Abstract: In diesem
Beitrag werden einige Gerichtsurteile im Bereich des Kulturgüterschutzes,
insbesondere betreffend den Handel mit archäologischen Kulturgütern genauer
betrachtet und analysiert. Diese Urteile gleichen sich insofern, als staatliche
Kulturgüterschützer sich in diesen Fällen mehr oder minder grob rechtswidrig verhielten
und dadurch den von diesem Verhalten Betroffenen – ob nun unabsichtlich oder
absichtlich – Schaden zu verursachen versucht haben. Dafür haben sie
Befugnisse, die ihnen aus ihrer Funktion oder Stellung als Organ einer
staatlichen Behörde, eines Museums etc. erwachsen sind, absichtlich rechtsmissbräuchlich
verwendet, um archäologische Kulturgüter in ihren Besitz zu bringen bzw. in
diesem zu behalten, obwohl die Tatsache, wer deren rechtmäßige EigentümerInnen
waren, zum jeweils relevanten Zeitpunkt nicht (mehr) umstritten, sondern
bereits (durch ordentliche Gerichte oder auf anderem geeignetem Wege) mit
Sicherheit festgestellt worden war.
Diese Fälle verdeutlichen, dass es im Bereich des
(archäologischen) Kulturgüterschutzes wenigstens einige Organe staatlicher
Einrichtungen, Museen etc. gibt, welche die ihnen vom Staat oder ihren
jeweiligen dienstgebenden Einrichtungen anvertrauten Befugnisse grob und
schwerwiegend missbrauchen, weil sie auf Basis eines totalitären Amts- und
Kulturstaats- bzw. wenigstens Kulturgüterschutzverständnisses glauben, nicht an
die in ihrem jeweiligen Land geltende Gesetzgebung gebunden zu sein. Sie scheinen
irrtümlich zu glauben, dass sie über dem Gesetz stehen, anstatt nur geltendes
Recht pflichtgemäß zu vollziehen zu haben. Dieses Problem – das schon für sich
allein unangenehm genug ist – wird noch zusätzlich dadurch verschärft, dass
innerfachliche Selbstkontroll- und Selbstreinigungsmechanismen fehlen, die es
gestatten würden, die Personen, die derartiges, gravierendes Fehlverhalten an
den Tag legen, zu sanktionieren oder gar aus dem Fach auszuschließen.
Schlimmer noch, wenigstens gewisse Teile der
Fachgemeinschaft scheinen kein Problem mit derartigem, stark gesellschaftsschädigendem
Verhalten von einzelnen Mitgliedern der Fachgemeinschaft zu haben, sondern
nehmen dieses billigend in Kauf, wenn sie es nicht sogar aktiv unterstützen.
Stattdessen versuchen VertreterInnen dieser innerfachlichen Fraktion, fachliche
Selbstkritik zu verhindern und sowohl international fachintern hochrenommierte,
aber bei Bedarf auch fachkritische, Fachgesellschaften als auch einzelne
FachkritikerInnen durch Missbrauch ihres Einflusses bzw. ihrer Machtpositionen
mundtot zu machen.
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Disclaimer
Ich möchte
damit, dass ich hier konkrete, hochproblematische Fälle von Fehlverhalten
staatlicher Kulturgüterschützer bzw. Kulturgutschutzeinrichtungen diskutiere,
keineswegs sagen oder auch nur implizieren, dass diese für den staatlichen
Kulturgüterschutz charakteristisch sind oder häufig vorkommen. Ganz im
Gegenteil sind solche wie die hier besprochenen Fälle glücklicherweise sehr
selten. Bei der Lektüre dieses Beitrags ist daher stets zu bedenken, dass nahezu
alle staatlichen Kulturgüterschützer – auch wenn ihnen dabei gelegentlich
Fehler unterlaufen, wie sie immer und überall vorkommen und jedem gelegentlich
passieren können – beinahe immer das geltende Recht nach bestem Wissen und
Gewissen korrekt anzuwenden und durchzusetzen versuchen und sich mit ihrer
ganzen Kraft bemühen, das beste Ergebnis für das Allgemeinwohl zu erreichen.
Einleitende Gedanken
Fehler
kommen bekanntermaßen überall vor: niemand ist perfekt, jeder kann sich irren,
und jeder kann unabsichtlich Dinge übersehen, die er eigentlich bedenken hätte
sollen (oder sogar müssen), bevor er eine bestimmte Entscheidung trifft oder
eine bestimmte Handlung setzt (oder unterlässt). Fehler kommen daher
selbstverständlich auch in der archäologischen Denkmalpflege immer wieder
einmal vor; und auch der staatliche Kulturgüterschutz ist nicht gänzlich vor
ihnen gefeit.
Das ist
zwar natürlich nicht erfreulich, aber wenigstens grundsätzlich kein Problem:
schließlich gibt es diverse Kontrollmechanismen zur Identifikation und Behebung
solcher Fehler, von der Selbstkritik des Einzelnen bis hin zu Rechtsinstrumenten,
die jene, die sich durch eine mögliche Fehlentscheidung oder falsche Handlung
(bzw. deren Unterlassung) geschädigt fühlen, in Anspruch nehmen können. Auch
wenn auch diese Kontrollmechanismen nicht immer perfekt funktionieren –
schließlich gilt auch hier, dass Fehler immer und überall vorkommen können –
funktionieren sie dennoch zumeist wie vorgesehen und reduzieren damit die
dennoch vorkommenden Fehler auf ein tolerables Mindestmaß. Dass es keine
absolute Sicherheit gibt, mag zwar traurig sein, vor allem für konkret von
Fehlern Betroffene, ist aber eine Tatsache des Lebens, mit der man sich
abfinden muss: manchmal hat man halt einfach Pech.
Ein grundsätzliches
Problem ist hingegen, wenn jemand nicht nur unabsichtlich eine bestimmte
Entscheidung trifft oder eine bestimmte Handlung setzt (bzw. unterlässt), die
er nicht treffen bzw. setzen (bzw. unterlassen) sollte (bzw. durfte), sondern
intentionell fehlerhaft entscheidet bzw. handelt; z.B. indem er etwas
Verbotenes tut. Es ist daher – wie wir ArchäologInnen und die staatliche
Denkmalpflege immer wieder einmal ganz richtig und berechtigt anmahnen – ein
durchaus ernsthaftes Problem, wenn sich ‚gewöhnliche‘ BürgerInnen nicht an
geltendes Recht – wie z.B. Denkmalschutzgesetze – halten, sondern einfach tun
(bzw. unterlassen), was sie wollen. Wie wir, wenn so etwas vorkommt, stets ganz
richtig bemerken: das Gesetz gilt für alle gleichermaßen, auch wenn es dem, der
etwas Bestimmtes tun (oder unterlassen) will, nicht gefällt oder er es für
vollkommen sinnlos und kontraproduktiv hält; und es ist daher auch von jedem
einzuhalten.
Ist es nun
allerdings schon ein durchaus ernsthaftes Problem, wenn sich ‚gewöhnliche‘
BürgerInnen nicht an die in einem bestimmten Gesetz festgelegten Vorschriften
halten, dann ist es ein noch viel größeres Problem, wenn sich jene nicht an das
bzw. die Gesetze halten, die vom Staat damit betraut wurden, dieses (bzw.
diese) durchzusetzen und seine (bzw. deren) Einhaltung – im Notfall mit
staatlichen Gewaltmitteln – zu erzwingen. Denn diese haben schließlich die
ihnen vom Staat anvertrauten Gewaltbefugnisse nicht dafür überantwortet
bekommen, dass sie willkürlich BürgerInnen aufzwingen können, was sie subjektiv
für richtig halten, sondern dafür, das geltende Recht gegenüber allen
gleichermaßen durchzusetzen bzw. zu erzwingen. Missbrauchen sie also die ihnen
vom Staat anvertrauten Befugnisse, dann ist das nicht nur ethisch besonders
verwerflich, es gefährdet auch den modernen demokratischen Rechtsstaat an sich.
Nun kommt es
leider – wenn auch glücklicherweise nur vergleichsweise sehr selten – auch vor,
dass staatliche Kulturgüterschützer nicht nur unabsichtlich Fehler machen, sondern
tatsächlich – aus welchen Gründen auch immer – die ihnen vom Staat anvertrauten
Befugnisse absichtlich und wissentlich missbrauchen. Es sind solche Fälle, die
Thema dieses Beitrags sind; und solche Fälle müssen auch in der Fachwelt
entsprechend wahrgenommen, analysiert und selbst- bzw. fachkritisch diskutiert
werden. Denn wenn sie auch nur vergleichsweise selten vorkommen, ist jeder
derartige Fall ein ernsthaftes Problem; und es besteht noch dazu zumindest die
Möglichkeit, dass solche Vorfälle nicht bloße Einzelfälle sind, sondern
gleichartige Ursachen haben; d.h. Symptome eines fundamentaleren, insbesondere
(fach)ethischen Problems sein könnten.
In diesem
Beitrag sollen daher einige Fälle kurz vorgestellt werden, in denen es –
wenigstens vermutlich, wenn nicht sogar erwiesenermaßen – zu derartigem
Fehlverhalten gekommen ist. Anschließend daran wird dann diskutiert, ob es sich
um reine (auch in Hinblick auf ihre Ursachen isolierte) Einzelfälle handelt
oder ob sich solches Missverhalten aus einer exzessiven Übersteigerung an sich
unproblematischer oder sogar positiv zu bewertender fachlicher
Wertvorstellungen und Ziele ergibt; d.h. ob die Akteure in den hier
diskutierten Fällen im Sinne Watzlawicks (2001) zu viel des Guten wollten und,
um das was sie für richtig hielten (oder immer noch halten) zu erreichen,
unerlaubte Mittel eingesetzt und somit das Schlechte erreicht haben.
Fallbeispiel A: Ein rechtsmissbräuchlicher Restitutionsversuch
Anlass für
diesen Beitrag ist der jüngst ergangene Beschluss des Kammergerichts Berlin[1]
(KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19) betreffend ein internationales
Rechtshilfeersuchen. Bezüglich dieses Rechtshilfeersuchens hat der mit drei
Berufsrichtern besetzte 4. Strafsenat des KG Berlin beschlossen, dass die
Leistung der mittels einer vom 2.8.2018 datierenden Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA)[2]
der Staatsanwaltschaft beim ordentlichen Gericht von Rom erbetenen Rechtshilfe
durch deutsche Behörden unzulässig sei (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151
AR 58/19, 1). Schon das ist ungewöhnlich, denn derartige Rechtshilfeersuchen
sind zwar nicht unkompliziert, aber im Prinzip Routinesachen und werden daher
von den zuständigen Organen des Vollstreckungsstaates gewöhnlich auch
anstandslos erledigt: Zweck davon ist es schließlich, die internationale
Zusammenarbeit in Strafverfahren sowohl zu erleichtern als auch zu
beschleunigen.
Noch
ungewöhnlicher an dem beinahe 30 Seiten langen Beschluss ist jedoch, dass das
KG Berlin die Leistung der erbetenen Rechtshilfe mit der Begründung untersagt
hat, dass „berechtigte Gründe zur Annahme
bestehen, dass die Erledigung des Ersuchens mit dem (europäischen) ordre public unvereinbar wäre (§ 91b Abs. 3 i.V.m. § 73 Satz 2 IRG)“
(KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 23) und es sich bei der EEA
vom 2.8.2018 „insgesamt um ein
rechtsmissbräuchliches Ersuchen“ handle, „das die Gefahr von erheblichen Grundrechtsverstößen in sich birgt“
(KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 29). Mehr noch, es erläutert
in der Begründung seines Beschlusses in einigem Detail, wie es zu dieser
Überzeugung gelangt ist, und dass dieses Ersuchen von den italienischen
Behörden offenkundig vorsätzlich rechtsmissbräuchlich gestellt wurde, um
Kulturgüter (wieder) zu erlangen, „von
denen sie behaupten, dass es sich um solche handelt, die ‚im italienischen
Untergrund‘ entdeckt worden seien ‚und somit Eigentum des italienischen Staates
und unveräußerlich‘“ (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 28)
wären. Das ist ein sehr schwerer Vorwurf, den das oberste Berliner und älteste
deutsche Gericht[3]
gegen italienische Justizbehörden erhebt: treffen nämlich die
Schlussfolgerungen des KG Berlin zu, dann erfüllt das Vorgehen der
italienischen Behörden in diesem Fall potentiell den Straftatbestand Abuso d’ufficio des Art. 323 Codice penale (ital. Strafgesetzbuch), der mit ein bis vier Jahren Haftstrafe bedroht
wird.
Die Vorgeschichte
Aber nun
zum Fall selbst, bei dem es um drei Keramikgefäße ging: einen rotfigurigen
Kolonettenkrater (ca. 360 v.Chr.), eine rotfigurige Lekane (ca. 340-330 v.Chr.),
und eine ebenfalls rotfigurige henkellose Loutrophore (ca. 330-320 v.Chr.).
Diese wurden von einem deutschen Auktionshaus in Berlin in einer für den
31.5.2018 angekündigten Auktion angeboten, mit der Angabe, dass sie aus einer
deutschen Privatsammlung stammten.
Ein
italienischer Archäologe, der sie wohl im Online-Katalog des Auktionshauses
gesehen und sie „als aus Apulien stammend
und italienisches Kulturgut eingeschätzt“ (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20
– 151 AR 58/19, 2) hatte, hat das wohl dem Comando Carabinieri per la Tutela del Patrimonio Culturale (in der Folge: CC-TPC; Kommando der
Carabinieri für Kulturgüterschutz) gemeldet, das sich darauf am 29.6.2018 an
das Landeskriminalamt (LKA) Berlin wandte. Das CC-TPC teilte dem LKA mit, dass
für die Ausfuhr dieser Gefäße aus Italien nach den dort geltenden Gesetzen von
1939, 1997 und 2004 eine Genehmigung erforderlich gewesen, aber nicht erteilt
worden sei und Beweismittel vorliegen würden, die den „Umgang“ eines „illegalen
Antikenhändlers aus Italien“ mit der Loutrophore belegen würden, der „vor 2003 mit dem Handel von aus
Raubgrabungen stammenden Stücken apulischer Herkunft und deren illegalem Export
nach Deutschland“ (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 2)
aufgefallen sei.
Die
daraufhin von der Berliner Polizei wegen Verdachts der gewerbsmäßigen Hehlerei
aufgenommenen Ermittlungen ergaben, dass die betreffenden Gegenstände im
Februar 2018 dem Auktionshaus von ihrer Besitzerin eingeliefert worden waren.
Diese hatte sie 2003 von ihrem Mann geerbt und damit zweifelsfrei gutgläubig
erworben. Ihr verstorbener Mann hatte diese seinerseits in der Galerie eines „bis
heute sehr renommierten und untadeligen“ Kunsthändlers in Baden-Württemberg
in den Jahren 2002 bis 2003 erworben; aufgrund noch vorliegender Rechnungen über
zwei der drei Gegenstände wohl ebenfalls gutgläubig, auch wenn italienische
Ausfuhrgenehmigungen für keinen davon vorlagen. Das LKA Berlin stellte zudem
auch am 31.5.2018 nach freiwilliger Herausgabe durch das Berliner Auktionshaus,
das sie versteigern sollte, die drei Gefäße als Beweismittel im deutschen
Ermittlungsverfahren sowie „zur Schadloshaltung des geschädigten Staates
Italien“ (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 4) sicher.
Aus
weiteren zeitnah zur ersten eingegangenen Mitteilungen des CC-TPC ergab sich,
dass der schon genannte „illegale Antikenhändler aus Italien“ zwischen
1988 und 1996 zahlreiche archäologische Objekte mit Echtheitsgarantie an den
deutschen Kunsthändler verkauft habe, die nach Einschätzung des CC-TPC aus
Raubgrabungen aus Italien stammten. Aus den beim italienischen Antikenhändler
beschlagnahmten Unterlagen übersandte das CC-TPC auch eine Kopie eines aus dem
Jahr 1990 stammenden Schreibens eines (2011 verstorbenen) deutschen
Universitätsprofessors für Archäologie mit drei Polaroid-Fotos der Loutrophore mit
handschriftlichen Anmerkungen. Zudem teilte das CC-TPC mit, dass ihm eine
ebenfalls beschlagnahmte Rechnung der Firma des italieinischen Antikenhändlers an
den deutschen Kunsthändler bezüglich des Kolonettenkraters aus dem April 1989
vorliege.
Der Fall
wurde daraufhin von Berlin an die für den Wohnort des deutschen Kunsthändlers
örtlich zuständige baden-württembergische Staatsanwaltschaft übergeben. Diese
stellte nach Übernahme das Verfahren gegen den Kunsthändler am 14.7.2018 wegen
Verjährung der verfahrensgegenständlichen Straftat ein.
Parallel
zum deutschen Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei ordnete auch die Berliner
Senatsverwaltung für Kultur und Europa am 6.6.2018 die Sicherstellung der 3
Gefäße an, um eine weitere Prüfung ihrer Herkunft zu ermöglichen und
informierte darüber mit Schreiben vom 11.6.2019 auch das italienische Kulturministerium.
In diesem Schreiben bat sie auch um Mitteilung, ob es sich bei den 3 Gefäßen um
nationales Kulturgut Italiens handle, ob diese nach dem 31.12.1992 ohne
Ausfuhrgenehmigung aus Italien verbracht und nach Deutschland eingeführt wurden,
sie von italienischen ExpertInnen begutachtet werden sollten und ob Italien ein
Rückgabeersuchen nach § 59 KGSG stellen werde. Das italienische
Kulturministerium antwortete, dass Zeitpunkt und Umstände der Raubgrabung und
illegalen Verbringung nicht nachgewiesen werden könnten und – nachdem somit
eine gerichtliche Durchsetzbarkeit des Rückgabeanspruchs ungewiss sei – das
italienische Kulturministerium um eine Unterstützung eines freiwilligen
Rückgabeersuchens bitte. Dieses gab die Senatsverwaltung mit Schreiben vom
30.8.2018 auch an die Betroffene weiter. Die von der Senatsverwaltung verfügte
Sicherstellung wurde daraufhin aufgehoben, da eine Rückgabe der Gefäße gem. KGSG nicht in Betracht kam.
