Die staatliche denkmalpflegerische Beliebigkeit ist normalerweise systematisch: sie konzentriert sich auf die Erhaltung und Pflege gewisser bevorzugter Arten von Denkmalen, während sie andere Arten von Denkmalen vergleichsweise vernachlässigt oder sogar gewisse Kategorien von Sachen gar nicht als Denkmale betrachtet, obwohl diesen von Teilen der Zivilgesellschaft eventuell bedeutender Denkmalwert zugewiesen wird. Private denkmalpflegerische Beliebigkeit kennzeichnet sich hingegen verstärkt dadurch, dass sie unsystematisch ist: erhalten und gepflegt werden nur jene ganz bestimmten, individuellen Denkmale, für deren Erhaltung und Pflege sich zufälligerweise ein ausreichend engagierter Teil der Zivilgesellschaft interessiert, der auch ebenso zufälligerweise über die erforderlichen Ressourcen für die Erhaltung und Pflege dieses ganz bestimmten Denkmals verfügt.

Gerade der schon oben genannte National Trust war für einen Großteil seiner Geschichte und ist auch heute noch ein typisches Beispiel für diese private denkmalpflegerische Beliebigkeit. Anfänglich bestimmte überhaupt rein der Zufall, welche Objekte dem National Trust zur Erhaltung und Pflege überlassen wurden: diese wurden ihm von ihren Eigentümern geschenkt oder vererbt. Später erwarb er – etwas weniger, aber immer noch stark auf Basis des Zufallsprinzips – über mehrere Jahrzehnte hinweg hauptsächlich Schlösser und bedeutende Landhäuser samt der zugehörigen Parks, deren vormalige Eigentümerfamilien den wirtschaftlichen Wert der Eigentumsübertragung dieser Liegenschaften an den National Trust gegen Erbschaftssteuern aufrechnen konnten. Dass sich heute auf dem Grundeigentum des National Trust etwas 47.000 archäologische Fundstellen befinden, ist ebenso nahezu reiner Zufall: diese befanden sich auf Liegenschaften, die der National Trust zumeist aus ganz anderen Gründen erworben hat; nicht, weil er diese archäologischen Denkmale erhalten und pflegen wollte.

Die Beliebigkeit der Selektion erhaltens- und pflegewürdiger Denkmale durch die staatliche Denkmalpflege kann durch zivilgesellschaftliche Eigeninitiative also einigermaßen kompensiert werden: weisen Teile der Zivilgesellschaft gewissen, von der staatlichen Denkmalpflege vernachlässigten Denkmalen oder überhaupt nicht als Denkmale betrachteten Sachen Denkmalwert zu, können sie sich – ob nun als ausreichend wohlhabendes Individuum oder als gemeinschaftlich ausreichend finanzkräftiges Kollektiv – privat um die Erhaltung und Pflege dieser Denkmale kümmern. Fehlt hingegen die staatliche Denkmalpflege, wird die private denkmalpflegerische Beliebigkeit nicht kompensiert; bzw. nur dann kompensiert, wenn eine zivilgesellschaftliche Organisation oder ein Unternehmen die systematisch beliebige Selektion der staatlichen Denkmalpflege weiterführt, wofür aber aller Wahrscheinlichkeit das erforderliche zivilgesellschaftliche Interesse fehlt.

Aus gesellschaftlicher Sicht ist diese Beliebigkeit und welche Art von Beliebigkeit man nun hat – nur die systematische der staatlichen Denkmalpflege, nur die individuelle Beliebigkeit der privaten Denkmalpflege oder eine Kombination aus beidem – im Grunde genommen einigermaßen egal. Im Endeffekt werden manche Sachen als Denkmale erhalten und andere nicht; und manche werden besser und mehr erhalten als andere; aber im Endeffekt gibt es weiterhin irgendwelche Denkmale, die die gesellschaftlichen Funktionen, die sie erfüllen können und sollen, auch tatsächlich erfüllen.

Aus denkmalfachlicher und insbesondere aus archäologisch-wissenschaftlicher Sicht ist hingegen weder die Beliebigkeit noch die Art der Beliebigkeit egal. Aus archäologischer Sicht ist selbst die systematische Beliebigkeit der staatlichen Denkmalpflege schon ein nicht unbedeutendes Problem; vor allem, wenn – wie in Österreich traditionell – die archäologische Denkmalpflege stiefmütterlich behandelt und der Großteil der verfügbaren öffentlichen Ressourcen in die Bau- und Kunstdenkmalpflege und da wieder hauptsächlich im Bereich der Kirchen und Klöster investiert wird. Die individuelle Beliebigkeit der privaten Denkmalpflege ist jedoch insbesondere aus archäologischer Sicht noch um ein vielfaches problematischer: nachdem die meisten archäologischen Denkmale nicht nur mit dem freien Auge unsichtbar, sondern (selbst wenn sie mit dem freien Auge sichtbar sind) auch zumeist höchstgradig unspektakulär sind (meistens – von seltenen Gustostückerln einmal abgesehen – sogar auch während und nach ihrer Ausgrabung), ist es noch viel schwieriger als bei Bau- und Kunstdenkmalen, die Zivilgesellschaft dafür zu begeistern, sie zu erhalten und zu pflegen.

