Sonntag, 8. Juli 2018

Erster Sonderband von Archäologische Denkmalpflege erschienen

Barrie K. Lill (2018). Richard Pennant, Samuel Worthington, and the Mill at Penlan. A History of the Penrhyn Mills on the Lower Ogwen. Archäologische Denkmalpflege, Sonderband 1.




Mit der industriearchäologischen Studie von Barrie K. Lill zur Mühle von Penlan im unteren Tal des Flusses Ogwen in Nordwales liegt nun der erste Sonderband von Archäologische Denkmalpflege in monografischer Länge vor. Ergebnis von über 10 Jahren Forschung durch einen 'Bürgerwissenschafter', gibt die Studie einen detaillierten Überblick über Archäologie und Geschichte eines wenigstens für die Region sehr bedeutenden, aber völlig vergessenen und denkmalpflegerisch vollkommen vernachlässigten Industriedenkmals und mit diesem zusammenhängenden, weiteren Denkmalen in seiner unmittelbaren Umgebung.


Am 24. März unterzeichneten Richard Pennant, der Eigentümer des Penrhyn-Estates in Nordwales, und ein Konsortium von Kaufleuten aus Liverpool, darunter Samuel Worthington, einen Pachtvertrag. Die dadurch abgedeckten Liegenschaften beinhalteten drei der Schotmühlen des Estates und die neu gebaute Flintmühle in Penlan. Die Unterzeichung dieses Pachtvertrages war ein Wendepunkt in der industriellen Entwicklung von Llandegai, an deren Anfang die Flintmühle stand. Die Mühle war in mehreren Beziehungen einzigartig: sie war die erste Flintmühle, die in Nordwales gebaut wurde; hatte eine direkte Verbindung zur Herculaneum-Steinzeugfabrik in Liverpool; war vermutlich das erste Ziegelsteingebäude in Llandegai; und hatte die mutmaßlich erste über eine längere strecke verlaufende Überlandeisenbahn weltweit, die mit eisernen Schienen ausgestattet war.


Während ihrer Nutzungszeit von 1796 bis 1955 durchlief die Mühle fünf Entwicklungsphasen. Anfänglich als Flintmühle genutzt, wurde sie 1835 zu einer Kornmühle umgebaut, als welche sie bis zum Ende des Jahres 1901 verwendet wurde. Etwa zur gleichen Zeit wurde der angeschlossene Stall errichtet und 1852 eine Lagerhalle und eigener, privater Eisenbahnanschluss hergestellt. Weitere Gebäude wurden in den 1880ern zur Mühle hinzugefügt. Ein weiterer ungewöhnlicher Aspekt bei der Mühle ist dass ihr Mühlkanal nicht nur dazu geplant und verwendet wurde, die Mühle mit Antriebsenergie zu versorgen, sondern lieferte auch das Wasser das über ein Aquädukt zu den nahegelegenen Werksgebäuden in Felin Isaf geleitet wurde und dort die Turbine antrieb.

Die Geschichte der Mühle von Penlan ist nicht nur die eines Industriegebäudes, sondern auch die der bedeutendsten Personene, die an ihrer Planung und ihrem Bau beteiligt waren; insbesondere Richard Pennant und Samuel Worthington. Ihre Geschichte ist für alle spannend, die sich für die Geschichte von Llandegai und seine Entwicklung, aber auch für die Geschichte der industriellen Revolution in Nordwales oder auch generell für Industriegeschichte interessieren.


Ebenso ist aber auch die Geschichte der Entstehung dieser Studie interessant, denn sie ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie durch bürgergesellschaftliches Engagement und Interesse an der Geschichte und Archäologie eines wenigstens lokalgeschichtlich, wenn nicht auch deutlich über die Ortsgeschichte von Llandegai bedeutenden Industriedenkmal Informationen über dieses Denkmal gerettet, dokumentiert und wissenschaftlich ausgewertet werden konnten, die anderenfalls vollkommen verloren gegangen wären. Denn das Land, auf dem sich die Überreste der Mühle von Penlan und Teilen der damit verbundenen Anlagen befinden ist bis heute ein Industriegebiet, das für seine gegenwärtige Nutzung - weitestgehend bis gänzlich unbeobachtet und undokumentiert durch die professionelle Denkmalpflege - stetig umgebaut und auch teilweise maßgeblich umgestaltet wird. Vieles von dem, was Barrie Lill bei seinen selbstständigen wissenschaftlichen Forschungen (inklusive Grabungen) an Ort und Stelle Mitte der 2000er dokumentieren und damit für die zukünftige Forschung retten konnte, ist heute in situ bereits gänzlich zerstört.


Spannend ist dabei aber auch, dass Barrie Lill nicht nur die Mühle eigenverantwortlich - und nur sehr gelegentlich etwas betreut durch Frances Lynch, die Doyenne (insbesondere) der nordwalisischen (prähistorischen) Archäologie und den (ebenfalls primär an prähistorischer Archäologie interessierten) Herausgeber der Archäologischen Denkmalpflege - erforscht und zu diesem Zweck wenigstens teilweise archäologisch ausgegraben hat; sondern dass er das überhaupt durfte. Denn die Überreste der Mühle von Penlan stehen nicht unter Denkmalschutz und nach walisischem Recht ist daher für derartige Forschungen nur die Einwilligung des Eigentümers, nicht jedoch eine denkmalrechtliche Bewilligung erforderlich. Ist ein Denkmal - auch ein sicherlich nicht gänzlich unbedeutendes wie Penlan Mill - nicht denkmalgeschützt, dann darf es in Wales jeder ausgraben; und im Fall der Mühle von Penlan war das auch gut so, denn eine von professionellen ArchäologInnen durchgeführte Ausgrabung dieser Fundstelle hat nie stattgefunden und hätte das wohl auch nicht, wenn nicht Barrie Lill sie ohnehin schon wissenschaftlich zu erforschen begonnen hätte.



Natürlich ist bei den Grabungen in der Mühle, die Lill praktisch im Alleingang durchgeführt hat, sicher nicht immer alles ganz so abgelaufen, wie man es sich bei einer vollständig professionell durchgeführten Grabung erwarten würde. Dennoch: die Ergebnisse seiner Studie haben nicht nur Hand und Fuß, sondern dokumentieren in hinreichend qualitativer Weise die Geschichte der Mühle von Penlan, um diese vor dem unbemerkten Verlorengehen für die weitere Erforschung durch künftige Generationen von  - ob nun bürgerlichen oder professionellen - WissenschafterInnen zu retten. Damit hat Barrie K. Lill sich verdient gemacht, nicht nur um die Erforschung der Geschichte Llandegais, sondern um die Erforschung der industriellen Revolution in und über Nordwales hinaus und die archäologische Bürgerbeteiligung.

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