Zwischenresümee
An dieser
Stelle – bis hier war alles vollkommen rechtmäßig – hätte der Fall eigentlich
abgeschlossen sein müssen: es stand fest, dass die 3 Keramikgefäße nach
deutschem Recht in das rechtmäßige Eigentum ihrer langjährigen Besitzerin
übergegangen waren, denn diese hatte sie nicht nur gutgläubig erworben, sondern
etwa 15 Jahre be- und somit auch – selbst wenn es sich tatsächlich um ursprünglich
gestohlene Sachen gehandelt haben sollte – ersessen. Ein allfällig gestellter
Rückgabeantrag nach dem KGSG durch die Republik Italien war deshalb völlig
aussichtslos und wurde vom italienischen Kulturministerium auch nicht gestellt,
sondern stattdessen um freiwillige Rückgabe gebeten. Allfällige Straftaten, die
durch die Bergung bzw. allfällig darauffolgende Ausfuhr der Gefäße aus Italien
und ihrer Einfuhr nach und Weiterverkauf in Deutschland vom genannten
italienischen Antikenhändler bzw. dem deutschen Kunsthändler bzw. Dritten im
Zeitraum zwischen 1989 und Juli 2003 begangen worden sein könnten, waren zudem
sowohl nach deutschem als auch (aller Wahrscheinlichkeit nach) nach
italienischem Recht 2018 bereits verjährt (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151
AR 58/19, 25-7).
Das mag für
den Kulturgüterschutz bitter sein, vor allem, wenn man annehmen will, dass es
sich bei den 3 Gefäßen tatsächlich um bei – wenn auch wohl wenigstens bezüglich
zweier der drei Gefäße jedenfalls vor 1990 durchgeführten – Raubgrabungen in
Apulien entdeckte und auch tatsächlich illegal aus Italien nach Deutschland
verbrachte Kulturgüter handelt. Das ist sogar, soweit sich das aus der
Sachverhaltsdarstellung im Beschluss des KG Berlin ableiten lässt, keine allzu
unwahrscheinliche Annahme; auch wenn sich nicht hinreichend beweisen lässt, dass
es tatsächlich der Fall war. Schließlich wusste Italien – wenn sie tatsächlich
von dort stammen – gar nichts von ihrer Ausgrabung und wenigstens lange auch
nichts von ihrer Verbringung aus Italien nach Deutschland und konnte daher auch
gar nicht zu früherer Zeit tätig werden, um seinen Eigentumsanspruch rechtlich
durchsetzen zu können, bevor dieser durch gutgläubige Ersitzung verdrängt und allfällig
davor vorgekommene Straftaten verjährt waren.
Auch mag es
dem Kulturgüterschützer, vor allem dem, der Kulturgut allgemein als Staatseigentum
und als nicht privateigentumsfähige res extra commercium behandelt sehen
möchte, als moralisch verwerflich erscheinen, dass irgendeine deutsche
Staatsbürgerin, die – wenn auch gänzlich ohne ihr Wissen und Zutun – illegal nach
Deutschland verbrachtes italienisches Kulturgut gutgläubig durch Erbschaft
erworben und – allen außer ihr selbst unbekanntermaßen – 15 Jahre unbestritten
besessen hat, nun tatsächlich die rechtmäßige Eigentümerin dieser drei Gefäße
geworden sein soll. Schließlich wurden diese Funde der Allgemeinheit gestohlen,
und deren Rechte wiegen doch wohl schwerer als das einer Einzelnen, die überhaupt
nur durch eine Kombination von Zufällen und der 'Verheimlichung' ihrer
Privatsammlung gegenüber der 'Allgemeinheit' einen Eigentumsanspruch an diesen
drei Gefäßen erwerben konnte, wie gutgläubig auch immer sie dabei gehandelt
haben mag.
Aus
rechtlicher Sicht ist es allerdings vollkommen egal, ob das für
Kulturgüterschützer bitter ist und ob sie es für ungerecht halten: geltendes
Recht ist geltendes Recht, egal ob das irgendwelchen Normunterworfenen gefällt
oder nicht. Nach abschließender Klärung der Fragen, wer derzeit tatsächlich die
rechtmäßige Eigentümerin dieser drei Gefäße ist und dass allfällig in
Zusammenhang mit ihrer Bergung und Verbringung nach Deutschland vorgekommen
sein könnende Straftaten jedenfalls sowohl in Deutschland als auch in Italien
bereits längst verjährt sind, waren die rechtlichen Möglichkeiten erschöpft und
der Fall somit erledigt. Vorbei. Finito.
Die EEA vom 2.8.2018
Umso
überraschender ist es, dass die italienischen Behörden mit EEA vom 2.8.2018 (validiert
am 3.8., ausgefertigt am 27.8. und eingegangen bei der Staatsanwaltschaft
Berlin am 20.9.2018) die deutsche Justizbehörde um dringliche Ermittlungsmaßnahmen
für ein angeblich in Italien anhängiges Strafverfahren gegen Unbekannt in
diesem Fall ersuchten. Angeschlossen waren der EEA Ausdrucke des
Online-Katalogs des Berliner Auktionshauses und eine Kopie des bereits dem LKA
Berlin bekannten Schreibens des deutschen Universitätsprofessors mit drei
angeschlossenen Fotos. Die in der EEA enthaltene Sachverhaltsdarstellung fasste
im Wesentlichen die bereits in der Vorgeschichte erwähnten
Ermittlungsergebnisse der italienischen und deutschen Behörden zusammen,
ergänzt um geringfügige weitere Detailangaben wie: dass der italienische
Antikenhändler häufig Polaroid-Fotos angefertigt habe, „die unmittelbar nach
der illegalen Ausgrabung der Gegenstände genommen wurden“ (KG Berlin
7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 8); die Echtheit, besondere Bedeutung,
das Alter und die Herkunft sachverständig bestätigt worden sei; und eine
staatliche Exportgenehmigung seit 2011 nicht erteilt worden sei. Als im Fall
anwendbare gesetzliche Bestimmungen wurden Art. 648 Codice penale (Hehlerei), Art. 174 Decreto Legislativo 22 gennaio 2004,
n. 42 (Illegales
Verlassen oder Export) und Art. 81 Codice penale (Tateinheit. Fortgesetzte Handlung)
angegeben. Im Formular war des weiteren angekreuzt, dass die Gegenstände, auf die
sich die angeordneten Maßnahmen beziehen würden, dem Anordnungsstaat (d.h.
Italien) übermittelt werden sollten.
In der EEA begehrten
die italienischen Behörden nicht nur die Einvernahme des gesetzlichen
Vertreters und von MitarbeiterInnen des Berliner Auktionshauses als „Zeuge/Dritter“ und die Sicherstellung
der drei Gefäße als Vermögensgegenstände bzw. Beweismittel, sondern erbaten
gleichzeitig auch eine ganze Reihe weiterer Hilfestellungen. An erster Stelle
wurde bemerkenswerterweise darum ersucht, dass die „Vermögenswerte“ (die
drei Gefäße) zur Beschlagnahmung für die Rückerstattung an die zuständige Oberaufsicht
(Sopraintendenza) nach Italien zurück überführt werden, die diese einem
geeigneten Museum zuweisen und damit deren öffentliche Nutznießung
gewährleisten werde. Darüber hinaus wurde erbeten, diverse Zeugen
einzuvernehmen; Dokumente zur rückwärtsgerichteten Rekonstruktion der Kette von
Besitzübertragungen dieser Vermögenswerte und Identifikation der daran
beteiligten Personen zu erwerben;[4]
Hausdurchsuchungen bei Personen durchzuführen, die dem Berliner Auktionshaus
Vermögenswerte übergeben hätten, um weitere illegal ins Ausland verbrachte
Vermögenswerte der Republik Italiens aufzufinden, samt allfällig zugehörigen
Beweismitteln zu beschlagnahmen und der italienischen Staatsanwaltschaft
weiterzuleiten und wenn sinnvoll die gleichen Maßnahmen auf weitere
Verdachtspersonen zu erweitern; sowie Polizeibeamten des CC-TPC, gegebenenfalls
unterstützt von Experten des Ministeriums für Kulturgüter, die Teilnahme an den
angeordneten Maßnahmen zu erlauben.
Schon die
Staatsanwaltschaft (STA) Berlin teilte der italienischen Ausstellungsbehörde am
29.10.2018 mit, dass die Rückführung der Gegenstände nach Italien im Rahmen der
Strafrechtshilfe nicht erfolgen könne, sondern nur eine Beschlagnahme in
Deutschland zu Beweiszwecken in Frage käme. Diesbezüglich ersuchte die STA
Berlin um Mitteilung, wann die verfahrensgegenständlichen Straftaten nach italienischem
Recht verjähren würden; bat um Übermittlung eines Fragenkatalogs für die angeordneten
Zeugenbefragungen und ersuchte um Klarstellung bezüglich eines unklar
formulierten Ansuchens. Die erbetenen Durchsuchungen beim Berliner Auktionshaus
und allfälligen weiteren Personen wurde hingegen in Ermangelung eines konkreten
Anfangsverdachts abgelehnt. In einem Anmahnungsschreiben vom 1.3.2019 bat die
STA Berlin ergänzend um Mitteilung, ob ein italienischer Beschlagnahmebeschluss
bezüglich der Gefäße vorliege, und gegebenenfalls dessen Übermittlung in
Abschrift und setzte die Ausstellungsbehörde gleichzeitig in Kenntnis, dass das
AG Tiergarten mit Beschluss vom 27.2.2019 die Anschlussbeschlagnahme der drei
Gegenstände auf Grundlage der italienischen EEA angeordnet habe. Beide
Schreiben der STA Berlin blieben jedoch gänzlich unbeantwortet (KG Berlin
7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 5-11).
Gegen die
Anschlussbeschlagnahme durch Beschluss des AG Tiergarten (27.2.2019, 348 Gs 562/19)
erhob nun schließlich die rechtmäßige deutsche Eigentümerin der drei Gefäße mit
6.3.2019 Beschwerde beim Landgericht Berlin (zu 511 Qs 63/19) mit dem
hauptsächlichen Argument, dass die EEA insgesamt rechtsmissbräuchlich erlassen
worden sei. Dieses legte in weiterer Folge über die STA und
Generalstaatsanwaltschaft (GSTA) Berlin, denen der Fall allen nicht
ordnungsgemäß erschien, dem KG Berlin vor, das schließlich wie schon oben
erwähnt entschied, dass die Leistung der mit EEA erbetenen Rechtshilfe nicht
zulässig und die EEA insgesamt mutwillig rechtsmissbräuchlich gestellt worden
sei. Schon die GSTA schloss sich in ihrem Antrag an das KG Berlin dem Argument
der rechtlichen Vertretung der Eigentümerin an, dass die EEA als insgesamt
rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei; nicht zuletzt, weil erhebliche
Zweifel daran bestehen würden, dass die italienischen Behörden eine
Beweismittelsicherstellung und nicht eine Rückführung der drei Gefäße nach
Italien auf anderem als dem (keinen Erfolg versprechenden) durch das KGSG gesetzlich vorgesehen Weg anstreben würden
(von dem die Republik Italien daher auch bereits abgesehen habe).
Die Begründung des Beschlusses des KG Berlin
Das KG
Berlin (7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 22-30) begründete seinen
Beschluss in einigem Detail, wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil er
einigermaßen brisant ist.
Es stellte
zuerst fest, dass der sonstige (strafrechtliche) Rechtshilfeverkehr trotz der
Bestimmungen des KGSG und KultGüRückG betreffend der
Kulturgüterrückführung auch im Bereich des Kulturgüterschutzes keineswegs
ausgeschlossen sei. Denn selbstverständlich würden auch Kulturgüter „als Beweismittel für ein in dem
Mitgliedsstaat, aus dem sie unrechtmäßig verbracht worden sind, geführtes
Strafverfahren oder als Einziehungsgegenstand in diesem Kontext in Betracht
kommen“ (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 23). Daher könne
auch in einem Fall wie dem gegenständlichen ein Rechtshilfeersuchen z.B. in
Form einer EEA gestellt und grundsätzlich gewährt werden.
Es setzte
jedoch fort, dass die Leistung der mittels EEA vom 2.8.2018 begehrten
Rechtshilfe sowohl bezüglich der Sicherstellung der drei Gefäße als
Beweismittel als auch der Vernehmung der Mitarbeiter des Berliner
Auktionshauses (alle anderen Ersuchen des Anordnungsstaates hatte schon die STA
Berlin als unzulässig abgelehnt) nicht zulässig sei, „weil berechtigte Gründe zur Annahme bestehen, dass die Erledigung des
Ersuchens mit dem (europäischen) ordre public unvereinbar wäre (§ 91b Abs. 3 i.V.m. § 73 Satz 2 IRG)“
(KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 23). Sowohl aus der EEA
selbst, dem weiteren Verhalten der italienischen Behörden im
Rechtshilfeverfahren als auch aus den Erklärungen Italiens gegenüber der
Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa durch das italienische
Kulturministerium würden sich konkrete und tatsächliche Anhaltspunkte dafür
ergeben, dass das Rechtshilfeersuchen mit schwerwiegenden Fehlern behaftet sei
und sich demnach als „offenkundig
rechtsmissbräuchlich“ (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 24)
erweise: „Das auf dem hierfür vom Recht
der Bundesrepublik Deutschland (in Umsetzung europarechtlicher Richtlinien)
vorgesehenen Weg aus tatsächlichen Gründen nicht zu realisierende
Rückgabebegehren der Republik Italien auf die in der EEA bezeichneten drei
antiken Gefäße (wahrscheinlich) apulischer Herkunft soll ersichtlich auf der
Basis der europarechtlichen Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung und
Vollstreckung durch Erlass einer EAA, deren Voraussetzungen nicht gegeben sind,
erzwungen werden“ (ibid.).
Als für
diese Schlussfolgerung sprechende Gründe führt das KG Berlin an:
- Die EEA vom 2.8.2018 sei erst erlassen worden, nachdem das italienische Kulturministerium von der Stellung eines – auch nach italienischer Ansicht keine Erfolgsaussichten versprechenden – Rückgabeersuchens nach § 59 KGSG abgesehen und stattdessen die Senatsverwaltung um Unterstützung eines freiwilligen Rückgabeersuchens an die Eigentümerin ersucht hatte. Ausschlaggebend dafür war die hinsichtlich der Lekane gegebene (schlichte) Nichterweislichkeit der nach dem 31.12.1992 erfolgten und der (hinsichtlich der Loutrophore) nachweislich bzw. (hinsichtlich des Kolonettenkraters) wenigstens höchstwahrscheinlich vor diesem Zeitpunkt erfolgten Verbringung der Gefäße aus Italien.
- Die europarechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der EEA lagen offensichtlich nicht vor, denn die dem Rechtshilfeersuchen zugrundeliegenden Straftaten seien mit hoher Wahrscheinlichkeit in Italien nicht mehr verfolgbar und die EEA könne folglich nicht für ein konkretes Strafverfahren erlassen worden sein. Es habe schon die Ausstellungsbehörde selbst keine bestimmten Handlungen mitgeteilt, die die genannten Tatbestände der Art. 648 Codice penale und/oder Art. 174 Decreto Legislativo 22 gennaio 2004, n. 42 erfüllen und den unbekannten Beschuldigten zur Last gelegt werden würden. Ebenso würden Angaben zum Tatzeitpunkt bzw. Tatzeitraum fehlen.Zudem sei den italienischen Behörden bekannt gewesen, dass sich der Kolonettenkrater bereits seit 1989 und die Loutrophore sicherlich seit spätestens 1990 nicht mehr auf italienischem Hoheitsgebiet befunden hat. Alle drei Gefäße hätten sich außerdem nachweislich seit spätestens der ersten Hälfte des Jahres 2003 ununterbrochen in der deutschen Privatsammlung befunden, deren Eigentümerin sie im Februar 2018 dem Berliner Auktionshaus übergeben hatte. Damit könnten alle die in der EEA genannten Tatbestände (in Tateinheit) erfüllenden Handlungen jedenfalls nur vor dem 9.7.2003 begangen worden sein.Beiseitelassend, dass somit keinesfalls gegen ein erst am 22.1.2004 erlassenes Gesetz verstoßen worden sein konnte, bestünden auch massive Zweifel, dass aufgrund der generellen Verjährungsfristregelung für Straftaten im italienischen Recht die genannten Delikte in Italien überhaupt noch strafrechtlich verfolgt werden können. Darauf weise zudem auch der Umstand hin, dass die italienischen Behörden trotz entsprechender Nachfrage (samt späterer Anmahnung der ausständigen Antwort) der STA Berlin nicht mitgeteilt haben, wann die genannten Straftaten nach italienischem Recht verjähren.Zudem bestünden auch Zweifel, dass sich das angeblich dem Erlass der EEA zugrundeliegende Strafverfahren gegen „Unbekannt“ richten könne. Denn sowohl laut der EEA selbst als auch den vom CC-TPC dem LKA übermittelten Informationen hatten die italienischen Behörden „deutliche Anhaltspunkte (wenn nicht sogar Beweise) dafür“ (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 27), dass sowohl die Loutrophore als auch der Kolonettenkrater durch den von ihnen selbst namentlich bezeichneten italienischen Antikenhändler außer Landes verbracht worden wären. Die Angabe in der EEA, dass sich das Verfahren (insgesamt) gegen „Unbekannt“ richte, erscheine daher „bewusst irreführend“ (ibid.).