Dieses Problem wird zusätzlich dadurch verschärft, dass es aus archäologischer Sicht in erster Linie die ‚durchschnittlichen‘ archäologischen Überreste sind, d.h. jene Arten von Funden, Befunden oder gar ganzen Fundstellen, von denen es viele mehr oder minder gleichartige gibt, denen die höchste wissenschaftliche Bedeutung zukommt: archäologische Erkenntnis lebt von der Wiederholbarkeit von Beobachtungen, aus denen sich Schlüsse über früher gepflegte Sitten, Bräuche, gesellschaftliche Verhaltensmuster und -regeln etc. ableiten lassen; d.h. vom Regelfall. Der besonders spektakuläre, aber mit nichts vergleichbare Einzelfall, ist hingegen aus erkenntnislogischer Sicht archäologisch weitestgehend nutzlos: er verrät uns normalerweise nur etwas über sich selbst, gestattet aber zumeist keine weitreichenderen Schlüsse, die unser Wissen über das menschliche Leben in (insbesondere der prähistorischen) Vergangenheit maßgeblich zu erweitern vermögen.

Hier erweist sich die individuelle Beliebigkeit der privaten Denkmalpflege als letal: die Zivilgesellschaft (oder auch ressourcenkräftige Einzelne) davon zu überzeugen, etwas Einzigartiges, Besonderes zu schützen und zu pflegen, kann einigermaßen gut funktionieren. Die Zivilgesellschaft (oder auch Einzelne) hingegen dafür zu begeistern, dass man eine Fundstelle einer bestimmten Art nicht nur schützen muss obwohl, sondern gerade weil, es noch 99 andere nahidentisch gleichartige gibt, ist praktisch unmöglich; schon allein deshalb, weil es maßgeblich mehr Ressourcen erfordert, 100 räumlich weit verstreute gleichartige Denkmale zu schützen als ein einzelnes außergewöhnliches.

Nun bedarf aber die Archäologie als Wissenschaft nicht nur eines einzigen dieser 100 weitgehend gleichartigen, unauffälligen und generell durchschnittlichen Denkmale als Forschungsquelle, sondern idealerweise aller 100. Denn nur, wenn sie wenigstens eine repräsentative Auswahl, wenn nicht sogar alle davon untersuchen kann, kann sie sowohl die Muster und Regeln, die diese kennzeichnen, als auch gegebenenfalls individuelle Abweichungen von diesen Mustern und Regeln erkennen, die es ihr ermöglichen, ihre Aufgabe, signifikante wissenschaftliche Erkenntnisse über die Vergangenheit zu gewinnen, auch tatsächlich zu erfüllen.

Eine staatliche archäologische Denkmalpflege ist daher insbesondere aus archäologisch-wissenschaftlichen Gründen, nämlich zum Schutz der archäologischen Wissenschaftsfreiheit durch den Schutz der für archäologische Erkenntnisse notwendigen Quellen tatsächlich erforderlich. Der Staat – nachdem er die Wissenschaftsfreiheit nicht nur passiv, sondern auch aktiv schützen muss – ist daher auch wenigstens dazu verpflichtet, einen systematischen Schutz und eine ebensolche Pflege der archäologischen Denkmale als Quellen der wissenschaftlichen Forschung sicherzustellen. Das geht mit Abstand am einfachsten und auch effektivsten durch eine staatliche archäologische Denkmalpflege, die daher meiner Meinung nach schon allein aus diesem Grund jedenfalls aufrechtzuerhalten ist.

Schwierigkeit der Aufrechterhaltung institutioneller Strukturen über längere Zeit

Diese Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung einer staatlichen archäologischen Denkmalpflege besteht umso mehr, als eventuell auch mögliche, wenn auch weit weniger effektivere und wohl auch gesamtgesellschaftlich, wenngleich nicht unbedingt für den Staat, deutlich kostspieligere Lösungsmöglichkeiten über längere Zeiträume nur sehr schwer aufrechtzuerhalten sind.

Zwar können zivilgesellschaftliche Organisationen bzw. Institutionen durchaus lange bestehen und sogar Lebensdauern haben, die jene moderner Staaten deutlich übersteigt: ich selbst bin z.B. Mitglied der Society of Antiquaries of London, die seit 1707 ungebrochen besteht. Die Lebensdauer dieser zivilgesellschaftlichen Denkmalpflegeorganisation übersteigt also jene des österreichischen BDA – selbst wenn man die K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale als seinen direkten Vorgänger in ungebrochener Linie versteht – immer noch um beinahe das Doppelte.

Dennoch ist es riskant, sich darauf vollständig zu verlassen, vor allem, wenn solche Organisationen Aufgaben übernehmen, die gesetzlich verpflichtend erledigt werden müssen. So gut in der Praxis die walisische Lösung, die Führung der regionalen Denkmalverzeichnisse an Privatunternehmen auszulagern, auch derzeit – und das seit mehreren Jahrzehnten – funktionieren mag, es bleibt dennoch stets das Risiko bestehen, dass einer der diese Verzeichnisse führenden Archaeological Trusts bankrott geht. Geschieht das, gehört das von diesem Trust geführte Denkmalverzeichnis zur Konkursmasse, was für die lokalen Planungsbehörden und die walisische Regierung ein nicht unbedeutendes Problem erzeugen könnte: schließlich muss dieses Denkmalverzeichnis dauernd benutzbar bleiben und stets auf dem neuesten Stand gehalten werden. Wie das möglich sein soll, wenn das ‚zuständige‘ Unternehmen zugesperrt hat, ist nur schwer vorstellbar.

