Sigrid Peter
Ein paar einleitende Worte…
Vornweg soll hier erst einmal klargestellt
werden, dass es sich bei der Autorin um keine Archäologin, allerdings auch
nicht um eine sogenannte „Heimatforscherin“ handelt, sondern um eine (junge)
Lehrerin, die seit einigen Jahren in einer Art „Burgverein“ tätig ist, der sich
dem Erhalt und der Erforschung eines „Bodendenkmals“ widmet. Im Laufe der Jahre
hat sie einige (mal mehr, mal weniger gute) Erfahrungen mit Forschenden aus den
Fachbereichen Archäologie, Geschichte, Denkmalpflege und Bauhistorik gemacht, sowie
auch die (mal mehr, mal weniger) „typischen“ Probleme von sogenannten „Citizen
Scientists“, also „Bürgerforschern“, kennen gelernt.
Da es derzeit viele Projekte gibt, die sich den
Stempel „Citizen Science“ aufdrücken die dennoch in den meisten Fällen als
„top-down“-Projekte betrachtet werden dürfen und es sogar Konferenzen zu dieser
Thematik gibt, will dieser Beitrag einmal die andere Seite der Medaille
beleuchten – konkret die Situation und das Leben eines durchschnittlichen
Bürgers,[1]
der zwar an Forschung interessiert ist, dennoch Hemmungen und/ oder Probleme
hat an dieser mitzuwirken. Wie es zu diesen kommt und welche Möglichkeiten es
gibt um diese abzubauen will nun erläutert werden. Ansonsten sind alle
Ähnlichkeiten mit vergangenen Events und bedienten Klischees durch und durch
beabsichtigt.
Der Bürger – Ein ruhiges Gemüt
[auch „Steuerzahler“, „Laie“, „Arbeiter“ oder
„Angestellter“ genannt]
Der durchschnittliche Bürger (sofern überhaupt von
einem „Durchschnitt“ oder einer „Norm“ gesprochen werden kann) ist an
Archäologie und Geschichte interessiert. Meist hat er eine falsche Vorstellung
von Archäologie, da er diesen Begriff aus Filmen wie etwa „Indiana Jones“ oder
„Die Mumie kehrt zurück“ kennt und oft hat er auch kein Studium abgeschlossen
und nur ein vages Bild, was „Forschung“ und „Wissenschaft“ denn sein könnte.
Forscher werden zumal oft als seltsame Wesen mit akademischen Titeln und
unverständlicher Fachsprache – oder im Falle der Naturwissenschaften auch gerne
mal als comic- und spiele-versessene Nerds wie sie in der Fernsehserie „The Big
Bang Theory“ zu sehen sind – wahrgenommen. In den Geistes- und
Kulturwissenschaften wird in den Augen des Bürgers in „Orchideenfächern“
geforscht, die keinen praktischen Nutzen oder Mehrwert für ihn besitzen – zumal
er Diskussionen in diesem Bereich nicht folgen kann, da er das viele
Fachchinesisch nicht versteht. Die „Wissenschaftler“ sind für den Bürger eine
seltene Spezies, auf die er gelegentlich einen skeptisch-verhaltenen, aber
dennoch neugierigen Blick erhascht, sofern sie sich einmal von ihrem
Elfenbeinturm herunter begeben und einen Vortrag zu einem nicht näher
definierten Thema abhalten.
Dennoch besitzen die meisten Bürger ein mehr
oder weniger großes Interesse an ihrer näheren Umwelt und damit auch an ihrer
Vergangenheit. Leider stellt sich dem Bürger diese in den oftmals besten Fällen
als ein paar Scherben von Töpfen, Schüsseln oder Tellern oder auch als rostige
Schwerter dar. In jedem Fall ist die fernere Vergangenheit ein Abstraktum, von
dem er nur mehr kaputte Reste hinter einer Glasscheibe im Museum sieht – oder
in vielen Fällen auch gar nichts (da nichts Greifbares mehr vorhanden ist).
Anders ausgedrückt: Die Vergangenheit ist kaputt, besteht aus Müll oder ist
schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Das Interesse für Museen,
Ausstellungen oder höhere Bildung ist daher bald endend wollend.