- Es gehe „den italienischen Behörden auch offenkundig nicht um die Gewinnung von Beweismitteln für ein Strafverfahren, sondern um die (Rück-)Erlangung von Kulturgütern, von denen sie behaupten, dass es sich um solche handelt, die ‚im italienischen Untergrund entdeckt worden seien ‚und somit Eigentum des italienischen Staates und unveräußerlich‘.“ (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 28).Weder sei von den italienischen Behörden mitgeteilt worden noch sonstwie ersichtlich, dass es erforderlich wäre, die drei Gefäße im gerichtlichen Verfahren zu Beweiszwecken zu verwenden. Italienische Sachverständige wären imstande gewesen, anhand der vorliegenden Fotografien die Herkunft der drei Gefäße aus Apulien und ihre Entstehungszeit festzustellen, die Begutachtung der Gefäße selbst daher nicht erforderlich. Diese könnten auch weder Auskunft über Zeitpunkt und Ort ihrer Ausgrabung geben, noch darüber, wann und wie sie aus Italien ins Ausland verbracht wurden und auch für den Straftatbestand der Hehlerei keinen Beweis erbringen. Folgerichtig seien sie auch trotz erfolgter Beschlagnahme und diesbezüglicher Mitteilung an die italienischen Behörden durch die STA Berlin nicht in Deutschland durch italienische Sachverständige besichtigt oder begutachtet worden.Vielmehr könne dem Text der EEA das wirkliche Ziel des Ersuchens zweifelsfrei entnommen werden: die (Rück-?)Erlangung der Gefäße, damit sie „der ‚zuständigen Oberaufsicht‘ übergeben, von dieser ‚einem geeigneten Museum‘ zugewiesen und durch Ausstellung dort“ der öffentlichen Nutznießung zugänglich gemacht werden können (KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 29). Es ginge also nicht um ihre Verwendung als Beweismittel in einem Strafverfahren.Dieses Ziel werde auch durch die sonstigen von der Ausstellungsbehörde begehrten Maßnahmen illustriert, die durch Vernehmung von Mitarbeitern des Berliner Auktionshauses und Durchsuchungen beim Einlieferer der Gegenstände weitere Artefakte apulischer (bzw. sonstiger italienischer) Herkunft oder Dokumente, aus denen sich weitere Besitzer derartiger Gegenstände ergeben könnten, aufzufinden. Letztendlich ginge es also den italienischen Behörden um die Herausgabe möglichst vieler in Deutschland befindlicher Kulturgüter, die im italienischen Untergrund entdeckt worden seien.
- Schließlich deute auch der Umstand, dass die italienischen Behörden die von der STA Berlin (zwei Mal) erbetenen ergänzenden Erklärungen nicht abgegeben hätten, „dass mit dem Erlass der EEA sachfremde Zwecke verfolgt und das auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung beruhende Instrument der Rechtshilfe in Strafsachen hierfür missbraucht werden sollte“ (ibid.).
Damit kam
das KG Berlin zum Schluss, dass es sich bei der EEA vom 2.8.2018 um ein
insgesamt rechtsmissbräuchliches Ersuchen gehandelt habe. Es bestünden „berechtigte Gründe für die Annahme, dass
bei Erledigung des Ersuchens das grundrechtlich geschützte, (spätestens) durch
Ersitzung erlangte (Mit-)Eigentum der Betroffenen – sowohl durch die
(vorläufige) Beschlagnahme als auch durch die Herausgabe der drei antiken
Artefakte an Italien – beeinträchtigt werden würde (was die Herausgabe der
Gegenstände an den italienischen Staat nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 IRG jedenfalls unzulässig macht). Die Vernehmung von
Verantwortlichen des Auktionshauses [Name] erscheint unverhältnismäßig, wenn
sie nicht für ein konkretes Strafverfahren erfolgen soll, zumal der mit der
Einbringung der verfahrensgegenständlichen Gefäße befasste Mitarbeiter des
Auktionshauses bereits im (deutschen) Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei
befragt worden ist.“
(KG Berlin 7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 29-30).
Resümee
Die
Schlussfolgerungen des KG Berlin (7.2.2020, 4 Ws 1-3/20 – 151 AR 58/19, 22-30)
sind sowohl gut begründet als auch überzeugend: das Vorgehen der italienischen
Behörden kann nicht mehr als bloße unglückliche Verkettung unabsichtlicher
Fehler erklärt werden.
Vielmehr
kann man bei vernünftiger Betrachtung des Falls nur zum Schluss gelangen, dass
Organe der Republik Italien, nachdem sie erkannt hatten, dass eine Rückführung
der drei Gefäße auf dem dafür vorgesehenen gesetzlichen Weg nicht zum
erwünschten Erfolg führen konnte, absichtlich und wissentlich ein
internationales Rechtshilfeinstrument zweckwidrig dafür missbraucht haben,
diesen Erfolg doch noch – wenn auch auf grob rechtswidrigem Weg – zu erreichen.
Dabei haben sie bewusst versucht, die zuständigen deutschen Behörden durch
Vortäuschung falscher Tatsachen und – trotz Nachfrage – Vorenthaltung relevanter
Informationen dazu zu verleiten, weitestgehend undifferenziert die deutsche
Staatsgewalt gegen zahlreiche – wenigstens in diesem Fall jedenfalls
nachweislich vollkommen unschuldige – EinwohnerInnen der Bundesrepublik
Deutschland einzusetzen. Diese wiederum wären bzw. sind durch diesen Einsatz
der deutschen Staatsgewalt – wenigstens teilweise – in ihren (abgesehen vom deutschen
Grundgesetz [GG]) sowohl durch die Charta der Grundrechte der
europäischen Union
gewährleisteten Grund- als auch durch die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte (AEMR) und der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK) gewährleisteten Menschenrechten verletzt
worden, zu deren Achtung sich auch die Republik Italien (und damit mittelbar
auch alle in ihrem Namen handelnden Organe) verpflichtet hat.
Oder, um es
etwas schärfer zu formulieren: man kann nur zum Schluss gelangen, dass Organe
italienischer (Kulturgüterschutz-) Behörden durch vorsätzlich missbräuchliche
Verwendung eines der Bekämpfung grenzüberschreitender Straftaten dienenden
internationalen Rechtshilfeinstruments und bewusste Täuschung der zu deren
Ausübung befugten deutschen Behörden die deutsche Staatsgewalt dazu einsetzen
wollten, eine unschuldige deutsche Staatsbürgerin ihres rechtmäßigen Eigentums
zu berauben und andere grundlos wenigstens unverhältnismäßig zu beschweren. Bei
allem Verständnis für den in diesem Fall vermutlich bestehenden moralischen Anspruch der Republik
Italiens auf Rückführung von bedeutendem nationalem Kulturgut: das geht nicht
nur ein klein wenig zu weit, sondern ist wenigstens ebenso rechtswidrig wie und
noch viel unmoralischer als die wahrscheinlich (wann auch immer sie erfolgt
ist) tatsächlich illegale Ausgrabung in und Verbringung der
fallgegenständlichen Gefäße aus Italien. Wenn Staatsorgane, deren Aufgabe es
eigentlich ist, geltendes Recht durchzusetzen, internationale
Rechtshilfeinstrumente dazu missbrauchen, um Unrecht zu tun, dann bringen diese
die Rechtsstaatlichkeit an sich in Gefahr; ein Kulturgut, dass zweifelsohne um
ein großes Vielfaches bedeutender ist als irgendwelche antiken apulischen
Keramiken.
Besonders
bemerkenswert bei diesem Fall ist auch, dass das gesamte Prozedere vollkommen
unnötig Massen an öffentlichen Ressourcen verschwendet hat: alleine die
Arbeitszeit von hochbezahlten JuristInnen, die dadurch unnötig verbraucht
wurde, muss mehr wert sein als die drei Gefäße selbst. Hätte also die Republik
Italien, nachdem sich herausgestellt hatte, dass eine Rückforderung gem. KGSG aussichtslos und eine freiwillige
entschädigungslose Rückgabe nicht zu erreichen war, der – schließlich
erkenntlich an ihrem Verkauf interessierten – rechtmäßigen deutschen
Eigentümerin ein faires Kaufangebot gemacht bzw. ihr eine faire Entschädigung[5]
angeboten, stünden die drei Gefäße wohl seit Mitte 2018 bereits in einem
apulischen Museum. Selbst die Ersteigerung der Gefäße durch Italien in der
ursprünglich für den 31.5.2018 vorgesehenen Auktion hätte vermutlich deutlich
weniger gekostet als das, was ein paar übereifrige italienische Organe an –
zugegebenermaßen hauptsächlich deutschen – Steuermitteln aus dem Fenster
geworfen haben.
Das
rechtsmissbräuchliche Vorgehen italienischer Behörden in diesem Fall war damit
letztendlich ausschließlich kontraproduktiv. Nicht nur sind die drei Gefäße
immer noch nicht zurück in Apulien, sie werden dorthin wohl auch nicht mehr
zurückkommen; es sei denn Italien bezahlt ihrer deutschen Eigentümerin einen
deutlich überhöhten Preis, der sie auch für die Beschwerungen kompensiert, die
ihr der Versuch übereifriger Staatsorgane, sie ihres Eigentums zu berauben,
beschert hat. Und die Stücke sind nun auch effektiv wirtschaftlich (wenn auch
vielleicht nicht moralisch) reingewaschen: sie sind nun zweifelsfrei
rechtmäßiges Eigentum einer deutschen Privatperson mit gesicherter Provenienz
und damit sicher vollkommen legal verhandelbare Antiken.
Noch
problematischer ist allerdings, und noch viel schädlicher für den
Kulturgüterschutz, dass die Verantwortlichen für diesen Missbrauch enorm viel
soziales, diplomatisches und rechtliches Kapital verspielt haben. Denn solches
Fehlverhalten spielt direkt dem illegalen Kunst- und Antikenmarkt in die Hände:
es erweckt nämlich wenigstens nach außen hin den Eindruck, als ob hier Staatsorgane
nicht Recht und Ordnung aufrechterhalten, sondern die ihnen anvertraute
Staatsgewalt mutwillig zur Verfolgung unbescholtener AntikenhändlerInnen und Beraubung
unschuldiger PrivatsammlerInnen missbrauchen würden. Und es schädigt auch
massiv die internationale Reputation des italienischen Kulturgüterschutzes und der
Republik Italien: die deutschen, und nicht nur die deutschen, Polizei- und
Justizbehörden werden gut beraten sein, in Hinkunft italienische
Rechtshilfeersuchen im Bereich des Kulturgüterschutzes besonders genau zu
prüfen, ehe sie ihnen nachkommen; und werden das wohl auch tun und generell
weniger großzügig bei der Gewährung von Rechtshilfeersuchen sein. Und auch ArchäologInnen
und archäologische Denkmalschützer müssen sich überlegen, ob Behauptungen italienischer
Kulturgüterschutzbehörden in Hinkunft dasselbe Vertrauen entgegengebracht
werden sollte wie bisher, oder ob deren genauere Prüfung angebracht ist; auch
und insbesondere die von Behauptungen bezüglich vergangener „Erfolge“ in der
Bekämpfung von Kulturgüterverbrechen.
Fallbeispiel
B: 'Wie schön is so ein Ringelspiel…?'
Mag der
soeben diskutierte Fall ein Extrembeispiel sein, so gibt es wenigstens
grundsätzlich vergleichbare Fälle auch anderswo. Der im Folgenden besprochene
Fall beschäftigte die deutsche Justiz bereits seit 13.2.2008 und hat erst mit Urteil
des VG Mainz vom 20.3.2019 (3 K 596/18.MZ) ein (vorläufiges?) Ende gefunden.
Die Vorgeschichte
Der Fall
begann, als am 13.2.2018 im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens
wegen Hehlerei gegen einen Kunst- und Antikenhändler in Hessen sowohl im Haus
dieses Händlers als auch beim für diesen tätigen Restaurator Hausdurchsuchungen
durchgeführt wurden. Dabei wurde unter anderem (beim Restaurator) ein goldener „keltischer
Männerarmreif“ (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 3)[6]
sowie (beim Händler) eine Schwarz-Weiß-Fotografie eines bereits verkauften, ebenfalls
goldenen „keltischen Fingerrings“ (VG Mainz 20.3.2019, 3 K 596/18.MZ, 3)[7]
beschlagnahmt.
Das
hessische Ministerium der Wissenschaft und Kunst teilte dem Land Rheinland-Pfalz
die Sicherstellung des Armrings mit Hinweis auf dessen mögliche Herkunft aus
Rheinland-Pfalz mit. Rheinland-Pfalz (vertreten durch das Ministerium für
Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur) erhob daraufhin mit Schreiben vom 28.8.2008
bei der ermittelnden Staatsanwaltschaft beim LG Darmstadt einen
Eigentumsanspruch laut denkmalrechtlichem Schatzregal an dem Ring. Dieser wurde
in weiterer Folge am 29.12.2008 in Rücksprache mit der STA Darmstadt vom
Polizeipräsidium Westhessen (Polizeistation Usingen) im Rahmen von § 19 Abs. 2 DSchG-RLP zur unabhängigen wissenschaftlichen
Untersuchung der Generaldirektion kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE-RLP)
übergeben, die einen Archäologen am Rheinischen Landesmuseum Trier mit der
sachverständigen Begutachtung des Ringes beauftragte, wozu der Ring dorthin
verbracht wurde (VG Mainz 20.3.2019, 3 K 596/18.MZ, 2-3).
In seinem
Gutachten kam der Sachverständige zum Schluss, dass es sich beim Armring um ein
antikes Original der Frühlatènekunst etwa vom Anfang des 4. Jh. V.Chr. handle, bezüglich
dessen sich aufgrund seines sehr guten Erhaltungszustandes darauf schließen
lasse, dass es gezielt aus einem ungestörten Grabzusammenhang entnommen worden
sei. Die Fertigungsregion lasse sich nur grob auf die schweizerisch-oberrheinisch-mittelrheinische
Frühlatène-Provinz eingrenzen, Parallelen würden zudem auch zu anderen Funden
insbesondere aus der Schweiz und Österreich bestehen (VG Mainz 20.3.2019, 3 K
596/18.MZ, 3). Nachdem allerdings aus dem gleichen Ermittlungszusammenhang wie
der Goldarmring auch der – nur noch anhand der SW-Fotografie beurteilbare –
Goldfingerring stamme, der in seiner Motivik, Stil und Zeitstellung dem Armring
nahestehe und die Kombination von einzelnem Goldarm- und -fingerring bisher nur
aus Gräbern des mittleren Rheinlands bekannt sei, sei eine Herkunft des
Armrings aus einem geplünderten Prunkgrab aus dem Mittelrheingebiet
wahrscheinlich. Derartige späthallstatt- und frühlatènezeitliche Prunkgräber würden vorwiegend im Hunsrück vorkommen und
insgesamt mehr als zwei Drittel davon in Rheinland-Pfalz liegen, woraus zu
folgern sei, dass der Armring mit größter Wahrscheinlichkeit aus
Rheinland-Pfalz stamme (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 3-4). Inwieweit
dieses Gutachten korrekt, schlüssig und überzeugend ist, kann hier vorerst
dahingestellt bleiben.
Das AG
Darmstadt, bei dem in weiterer Folge Anklage wegen Hehlerei gegen den Händler
erhoben wurde, verfügte daraufhin mit Beschluss vom 12.7.2010 (211 Ls – 531 JS 41777/06),
dass alle im Rahmen des Strafverfahrens im Römisch-Germanischen Zentralmuseum
in Mainz (RGZM) eingelagerten Kunstgegenstände künftig wieder in hessischen
Einrichtungen aufbewahrt werden sollten; der Maskenarmring verblieb jedoch in
Trier. Der Händler wurde in der Folge 2013 vom AG Darmstadt – und zwar aus
tatsächlichen Gründen – freigesprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass
es keine Beweismittel gegeben habe, „mit denen hätte nachgewiesen werden
können, dass zumindest einer der Gegenstände durch eine rechtswidrige Tat
erlangt worden war“ und wies besonders darauf hin, dass entgegen der
sonstigen Gepflogenheiten im Kunsthandel und sogar über die sich aus
Zollvorschriften ergebenden 10-jährigen Belegaufbewahrungspflichten „der
Angeklagte für alle Gegenstände Herkunftsnachweise“ hatte, die „fast
alle sogar durch Rechtsanwälte bestätigt werden. Es gibt daher keinen Hinweis
auf ein objektiv oder subjektiv deliktisches Handeln, so dass ein Freispruch
geboten war“ (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 4; vgl. dazu Frisch 2016, 712). Zwar legte die STA gegen dieses Urteil
zuerst Berufung ein, nahm diese jedoch später zurück, wodurch das Urteil 2014
rechtskräftig wurde (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 4).
Damit hätte
dieser Fall – der bis hierher (wenigstens im Wesentlichen) korrekt abgewickelt
worden war – eigentlich erledigt sein sollen: es war in einem rechtskräftigen
Urteil festgestellt worden, dass der Tatverdächtige keine Straftat begangen und
alle verfahrensgegenständlichen Kunstgegenstände rechtmäßig erworben hatte. Alles
was verblieb, war den Armring an seinen rechtmäßigen Eigentümer
zurückzuerstatten und – wenn auch eventuell mit Bedauern darüber, dass der
Armring wohl in irgendeiner Privatsammlung verschwinden würde – den Fall ad
acta zu legen.