Noch viel problematischer ist das, wenn komplexere Strukturen aufrechterhalten werden müssen, weil die Denkmalliste von einem privaten Unternehmen, die Archivierung von Befunden von einem anderen und die Archivierung des Fundmaterials wieder von einem anderen Unternehmen übernommen wird: fällt hier nur einer der Knotenpunkte in einem derartigen, komplexen, rein zwischen privaten Trägern geknüpften Netzwerks aus, funktioniert sehr rasch das ganze System nicht mehr. Fehlt dann auch noch jedwede staatliche Struktur, die anstelle eines ausgefallenen zivilgesellschaftlichen Trägers in einem solchen Netzwerk – und sei es nur im Notfall – akut einspringen und dessen Aufgaben (und eventuell dafür auch dessen Personal; man denke nur an den vor kurzem erfolgten Kollaps des viele staatliche Aufgaben privat übernommen habenden Carillion-Konzerns in Großbritannien) übernehmen kann, steht dann potentiell nicht nur die (archäologische) Denkmalpflege, sondern potentiell – wenn gesetzlich erforderlich ist, dass Bauplanungen entsprechend archäologisch begleitet werden – auch gleich ein guter Teil der Bauindustrie still.

Machbar, aber nicht zu empfehlen

Eine nahezu vollständige oder totale Privatisierung der staatlichen (archäologischen) Denkmalpflege ist also, wie oben gezeigt wurde, auch in der Praxis vermutlich möglich; weil man die Aufgaben, die die staatliche Denkmalpflege erfüllt, durchaus auch an QUANGOs, echte NGOs und gemeinnützig oder sogar profitorientiert operierende Privatfirmen auslagern kann, ohne dass man damit Denkmalschutz und Denkmalpflege gleichzeitig abschafft. Empfehlenswert erscheint mir eine derartige Form von „Entstaatlichung“ (Hoffmann-Axthelm 2000) jedoch trotzdem nicht, denn das einzige, was man damit wirklich erreicht, ist, dass die Kosten dafür aus den staatlichen Bilanzen verschwinden, während die dafür gesamtgesellschaftlich anfallenden Kosten steigen und vor allem vergleichsweise finanzschwache Einzelne damit belastet werden. Gleichzeitig gehen mit dieser Beschönigung des Staatshaushaltes hingegen eine ganze Reihe von absolut vermeidbaren und unnötigen Risiken einher; beginnend mit dem Risiko des Verlustes der gesamtgesellschaftliche Identität stiftenden Wirkung staatlich geschützter und vermittelter ‚Nationaldenkmale‘; über das Risiko bedeutenden archäologisch-wissenschaftlichen Flurschadens durch die individualisierte Beliebigkeit der privaten Denkmalpflege; bis hin zum Risiko, dass zivilgesellschaftliche Strukturen, die für die Funktion nicht nur der Denkmalpflege, sondern auch davon betroffener Wirtschaftssektoren (insbesondere der Bauwirtschaft) erforderlich sind, als Folge des Versagens eines unauffälligen und unbedeutenden Knotens in einem zivilgesellschaftlich organisierten Denkmalpflegenetzwerk, unerwartet und unvorhersehbar kollabieren.

Diesen Risiken lässt sich durch eine staatliche (archäologische) Denkmalpflege leicht und zu vergleichsweise lächerlichen Kosten effektiv vorbeugen; nicht nur zum Vorteil der Denkmale, sondern tatsächlich zum Vorteil aller. Spart man also bei der staatlichen (archäologischen) Denkmalpflege, ohne gleichzeitig den Denkmalschutz insgesamt aufgeben zu wollen, spart man an der falschen Stelle.

Gute Entstaatlichung ohne vollständige Privatisierung

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich nicht trotzdem für eine verstärkte Entstaatlichung der archäologischen Denkmalpflege bin. Wie schon oben ausgeführt, sind schließlich Entstaatlichung und Privatisierung keineswegs ein und dasselbe, sondern es gibt auch noch eine andere Art, wie man die Denkmalpflege verstärkt entstaatlichen kann. Diese andere, meist positive und gesellschaftlich wünschenswerte Form der Entstaatlichung der (archäologischen) Denkmalpflege ist, die denkmalpflegerischen Arbeits- und Entscheidungsprozesse verstärkt zu demokratisieren; d.h. die Zivilgesellschaft verstärkt in den Denkmalschutz und die Denkmalpflege einzubinden, wie es auch explizit von der Faro-Konvention (Europarat 2005) gefordert wird.