Der Bürger(forscher) – Eine neue Spezies entwickelt sich
[auch „Laienforscher“, „Heimatforscher“ oder
neudeutsch „Citizen Scientist“ genannt]
Trotzdem gibt es gelegentlich einige
Individuen, die mehr wissen und mehr erfahren wollen. Das ursprüngliche
Interesse kann einer einfachen Frage, die bei dem Ansehen einer
TV-Dokumentation aufkommt, entspringen oder auch einem Zufallsfund bei einem
Spaziergang im Wald. Wahlweise gibt der Heimatort auch eine alte Ruine her und
Gerüchte besagen, dass es zwischen dieser und einer anderen Burg(ruine) (die
sich oftmals auf einer Erhöhung über dem Tal befindet in dem ein Bach oder
Fluss fließt) einen Geheimgang gibt in dem noch heute ein unermesslich
wertvoller Schatz verborgen liegt… Welchen Grund auch immer dieses Individuum
hatte sich mit der Vergangenheit zu befassen, es wird versuchen seine Theorien
zu beweisen. Hier wird es vielleicht auch den ersten Kontakt mit
Wissenschaftlern aufnehmen. Wie dieser Erstkontakt ausfällt kann nun für die
weitere „Laufbahn“ des Bürgers entscheidend sein!
Im schlechtesten Fall trifft er auf einen
Wissenschaftler der sich hoch oben in seinem Elfenbeinturm bequem gemacht hat
und dem angehenden Bürgerforscher auf arrogante Weise zu verstehen gibt, dieser
habe ja keine Ahnung von Wissenschaft und ohne nicht mindestens einen Magister-
oder Masterabschluss zu besitzen sei er nicht privilegiert genug um Forschung
zu betreiben, da er ohne ein Studium zu dumm sei um in die heiligen Künste
eingeweiht zu werden. Nach einem solchen Erlebnis wird der (nun frustrierte,
beleidigte und zutiefst verletzte) Bürgerforscher alle Wissenschaftler
automatisch in eine Schublade stecken und ihnen künftig nur mehr mit großem
Misstrauen begegnen:
„Wissenschaftler
und Forscher sollen ruhig auf ihrem Elfenbeinturm bleiben – pah! Was brauche
ich die schon! Ich mache einfach mein eigenes Ding und irgendjemand wird mir
schon Gehör schenken!“
Gehen wir aber einfach einmal vom besten Fall
aus und er trifft auf einen verständnisvollen Wissenschaftler, der sich ein
wenig Zeit nimmt und ihm das „Regelwerk der wissenschaftlichen Forschung“
erklärt, ihm anfänglich unterstützend unter die Arme greift und bei Fragen
beratend zur Seite steht. Erstens fühlt sich der angehende Bürgerforscher
dadurch angenommen und zweitens hat er nun einerseits die Möglichkeit etwas
Positives über diese seltsamen Wissenschaftler zu berichten. [Das schließt
natürlich nicht aus, dass es auch anstrengende und unbelehrbare Bürgerforscher
gibt, die mit ihrer Art und Weise für die jeweiligen Wissenschaftler einen
gefühlten Sargnagel darstellen...] In weiterer Folge wird sich der nun
begeisterte Bürgerforscher nach Gleichgesinnten umsehen, eventuell einen Verein
gründen oder ein Projekt starten, oder auch nach anderen Projekten Ausschau
halten.
Mit etwas Glück kommt er dann auf den Begriff
„Citzien Science“ und merkt: „Hey cool!
Da kann ich mich einbringen!“ Er findet sogar ein Projekt das ihn
interessiert, macht einige Zeit mit und stellt kurz danach fest, dass es sich
hierbei um einen netten Zeitvertreib handelt, ihm aber zu wenig ist. Denn: Er
selbst darf zwar die Daten sammeln oder auch unter Aufsicht bei einem
archäologischen Survey oder einer Grabung teilnehmen, aber vieles weitere
bleibt ihm bis auf weiteres verwehrt. Zumal sich bei einigen Bürgerforschern
auf die Frage der Machbarkeit stellt, denn:
Der durchschnittliche Bürger arbeitet 8-9
Stunden, 5 Tage die Woche und hat eine Familie und/ oder andere private
Verpflichtungen, die ihn ebenfalls einnehmen. So gerne er würde, kann er nur in
seltenen Fällen seine gesamte Freizeit auf ein wissenschaftliches Projekt
verwenden. Urlaubstage sind übers Jahr gesehen knapp und nicht jeder Chef gibt
gerne Zeitausgleich bei Überstunden – und schon gar nicht unter der Woche, in der
der Bürger(forscher) seiner bezahlten Tätigkeit nachgehen soll!