Aus einer jüngst durchgeführten Raubgrabung?
Als der
Freispruch des Händlers 2014 in Rechtskraft erwuchs, befand sich der Armring
immer noch im Rheinischen Landesmuseum in Trier, obgleich der dortige
Sachverständige sein Gutachten bereits am 14.4.2009 abgeschlossen und die STA
Darmstadt am 12.7.2010 die Rückführung der (wenn auch explizit genannt nur der
im RGZM eingelagerten) verfahrensrelevanten Gegenstände verfügt hatte.
Der Händler
forderte daher mit Anwaltsschreiben vom 17.11.2014 die STA Darmstadt dazu auf,
ihm den Armring (und einen zweiten ebenfalls noch ausständigen Gegenstand) bis
24.11.2014 zurückzuerstatten und mahnte die noch nicht erfolgte Erstattung mit
neuerlichem Schreiben von 25.11.2014 an. Die STA Darmstadt verwies in ihrem
Antwortschreiben darauf, dass das Land Rheinland-Pfalz Eigentumsansprüche an
dem Armring gem. § 20 DSchG-RLP geltend gemacht habe und erstattete
auch auf eine weitere Herausgabeaufforderung des Händlers den Armreif nicht
zurück.
Das Land
Rheinland-Pfalz teilte in der Folge der STA Darmstadt mit, dass der Ring zur
Verwahrung vorerst im Rheinischen Landesmuseum in Trier verbleibe, da für eine
Entscheidung über seinen endgültigen Verbleib eine Verbringung des Ringes nicht
erforderlich sei und das Eigentum an ihm gem. § 20 DSchG-RLP dem Land zustehe. Parallel dazu leitete
das Land Rheinland-Pfalz am 17.8.2015 eine Eintragung des Rings in das
Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes gem. KultgSchG ein und machte das am 31.8.2015 im
Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz und am 9.9.2015 im Bundesanzeiger bekannt.
Die Länder Saarland und Baden-Württemberg traten dazu allfällige eigene
Eigentums- und Besitzansprüche an dem Armreif dem Land Rheinland-Pfalz ab. Die
Eintragung des Rings in das Verzeichnis erfolgte am 14.7.2017 und wurde dem
Händler mit keine Rechtsmittelbelehrung beinhaltendem Schreiben vom 27.7.2017
mitgeteilt.
Der Händler
erhob beim LG Darmstadt Klage auf Herausgabe des Armreifs sowie am 26.7.2018
beim VG Mainz Klage gegen die Eintragung des Ringes in das Verzeichnis national
wertvollen Kulturguts.
In der
Herausgabeklage führte er – in beiden Verfahren von der Gegenseite
unwidersprochen – aus, dass er Anfang Mai 2003 von einer amerikanischen
Staatsbürgerin mit der Begutachtung und gegebenenfalls Veräußerung des Ringes
beauftragt worden sei, die diesen 1972 von einem Universitätsprofessor als
Geschenk erhalten habe, an dessen Lehrstuhl sie damals tätig war. Er habe dazu den
Ring am 2./3.5.2003 von den USA unter (belegter) Beachtung aller
Zollvorschriften nach Deutschland eingeführt. Erst nach dem Tod der genannten
US-Amerikanerin hätte er von deren Tochter als Erbin mit Vertrag von
5./10.6.2013 den Ring übereignet bekommen (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 5).
Als letzter Gewahrsamsinhaber vor der Beschlagnahme 2008 und nunmehriger Eigentümer
des Ringes begehrte er daher dessen Herausgabe, wogegen auch der Restaurator, bei
dem der Ring tatsächlich beschlagnahmt worden war, keine Einwände habe.
Das Land
Rheinland-Pfalz hingegen beantragte die Klage abzuweisen und festzustellen,
dass der Armring Eigentum des Landes sei. Es begründete das damit, dass mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der Armreif
bei einer jüngsten Raubgrabung erst nach Inkrafttreten des staatlichen Schatzregals
gem. § 20 DSchG-RLP[8] gefunden worden sei, denn ein Fund
mit solch herausragender Qualität wäre sonst schon längst der Öffentlichkeit
bekannt geworden. Jedenfalls sei die Ablieferungspflicht des Schatzfundes rechtswidrig
umgangen und auch bei Annahme des Geltens der Teilungsregel des § 984 BGB der Armring dem in diesem Fall zu seinem
Hälfteeigentümer gewordenen Grundeigentümer entzogen worden. Dem Händler hingegen
sie die illegale Herkunft des Fundes bekannt gewesen, was schon allein aus der
Existenz eines solch herausragenden nationalen Kulturgutes ohne
Herkunftsnachweis hervorgehe. Darüber hinaus weise das Urteil des AG Darmstadt
in der Strafsache gegen den Händler einen Verfahrensfehler auf, weil die
Sachverständige im Verfahren mit dem Händler aus ihrer Gutachtertätigkeit
bekannt gewesen sei (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 6).
Wait a minute…
Dem
aufmerksamen Leser mag soeben etwas aufgefallen sein, aus dem sich eine
spannende Frage ergibt: wusste das Land Rheinland-Pfalz etwa nicht, dass der
Armreif schon am 13.2.2008 und mithin beinahe exakt 10 Monate vor
Inkrafttreten des denkmalrechtlichen Schatzregals des § 20 DSchG-RLP durch die Polizei in Hessen
beschlagnahmt worden war? Das kann nicht sein, denn Rheinland-Pfalz hat schon (nach
entsprechender Information und Anregung durch Hessen) mit Schreiben vom
28.8.2008 bei der STA Darmstadt einen Eigentumsanspruch laut (damals in RLP noch
gar nicht geltendem) denkmalrechtlichem Schatzregal an dem Ring erhoben.
Es müsste
also entweder so sein, dass sich die für kulturgüterschutzrechtliche Fragen zuständigen
Organe des Landes Rheinland-Pflanz nicht so ganz im Klaren sind, was es mit dem
Datum des Inkrafttretens von Gesetzen so auf sich hat und ab wann eine
bestimmte Vorschrift daher gilt. Oder es müsste die hessische Polizei bei der
Beschlagnahme am 13.2.2008 beim Restaurator in eine kleinräumige und nur
zeitweilige Raumzeitanomalie geraten sein, die es ihr ermöglicht hat, schon dann
einen Gegenstand zu beschlagnahmen, der erst frühestens 10 Monate später
überhaupt bei einer Raubgrabung in Rheinland-Pfalz illegal ausgegraben wurde.
Und was hat
es eigentlich mit dem Argument des beklagten Landes auf sich, dass das physikalisch
Unmögliche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit passiert sein
dürfte, weil ein so herausragend hochqualitativer Fund sonst doch schon längst
der Öffentlichkeit bekannt geworden wäre? Argumentiert die archäologische und
denkmalpflegerische Fachwelt für die Notwendigkeit von staatlichen
Nachforschungsgenehmigungspflichten und denkmalrechtlichen Schatzregalen nicht
normalerweise gerade damit, dass Raubgrabungsfunde verheimlicht werden und in
Privatsammlungen verschwinden und daher niemals der Wissenschaft bekannt und der
Öffentlichkeit zugänglich werden? Haben wir hier eventuell einen Schrödingerischen
Raubgrabungsfund vor uns, der vor der Öffentlichkeit dauerhaft verheimlicht
aber ihr gleichzeitig aufgrund seiner herausragenden Qualität längst bekannt
geworden wäre?
Und dass
das Fehlen eines Herkunftsnachweises schon für sich allein die illegale
Herkunft eines Kulturgutes beweise, ist auch eine recht spannende Sichtweise.[9]
Insbesondere wenn man einen Eigentumsanspruch an einer Sache erhebt, die zwar
durchaus aus dem eigenen Landesgebiet, aber wenigstens nahezu genauso gut von
irgendwo sonst aus einem sich von Österreich über die Schweiz und halb
Deutschland bis nach Frankreich erstreckenden Raum kommen kann, und daher diese
Sache ihrem rechtmäßigen Eigentümer vorenthält, sollte man vielleicht etwas vorsichtiger
mit solchen Behauptungen sein.
Schließlich
ist es auch einigermaßen mutig – vor allem, nachdem man schon derartige,
offensichtlich falsche Behauptungen aufgestellt hat wie in den vorigen Absätzen
geschildert – zu behaupten, dass ein bereits in Rechtskraft erwachsenes Urteil
der Strafgerichtsbarkeit einen Verfahrensfehler aufweise, weil der Beschuldigte
in diesem Strafverfahren und die gerichtlich bestellte Gutachterin beruflich miteinander
bekannt seien. Es ist insbesondere mutig, wenn man den Eigentumsanspruch, den
man an einer Sache erhoben hat, auf eine „unabhängige wissenschaftliche
Untersuchung“ (VG Mainz 20.3.2019, 3 K 596/18.MZ, 3) durch einen auf die
relevante Epoche spezialisierten Mitarbeiter des Rheinischen Landesmuseum Trier
stützt, in dessen Museum diese Sache auch seitdem aufbewahrt wird und dessen
Sammlung sie nach Feststellung des Landeseigentums permanent einverleibt werden
soll. Denn muss man davon ausgehen, dass bereits bloße berufliche Bekanntschaft
eine derartige gravierende Befangenheit von GutachterInnen in einem
Strafverfahren auslöst, dass ihre Beiziehung einen Verfahrensfehler darstellt; dann
muss man wohl auch davon ausgehen, dass die Begutachtung eines Objekts in
Hinblick auf die Feststellung eines Eigentumsanspruchs des Landes an einer
umstrittenen Sache durch einen Landesbediensteten, dessen dienstgebender Stelle
diese Sache – falls Landeseigentum – hauptsächlich zugutekommen soll, nicht als
unabhängige Begutachtung betrachtet werden kann und einen noch viel
gravierenderen Verfahrensfehler darstellt.
Auch an
dieser Stelle ist zu konstatieren: das kann nicht bloße Inkompetenz und eine
sich daraus ergebende unglückliche Verkettung unabsichtlicher Fehler sein. Ganz
im Gegenteil: hier haben die zuständigen Organe des Landes Rheinland-Pfalz dem
LG Darmstadt vorsätzlich Halbwahrheiten, wenn nicht sogar Schlimmeres
aufgetischt. All das in der Hoffnung, das Gericht damit darüber hinwegtäuschen
zu können, dass das Land Rheinland-Pfalz offenkundig keinen Eigentumsanspruch
an dem Armring hatte, den diese Organe gerne für das Landesmuseum Trier
gewinnen wollten, und dass ebendiese Organe in vollem Wissen um die
Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens den Händler an seinen Eigentumsrechten
schädigen wollten. Weil der Händler ist ja ein 'böser Kunst- und Antikenhändler',
und Kunst- und Antikenhändler sind 'die erklärten Feinde' von Teilen der archäologisch-denkmalpflegerischen
Fachwelt, die man 'mit allen Mitteln bekämpfen' muss. Hier wurde gehobelt, es
braucht sich also niemand drüber wundern, dass Späne fliegen.
Wohl doch keine jüngst durchgeführte Raubgrabung!
Es wird
hoffentlich an dieser Stelle niemanden mehr überraschen, dass der Händler seine
Herausgabeklage auf ganzer Linie gewonnen und das Land seine als Gegenklage
erhobene Eigentumsfeststellungsklage in aller möglichen Eindeutigkeit verloren
hat. Auch hier ist es wert, noch einen kurzen Blick auf die von Gericht
ausgeführten Entscheidungsgründe zu werfen (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15,
7-12).
Das LG
Darmstadt stellt zuerst lapidar fest, dass mit dem rechtskräftigen Abschluss
des Strafverfahrens wegen Hehlerei gegen den Händler die Beschlagnahme
erloschen ist und demnach eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der
Strafverfolgungsbehörden zur Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes besteht.
Dem stehe auch kein Eigentumsanspruch des Landes Rheinland-Pfalz entgegen.
Das Land habe
nicht schlüssig dargelegt, wann und wo der Armreif gefunden wurde, womit es
auch unmöglich sei, die Eigentümerstellung des Landes festzustellen. Dies sei jedoch
jedenfalls erforderlich, weil das denkmalrechtliche Schatzregal in
unterschiedlichen Ländern zu unterschiedlicher Zeit eingeführt wurde, während
davor die hadrianische Teilungsregel des § 984 BGB galt. Auch dem Gutachten des Mitarbeiters des
Rheinischen Landesmuseums in Trier sei nicht zu entnehmen, dass der Ring aus
Rheinland-Pfalz stamme, sondern es spricht nur von der größten
Wahrscheinlichkeit einer solchen Herkunft. Noch dazu baue das Gutachten maßgeblich
auf der Kombination aus Goldarm- und -fingerring auf, die eine rein zufällige
im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen sei. Der Schluss des Gutachters,
dass ein Ermittlungszusammenhang auch einen Fundzusammenhang nahelegen würde, wäre
nicht nachvollziehbar und werde durch keinen Erfahrungssatz nahegelegt,
geschweige denn begründet, und sei daher reine Spekulation.
Aber selbst
wenn man die Herkunft des Ringes aus Rheinland-Pfalz unterstelle, ergäbe sich
daraus keine Eigentümerstellung des Landes, denn das denkmalrechtliche
Schatzregal des § 20 DSchG-RLP sei erst am 10.12.2008 in Kraft
getreten. Nachdem die Sicherstellung des Ringes bereits am 13.8.2008 erfolgt
sei, scheide eine Anwendbarkeit des rheinländisch-pfälzischen Schatzregals
notwendigerweise aus. Die zuvor bestehende Regelung des § 20 DSchG in der
Fassung vom 23.3.1978 sah hingegen eine Ablöseregelung von bedeutenden Funden
gegen angemessene Entschädigung des Finders vor. Auch eine Berufung auf das
preußische Ausgrabungsgesetz von 1914 sei nicht möglich, weil es keine Regelung
zum Eigentumserwerb enthalte. Auch den Abtretungen der Länder Saarland und
Baden-Württemberg käme keine Bedeutung zu, deren jeweilige Schatzregale zwar
vor Sicherstellung des Rings in Kraft getreten seien, aber die Herkunft des
Rings aus diesen Ländern nach eigenen Angaben des Landes Rheinland-Pfalz eher
unwahrscheinlich und das Datum der Entdeckung des Rings trotzdem nicht
feststellbar und damit die Anwendbarkeit der denkmalrechtlichen
Schatzfundbestimmungen dieser Länder ebenso fraglich sei.
Der Händler
könne hingegen die Rechte des letzten Gewahrsamsinhabers geltend machen und
darüber hinaus aus den Ring gem. § 695 BGB jederzeit zurückfordern. Denn im
gegenständlichen Fall sei von einer öffentlich-rechtlichen Verwahrung
auszugehen, wie sie sich ergiebt, wenn der Berechtige durch die Beschlagnahmung
von eigenen Obhuts-, Sicherungs- und Fürsorgemaßnahmen ausgeschlossen wird.
Dass dies der Fall sei, sei schon allein an der Verbringung des Armrings nach Rheinland-Pfalz
erkennbar. Der Händler sei somit als Hinterleger zu betrachten, dem ein
Rückforderungsrecht zustehe. Nachdem der Herausgabe auch sonst nichts – auch
nicht das Verbot des § 4 KultgSchG – entgegenstehe, sei der Armring
dem Händler daher zurückzuerstatten (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 8-12).
National wertvolles Kulturgut mit besonderem Bezug zu Rheinland-Pfalz?
Am 16.4.2016
– beinahe exakt 8 Jahre nach dessen Beschlagnahmung – erhielt der Händler dann tatsächlich
seinen Armring wieder zurück. Aber damit sind wir noch keineswegs am Ende
dieses Falles, denn es lief ja auch noch ein Eintragungsverfahren ins
Verzeichnis national wertvollen Kulturguts gemäß KultgSchG, ebenfalls auf Betreiben von
Kulturgüterschutzorganen des Landes Rheinland-Pfalz.
Dieses
Verfahren war am 17.8.2015 eingeleitet worden, also zu einem Zeitpunkt, an dem
bereits recht deutlich absehbar war, dass die Herausgabe des Armrings an den
Händler nur noch eine Frage der Zeit war; wurde mit Eintragung des Rings in das
Verzeichnis 14.7.2017 abgeschlossen und dem Händler mit Schreiben vom 27.7.2017
mitgeteilt. Der Händler erhob dagegen (ob der fehlenden Rechtsmittelbelehrung
in der Mitteilung der Eintragung an ihn) binnen offener Frist am 26.7.2018
Klage beim VG Mainz. Auch dieses Verfahren gewann der Händler mit fliegenden
Fahnen (VG Mainz 20.3.2019, 3 K 596/18.MZ), auch hier ist die Urteilsbegründung
beachtens- und daher auch etwas genauer betrachtenswert.
Rechtsgrundlage
für die Eintragung sei § 1 Abs. 1 Satz 1 KultgSchG (idF vom 8.7.1999), demzufolge
Kulturgut, dessen Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen
Kulturbesitz bedeuten würde, vom zuständigen Land in ein Verzeichnis national
wertvollen Kulturguts einzutragen war.
Im
konkreten Fall sei die Entscheidung über die Eintragung formell rechtswidrig
erfolgt und schon daher aufzuheben. Denn das Land Rheinland-Pfalz sei niemals
das für eine allfällige Eintragung des Armrings zuständige deutsche Bundesland
gewesen und hatte daher bezüglich des Armrings keine Verbands- und damit auch
keine Entscheidungskompetenz. Nachdem der Aufenthaltsort des Rings bei Inkrafttreten
des KultgSchG im Jahre 1955 nicht feststellbar
sei, wäre dasjenige Bundesland für das Eintragungsverfahren zuständig, zu dem
ein enger Bezug des Kulturgutes besteht. Ein solcher begründe sich durch langen
Aufenthalt des Kulturgutes oder Geschäfts- oder Wohnsitzes des Eigentümers bzw.