Gerade gegen diese wehren sich aber sowohl unsere Staaten als auch die staatliche Denkmalpflege mehr oder minder intensiv; und zwar selbst, wenn sie, wie die Republik Österreich, die genannte Konvention bereits ratifiziert haben. Für den Staat bedeutet nämlich die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der denkmalpflegerischen Arbeit und Entscheidungsprozessen eine höhere finanzielle Belastung (der dies schließlich dann auch irgendwie ermöglichen und auch die finanziellen Rahmenbedingungen dafür schaffen muss) und gleichzeitig eine potentielle Behinderung der Wirtschaft durch zivilgesellschaftliche Einmischung in Bau- und andere einschlägige Genehmigungsverfahren. Das läuft jedoch der in den letzten Jahrzehnten vom Staat intensiv vorangetriebenen Form der Privatisierung der (archäologischen) Denkmalpflege durch die Abwälzung der damit verbundenen Kosten qua ‚Verursacherprinzip‘ und Auslagerung des denkmalpflegerischen „Unternehmerrisikos“ (Piffko 2018, 3) entgegen, die ja primär der Entlastung der Staatshaushalte dienen.

Für die staatliche Denkmalpflege und insbesondere die in ihr tätigen FachexpertInnen hingegen bedeutet eine solche Form der Entstaatlichung einen bedeutenden Machtverlust. Effektive Mitbestimmungsrechte für die Zivilgesellschaft bedeuten zwingend, dass nicht mehr einzig die Fachmeinung von Bedeutung für die Beurteilung der Frage ist, was nun ein derart bedeutendes Denkmal ist, dass seine Erhaltung gesellschaftlich gewollt wird und daher auch andere als fachliche Kriterien (oder auch nur die subjektiven Vorlieben des einzelnen Denkmalpflegers) in Entscheidungsprozessen relevant werden. Anders gesagt: es würden (teilweise) andere Denkmale (teilweise) anders gepflegt (siehe dazu auch schon Hoffmann-Axthelm 2000, 9-10) als bisher. Das läuft aber der zunehmenden Professionalisierung der Denkmalpflege, insbesondere in den letzten Jahrzehnten, direkt entgegen.

Gerade deshalb, weil es den Tendenzen, insbesondere denen der letzten Jahrzehnte, entgegenläuft, ist eine derartige Entstaatlichung der Denkmalpflege ganz besonders wichtig und erforderlich. Der Staat muss – gerade von seinen BürgerInnen – wieder vermehrt in die Verantwortung genommen werden können, sich der Aufgabe, der der Denkmalschutz und die Denkmalpflege tatsächlich dient – im Interesse seiner BürgerInnen die Kultur zu erhalten, deren Erhaltung seine BürgerInnen auch tatsächlich wünschen – zu stellen; nicht zuletzt auch finanziell. Das ist aber nur möglich, wenn jene BürgerInnen, die sich für die (archäologische) Denkmalpflege interessieren, und die Organisationen, zu denen sie sich zivilgesellschaftlich dafür zusammenschließen, auch effektive Teilhaberechte am (archäologischen) kulturellen Erbe haben; d.h. auch von sich aus den Staat in die Pflicht nehmen können, ihre Interessen zu schützen, wenn er das nicht (ausreichend) tut. Dafür sind vor allem rechtliche Instrumente wie verpflichtende Konsultationsverfahren samt der Möglichkeit für (und sei es auch nur mittelbar) Betroffene und vor allem zivilgesellschaftliche Denkmalpflegeorganisationen auch Rechtsmittel ergreifen zu können, unabdingbar.

Gleichermaßen muss die staatliche Denkmalpflege und müssen vor allem die in ihr tätigen ExpertInnen erneut und verstärkt daran erinnert werden, dass Denkmale in Wahrheit keine Allgemein-, sondern Kollektivgüter sind; an deren Erhaltung, Pflege und Erforschung niemals ‚alle‘, sondern immer nur bestimmte ‚private‘ Interessensgruppen (oder gar nur Einzelpersonen) interessiert sind; nicht zuletzt die staatlichen DenkmalpflegerInnen selbst. Diese vielfältigen und einander oft genug entgegengesetzten Interessen haben die staatlichen DenkmalpflegerInnen unparteiisch gegeneinander abzuwägen; und nicht, wie sie es selbst mehrheitlich zu glauben scheinen, als „Anwalt“ der ihnen „anvertrauten historischen Objekte“ (Donath 2000, 3) oder „Anwalt der Bodendenkmale“ (Verband der Landesarchäologen 2001, 4) zu agieren. Denn die Denkmale selbst haben keine Interessen, die die staatliche Denkmalpflege anwaltlich und somit parteiisch vertreten könnten oder auch nur dürften: die derart vertretenen Interessen sind nämlich vielmehr ‚nur‘ die eines ganz bestimmten der vielen Kollektive, die ‚private‘ Interessen an den Denkmalen haben, nämlich des Kollektivs der (staatlichen, seltener auch der ‚professionellen‘) DenkmalpflegerInnen (und, ebenfalls seltener, der wissenschaftlichen Fachgemeinschaften insgesamt, aus denen sich diese ExpertInnen rekrutieren) selbst.