Insofern lassen sich Projekte, die unter der
Woche stattfinden, für den Bürgerforscher nur schwer bewerkstelligen.
Lebensgefährten und Kinder wollen in einigen Fällen einen gemeinsamen,
forschungsfreien, entspannenden Urlaub und nicht in einem oder um ein Loch
herumstehen, schwitzen oder frieren um im besten Fall ein paar Scherben zu
finden. Damit also der Haussegen nicht schief hängt, kommt der Bürgerforscher
diesen Verpflichtungen nach.
Die ersten Flirtversuche: Speed-Dating auf Konferenzen, Tagungen und Symposien
Aber es muss ja nicht immer ein Projekt sein –
Konferenzen sind auch für den Bürgerforscher eine tolle Möglichkeit um sich mit
Gleichgesinnten auszutauschen! Also meldet er sich flugs zur „Citizen Science
Konferenz“ an und schluckt erst einmal als er die dortige Teilnahmegebühr und
die Gebühren für das Rahmenprogramm sieht. Um sicher zu gehen, dass es sich
hierbei um eine Investition handelt, kontaktiert er den (inzwischen
befreundeten) Wissenschaftler und erkundigt sich, ob denn solche Beiträge
üblich wären und wie denn Wissenschaftler regelmäßige Konferenzbesuche finanzieren.
Diese bekommen diese Beiträge von ihren Instituten erstattet und müssen sich
(bis auf die Abrechnung) keine weiteren Sorgen mehr machen.
„Na gut“, denkt sich also der ambitionierte
Bürgerforscher, „was sein muss, muss
sein.“ und bezahlt den Beitrag. Zusätzlich kommen noch Fahrtkosten und
gegebenenfalls eine Unterkunft auf ihn zu, die er – anders als der
Wissenschaftler – aus eigener Tasche bezahlen muss.
Selbst das tut er zähneknirschend – dennoch
findet diese Konferenz leider trotzdem unter der Woche statt und er muss sich
zwei Urlaubstage nehmen – Donnerstag und Freitag – denn am Samstag finden nur
mehr Ausflüge statt. Diesen Umstand versteht der Bürgerforscher nicht ganz –
ist es doch eine Veranstaltung, in der es um Personen wie ihn geht.
Gleichzeitig weiß er von Messen und ähnlichen Veranstaltungen zu jedem
beliebigen Thema die am Wochenende stattfinden und meistens kostengünstiger
sind.
Endlich ist der große Tag der Konferenz
gekommen und der enthusiastische Bürgerforscher freut sich darauf, andere
seiner Art kennen zu lernen. Dennoch wird er vorerst enttäuscht, denn
augenscheinlich befindet er sich alleine unter Wissenschaftlern. Ein teilweise
ungutes Gefühl beschleicht ihn. Interessiert hört er sich einige Fachvorträge
an, fragt sich aber immer wieder, warum er hier alleine ist und es keine
anderen Bürgerforscher gibt. Trotzdem will er nicht aufgeben, sondern sucht das
Gespräch – anfangs noch mit einigen Unsicherheiten. Aufgrund der kurzen
Kaffeepausen wirkt diese Veranstaltung eher wie ein Speed-Dating, als die
Möglichkeit sich mit Gleichgesinnten seiner Art und Wissenschaftlern, die an
seiner Person interessiert sind, auszutauschen. Nach einigen Versuchen findet
er dennoch ein paar nette Wissenschaftler als Gesprächspartner. Letztendlich
geht er mit gemischten Gefühlen nach Hause und fragt sich, was er denn dort
erlebt hat.
Die große Liebe oder doch nur ein Strohfeuer?
An dieser kurzen Geschichte ist es möglich,
einige Schwierigkeiten und Problematiken eines Bürger(forscher)s zu erkennen.