Besitzers in diesem Bundesland. Eine zu einem vorübergehenden Zweck erfolgte
Veränderung des Aufenthaltsortes des Kulturgutes begründe hingegen keine neue
Zuständigkeit; nicht zuletzt deshalb, damit ein befürchtetes oder
bevorstehendes Unterschutzstellungsverfahren nicht durch einen gezielten
Ortswechsel unterminiert werden könne.
Damit käme
im gegenständlichen Fall eine Zuständigkeit des Landes Rheinland-Pfalz nicht in
Frage, weil sich der Armring fraglos überhaupt nur zu einem vorübergehenden
Zweck in diesem Bundesland befand, nämlich zur archäologischen Untersuchung und
Begutachtung im Rahmen eines in Hessen gegen den Händler geführten
Strafverfahrens. Das Eintragungsverfahren gem. KultgSchG sei von Rheinland-Pfalz erst 2015 –
nachdem die Rückgabeforderung durch den Händler erhoben worden war –
eingeleitet worden; das den Ring erst nach Niederlage vor dem LG Darmstadt im
April 2016 dem Händler zurückgab; sich also im Zeitpunkt der Einleitung des
Verfahrens „zu Unrecht im Besitz“ des Ringes befand (VG Mainz 20.3.2019,
3 K 596/18.MZ, 11). Damit habe sich Rheinland-Pfalz, das bereits 2010 vom hessischen
Strafrichter zur Rückführung der beschlagnahmten Gegenstände nach Hessen aufgefordert
worden war, über die Grenzen des Rechtsverhältnisses hinweggesetzt, aufgrund
dessen es überhaupt erst in den Besitz des Armrings gekommen war. Es habe somit
in eine (aufgrund der Regelung des Art. 83 GG) fremde Verbandskompetenz eingegriffen, ein nicht
heilbarer Verfahrensfehler, der zu einer Aufhebung der rechtswidrigen Entscheidung
führe (VG Mainz 20.3.2019, 3 K 596/18.MZ, 7-13).
Darüber hinaus sei die Eintragung auch materiell rechtswidrig, weil es sich bei dem Goldarmring auch nicht um ein Kulturgut iSd § 1 Abs. 1 KultgSchG handle, nach dem nur solches Kulturgut geschützt werde, dessen Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde. Ein solcher Verlust könne nur durch die Abwanderung bedeutsamer und national wertvoller Werke entstehen. Zwar dürfte es sich bei dem Armring wohl um bedeutsames und wertvolles Kulturgut handeln, es sei jedoch nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen, dass seine Abwanderung aus Deutschland einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde. Das zu schützende Kulturgut müsse dafür einen besonderen Bezug zur deutschen Kultur aufweisen. Nicht ausreichend sei, „wenn sich ein Kulturgut ohne jegliche Wechselwirkung mit der deutschen Kultur, ohne wissenschaftliche Auseinandersetzung oder sonstige kulturelle Prägung oder Auswirkung bloß und vielleicht auch erst seit kurzer Zeit in Deutschland befindet“ (VG Mainz 20.3.2019, 3 K 596/18.MZ, 14), was gerade bei Kulturgütern deren Herkunftsort nicht eindeutig ermittelbar sei zu gesteigerten Anforderungen an den Bezug zur deutschen Kultur zur Rechtfertigung einer Eintragung führe.
Nach dem archäologischen
Gutachten vom 14.4.2009 bestünden erhebliche Zweifel an einer deutschen
Herkunft des Rings, da eine schweizerische, österreichische und französische
Herkunft auch ohne weiteres möglich seien; und es sei auch kein sonstiger Bezug
des Armrings zu Deutschland dargelegt, geschweige denn nachgewiesen worden.
Nachdem die Eintragungsentscheidung auf dem Gutachten beruhte, an dessen sachlichen
Richtigkeit bereits sowohl vom Händler als auch vom LG Darmstadt gezweifelt
worden war, wäre es am Land Rheinland-Pfalz gelegen, allfällig relevante
zusätzliche konkrete Nachweise für einen für die Eintragung ausreichenden Bezug
des Rings zu Deutschland beizubringen, was nicht geschehen sei (VG Mainz 20.3.2019,
3 K 596/18.MZ, 13-18).
Die Entscheidung
des Landes Rheinland-Pfalz, den frühlatènezeitlichen Maskenarmring in das
Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes einzutragen, war also ebenfalls
rechtswidrig erfolgt und war daher aufzuheben. Sie verletzte den Händler in
seinen in Art. 14 Abs. 1 und 3 GG verfassungsgesetzlich gewährleisteten
Eigentumsrechten; und das bezüglich eines tatsächlich spektakulären ‚keltischen‘
Goldarmrings mit einem geschätzten Marktwert um die € 200.000 (LG Darmstadt
5.2.2016, 27 O 141/15, 2; VG Mainz 20.3.2019, 3 K 596/18.MZ, 7).
Resümee
Fassen wir
hier kurz zusammen: der Händler als in diesem Fall Betroffener war in Hessen wegen
Verdachts auf Hehlerei vor Gericht gestellt und im Rahmen dieses Verfahrens der
gegenständliche Goldarmring mit einem Marktwert von etwa € 200.000 im Februar
2008 beschlagnahmt worden. Trotz des sich über Jahre bis zu einem
rechtskräftigen Urteil im November 2014 hingezogen habenden Strafverfahrens
konnte dem Händler bei keinem einzigen der zahlreichen bei ihm beschlagnahmten antiken
Kunstgegenständen Hehlerei nachgewiesen werden, weshalb er auch freigesprochen
wurde.
Das Land
Rheinland-Pfalz, wohin der Armring im Rahmen dieses hessischen Strafverfahrens
zur unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtung zeitweilig verbracht worden
war, meldete – eingeladen durch das hessische Kulturministerium – einen
Eigentumsanspruch am Armring an und behielt ihn sich vorerst einfach einmal. Die
Rückgabe, zu der es zuerst durch den hessischen Strafrichter und dann, nach
dessen Freispruch, auch durch den Händler als letztem Gewahrsamsinhaber vor der
Beschlagnahmung selbst aufgefordert worden war, verweigerte es unter Berufung
auf den selbst erhobenen Eigentumsanspruch gemäß dem rheinland-pfälzischen
denkmalrechtlichen Schatzregal, das erst 10 Monate nach der Beschlagnahmung des
Ringes überhaupt in Kraft getreten war. Begründet hat es das ausschließlich mit
dem Gutachten eines Archäologen des Rheinischen Landesmuseums in Trier, das den
Armring für das Land aufbewahrte und dessen Sammlung er einverleibt werden sollte;
ein Gutachten, das offensichtlich die Herkunft des Armrings aus Rheinland-Pfalz
nicht mit ausreichender Sicherheit nachweisen konnte.
Oder etwas
härter gesagt: Organe des Landes Rheinland-Pfalz haben offenkundig versucht,
einem deutschen Staatsbürger, dessen rechtmäßiges Eigentum ihnen zeitweilig zur
treuhändischen Verwahrung in einem gerichtlichen Strafverfahren von den
Behörden eines Nachbarbundeslandes anvertraut worden war, dieses widerrechtlich
zu entziehen. Warum dieses Fehlverhalten nicht zu einem Strafverfahren wegen
Verdachts auf Unterschlagung (§ 246 StGB) bzw. Untreue (§ 266 StGB) gegen die verantwortlichen Organe des Landes
Rheinland-Pfalz geführt hat, entzieht sich mir völlig, insbesondere in
Anbetracht des hohen finanziellen Werts des betroffenen Gegenstandes.
Nachdem
absehbar wurde, dass das nicht funktionieren wird, hat das Land Rheinland-Pfalz
in die Verbandskompetenz des Landes Hessen eingegriffen, um dem Händler die
Verbringung des Armrings aus der Bundesrepublik Deutschland unmöglich zu machen
oder wenigstens maßgeblich zu erschweren. Dafür hat es sich auf die Grundlage
gestützt, dass es den Armring für mehrere Jahre rechtswidrig in Besitz genommen
und trotz mehrfacher Aufforderung entgegen seiner sowohl öffentlich-rechtlichen
als auch privatrechtlichen treuhänderischen Verpflichtungen nicht an den bzw.
die Verfügungsberechtigten zurückerstattet hatte.
Auch hier
ist festzustellen: bei allem Verständnis für den Kulturgüterschutz und das
durchaus innerhalb eines gewissen Rahmens berechtigte Interesse von Ländern und
Staaten, bedeutendes nationales Kulturgut auch tatsächlich auf ihrem jeweiligen
Territorium zu behalten, auch das, was in diesem Fall geschehen ist, geht mit
Abstand zu weit. Selbst wenn man einen gewissen moralischen Anspruch des
Landes Rheinland-Pfalz auf den im konkreten Fall betroffenen Goldarmring annehmen
will, weil sich die traditionell als Kerngebiet der Entstehung der
Frühlatènekunst angesehene Region überwiegend in Rheinland-Pfalz befindet: das
berechtigt Rheinland-Pfalz weder zur Veruntreuung noch zur mutwilligen und
seine Landeskompetenzen weit überschreitenden Beschränkung des Eigentums eines
Kunst- und Antikenhändlers. Auch wenn man als archäologischeR
KulturgüterschützerIn Kunst- und AntikenhändlerInnen vielleicht nicht besonders
schätzen mag: auch diese haben die gleichen Bürger- und Menschenrechte wie
jeder andere und sind dementsprechend auch gleich wie alle anderen BürgerInnen
zu behandeln, nicht mutwillig rechtsmissbräuchlich zu verfolgen.
Dem Land
Rheinland-Pfalz wäre es übrigens auch – trotz des sehr hohen Werts des Armrings
von um die € 200.000 – vermutlich weit billiger gekommen, den Ring dem Händler
einfach abzukaufen, statt ihn viele Jahre lang durch ebenso unnötige wie
rechtswidrige behördliche Willkür zu quälen, um ihm den Ring doch irgendwie ‚entschädigungslos‘
abluchsen zu können. Weil auch hier wurde soviel Arbeitszeit von hochbezahlten
Juristen und wohl teilweise auch (beinahe?) ebenso hochbezahlten
Kulturgüterschutzorganen in einen eigentlich von Anfang an als aussichtslos
erkennbaren Fall investiert, dass die Kosten für den käuflichen Erwerb des
Ringes eher gering erscheinen. Umso mehr, als man mit seinem einfachen Ankauf
sicher das Eigentum an dem Ring erworben hätte, während man jetzt mit diesem über
ein Jahrzehnt angedauert habenden Theater gerade das nicht erreicht hat.
Wobei: es
sieht so aus als hätte man in Rheinland-Pfalz mit der Investition bedeutender
öffentlicher Mittel in von Haus aus aussichtslose und letztendlich massiv
kontraproduktive Kulturgüterschutz-Fälle ja Form (siehe Karl 2018). Die Kulturgüterschutzorgane
wenigstens dieses Landes scheinen öfters einmal zu versuchen, durch – ob nun
vorsätzlich oder unterbewusst – exzessive Überinterpretationen gesetzlicher
Bestimmungen sowie durch Selbst- und Fremdtäuschung über rechtliche und – nicht
zuletzt – auch archäologische Sachverhalte dem ‚Schutz‘ von Kulturgütern
‚förderliche‘ Resultate zu erreichen, die auf rechtmäßigem Wege nicht
erreichbar sind; ja die in manchen Fällen sogar aus sehr fundamentalen
rechtlichen Gründen gar nicht rechtmäßig erreichbar sein können.
Fallbeispiel
C: 'Jäger des geraubten Schatzes?'
Nachdem wir
schon im Mittelrheingebiet und bei der scheinbar nicht ganz uninteressanten grenzüberschreitenden
Kollaboration zwischen Kulturgüterschutzeinrichtungen in Hessen und
Rheinland-Pfalz sind, lohnt es sich auch noch, einen Blick auf einen weiteren
Fall zu werfen, der in diesem Umfeld die Gerichte beschäftigt hat. Dieser Fall
hat eine ganze Flut von Gerichtsurteilen bis zum BGH nach sich gezogen (z.B. LG
Frankfurt/Main 4.12.2009, 5 K 4154/09.F; LG Frankfurt/Main 18.8.2011, 2-13 O
212/10; OLG Frankfurt/Main 4.2.2013, 16 U 161/11; BGH 23.10.2013, V ZR 60/13), von denen an dieser Stelle nur ein einziges, VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F,[10]
genauer betrachtet werden soll.
Die Vorgeschichte und sonstigen Umstände des Falles
In diesem
Fall geht es um drei 2008 von der hessischen Polizei beschlagnahmte antike
Schalen und zwei byzantinische Räucherkesselchen, die ihr Eigentümer, der
Inhaber eines Antiken-Kabinetts in Hessen, seinen eigenen (durch Zeugenaussagen
der Verkäufer bestätigten) Angabe im auslösenden Strafverfahren wegen Verdachts
auf Hehlerei zufolge um € 200 auf einer Antiquitätenmesse in München erworben
hatte. Die ebenfalls befragten Verkäufer gaben an, die Gegenstände 1980 als
Gratis-Zugabe zu einem in der Türkei von einem armenischen Teppichhändler
erworbenen Teppich bei der Übersendung des letzteren nach Deutschland erworben
zu haben. Sowohl der diese vernommen habende Polizist als auch alle Gerichte
hatten in der Folge keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben der
Verkäufer als auch des hessischen Antikenhändlers. Das LG Frankfurt/Main hob
daraufhin mit Beschluss vom 4.12.2009 (5 K 4154/09.F) die Beschlagnahme der
Gegenstände auf und stellte fest, dass wegen des feststehenden gutgläubigen
Erwerbs durch den Antikenhändler kein Tatverdacht der Hehlerei bestehe. Man
sollte meinen, dass der Fall damit zu Ende gewesen wäre, aber das Gegenteil ist
der Fall: damit hat er eigentlich erst begonnen.
Mit
Verfügung vom 16.12.2009 stellte nämlich daraufhin das Hessische Ministerium für
Wissenschaft und Kunst die genannten Gegenstände sicher. Warum das geschah und das
darauffolgende Urteil des VG Frankfurt/Main vom 2.6.2010 (5 K 1082/10.F)
wird weiter unten noch genauer eingegangen. Es genügt hier zu sagen, dass der
Sicherstellungsbescheid von Hessischen Ministerium nach dementsprechender gerichtlicher
Aufforderung mit 19.4.2010 aufgehoben wurde und die Gegenstände nach dem Urteil
vom 2.6.2010 ihrem Eigentümer wieder ausgefolgt wurden.
In weiterer
Folge klagte allerdings die Republik Türkei, die auf diesen Fall durch einen
Mitarbeiter des RGZM aufmerksam gemacht worden war, auf den noch genauer
einzugehen sein wird, durch den gesamten Instanzenzug, um diese 5 Gegenstände
ihrem Staatseigentum einzuverleiben (siehe dazu, allesamt im Original lesenswert,
LG Frankfurt/Main 18.8.2011, 2-13 O
212/10; OLG Frankfurt/Main 4.2.2013, 16 % 161/11; BGH 23.10.2013, V ZR 60/13). Bezüglich dieses Verfahrens genügt es hier, festzustellen, dass diese
Schritte aufgrund des bereits in LG Frankfurt/Main 4.12.2009, 5 K 4154/09.F
rechtskräftig festgestellten, gutgläubigen Eigentumserwerbs des Antikenhändlers
ohne überwältigende neue Beweise – welche die Türkei nicht einmal ansatzweise
zu erbringen versuchte – vollkommen aussichtslos waren und auch entsprechend
eindeutig verloren wurden. Wesentlich ist eigentlich nur die – nicht im
mindesten überraschende und daher auch höherinstanzlich voll bestätigte, aber
in diesem Artikel später noch relevant werdende – Feststellung,[11]
dass auch bei der Frage des Eigentumserwerbs bei grenzüberschreitendem Bezug
von Kulturgütern der Grundsatz der lex rei sitae gelte, d.h. die
Rechtsvorschriften des Staates anzuwenden seien, in dem sich die Sache zu
diesem Zeitpunkt befand (LG Frankfurt/Main 18.8.2011, 2-13 O
212/10, 5).
In der Nähe geistiger Verwirrtheit
Trotzdem
ich hier das Urteil des VG Frankfurt/Main vom 2.6.2010 (5 K 1082/10.F)
genauer besprechen werde, empfehle ich dringend dessen vollständige Lektüre.
Ich habe bislang kein anderes Gerichtsurteil gesehen, das so deutlich zeigt,
wie schockiert das entscheidende Gericht war, und das so deutliche Worte für
das Vorgehen mancher Kulturgüterschützer findet.
Wie schon
erwähnt, verfügte das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst am
16.12.2009 die neuerliche Sicherstellung der soeben erst durch Beschluss des LG
Frankfurt/Main vom 4.12.2009 (5 K 4154/09.F), der ihren rechtmäßigen Eigentümer
festgestellt und diesen – den Antikenhändler – vom Tatverdacht der Hehlerei befreit
hatte, auch von der polizeilichen Beschlagnahmung freigegebenen Gegenstände;
und zwar mit der Begründung, „das Eigentum an den Gegenständen solle dem
noch zu ermittelnden Eigentümer nicht weiterentfremdet werden; schließlich
bestehe der Verdacht der Hehlerei“ (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 5). Eine dagegen gerichtete Klage des
Antikenhändlers endete „auf Anregung des Gerichts mit der Zusage der Behörde,
die genannte Verfügung vom 16.12.2009 aufzuheben und die sichergestellten
Gegenstände an den Kläger herauszugeben“ (ibid.).