Wie es schon Dieter Hoffmann-Axthelm ganz prägnant ausgedrückt hat: „Der Staat ist nicht dazu [da], Erfüllungsgehilfe der […] politischen Ansprüche von Spezialisten zu sein, wenn diese an der […] Bevölkerung […] scheitern“ (Hoffmann-Axthelm 2000, 26). Der Bürger ist nicht für die Denkmale (und schon gar nicht für deren Schutz und Pflege) da, sondern die Denkmale (und ihr Schutz und ihre Pflege) sind für die BürgerInnen da; egal ob uns das als Fachleuten mit ganz bestimmten, eigenen und letztendlich privaten Interessen an diesen Denkmalen gefällt. Unsere Interessen sind natürlich ebenso berechtigt wie die anderer, an den Denkmalen (und deren Schutz und Pflege oder auch deren sonstiger Nutzung auf andere Weise) interessierter BürgerInnen, und sollen, ja müssen daher in den denkmalpflegerischen Arbeits- und Entscheidungsprozessen selbstverständlich auch gehört werden und Gewicht haben. Ihnen aber mehr Gewicht zu geben als denen aller anderen BürgerInnen, die ebenso wie wir das Recht darauf haben, ihre Vorstellungen davon, was Kultur ist und was Denkmale sind (und was nicht), selbstbestimmt zu verwirklichen, ist grundfalsch; und zwar ethisch, rechtlich und auch gesellschaftspolitisch; weil das den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und unserer jeweiligen Staatsverfassungen verletzt, auf dem sowohl unsere Gesellschaftsordnung als auch die Wissenschaft letztendlich beruht.

Die (archäologische) Denkmalpflege muss also ganz dringend entstaatlicht werden; allerdings gerade nicht in Form der ökonomisch determinierten Privatisierung, die ihr nun seit Jahrzehnten vom Staat aufgezwungen wird und bei der die Fachwelt begeistert mitgespielt hat, weil sie für uns und unsere Interessen von Vorteil ist; sondern in Form einer verstärkten Demokratisierung, durch welche die Denkmale endlich wieder denen zurückgegeben werden, in deren Namen und Interesse der Staat sie (wenngleich auch derzeit nur angeblich) erhält: den BürgerInnen. Dafür bedarf es sehr wohl auch einer staatliche Denkmalpflege; allerdings einer ganz anderen als bisher: einer, die dort einspringt, wo es – ob zum Schutz der Quellen der historischen Wissenschaften oder der Denkmalerhaltungsinteressen von kleinen, ressourcenschwachen Kollektiven, der Interessen des Staates und seiner territorialen Untereinheiten als Rechtspersonen, oder aus sonstigen kollektiven Gründen – erforderlich ist, weil zivilgesellschaftlicher Schutz und Pflege dort nicht aus- oder bis dort nicht einmal hinreichen.

Alle anderen denkmalpflegerischen Angelegenheiten haben hingegen der Staat und seine Organe – und die staatliche Denkmalpflege ist nichts anderes als ein Organ des Staates, das daher, ebenso wie er „…um des Menschen willen […], nicht der Mensch um des Staates willen“ (Art. 1 Abs. 1 Herrenchiemsee-Entwurf des deutschen Grundgesetzes; zitiert in Jarass & Pieroth 2016, 41) da ist – den verschiedenen „Gemeinschaften für das Kulturerbe“ (Europarat 2005) – selbstverständlich inklusive den Gemeinschaften der FachexpertInnen für Denkmalpflege und denen der verschiedenen denkmalpflegerelevanten Wissenschaften – selbst ihm Rahmen ihres durch Art. 27 Abs. 1 der AEMR (Vereinte Nationen 1948) garantierten kulturellen Selbstbestimmungsrechtes zu überlassen und nur zwischen deren unterschiedlichen Interessen abzuwägen, zu vermitteln und erforderlichenfalls zu entscheiden. Denn die Kultur, die – und damit auch das (archäologische) kulturelle Erbe, das – gemäß dem Kulturstaatsprinzip (siehe Krischok 2016, 181-2) vom Staat zu fördern ist, ist letztendlich nicht vom Staat (und schon gar nicht von irgendwelchen ‚ExpertInnen‘ in einer seiner Behörden) seinen BürgerInnen vorzuschreiben, sondern von den BürgerInnen selbst so zu gestalten, wie es ihnen gefällt.

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[1] Der Vollständigkeit halber ist hier anzumerken, dass mit dem Begriff Entstaatlichung nicht unbedingt das gleiche wie Privatisierung gemeint sein muss. Vor allem, wenn mit der Forderung nach einer Entstaatlichung der Denkmalpflege eigentlich ihre verstärkte Demokratisierung (und eventuell auch Liberalisierung; Hofmann 2017, 12) durch erweiterte Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung bzw. zivilgesellschaftlichen Teilhabe am kulturellen Erbe und das Kulturerbe betreffenden Entscheidungsprozessen im Sinne der Faro-Konvention (Europarat 2005) und des Menschenrechtes auf Teilhabe am kulturellen Leben der Gemeinschaft (Art. 27 Abs. 1 AEMR; Vereinte Nationen 1948) gemeint ist; ist wenigstens das von den Proponenten einer solchen Entstaatlichung angestrebte Ziel eigentlich eine verstärkte Kollektivierung der Denkmalpflege, nicht eine Privatisierung. Gegenwärtig wird aber, ganz im Sinne der derzeitigen Dominanz einer ganz konkreten, neoliberalen Ideologie und deren populären Mantras von „Mehr privat, weniger Staat“ und des dadurch generierten konzeptionellen Gegensatzpaares privat – staatlich, die Vorstellung einer Entstaatlichung mit der einer Privatisierung der entstaatlichten Agenden bzw. Aufgaben gleichgesetzt, nicht zuletzt in der gelebten Wirklichkeit. Die eigentlich – wenigstens von den Proponenten einer Entstaatlichung im zuvor kurz erläuterten Sinn – beabsichtigte Kollektivierung, d.h. die Verlagerung von denkmalpflegerischen Aufgaben und Entscheidungsprozessen aus den Händen von einigen wenigen ExpertInnen, in denen sich diese derzeit nahezu ausschließlich befinden (Smith 2006, 29-34), an breitere Gruppen (bzw. „Gemeinschaften für das Kulturerbe“ im Sinne des Art. 2 (b) der Faro-Konvention; Europarat 2005) bzw. aus ExpertInnen und RepräsentantInnen derartiger Gruppen zusammengesetzte Kollektivorgane, wird nur dadurch in den Bereich des ideologisch (allerdings nicht formallogisch) aus dem Diskurs ‚ausgeschlossenen Dritten verlagert.