Ähnlich einer Beziehung braucht es zwischen ihm und den Wissenschaftlern eine
gewisse „Beziehungsarbeit“, in die beide Seiten investieren müssen, sowie
Verständnis um erfolgreich zusammenarbeiten zu können – kurzum: Um ein Projekt
erfolgreich durchführen zu können sind einige essentielle Punkte zu beachten:
Hinzu kommt, dass der nicht-studierte Bürger in der Regel keine Hilfestellung durch einen Mentor bekommt und daher viel Reflexionsvermögen und Verständnis von ihm abverlangt wird. Daher sollte ihm zumindest grundlegend erklärt werden wie Wissenschaft funktioniert oder wieso manche Schlussfolgerungen schlicht und ergreifend nicht haltbar sind – allerdings mit Wertschätzung und Respekt.
- Bürger(forscher) haben ein mehr oder weniger großes Interesse an Geschichte und Archäologie – wenngleich auch kein so großes Fachwissen wie der studierte Archäologe oder Historiker. Gelegentlich haben Bürgerforscher aber ein großes Detailwissen über ihren Heimatort. Dieses sollte meiner Meinung nach in der Forschung genutzt oder zumindest eingebunden werden. Natürlich besteht hier das Risiko, dass es sich um „falsche“, „unvollständige“ oder „unzuverlässige“ Quellen handelt – allerdings sind „schlechte“ Daten besser als gar keine Daten. Natürlich sollen sie mit Vorsicht behandelt werden – aber in der Wissenschaft werden Hypothesen und Annahmen laufend durch neue ersetzt.
- Die Bereitschaft mit einem wissenschaftlichen Regelwerk zu arbeiten ist bei Bürger(forschern) grundsätzlich vorhanden. Diese Regeln müssen allerdings erst einmal erklärt und begreiflich gemacht werden. Auch Studenten lernen in ihrem Studium erst die Grundlagen und haben außerdem in der Regel mehrere Jahre Zeit um ihr „Handwerk“ zu erlernen. Sie durchlaufen hierbei mehrere Prozesse und werden dabei von ihren Professoren/ Tutoren betreut. Diese Prozesse brauchen Zeit – und diese wird auch von dem ambitionierten Bürgerforscher benötigt um ein grundlegendes Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten aufzubauen.
Hinzu kommt, dass der nicht-studierte Bürger in der Regel keine Hilfestellung durch einen Mentor bekommt und daher viel Reflexionsvermögen und Verständnis von ihm abverlangt wird. Daher sollte ihm zumindest grundlegend erklärt werden wie Wissenschaft funktioniert oder wieso manche Schlussfolgerungen schlicht und ergreifend nicht haltbar sind – allerdings mit Wertschätzung und Respekt.
- Der durchschnittliche Bürger hat einige Faktoren, die ihn zeitlich unflexibel machen:
Normalarbeitszeit um Geld zu verdienen: 38-40 Stunden/ Woche, meist Montag- Freitag oder Schichtdienst.
Durch
eine ganz normale Arbeitswoche ist es einem durchschnittlichen Bürger(forscher)
nicht möglich jederzeit an Projekten teilzunehmen. Sein Job ist seine
Lebensgrundlage und daher sollten Projekte so geplant werden, dass die
Teilnahme an ihnen zeitlich möglich gemacht wird.
5 Wochen Urlaub pro Jahr
Diese
werden mitunter durch Feiertage, Ferien der Kinder oder Wünsche der
Lebensgefährten eingeschränkt und sind rar. Zeitausgleich ist nicht in jeder
Firma erwünscht und daher auch nicht immer möglich.
Familie, Partner, anderweitige privaten Verpflichtungen.
Ja, es
gibt auch noch andere Menschen im Leben eines Bürgers und diese muss er in
seiner Freizeit einplanen. Nicht jeder Ehepartner freut sich über endlose
(un)romantische Stunden auf einer Baustelle (auch wenn diese idyllisch in einem
Wald liegt). Es sei denn der Ehepartner hat Interesse im selben
Forschungsgebiet und kann diesem Hobby etwas abgewinnen – das stellt allerdings
keine Selbstverständlichkeit dar.
- Die Mobilität kann mitunter eingeschränkt sein, da etwa kein eigenes Auto vorhanden ist oder der (etwas jüngere) Bürger(forscher) noch keinen Führerschein besitzt. Hier sollten nach Möglichkeit Fahrgemeinschaften oder Shuttles organisiert werden, da sich nicht alle Grabungen oder Surveys neben einer Bahn- oder Bushaltestelle befinden oder in absehbarer Zeit zu Fuß zu erreichen sind.