Das
Hessische Ministerium kam der damit eingegangenen Verpflichtung mit Bescheid
vom 19.4.2010 nach und wies gleichzeitig das RGZM an, bei dem das Land Hessen
(warum eigentlich?) die Gegenstände eingelagert hatte, diese an den
Antikenhändler herauszugeben. Die Herausgabe scheiterte jedoch daran, dass ein
Mitarbeiter des RGZM sich trotz wiederholter Aufforderungen, anwaltlicher
Schreiben und sogar persönlicher Vorsprache eines Beauftragten des Eigentümers schlicht
weigerte, diese Gegenstände herauszugeben. Auch das hessische Ministerium
scheiterte mit seinen eigenen Bemühungen, das RGZM zur Herausgabe der
Gegenstände zu bewegen. Der Antikenhändler erhob daraufhin am 30.4.2010 Klage
gegen das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst auf Herausgabe der
Gegenstände (ibid., Rn 6-10).
Beachtenswerterweise
beantragte das beklagte Hessische Ministerium die Klage abzuweisen und
begründete das damit, dass es nicht verpflichtet sei, dem Antikenhändler die
Gegenstände zu überbringen sondern es sich um eine Holschuld handle, die
Gegenstände seien beim RGZM abzuholen. Außerdem habe Hessen keine Möglichkeit,
auf das RGZM als Gewahrsamsinhaber einzuwirken (ibid., Rn 11-13).
Es kann
nicht überraschen, dass das Gericht die Klage des Antikenhändlers als statthaft
und in der Sache begründet betrachtet und sowohl dem Land Hessen als auch dem
RGZM – um es sehr euphemistisch zu formulieren – sehr ernsthaft ins Gewissen
geredet hat. Begründet hat es seinen Spruch gegen das Hessische Ministerium für
Wissenschaft und Kunst, das RGZM und insbesondere den die Herausgabe verweigert
habenden Mitarbeiter des RGZM im Wesentlichen wie folgt:
Eine sichergestellte
Sache sei jedenfalls mit Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung an
ihren letzten Gewahrsamsinhaber zurückzuerstatten, weshalb ohne jeden Zweifel
das Ministerium zur Herausgabe verpflichtet sei. Der Antikenhändler sei zudem –
wie schon gerichtlich festgestellt gewesen sei, ehe die Sicherstellung
überhaupt erfolgt sei – eindeutig der rechtmäßige Eigentümer der Gegenstände.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem eingeleiteten und durch die
Behörde selbst wieder aufgehobenen Verfahren nach dem KultGüRückG, wobei die Voraussetzungen für eine
Rückgabe nach diesem Gesetz offensichtlich nicht vorliegen würden, weil die Türkei
sich weder in der Lage gesehen habe einen entsprechenden Antrag nachvollziehbar
zu begründen und noch nicht einmal „die vorliegend umstrittenen Antiken der
Sache nach zutreffend zu bezeichnen“ (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 19). Ein in der mündlichen Verhandlung
vorgelegtes Schreiben der Türkei sei eine schlichte Bitte ohne Rechtsqualität
und auch die Begutachtung durch das LKA Brandenburg habe nichts rechtlich Relevantes
erbracht.
Das Land
Hessen sei auch verpflichtet, die Gegenstände dem Kläger zu bringen und ihn
nicht bloß zur Abholung ans RGZM zu verweisen; schon allein deshalb, weil sich Hessen
in der mündlichen Verhandlung vom 19.4.2010 durch entsprechende Zusicherung zur
Herausgabe der Gegenstände an den Antikenhändler verpflichtet hatte; einmal
völlig abgesehen davon, dass der Kläger die Abholung seines Eigentums beim RGZM
bereits erfolglos versucht hatte. Das sei umso mehr der Fall, als „die Sicherheitsverfügung
vom 16.12.2008 grob und evident rechtswidrig“ gewesen sei, weil „auch
nur entfernte Ansatzpunkte für eine Hehlerei […] bereits mit der
Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.12.2009 ausgeräumt“
waren (ibid., Rn 19).
„Es ist für
das Gericht beim besten Willen nicht nachvollziehbar, warum das Ministerium für
Wissenschaft und Kunst nach dieser Kollegialentscheidung eines Landgerichts den
Vorwurf der Hehlerei erneut aufgegriffen hat. Ebenso wenig nachvollziehbar war
das weitere Begründungselement der Verfügung, die Entfremdung des Eigentums vom
bisherigen Eigentümer. Denn Eigentümer ist allein der Kläger. Nachdem die
Behörde diese eklatant rechtswidrige Sicherstellungsverfügung auf Anregung des
erkennenden Gerichts im Verfahren 5 K 4154/09.F (1) aufgehoben hat, ist sie jedenfalls
auch im Wege der Folgenbeseitigung verpflichtet, dem Kläger die
sichergestellten Sachen wieder zu übergeben.“ (ibid., Rn 19).
Auch
bestreite Hessen die Rückgabeverpflichtung gar nicht ernsthaft, habe auch das
RGZM tatsächlich zur Rückgabe aufgefordert und müsse im Zweifel die betreffende
Sachen vom RGZM wiederbesorgen.
„Es kann
nicht sein und liegt in der Nähe eines Skandals, wenn das Land Hessen
durch seine Behörden Gegenstände sicherstellt und diese Gegenstände dann an
beliebige Dritte weiter gibt ohne hinreichende Vorkehrungen und Sicherungen zu
treffen, damit diese Gegenstände auch wieder nach Aufhebung der Sicherstellung
herausgegeben werden können. Vorliegend kommt noch hinzu, dass bereits die
Sicherstellungsverfügung evident rechtswidrig war und sich dem Kläger, dem
allein rechtmäßigen Eigentümer, mit einer gewissen Berechtigung allmählich der
Eindruck aufdrängen muss, dass sein Eigentum und sein Herausgabeanspruch durch
die Behörde hintertrieben wird. Bereits vor der Sicherstellung wurden die
Antiken wiederholt beschlagnahmt. Unmittelbar nach Verkündung des vorliegenden
Urteils hat ein Vertreter des Polizeipräsidiums Mainz beim erkennenden Gericht
angerufen und mitgeteilt, dass eine Sicherstellung nach Herausgabe der
Gegenstände durch das RGZM in Erwägung gezogen würde.“ (ibid., Rn 21, Hervorhebung in Fettdruck: RK).
Hessen müsse
jedenfalls alle Möglichkeiten nutzen um dem Kläger sein Eigentum wieder zu
verschaffen, nachdem es sie rechtswidrig sichergestellt und an einen
unberechtigten Dritten herausgegeben habe. Notfalls müsse Land Hessen das RGZM
verklagen oder auf höherer politischer Ebene auf das Land Rheinland-Pfalz
einwirken, damit das dortige Ministerium für Wissenschaft seine Aufsicht über
das RGZM wahrnehme und es zur Herausgabe der Gegenstände bewege.
„Bei den
Hessischen Behörden stellt sich die Frage der beamten- und
disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit der handelnden Beamten, wenn sie
sichergestellte Gegenstände, die sich in ihrer Verwahrung und Obhut befinden,
einfach an Dritte weitergeben. Darüber hinaus steht die Frage der Amtshaftung
im Raum, wenn sich das Land Hessen außer Stande sieht, dem Kläger sein Eigentum
zurückzugeben, das es grob rechtswidrig sichergestellt und ebenso rechtswidrig
an einen Dritten weitergegeben hat.“ (ibid., Rn 22).
Das Gericht
hatte sich zu diesem Punkt wohl bereits tatsächlich in Rage geschrieben und nahm
daher auch im letzten Absatz seines Urteils kein Blatt mehr vor den Mund, was
das Verhalten des RGZM und seines renitenten Mitarbeiters betrifft:
„Das RGZM
selber ist zur Herausgabe der Gegenstände an das Land Hessen bzw. den Kläger
verpflichtet, hat es diese Gegenstände doch lediglich im Wege der Verwahrung
überlassen bekommen. Da das Land Hessen diese Verwahrung nunmehr
beendet und das RGZM angewiesen hat, die Sachen wieder herauszugeben, hat
das RGZM keinen irgendwie gearteten Rechtsgrund, die Sachen weiter zu
behalten. Im Übrigen erfolgt die Herausgabe mit dem Kläger an den allein
berechtigten Eigentümer. Das an das RGZM gerichtete Schreiben der Türkei besitzt
keinerlei Rechtsqualität. Soweit der Mitarbeiter des RGZM […] die Herausgabe bislang verweigert
hat, sollte sich innerhalb des RGZM die Frage nach der beamten- oder
arbeitsrechtlichen Haftung dieses Mitarbeiters stellen. Das Schreiben
dieses Mitarbeiters vom 10.05.2010 (Bl. 26 – 28 5 L 1081/10.F. (1)) ist
dermaßen unverständlich, dass sich die Frage der Dienstfähigkeit dieses
Mitarbeiters stellt. Es ist für das Gericht beim besten Willen nicht
nachvollziehbar, wie ein Mitarbeiter auf dem Briefkopf des RGZM derartige
Schreiben verfassen kann. Hier stellt sich die Frage, warum die
Museumsleitung und ggf. das zur Aufsicht berufene rheinland-pfälzische
Ministerium nicht eingreifen. In dem genannten Schreiben macht […] die Herausgabe der Antiken an den
Kläger von der Zahlung von über 17 Millionen Euro abhängig. Dieses Schreiben liegt
in der Nähe geistiger Verwirrtheit. Weiter heißt es in diesem Schreiben z.
B., dass die Richter des Landgerichts Frankfurt am Main und des
Verwaltungsgerichts den zu Gunsten des Klägers ausgestellten „Persilschein“
ebenfalls in Rechnung stellen würden. Damit wird dem Landgericht Frankfurt
am Main und dem Verwaltungsgericht der Sache nach Bestechlichkeit und
Rechtsbeugung vorgeworfen. Auch hier ist nicht nachvollziehbar, wie ein derartiges
Schreiben unter dem Briefkopf des RGZM diese seriöse Einrichtung verlassen
kann. Ist die Leitung des RGZM offenbar nicht in der Lage, die Aufsicht über
diesen Mitarbeiter auszuüben, sollte das rheinland-pfälzische Ministerium für
Wissenschaft als Aufsicht über dieses Museum eingreifen. Das RGZM hat diese
Sachen an den Kläger bzw. das Land Hessen herauszugeben, es gibt keinen
irgendwie gearteten Rechtsgrund, die Sachen zu behalten. Sollten die Sachen an
Dritte weitergegeben werden, stellt sich auch hier die Frage der Amtshaftung
und dienst- und disziplinarrechtlicher Konsequenzen.“ (ibid., Rn 23; Hervorhebung in Fettdruck: RK).
Resümee
Dieser Fall
ist so atemberaubend, dass es verwunderlich ist, dass er nicht in der deutschen
Archäologie und im internationalen Kulturgüterschutz breit diskutiert wurde und
das Organ des RGZM, das sich hier offensichtlich grob rechtlich fehlverhalten
hat, nicht massiven innerfachlichen Erklärungsbedarf hatte. Noch atemberaubender
ist, dass eben jener Mitarbeiter – zu dem wir gleich noch genauer kommen werden
– immer noch in Amt und Würden ist und sogar in der Fachwelt als Experte für
das Thema illegaler Kulturgüterhandel reüssiert und auch international
eingeladen wird.
Um es kurz
und schmerzhaft zu machen: in diesem Fall hat der Mitarbeiter des RGZM sich
einfach selbst dazu ermächtigt, sich über Rückgabeforderungen des Eigentümers,
des Hessischen Ministeriums, das dem RGZM die Gegenstände zur zeitweiligen
sicheren Verwahrung anvertraut hatte, und der hessischen Gerichtsbarkeit
hinwegzusetzen, weil er subjektiv der Ansicht war, dass diese Gegenstände
jemand anderem als deren rechtmäßigen Eigentümer gehören. Es handelt sich also
dabei wohl ebenfalls entweder um versuchte Unterschlagung (§ 246 StGB) oder um Untreue (§ 266 StGB); und zwar mit wenigstens stillschweigender
Duldung durch sowohl die Leitung des RGZM als auch das Hessische Ministerium
für Wissenschaft und Kunst, das sich seinerseits schon bei der Sicherstellung
und Verbringung der Gegenstände ins RGZM – man sollte doch annehmen, dass es
auch in Hessen Museen mit archäologisch kompetentem Personal und
Asservatenkammern o.Ä. gibt –grob rechtswidrig verhalten hat.
Es ist also
wohl schon als Euphemismus zu betrachten, wenn das Gericht bemerkt, dass sich
dem rechtmäßigen Eigentümer dieser Sachen mit einer gewissen Berechtigung
allmählich der Eindruck aufdrängen müsse, dass die Behörde(n) seinen Eigentums-
und Herausgabeanspruch bewusst hintertreiben würden (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 21). Tatsächlich sind in diesem Fall die
einzig möglichen vernünftigen Schlussfolgerungen, dass hier entweder wenigstens
von einigen Organen der beteiligten Kulturgüterschutzeinrichtungen durch
Ausübung ihrer Amtsbefugnisse vorsätzlich und wissentlich Unrecht getan wurde oder
diese – wie das Gericht selbst als Möglichkeit anzudeuten scheint – die Grenze
zur „geistigen Verwirrtheit“ (ibid., Rn 23)
bereits überschritten hatten.
Wenn das
Gericht hier von der „Nähe eines Skandals“ (ibid., Rn 21)
spricht, untertreibt es ebenfalls deutlich: stellen Sie sich einfach als
umgekehrten Fall vor, ein Kunsthandelsvertreter würde aufgrund eines Hinweises
auf deren illegale Herkunft ins Landesmuseum für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt
gehen, die dort befindliche Himmelsscheibe von Nebra mit Androhung von
Gewaltanwendung bei Widerstand gegen sein Vorgehen beschlagnahmen und diese an einen
bekannten Experten bei einem renommierten Münchner Auktionshaus für Kunst und
Antiken zur Begutachtung und zeitweiligen sicheren Verwahrung verbringen;
obwohl wenige Tage zuvor ein ordentliches Gericht das Eigentum des Landes
Sachsen-Anhalt an der Himmelsscheibe bestätigt hatte. Der Experte wiederum, dem
sie zur sicheren Verwahrung übergeben wurde, würde auch noch dann willkürlich ihre
Ausfolgerung verweigern, wenn er auf Basis eines gerichtlichen Vergleichs zwischen
dem ihm die Himmelsscheibe überantwortet Habenden und dem Land Sachsen-Anhalt zur
Rückgabe der Scheibe aufgefordert wird, weil er der Ansicht ist, dass die
Scheibe in Wahrheit dem Land Schleswig-Holstein gehört. Genau darüber reden wir
in diesem Fall, nur mit umgekehrten Vorzeichen.
Es mögen
sich Kulturgutschützer natürlich in ihrer Fantasiewelt mit dem jungen (und
nicht mehr so jungen) Indiana Jones identifizieren, wenn er zu Beginn des „letzten
Kreuzzuges“ gleich zweimal das „Kreuz des Coronado“ dessen
rechtmäßigen Eigentümern stiehlt bzw. raubt, in zweiterem Fall mit mehrfacher
Todesfolge von sowohl Sicherheitskräften als auch dem rechtmäßigen Eigentümer
des Kreuzes. Aber das ist eine fiktionale Handlung in einem Film – von dem ich
zugegebenermaßen auch ein großer Fan bin – in dem Indiana der Held und die von
ihm zusammengeschlagenen, erschossenen, in die Luft gesprengten etc. Gegner ‚die
Bösen‘ sind und ihr Schicksal daher ‚verdient‘ haben. In der Wirklichkeit wäre
das Verhalten von Dr. Jones Jr. hingegen eine nahezu ununterbrochene Reihe von
schweren Gewaltverbrechen; und das alles, weil er der Meinung ist, dieses Kreuz
sei „ein bedeutender historischer Gegenstand und gehört in ein Museum“.
In der Wirklichkeit würde Dr. Jones vor Gericht gestellt und von der
Fachgemeinschaft geächtet, so würde man wenigstens hoffen.
Das
wirklich bemerkenswerte an dem Frankfurter Fall ist also, dass scheinbar
niemand, aber wirklich auch gar niemand, nicht einmal der offenbar renitente
Mitarbeiter des RGZM, der in und für diesen Fall absolut zentral ist, auch nur disziplinär,
geschweige denn strafrechtlich, verfolgt worden zu sein scheint; ganz ebenso
wie Indiana Jones nicht hinter Gittern sitzt. Es scheint also in den
beteiligten Kulturgüterschutzeinrichtungen und Behörden – wie auch das VG
Frankfurt vermutet (ibid., Rn 22-3) – die Dienstaufsicht auf allen
Ebenen versagt zu haben oder sogar das grob rechtswidrige Vorgehen von
Subalternen stillschweigend gebilligt worden zu sein, auch nachdem es ruchbar
geworden war. Auf diesen Punkt wird noch einmal zurückzukommen zu sein.