[2] Die Ursachen dafür, dass sie das nicht konnten, sind teilweise lokal unterschiedlich und zumeist einer Kombination verschiedener Faktoren geschuldet. Zu diesen gehören einerseits der politisch gewollte bzw. ideologisch vorangetriebene Stellenabbau – ob nun durch langjährige Aufnahmestopps oder tatsächliche Personalkürzungen – im öffentlichen Dienst, der die ohnehin immer schon knappe Personaldecke der staatlichen Denkmalbehörden noch zusätzlich ausgedünnt hat; andererseits aber auch die teilweise rapide Zunahme von Großbauprojekten seit den 1970ern; sowie eine Reihe mehr oder minder selbstverursachter Gründe. Zu den letzteren gehört einerseits die durch die Entstehung der wissenschaftlichen Forschungsgebiete der Neuzeit-, Industrie- und Schlachtfeldarchäologie zunehmende Annäherung der zeitlichen Grenze, ab der materielle Hinterlassenschaften und Überreste der Vergangenheit als archäologisch relevante Quellen betrachtet werden, an die Gegenwart, durch die immer mehr auch noch einigermaßen oder sogar sehr häufig vorkommende Sachen auch denkmalpflegerisch relevant geworden sind. Andererseits haben von ArchäologInnen für ArchäologInnen geschriebene, internationale Übereinkommen, insbesondere die Lausanne-Charter (ICOMOS 1990) und die Valletta-Konvention (Europarat 1992), dazu geführt, dass heute innerfachlich die Aufgabe der archäologischen Denkmalpflege nicht mehr so sehr in der aus wissenschaftlichen Gründen erforderlichen Selektion besonders bedeutender archäologischer Denkmale gelegen gesehen wird, sondern vielmehr die möglichst vollständige, dauerhafte Erhaltung – sei es nun in situ oder, wo das nicht möglich ist, durch wissenschaftliche Dokumentation – aller archäologischen Funde und Befunde, die es (noch) gibt. Dabei kommt selbstverständlich den beiden zuletzt genannten, selbstverschuldeten Ursachen mit Abstand das größte Gewicht zu, was den rapiden Anstieg des Arbeitsanfalls in der (praktischen) archäologischen Denkmalpflege betrifft.

[3] Die Auswirkungen davon sind – nicht zuletzt dank der Bankenkrise von 2008 – einigermaßen gut bekannt: Boomt die Bauwirtschaft, wie in Irland bis 2008, gibt es so viele ArchäologInnenjobs, dass ein bedeutender Anteil des Personals aus dem Ausland zugekauft werden muss, weil die ‚nationale‘ Produktion an qualifiziertem Fachpersonal nicht mithalten kann (McDermot & La Piscopia 2008, 28-31, 34-5). Bricht die Bauwirtschaft hingegen weitgehend zusammen, gehen auch zahllose ArchäologInnenstellen verloren, in Extremfällen, wie in Irland nach 2008, auch gleich einmal um die 80% (Cleary & McCullagh 2014, 24-5, 28-9); und natürlich auch viele archäologische Dienstleistungsunternehmen bankrott.
Betrachtet man diese Einbrüche in den Stellenzahlen, macht das auch sehr verständlich, weshalb politische Entscheidungsträger das Risiko für die Personalkosten der zu Bauboomzeiten von der Bauwirtschaft benötigten archäologischen Fachkräfte dem Staat nicht aufbürden wollen: hätte in Irland die dort zuständige staatliche Denkmalbehörde alle vor 2008 benötigten ArchäologInnen im öffentlichen Dienst angestellt gehabt, hätte sie entweder nach 2008 ungefähr 1.300 davon aufgrund ausgefallener Verursacherfinanzierung entlassen oder eben auf Kosten der öffentlichen Hand weiter beschäftigen müssen. Legt man einer Berechnung der Kosten, die der Republik Irland für eine Weiterbeschäftigung dieser ca. 1.300 ArchäologInnen angefallen wären, das durchschnittliche Jahreseinkommen irischer ArchäologInnen im Jahr 2007 von ca. € 37.680 brutto (McDermot & La Piscopia 2008, 42-4) zugrunde, wären das pro Jahr ca. € 49 Millionen gewesen, Lohnnebenkosten des Arbeitgebers noch gar nicht mitberechnet. Das ist beinahe ebenso viel wie der geschätzte Gesamtumsatz der österreichischen Archäologie im Jahr 2013 (Aitchison et al. 2014, 41-2), d.h. aller in einem Land mit beinahe doppelt so vielen EinwohnerInnen wie die Republik Irland verrichteten archäologischen Arbeit. Dass kein Politiker sein Land mit derartigen Kosten für ArchäologInnen belasten will, die dann – wenigstens aus seiner Sicht – eventuell das ganze Jahr herumsitzen und auf Staatskosten Däumchen drehen, ist durchaus nachvollziehbar; auch wenn natürlich alle ArchäologInnen wissen, wie viel noch unaufgearbeitetes Fundmaterial in staatlichen archäologischen Archiven liegt, dessen wissenschaftliche Bearbeitung selbst diese 1.300 ArchäologInnen wenigstens ein paar Jahrzehnte, wenn nicht ein paar Jahrhunderte, mit einer Vollzeitbeschäftigung versorgen würde.