- Mitunter ist der finanzielle Rahmen sehr eingeschränkt. Hohe Gebühren für Konferenzen, deren Rahmenprogramm, Unterkunft, Verpflegung und Reisekosten können die Teilnahme an einem Event (oder auch Projekt) verhindern. Viele Akademiker bekommen Ausgaben dieser Art refundiert – der durchschnittliche Bürger bezahlt so etwas aus eigener Tasche und überlegt sich daher mehrmals, ob diese Ausgaben für ihn sinnvoll und zielführend sind.
Hinzu kommen noch Materialien die benötigt werden, sowie Mitgliedschaften in Vereinen/ Verbänden, um vom Elfenbeinturm aus wahrgenommen zu werden.
Weiters müssen Bürgerforscher gerade bei „bottom-up“-Projekten viel Geld investieren um Forschung erst zu ermöglichen. Wissenschaft ist in der Hinsicht eine mehrfach teure Angelegenheit.
- Die Sprache ist in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Bürgern oft eine Barriere, da sie für den Bürger unverständlich ist. Es gibt viele Fremdwörter und Fachtermini, die so nicht im Alltag gebräuchlich sind. In der Kommunikation sollte darauf geachtet werden verständlich zu sprechen und das sprachliche Niveau dem Gegenüber anzupassen. Das gilt ebenfalls für Publikationen!
- Forschungprozesse müssen der breiten Masse zugänglich gemacht werden.
Sie stellen für die meisten Bürger etwas Abstraktes dar und sind daher nicht „be“- greiflich. Ohne dieses Begreifen kann der Bürger kein Verständnis für Forschung aufbringen und in weiterer Folge sieht er in ihr auch keinen Mehrwert. Gleichzeitig sollte der Bürger auch die Möglichkeit haben am gesamten Forschungsprozess beteiligt zu sein und nicht nur zum Datensammeln ausgenutzt werden.
- Die Elfenbeinturm-Mentalität ist ein eklatantes Problem, das eine gute Zusammenarbeit verhindert. Niemand wird gerne von oben herab behandelt und als dumm oder unfähig dargestellt, nur, weil es ihm an einem Studium fehlt. Viele Wissenschaftler sind sich nicht darüber im Klaren, das Studieren noch immer ein (finanzielles) Privileg und ein Studium (auch wenn die kognitiven Fähigkeiten vorhanden sind) nicht immer durchführbar ist. Die Bildungsdurchlässigkeit ist nicht gegeben und so studiert tendenziell eher der Nachwuchs aus Akademikerhaushalten, als jener eines Bauers oder Handwerkers.
Lösungsvorschläge
Natürlich ist es einfach nur Probleme
aufzuzeigen. Aus diesem Grund gibt es hier einige Lösungsvorschläge:
Die
„Österreichische Citizen Science Konferenz 2017“ hat mich mit ermäßigter Gebühr
110 Euro für zwei Tage Vorträge, einen Tag Exkursion und ein „Conferencedinner“
gekostet. Das ist für manche Menschen schlicht und ergreifend (zu) viel Geld.
Die eventuellen Kosten für die Fahrt und Übernachtungen sind hier noch nicht
inkludiert.
- Die Elfenbeinturm-Mentalität abbauen: Menschen sind nicht dumm oder unfähig, nur, weil sie nicht studiert haben. Eine wertschätzende Haltung für ihr Interesse an der Wissenschaft sollte vorhanden sein – zumal Wissenschaft und Forschung oft von den Steuergeldern eben jener Bürger bezahlt wird.
- Konferenzen, Tagungen und Symposien müssen zeitlich und finanziell angepasst werden. Ein Beispiel:
Das
interessantes Konklusio der Konferenz: Es gibt zu wenig Citizen Scientists auf
der Citizen Science Konferenz.
Auch
im Folgejahr (2018) kam ein Teilnehmer zu diesem Ergebnis: https://twitter.com/ch_musik/status/959496591789953024?s=19
(23.04.2018)
- Es braucht Vermittlungspersonen („Bridgebuilders“), die zwischen Wissenschaftlern und BürgerInnen vermitteln. Diese Personen sollten in der Lage sein, beide Seiten verstehen und zwischen den Menschen vermitteln können. In den Geschichtswissenschaften und der Archäologie z.B. LehrerInnen, MuseumspädagogInnen, KulturvermittlerInnen…
Im Idealfall besitzen sie ein wenig Einfühlungsvermögen im zwischenmenschlichen Bereich und eine Mediatoren-Ausbildung (diese ist zwar kein Muss, aber erfahrungsgemäß hilfreich um Missverständnisse zu vermeiden und akzeptable Lösungen für beide Seiten zu finden).