Fallbeispiel D: Die ‚Schweißbrenner-Affäre‘
Der zuletzt
geschilderte Fall erinnert nicht rein zufällig an eine beliebte archäologische
Geschichte, die der selbsternannte Kriminalarchäologe Michael Müller-Karpe,
seines Zeichens Mitarbeiter des RGZM, in der Zeit um 2010 herum gerne
genüsslich bei seinen Vorträgen ausgebreitet und die er sogar unter dem Titel „Kriminalarchäologie:
Die Schweißbrenner-Affäre“ 2012 in einer Sonderausgabe der Zeitschrift des
Landesverbands Hessen des Bunds Deutscher Kriminalbeamter veröffentlicht hat (Müller-Karpe 2012). Wie beliebt diese Geschichte war,
zeigt sich besonders schön an einem Beitrag im DGUF-Newsletter vom 4.8.2012, der unter dem Titel „Erzähl's
bitte noch einmal: Die ‚Schweißbrenner-Affäre‘“ auf die soeben zitierte
Publikation Müller-Karpes (2012) verweist, in der er diesen Fall schildert,
der glücklich damit geendet hat, dass ein 4500 Jahre altes, einzigartiges
sumerisches Goldgefäß in sein Herkunftsland, den Irak, rücküberführt werden
konnte.
Seitdem ist
es um diese Geschichte etwas stiller geworden, vielleicht auch wegen einer
seither veröffentlichten Analyse von Müller-Karpes Schlussfolgerungen zu diesem
Gefäß, nicht zuletzt auf Basis von Müller-Karpes eigener, 1993 erschienenen
Dissertation, die seine Geschichte von der ‚Schweißbrenner-Affäre‘ in einem
deutlich anderen Licht erscheinen lässt (Deppert-Lippitz
2016). Bringt man
diese Analyse und Fallbeispiel C, bei der der gerichtlich zurechtgestutzte Mitarbeiter
des RGZM kein anderer als Michael Müller-Karpe ist, nämlich zusammen, dann
zeigt Müller-Karpes eigene Schilderung der ‚Schweißbrenner-Affäre‘ genau das
gleiche Denken und Verhalten, das er auch im Fall seines 'Kreuzzuges' gegen den
Frankfurter Antikenhändler an den Tag gelegt hat, über den und dessen Folgen er
interessanterweise der Fachwelt gar nichts erzählt hat. Spannend ist auch hier,
dass sich das die Justiz noch nicht genauer angeschaut hat, weil sich daraus
erschließen lässt, dass Müller-Karpe häufiger auf die gleiche grob
rechtswidrige Weise agiert, es also eben – wenigstens in seinem Fall –
keineswegs einen Einzelfall darstellt.
Der Fall in Müller-Karpes eigener Schilderung, kommentiert
Betrachten
wir also die ‚Schweißbrenner-Affäre‘ in Müller-Karpes eigener Schilderung im
Licht des bisher Gesagten:
Ein zig-Millionen-wertes Goldfläschen um € 1.200
Müller-Karpe
(2012, 10) zufolge nahm die ganze Affäre ihren
Ausgang, als er selbst bei einer „routinemäßigen
Durchsicht“ eines Katalogs eines Auktionshauses in München ein kleines
goldenes Fläschchen entdeckte, zu dem die dazu angeführten Angaben seiner
Meinung nach nicht zu passen schienen. Er glaubte nämlich, solche Gefäße aus
wissenschaftlichen Ausgrabungen im Südirak zu kennen, im Königsfriedhof von Ur,
während im Katalog angegeben war, dass es sich um ein Fläschchen aus der
römischen Kaiserzeit aus dem östlichen Mittelmeerraum handle (cf. Müller-Karpe 2012, 10; Deppert-Lippitz
2016). Erstaunlich
war Müller-Karpe zufolge auch der im Katalog angegebene Schätzpreis von bloß €
1.400, unter dem[12]
das Stück dann letztendlich tatsächlich versteigert wurde: ein solcher
Sensationsfund könne doch auf dem illegalen Antikenmarkt einen zweistelligen
Millionenbetrag erbringen (Müller-Karpe 2012, 10-2)!
Das Herumwerfen
mit mehrstelligen Millionenbeträgen kommt einem auch aus Fallbeispiel C bekannt
vor: so liest man z.B. in der Begründung des Beschlusses des BGH (23.10.2013, V ZR 60/13, Rn 10), dass die Türkei behauptet habe, die Wertschätzung der
(tatsächlich um insgesamt € 200 von ihrem rechtmäßigen Eigentümer erworbenen) 5
Gefäße sei schwierig „wie der Umstand
zeige, dass die Wertangaben im Verlaufe des Rechtsstreits zwischen mehreren 100
€ bis hin zu einem dreistelligen Millionenbetrag geschwankt hätten“. Entnimmt
man dann dem Urteil des LG Frankfurt/Main (18.8.2011, 2-13 O 212/10, 6-7), dass Müller-Karpe in diesem
Fall als vorgerichtlicher Gutachter für die Türkei tätig war, und verbindet man
das auch noch mit der im Urteil des VG Frankfurt/Main (2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 23) erwähnten Forderung Müller-Karpes von € 17 Millionen in seinem
Schreiben vom 10.5.2010 an den Eigentümer der in diesem Fall umstrittenen
Gefäße, dann kann man sich ungefähr vorstellen, woher der Millionenwind weht.
Zugegeben,
die Geschichten sind sensationeller, wenn man einfließen lässt, dass diese
antiken Kulturschätze am illegalen Kunstmarkt wenigstens mehrere, wenn nicht
sogar zwei- oder dreistellige Millionenbeträge erbringen könnten. Die
tatsächlich erzielten Verkaufpreise dieser Stücke am legalen oder wenigstens
halblegalen Kunst- und Antikenmarkt sprechen zwar eine andere Sprache, aber wir
sind somit wieder bei den Spänen angekommen, die halt nun einmal fliegen, wenn
gehobelt wird.
Ein wenig Othering gefällig: die bösen Gerichte
Aber zuerst
den Spannungsbogen noch etwas anspannen und gleichzeitig etwas Aufregung im
Publikum schüren: warum zeigt uns Müller-Karpe eigentlich nicht die Bilder aus
dem Ausstellungskatalog, die ihn überhaupt erst auf die Spur dieses
millionenschweren Sensationsfundes gebracht haben? Er lässt die Bombe gleich
platzen, keine Sorge: ein deutsches Gericht, Sie lesen richtig meine
Damen und Herren, ein deutsches „Gericht stoppt die Information der
Öffentlichkeit zur Antikenhehlerei“ (Müller-Karpe 2012, 11)!
Da hat doch
tatsächlich das LG Frankenthal dem RGZM „bei Meidung eines Ordnungsgeldes
von 250.000 €, wahlweise sechs Monate Ordnungshaft für jeden Einzelfall der
Zuwiderhandlung“ (ibid,) untersagt, die Bilder aus dem Katalog des
Auktionshaus ohne dessen Einwilligung zu verwenden. Dass das nicht mehr
bedeutet, als dass das – noch dazu auf Urheberrechtsfragen spezialisierte – LG
Frankenthal dem RGZM, das selbst auf die Urheberrechte bei von ihm selbst
erzeugten Bildern pocht, erklärt hat, dass das deutsche UrhG auch für das RGZM und seine Organe gilt und
auch durch die „Ratifizierung des UNESCO-Kulturgüterschutz-Übereinkommens
von 1970“ (Müller-Karpe 2012, 11) nicht aufgehoben wurde, spielt
da keine Rolle: „Wir haben daher die beanstandeten Abbildungen in unserer
Ausstellung überklebt und den Verkauf des ohnehin vergriffenen Begleitbandes
eingestellt.“ (ibid.). Ja, das mit dem ohnehin vergriffenen
Begleitband, dessen Verkauf man eingestellt hat, das hat sicher eine Menge
Lacher erzeugt, ist ja auch unterhaltsam.
Man könnte
es natürlich auch so sehen, dass sich ein Organ des RGZM und das RGZM selbst vorsätzlich
zum Schaden des Rechteinhabers über das deutsche UrhG einfach hinweggesetzt hat, weil Michael
Müller-Karpe es für erforderlich hält, „im Rahmen unseres gesellschaftlichen
Auftrags zum Schutz des archäologischen Erbes, die Öffentlichkeit über dieses
zerstörerische, gemeinschädliche und rechtswidrige Geschäftsmodell aufzuklären“
(Müller-Karpe 2012, 11). Wenn das Gesetz und
Müller-Karpes gesundes moralisches Empfinden in Widerstreit miteinander
geraten, dann steht anscheinend hier der Wille Müller-Karpes über dem des
demokratisch legitimierten Gesetzgebers; wenigstens bis nicht ein Gericht eine
strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Für jemanden, der sich selbst als
Kriminalarchäologe bezeichnet und auf die Rechtsstaatlichkeit pocht, lässt
Müller-Karpe ein sehr erstaunliches Rechtsverständnis durchschimmern.
Der modus operandi
Müller-Karpe
(ibid., 12-3) wendet sich nun der Schilderung seines modus
operandi zu: auf Basis seines Verdachts kontaktiert er zuerst das
Bundeskriminalamt und auf dessen Vermittlung das Bayerische LKA in München.
Dort gerät er allerdings an einen bereits älteren Beamten, der scheinbar schon
Erfahrung mit übereifrigen Archäologen und deren Verdächtigungen hat, denn der
wimmelt ab: ja, früher wäre er sofort losgestürmt und hätte alle verdächtigen
Objekte sichergestellt, aber sei inzwischen so oft mit
Dienstaufsichtsbeschwerden und Drohungen von Schadenersatzklagen von Seiten der
Antikenhändler eindeckt worden, dass er jetzt bestenfalls ein paar Fotos machen
und dafür sorgen werde, dass die Objekte nur „unter Vorbehalt“
versteigert werden würden; um Zeit zu schinden (ibid., 12).
Nachdem die
Fotos tatsächlich einlangen und für Müller-Karpe seinen Verdacht bestätigen,
sucht er sich nun einen willigeren Gehilfen, den er auf Basis der europäischen
Irak-Verordnung in einem jungen „(noch) hochmotivierten“ (ibid., 13) Zollbeamten der örtlich zuständigen Zollfahndung
Stuttgart findet, der unmittelbar nach München fährt und die von Müller-Karpe
als illegal exportierte Kulturgüter verdächtigten Objekte, darunter das Goldfläschchen,
beschlagnahmt. Mehr noch, der junge Zollfahnder schickt das Goldfläschchen
gleich zu Müller-Karpe, „in einem wattierten Umschlag, noch nicht einmal per
Einschreiben!“ (ibid.). Das ist tatsächlich atemberaubend, wenn auch
vielleicht nicht aus dem Grund, der Müller-Karpe vorschwebt: hier wird – folgt
man dem Experten Müller-Karpe einen zweistelligen Millionenbetrag wert seiendes
– Beweisstück einfach mit der Post nicht einmal per Einschreiben quer durchs
Land geschickt. Und das noch dazu an den Experten, der den Verdacht geäußert
hat, dass das ein illegal exportiertes Stück sein könnte und damit die
Sicherstellung veranlasst hat.
Das
erinnert jedoch wiederum frappant an das Vorgehen Hessens, nicht nur im Fall
mit den türkischen Gefäßen in Frankfurt (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F), sondern auch im Fall des goldenen
Maskenarmrings (LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15): die Exekutive
beschlagnahmt scheinbar auf Basis eines oft eher unspezifischen und nicht evidenzgestützten
Generalverdachts irgendwelcher Archäologen irgendwelche antiken
Kunstgegenstände – meist noch dazu eher hochwertige, auch wenn Müller-Karpe hier
vielleicht weniger Glück hat und die Millionenwerte nur maßlose Übertreibungen sind.
Diese somit zu Beweismitteln gewordenen Objekte schickt sie dann ganz ohne viel
Aufhebens über innerdeutsche Landesgrenzen an irgendwelche ArchäologInnen, oft
scheinbar die, die den Verdacht geäußert haben, der überhaupt erst zur
Beschlagnahme des betreffenden Objekts geführt hat, zur Begutachtung und
sicheren Verwahrung.
Dass die
Stuttgarter Zollfahndung „den Urheber der Anzeige zum Gutachter in eigener
Sache“ bestellt hat, wie es schon von Deppert-Lippitz (2016) prägnant problematisiert wurde,
erscheint damit zwar nicht weniger problematisch, aber wenigstens nicht
besonders ungewöhnlich, und daher eigentlich noch viel problematischer. Denn es
erweckt gravierende Zweifel an der Unabhängigkeit und damit auch der
Verlässlichkeit der so erstellten Gutachten.
Ermittelnde Kriminalarchäologen und Müller-Karpes Ergebnisse
Müller-Karpe
(2012, 13) schildert nun weiter, dass die
Kriminalarchäologen des RGZM nunmehr ihre Ermittlungen aufnahmen, zahlreiche
Untersuchungen durchführten und sich Müller-Karpes Anfangsverdacht dadurch
gänzlich bestätigte: das Fläschchen war wirklich ein sumerisches Original, 4500
Jahre alt, und so perfekt, dass selbst die Goldschmiede in der Restauration des
RGZM ehrfürchtig anerkannten, „dass kein heutiger Goldschmied in der Lage
wäre, ein vergleichbares Gefäß mit solcher Präzision und meisterhafter
Beherrschung schwierigster Techniken herzustellen – selbst wenn er die heute
verfügbaren Techniken verwendete“ (ibid., 13).
Das ist
einigermaßen überraschend, wenn man bedenkt, dass Deppert-Lippitz (2016) zu einer ganz anderen Ansicht
gelangt, nämlich dass das Gefäß eine moderne und nicht besonders gut gemachte
Fälschung sei.
Ich möchte
mir dazu kein Urteil anmaßen: ich habe nicht vorderasiatische Archäologie
studiert und kann daher zu den Goldgefäßen aus den Königsgräbern von Ur nur
wenig sagen. Müller-Karpe selbst scheint allerdings, von Deppert-Lippitz (ibid., Fn 13) mit der Tatsache
konfrontiert, dass die ihm seinen eigenen Angaben nach aus dem Königsfriedhof
von Ur bekannte Gefäßform des kleinen Fläschchens in seiner als Standardwerk
zum Thema geltenden Dissertation (Müller-Karpe 1993) nicht einmal erwähnt wird,
seine Meinung wenigstens teilweise modifiziert, wenn nicht sogar revidiert zu
haben und erinnert sich nun nur noch an eine Parallele. Diese scheint
allerdings ein nur als Skizze der Ausgräber erhaltenes ca. 50 cm hohes großes
kupfernes Schultergefäß mit schmalem zylindrischem Hals ohne Rollösenattaschen
gewesen zu sein (Deppert-Lippitz 2016). Eine enge Parallele zum ca. 3,5
cm hohen Goldfläschchen ist das jedenfalls nicht. Auch Müller-Karpes (2012, 10) im Brustton der Überzeugung vorgebrachtes
Argument, dass es „so etwas“ wie das Goldfläschchen in der römischen
Kaiserzeit und auch im östlichen Mittelmeerraum nicht gäbe, stimmt bestenfalls
bedingt. Deppert-Lippitz (2016) konnte nämlich durchaus einige Parallelen aus
der römischen Kaiserzeit in den weit verbreiteten Glasaryballoi und sogar aus
Edelmetall in Flakons aus Bestattungen des 1.-3. Jh. n.Chr. von der nördlichen
Schwarzmeerküste ausfindig machen, die wenigstens in äußerer Form und Größe dem
Goldfläschchen deutlich näher zu stehen scheinen als das von Müller-Karpe
angebotene angebliche Parallelstück.
Was härtere
Daten als typologische Einschätzungen betrifft, scheint es auch in Bezug auf
die vom RGZM ermittelte Zusammensetzung des Goldes, aus dem Müller-Karpes angeblich
aus einem Königsgrab in Ur stammendes Fläschchen besteht, und denen ebenfalls
untersuchter, nachweislich in den Gräbern von Ur entdeckten, Goldgefäßen
Diskrepanzen zu geben (Deppert-Lippitz 2016). Ebenso unklar bleibt, weshalb
Müller-Karpe die Herstellungstechnik des Münchner Goldfläschchens, das aus
mehreren zusammengelöteten Einzelteilen besteht, für sumerisch gehalten hat,
obgleich er selbst in Einklang mit dem sonstigen Fachkonsens sonst davon
auszugehen scheint, dass sumerische Goldschmiede Gefäße normalerweise aus einem
einzigen Blech und in einem einzigen Arbeitsgang trieben und nicht aus Einzelteilen
zusammenlöteten (ibid.). Im Grunde bleibt außer den Rollösenattaschen
am Goldfläschchen nichts übrig, was auf eine sumerische Herkunft auch nur hindeuten
könnte.
Auch im
Fallbeispiel C gab es ein Gutachten Müller-Karpes, das letztendlich nicht
überzeugen konnte (LG Frankfurt/Main 18.8.2011, 2-13 O
212/10, 6-7). Dort
ging es um angeblich auf den umstrittenen Gefäßen noch teilweise feststellbare Erdanhaftungen,
die lt. Gutachten die Gefäße zum Teil als „fundfrisch“ erscheinen ließen
und erfahrungsgemäß darauf hinweisen würden, dass „der Fundzeitpunkt solcher
wenig bzw. ungereinigter Objekte eher wenige Monate bzw. wenige Jahre als viele
Jahre“ (ibid., 7) zurückliege. Schon das LG Frankfurt (ibid.) zweifelte – wohl nicht unberechtigterweise – die
Schlüssigkeit dieser Behauptung an, lag doch die Beschlagnahmung der Gefäße zum
Zeitpunkt der Begutachtung ca. 2 Jahre (und der jedenfalls ebenfalls glaubhafte
Erwerb durch ihren rechtmäßigen Eigentümer ca. 3 Jahre) zurück. Inwieweit diese
Erdanhaftungen eine illegale Bergung der
Gefäße vor vergleichsweise kurzer Zeit belegen, kann dahingestellt bleiben; sie
scheinen allerdings außer Müller-Karpe niemandem aufgefallen zu sein, waren
also wohl nicht besonders augenscheinlich.