[4] Dass sie allerdings in erster Linie aus politisch-ideologischen und nicht unbedingt wirtschaftlichen Gründen unabdingbar war bzw. ist, zeigt das französische Modell mit dem staatlichen Institut national de recherches archéologiques préventìves (INRAP), das die überwiegende Mehrheit aller denkmalpflegerisch indizierten archäologischen Maßnahmen in Frankreich durchführt. Dabei kann man natürlich vorzüglich darüber streiten, ob dieses Modell wirklich (so gut) funktioniert (wie es einen die Selbstdarstellung durch INRAP glauben lassen würde); dass es aber auch wirtschaftlich durchaus (wenigstens so hinreichend gut) funktioniert (dass Frankreich dadurch keinen schweren wirtschaftlichen Schaden nimmt) kann man jedoch nicht bestreiten, was zeigt, dass es auch durchaus möglich (und auch politisch vertretbar) ist, eine verursacherfinanzierte staatliche archäologische Denkmalpflege zu betreiben.

[5] Beispiele dafür sind z.B. die Beschäftigung von zusätzlichem, verursacherfinanziertem, externem archäologischem Fachpersonal über Zeitarbeitsfirmen wie z.B. derzeit in Sachsen-Anhalt; oder behördennahe Vereinskonstruktionen zur Umgehung staatlicher Personalaufnahmestopps wie in Österreich bis etwa 2009 (Karl 2011, 110-27).

[6] Dilettantismus ist hier im ursprünglich eher positiv besetzten Sinn des Begriffes verwendet wird: das Wort leitet sich bekanntlich von Lateinisch ‚delectare‘ (‚erfreuen; vergnügen, gefallen‘) ab. Ein Dilettant in diesem frühen Wortsinn beschäftigt sich mit der Materie, in der er dilettiert, aus ‚Liebhaberei‘, weil er sich für sie besonders interessiert, sie ihn amüsiert und / oder ihm gefällt (siehe in diesem Sinn auch mit Verweisen auf weiterführende Literatur Jung 2010, 22-3).

[7] Der doppeldeutige Begriff ‚bedeutender Teil der Gesellschaft‘ ist hier sehr beabsichtigt gewählt: schließlich kann damit sowohl ein einigermaßen großer Anteil aller Mitglieder einer Gesellschaft als auch eine zahlenmäßig zwar sehr kleine, aber dafür – aus welchen Gründen auch immer – besonders einflussreiche Elite gemeint sein.

[8] Zu beachten ist hier, dass das hier genannte Staatsinteresse keineswegs das gleiche wie das ‚öffentliche Interesse‘ ist: das ‚öffentliche Interesse‘ ist ja eigentlich nicht das Interesse des Staates selbst, sondern das seiner StaatsbürgerInnen als Kollektiv. Der Staat selbst agiert nur als unparteiischer Vermittler zwischen den Interessen des Einzelnen und dem ‚öffentlichen Interesse‘; darf aber als dieser Vermittler zwischen Einzelnem und Kollektiv gar kein eigenes Interesse in der Sache haben, in der er vermittelt, weil er sonst im rechtlichen Sinn befangen, also gerade nicht unparteiisch, wäre.
Als Körperschaft mit eigener Rechtsfähigkeit hat der Staat aber selbstverständlich auch eigene Interessen: es stehen z.B. viele Sachen in seinem exklusiven Eigentum. Dieses Staatseigentum mag zwar theoretisch – d.h. im Sinne einer gesellschaftspolitischen Fiktion – das ‚Allgemeineigentum‘ all seiner StaatsbürgerInnen sein; aber praktisch und auch rechtlich gesehen gehört es eben nicht ‚allen‘ zu gleichen Teilen, sondern eben dem Staat als Rechtsperson, der daher genauso willkürlich damit verfahren darf wie Sie oder ich mit unserem jeweiligen Privateigentum. Das lässt sich am einfachsten dadurch zeigen, dass der Staat sich z.B. jederzeit willkürlich dazu entschließen darf, alle seine Büromöbel, die derzeit in Staatseigentum stehen, wegzuwerfen und durch neue zu ersetzen. Tut er das, können weder Sie noch ich dagegen irgendetwas unternehmen und auch nicht als unseren jeweiligen Anteil an diesem Staatseigentum einen der noch perfekt funktionstüchtigen Bürosessel, die der Staat wegwirft, für uns beanspruchen: diese Büromöbel gehören rechtlich gesehen eben nicht ‚uns allen‘, sondern sie gehören dem Staat, der daher auch, ganz im Sinne des § 362 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) „seine Sache nach Willkühr benützen oder unbenützt lassen; […] sie vertilgen, ganz oder zum Theile auf Andere übertragen, oder unbedingt sich derselben begeben, das ist, sie verlassen“ darf (siehe auch § 354 ABGB und, für Deutschland im Wesentlichen ident dazu, § 903 BGB).
Betrachtet der Staat also irgendeine Sache als sein eigenes kulturelles Erbe und diese steht auch in seinem Eigentum – z.B. sein seit vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten genutztes Parlamentsgebäude – kann es durchaus im Staatsinteresse sein, diese Sache als Denkmal zu erhalten; auch wenn das gar nicht im ‚öffentlichen Interesse‘ gelegen ist (z.B. weil es weit wirtschaftlicher wäre, den alten, baufälligen und dauernd massive Renovierungs- und Erhaltungskosten verursachenden Klotz abzureißen und durch ein neues Gebäude zu ersetzen, um der Allgemeinheit bedeutende Kosten zu ersparen).