- Die Angebote dürfen ruhig niederschwelliger werden – beispielsweise durch andere Formate:
offene Diskussionsrunden an öffentlichen Orten (Museen eignen sich hier zwar auch, allerdings nur bedingt – auch hier ist die Schwelle für Bürger manchmal sehr groß… besser eignen sich Ausflüge mit Führungen zu historischen Objekten)
(Volkshochschul-) Kurse als Einführung um bestimmte Aktivitäten durchführen zu können (beispielsweise Keramikzeichnen oder Funddokumentation).
Allgemein
stellt sich auch eine bessere mediale Infrastruktur als hilfreich heraus, um die
Hemmschwelle für Bürger zu senken. Social Media eignen sich mitunter gut –
allerdings wechseln sich die verschiedenen Plattformen schnell ab und je
nachdem welche Zielgruppe(n) erreicht werden soll(en), müssen auch
unterschiedliche Kanäle verwendet werden. Facebook findet die jüngere
Generation schon wieder out – Instagram und Snapchat machen hier eindeutig das
Rennen!
Folgende Fragen sollten beantwortet werden:
- Was bringt Archäologie den Bürgern?
- Welchen Mehrwert hat Denkmalschutz oder Wissenschaft für die Gesellschaft? Zu bedenken ist hier: Wissenschaft, Archäologie und Denkmalpflege wird sehr oft (oder zumindest teilweise) durch Steuern (mit-) finanziert. Ein simples Gerechtigkeitsempfinden verlangt es also, dass der Steuerzahler hierfür etwas zurückbekommt. Das kann eine für Bürger geschriebene Publikation sein oder eine interessante, gut aufbereitete Museumsausstellung.
Weiters sollten sich in der Zukunft noch folgende zwei Fragen gestellt werden:
- Was braucht es von Bürgerseite, damit eine gute Zusammenarbeit gewährleistet werden kann?
- Was braucht es seitens der Wissenschaft, damit eine gute Zusammenarbeit gewährleistet werden kann?
Nein, es ist nicht immer einfach (und das hat auch niemand behauptet). Trotz allem wäre es für die Entwicklung der Spezies Bürgerforscher vorteilhaft, wenn auf sie und ihre grundlegenden Bedürfnisse etwas mehr eingegangen wird. Also liebe Kollegen vom Fach: Macht etwas daraus!
[1] Aus Gründen der besseren
Lesbarkeit wird hier allgemein die männliche Form verwendet. Gemeint sind
natürlich alle sich empfindenden Geschlechter gleichermaßen.
Ich habe selbst mal Archäologie studiert - bis zum Bachelor, dann bin ich auf Geologie umgestiegen, wegen der wesentlich besseren Job-Angebote. In beiden Bereichen hatte ich während des Studiums mehrfach mit Laien zu tun. Als Archäologe mit wissenschaftlich interessierten Metallsuchern (ja, die gibt es), als Geologe mit Mineralien- und Fossiliensuchern. Während ich bei der Zusammenarbeit mit den "Sondlern" viel Misstrauen erlebt habe, war die Beziehung zu den Fossiliensuchern von Vertrauen gekennzeichnet.
AntwortenLöschenWarum dieser spürbare Unterschied? Ich mache rückblickend die Schuld zu guten Teilen bei der staatlichen Archäologie fest. Die meisten Gründe dafür sind in diesem Beitrag sehr gut geschildert worden.
Zurecht wurde zB kritisiert, dass die Gebühren für einschlägige Tagungen zu hoch sind. Gerade so, als ob man lieber unter sich bleiben möchte.
Allerdings erinnere ich mich auch noch gut an ein Blog-Interview mit Herrn Karl, in dem er meinte, die Leute mögen halt weniger Wienerschnitzel essen, dann könnten sie sich ihr Mitwirken eher leisten. Nichts für ungut, aber ist das nicht auch genau die Abgehobenheit, die hier zurecht kritisiert wird.