[10] Diese bewusst etwas neutraler als üblich gewählte Umschreibung habe ich deshalb gewählt, weil die in diesem Zusammenhang üblichen Formulierungen wenigstens manchmal meiner Meinung nach gefährlich nahe an die Forderung herankommen, man solle mit Archäologie überhaupt kein Geld verdienen dürfen; und man nicht selten den Eindruck bekommt, manche KollegInnen würden das auch tatsächlich glauben bzw. derart interpretieren, wenigstens solange es nicht um ihr eigenes Gehalt geht (siehe dazu schon die obigen Ausführungen zu den – ob nun bewussten oder auch nur unbewussten – Vorbehalten gegen eine „privatwirtschaftliche“ Archäologie). Derartige extreme Auslegungen von fachlichen Ethikvorstellungen sind meiner Meinung nach aber gleich aus wenigstens zweierlei Gründen höchst problematisch: zum einen negieren sie in unlauterer Weise die Tatsache, dass wir als professionelle ArchäologInnen selbstverständlich auch irgendwie unseren Lebensunterhalt bestreiten und daher mit unserer archäologischen Arbeit auch Geld verdienen können müssen; zum anderen machen sie jede Forderung nach höheren Löhnen in der Archäologie – deren es dringend bedarf – schwieriger durchsetzbar, weil solchen Forderungen notwendigerweise der Geruch von Geld anhaftet.
Ebenso problematisch erscheint mir die z.B. im Ehrenkodex von WSVA und DGUF explizit aufgestellte Forderung, dass „… keine Archäologen/innen in irgendeiner Form für den Kunsthandel tätig werden“ (DGUF 2011, 4) sollten: dies impliziert, dass der Handel mit Kunst – völlig unabhängig von der Frage, ob er legal oder illegal ist – inhärent mit einem moralische Makel behaftet wäre, der ArchäologInnen jeden Umgang mit dem Kunsthandel verbietet, weil sie sich sonst wie mit einer ansteckenden Krankheit ‚infizieren‘ könnten. Nimmt man diese Forderung wörtlich – unabhängig davon, ob sie nun jetzt eigentlich so gemeint war oder sich nur auf den Handel mit illegal ausgegrabenen archäologischen Objekten beziehen sollte – würde sie zur Folge haben, dass ich nicht einmal eine von mir selbst angefertigte archäologische Rekonstruktionszeichnung, die auch einen Marktwert als Kunstwerk hat, im Kunsthandel verkaufen dürfte, ohne gegen diese archäologische Ethikregel zu verstoßen. Dabei spricht nicht nur dagegen nichts, sondern z.B. auch nichts dagegen, legal ausgegrabene, sachgerecht dokumentierte Massenfunde oder auch Einzelfunde, die mit den verfügbaren Ressourcen weder sachgerecht gelagert noch langfristig erhalten werden können, auch gewinnbringend am Kunstmarkt zu verkaufen: ist die einzig verfügbare Alternative ihr Totalverlust, dient ihr Verkauf an Personen, die sie privat erhalten wollen, weit eher dazu, sie dauerhaft zu erhalten und wenigstens teilweise längerfristig zugänglich zu halten als dass er vermeidbaren Schaden an ihnen anrichten würde.
Und schließlich ist es auch generell aus fachlichen Gründen erforderlich und auch weit sinnvoller, die Archäologie wissenschaftlich nachhaltig auszubeuten, statt sie einfach im Boden zu be- und somit der zufälligen, undokumentierten Zerstörung in situ zu überlassen (siehe dazu schon Against retention in situ). Es spricht also auch nichts gegen die wissenschaftlich nachhaltige Ausbeutung der Archäologie; nur gegen ihre wissenschaftlich nicht nachhaltige Ausbeutung; gegen ihre unsachgemäße Behandlung.
Meine ideologische Abneigung richtet sich daher nicht gegen die wissenschaftlich nachhaltige Ausbeutung der Archäologie, die ich sogar in einem gewissen Rahmen für extrem wünschenswert halte; sondern nur gegen ihre nicht wissenschaftlich nachhaltige Ausbeutung. Dieser Tatsache wird durch die gewählte, neutralere Formulierung entsprechend Rechnung getragen.

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