Das Kartenhaus wackelt
Müller-Karpe
(2012, 14-5) berichtet weiter, dass die
Untersuchungsergebnisse der KriminalarchäologInnen des RGZM in ein 2006 an den
Zoll geschicktes umfangreiches wissenschaftliches Gutachten einflossen. Dieses
scheint jedoch die Zollfahndung nicht besonders überzeugt zu haben, denn diese
reagierte vorerst nicht weiter, ersuchte schließlich aber ein Jahr später um
eine Rücksendung des Gefäßes. Müller-Karpe antwortete mit Hinweis auf die mit
jedem vermeidbaren Transport verbundenen Risiken, verwies auf den (angeblich) exorbitant
hohen Wert des Gefäßes, der jedenfalls einen Spezialtransport mit Polizeieskorte
erforderlich machen würde, und bot großzügig an, „das Gefäß auch weiterhin
im Auftrag des Zolls zu verwahren“ (ibid., 14-5). Ein weiteres Jahr später fragte der
Zoll neuerlich schriftlich an und teilte mit, dass der Zoll wegen der von
Müller-Karpe geschilderten Gefahren selbst den Transport übernehmen und sich telefonisch
wegen eines Termins in Verbindung setzen werde.
„Es wurde
ernst. Nun wandte ich mich an den irakischen Botschafter und bat ihn um ein
Schreiben, in dem er mich bittet, das wertvolle Gefäß in unserem Tresor zu
verwahren und nicht herauszugeben, solange die eigentumsrechtlichen Fragen nicht
abschließend geklärt sind. Dieses Schreiben erhielt ich umgehend und leitete es
an den Zoll weiter, mit Bitte um Berücksichtigung bei der weiteren Verfügung
über das Gefäß. Kopien gingen an: Botschaft der Republik Irak, Zollfahndungsamt
Stuttgart, Zollkriminalamt Köln, Bayerisches Landeskriminalamt,
Staatsanwaltschaft München I, Bundeskriminalamt, Auswärtiges Amt,
Bundeskanzleramt, Bayerische Staatskanzlei, Bayerisches Staatsministerium der
Justiz, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien,
Bundesministerium der Justiz, Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz,
Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland, Europäische Kommission, UNESCO, Interpol.“ (Müller-Karpe 2012, 14).
Nachdem die
staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen das Auktionshaus inzwischen eingestellt
und auch Müller-Karpes Beschwerde dagegen (sic!) von der
Generalstaatsanwaltschaft abgewiesen worden war, instrumentalisierte
Müller-Karpe die irakische Botschaft weiter zu seinen Zwecken und veranlasste
sie, ein offizielles Rechtshilfeersuchen zustellen. Auch das verlief jedoch
scheinbar im Sand.
„Dann am 26. Juni 2009 eskaliert die
Lage dramatisch. In den vorangegangenen Tagen hatte es zahlreiche Telephonate
zwischen Stuttgart und Mainz gegeben. Der Zoll hatte mir mitgeteilt, dass das
Auktionshaus beim Münchner Finanzgericht einen Beschluss erwirkt hatte, der den
Zoll verpflichtete, das Goldgefäß bei uns in Mainz abzuholen und ‚zur
Inaugenscheinnahme durch das Gericht‘ nach München zu bringen. Der Beamte am
Telephon hatte mir gegenüber keinen Zweifel daran gelassen, dass er das Gefäß
dann an das Auktionshaus zurückgeben werde, wenn das Gericht feststellen
sollte, dass er bei der Sicherstellung aus formalen Gründen nicht zuständig
war.Die Strategie des Auktionshauses war nämlich folgende: Es argumentierte,
meine Feststellung, das Gefäß komme aus dem Irak sei unzutreffend, jedenfalls
nicht sicher und laut EU-Irak-Verordnung sei der Zoll nur zuständig, wenn die
irakische Herkunft zweifelsfrei gesichert sei.
Am Freitag den 26. Juni dann das denkwürdige Telephonat mit dem Beamten
des Stuttgarter Zollfahndungsamt. Ich hatte erneut für eine einvernehmliche
Lösung geworben, mit der vor allem auch die aus meiner Sicht berechtigten
Interessen der irakischen Botschaft berücksichtigt würden. Das führte auf
Seiten des Beamten zu Irritationen, die in der Ankündigung gipfelten, wenn wir
das Gefäß nicht freiwillig herausgeben, werde der Zoll kommen und es mit Gewalt
holen – notfalls mit dem Schweißbrenner.“ (Müller-Karpe 2012, 14-5;
Hervorhebung in Fettdruck wie im Original).
Wir kennen
dieses Verhalten von Müller-Karpe schon in exakter Parallelität aus Fallbeispiel
C (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F).
Er hatte in
einem Fall das Gefäß jedenfalls auf seine eigene Veranlassung treuhändisch zur
Begutachtung – und dafür selbstverständlich notwendigen zeitweiligen sicheren
Verwahrung – vom Zoll, im anderen die 5 Gefäße (auf wessen Veranlassung auch
immer) vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst zur Verfügung
gestellt bekommen. Als diese jeweils die Gegenstände nach gewisser Zeit
zurückforderten, erfand Müller-Karpe alle möglichen Halbwahrheiten (wie den
aufgrund des angeblichen Millionenwertes des Goldfläschchens angeblich notwendigen
Sondertransport mit Polizeieskorte im Fall des Goldfläschchens) oder
verweigerte die Rückführung einfach, um mit der fortgesetzten Sicherstellung
des betreffenden Beweismittels betraut zu werden oder wenigstens Zeit zu
schinden.
Sobald das
allein nicht mehr zu funktionieren schien, bestellte er selbst
Gefälligkeitsbittschreiben, im einen Fall von der irakischen, im anderen von
der türkischen Botschaft und deckte, wenigstens im einen Fall, so ziemlich jede
staatliche und überstaatliche Einrichtung, die irgendetwas mit
Kulturgüterschutz zu tun haben könnte, mit Kopien dieser Bittschreiben ein.
Oder anders gesagt: er versuchte, politisch-diplomatischen Druck auf Exekutive
und Justiz aufzubauen und auszuüben, den Fall in seinem Sinn zu entscheiden.
Als der
Fall trotzdem schon beinahe verloren gegangen war und jeweils ein Beschluss des
jeweils zuständigen deutschen ordentlichen Gerichts gegen die weitere Zurückhaltung
der Müller-Karpe von den diese jeweils beschlagnahmt habenden Behörden
treuhändisch überantworteten Gegenstände vorlag, verweigerte Müller-Karpe
dennoch die Herausgabe der Gegenstände. Die einzige Begründung, die er dafür zu
haben scheint, scheint die zu sein, dass er persönlich der Ansicht ist, dass das
jeweils wohl überhaupt erst auf seine Anregung eigentumsrechtliche Ansprüche an
den betroffenen Gegenständen erhoben habende Land berechtigte Interessen an
diesen Gegenständen hätte, die die zuständige deutsche Gerichtsbarkeit nicht
ausreichend berücksichtigt hätte. Damit kämpft er scheinbar für seine
Rechtsauffassung, dass „man auch in Deutschland das Recht der
Herkunftsländer anerkennt“ (Wessel 2016, 152-5).
Etwas
schärfer gesagt: Müller-Karpe setzt sich vorsätzlich nicht nur über die „Grenzen
des Rechtsverhältnisses“ (VG Mainz 20.3.2019, 3 K 596/18.MZ, 12; cf. VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 23) hinweg, aufgrund dessen er überhaupt
erst in Besitz des betreffenden Gegenstandes gekommen ist, sondern auch über
rechtskräftige Entscheidungen der ordentlichen deutschen Gerichtsbarkeit; und
zwar in völliger Missachtung der Tatsache, dass er damit massiv die
gesetzlichen Rechte Dritter verletzt. Er hat sich also nicht nur selbst zum
Kriminalarchäologen ernannt, er betrachtet sich scheinbar auch als einzig kompetenter
Ankläger, Gerichtsgutachter, höchstinstanzlicher Richter und rechtmäßiger Vollstrecker
seiner eigenen allerhöchsten Kulturgüterschutzgerichtsbarkeit.
Man kann eigentlich
nur für ihn hoffen, dass das tatsächlich eine Folge „geistiger Verwirrtheit“
(VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 23) ist, und zwar in einem
Ausmaß, die Schuldunfähigkeit iSd § 20 StGB nach sich zieht. Denn sein Verhalten in diesem
Kontext ist so grob rechtswidrig, dass es wohl gleich in vielfacher Weise
strafrechtlich relevant wäre, wenn Zurechnungsfähigkeit gegeben wäre.
Mediale Instrumentalisierung und glückliches Urteil
Müller-Karpe
(2012, 16) nutzte das wohl nur durch seine eigene
Aussage belegte Wort „Schweißbrenner“,
das der ob seiner offensichtlich rechtswidrigen Renitenz exasperierte
Zollbeamte am Telefon zur Verdeutlichung der möglichen Konsequenzen einer
weiteren Weigerung Müller-Karpes, das Goldfläschchen herauszurücken, verwendet
haben soll, dann um einen Medienrummel sondergleichen zu inszenieren. Das
funktionierte auch hervorragend, wobei der genaue Kontext – die langjährig
fortgesetzte Weigerung Müller-Karpes (und damit mittelbar des RGZM), seinen
treuhänderischen und gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen – keinerlei
ernstzunehmende Erwähnung fand.
Schließlich
gibt Müller-Karpe das Fläschchen doch – „freiwillig“ (ibid., die Anführungszeichen finden sich auch im
Original) – heraus und der Zoll verbringt es „mit einem Spezial-Sicherheitstransport“
(ibid.) unter höchster Geheimhaltung und mit
Fahrzeugwechsel zu seinem „Kollegen Wartke“ (ibid.; cf. Deppert-Lippitz 2016) im Pergamon-Museum in Berlin, der es
dort dann einen Tag zur Zweitbegutachtung zur Verfügung hatte und „alle
unsere Feststellungen bestätigt“ (Müller-Karpe 2012, 16; cf. Deppert-Lippitz
2016).
Das
Verfahren vor dem Finanzgericht München endet dann, „Nachdem die vom
Auktionshaus bezahlte Gutachterin – aus gesundheitlichen Gründen – nicht in der
Lage war, fristgerecht nachzuweisen, dass das Gefäß nicht aus dem Irak sondern
aus der Türkei stammt (was die Sache ja nicht legaler gemacht hätte) und auch
nicht sumerisch sondern römisch sei“ (Müller-Karpe 2012, 16), mit der Feststellung, dass
das Gefäß aus dem Irak stamme und irakisches Staatseigentum sei. Ob der Fall
ebenso ausgegangen wäre, wenn das Gegengutachten des Auktionshauses rechtzeitig
fertig geworden wäre (siehe dazu Deppert-Lippitz 2016), sei hier dahingestellt. Das
Urteil wurde im Folgejahr vom Finanzgerichtshof bestätigt und, auch wenn ein
vom Auktionshaus dem Zoll vorgelegtes Gutachten (wohl von Deppert-Lippitz) das Ganze
beinahe noch einmal gekippt und aufgrund eines vermuteten Formfehlers zu einer
Neuaufrollung des Falls geführt hätte, das Goldfläschchen letztendlich der
irakischen Botschaft übergeben.
Tatsächlich
ist es einzig der von Müller-Karpe angezettelte Medienrummel und das endgültige
Urteil der bayerischen Gerichtsbarkeit zur Eigentumsfrage, durch die sich die ‚Schweißbrenner-Affäre‘
vom zuvor geschilderten Fallbeispiel C unterscheidet. Der Medienrummel war
fraglos ein Erfolg für Müller-Karpes Anliegen, den illegalen Handel mit
Kulturgütern verstärkt öffentlich zu thematisieren und zu verbreiten; auch wenn
die von ihm dazu verwendeten Mittel alles andere als ethisch vertretbar
erscheinen.
Dass das
Gerichtsverfahren letztlich vom Kulturgüterschutz „gewonnen“ wurde[13],
war hingegen ein reiner Glücksfall, denn wäre die Analyse von Deppert-Lippitz (2016) in diesem Gerichtsverfahren als Gutachten
vorgelegt worden, wäre die Chance hoch gewesen, dass dem Auktionshaus Recht
zugesprochen worden wäre: schließlich genügt es – wie man auch an den anderen
in diesem Beitrag besprochenen Urteilen und Beschlüssen erkennen kann – für die
Verteidigung des Auktionshauses völlig, begründete Zweifel an der Herkunft der
umstrittenen Gegenstände aus dem sie zurückfordernden Land oder sogar nur an
deren illegalen Erwerb in Deutschland zu zeigen, die vor Gericht von der
Gegenseite nicht überzeugend ausgeräumt werden können (siehe dazu auch Frisch 2016, 712-3). Und dafür hätte das Gegengutachten
wohl jedenfalls ausgereicht.
Resümee
Müller-Karpes
(2012) eigene Schilderung der sogenannten
‚Schweißbrenner-Affäre‘ zeigt also, insbesondere durch ihre nahezu exakte
Parallelität zum zuvor geschilderten Fallbeispiel C, dass es sich bei dem hier
an den Tag gelegten Verhalten nicht um bloße Fehler, sondern um vorsätzliches
und planmäßiges Vorgehen zu dem Zweck handelt, kulturgüterschützerische Ziele
zu erreichen, auch wenn diese auf rechtmäßigem Wege unter deutschem Recht nicht
erreichbar sind. Das scheint Mitarbeiter einer Stiftung öffentlichen Rechts,
des RGZM, in seiner eigenen Sicht dazu zu berechtigen, wenigstens maßlos zu
übertreiben, z.B. was den wirtschaftlichen Wert der umstrittenen Gegenstände
betrifft, und treuhändisch eingegangene Rechtsverhältnisse zwischen staatlichen
Ermittlungsbehörden und seinem Dienstgeber mutwillig zur Förderung seiner
eigenen Agenden zu missbrauchen.
Es klingt
daher nachgerade pervers, wenn Müller-Karpe (2012, 27) seine Schilderung seines Siegeszugs damit
beschließt, festzustellen, dass „die unbedachte Drohung eines Zollbeamten
letztlich dazu geführt“ hätte, „dass sich der Rechtsstaat in diesem Fall
einmal durchsetzen konnte“. Denn Müller-Karpe missversteht hier offensichtlich
die Durchsetzung seines subjektiven – und wenigstens oft offenkundig falschen
und sogar grob rechtswidrigen (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K
1082/10.F, Rn 23) –
Rechtsempfindens, die er in diesem Fall aufgrund eines für ihn glücklichen
Zufalls – einer schweren Erkrankung der Gegengutachterin zum entscheidenden
Zeitpunkt – erreichen konnte, als die ansonsten eher seltene Durchsetzung des
Rechtsstaates gegen Unrecht. Tatsächlich ist aber eigentlich das Gegenteil der
Fall: auch in der ‚Schweißbrenner‘-Affäre hat nur die letztendlich in seinem
Sinne ausgefallene gerichtliche Letztentscheidung sein Verhalten nachträglich
wenigstens in der Sache richtig erscheinen lassen, wenngleich es dennoch
beinahe durchgehend grob widerrechtlich war.
Die
wenigstens ethische Verwerflichkeit seines Verhaltens, die auch durch das
letztendlich ergangene Urteil nicht geheilt wird, beginnt dabei schon damit,
dass er sich in diesem Streitfall – den er schließlich mit eigener Anzeige
aufgrund eigener Beobachtungen überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte – trotz
seiner offensichtlichen Befangenheit[14]
nicht jedweder gutachterlichen Tätigkeit und sonstigen Verfahrensbeteiligung
enthalten hatte. Stattdessen hat er an jeder ihm möglichen Stelle in den
Verfahrensverlauf eingegriffen und das Verfahren mit von ihm aufgebauten
externen Druck zu beeinflussen und in die von ihm intendierte Richtung zu
dirigieren versucht. Dazu hat er maßlos übertrieben, ihm anvertraute Objekte deren
rechtmäßigen Verfügungsberechtigten vorzuenthalten versucht und Exekutivorgane notfalls
auch absichtlich getäuscht, wenn es gerade dienlich sein konnte. Dadurch wird
auch das letztendlich zugunsten des Iraks ausgefallene Urteil des Finanzgerichts
wenigstens zweifelhaft, selbst wenn es vor dem Finanzgerichtshof München gehalten
hat (der das Ausmaß von Müller-Karpes Beeinflussung des Verfahrens in
Unkenntnis der Details, die von Müller-Karpe in der ‚Schweißbrenner-Affäre‘
geschildert werden, wohl nicht ausreichend würdigen konnte). All das hat nicht
dafür gesorgt, dass sich der Rechtsstaat durchgesetzt hat; es hat dafür
gesorgt, dass sich Müller-Karpes Meinung in diesem Fall (wenigstens teilweise)
durchgesetzt hat.
Was die
‚Schweißbrenner-Affäre‘ deutlich zeigt, ist wie der Rechtsstaat erfolgreich untergraben
und unterwandert und pervertiert werden kann, wenn man persönlichen 'Kreuz- und
Rachefeldzüggen' Tür und Tor öffnet, statt rechtswidrigem Verhalten einen
entsprechenden Riegel vorzuschieben.
Quod licet Iovi…
Alle vier
hier genauer diskutierten Fälle ähneln sich in erschreckend vielen
Gesichtspunkten nahezu identisch: mit Kulturgüterschutzagenden befasste, vom
Staat mit gewissen Gewalt- bzw. Verfügungsbefugnissen ausgestattete Organe
einschlägiger Einrichtungen – ob nun der Exekutive, der Justiz,
Verwaltungsbehörden oder anderer staatlicher Einrichtungen wie Museen – haben
die ihnen anvertrauten Befugnisse bzw. die ihnen anvertraute Herrschaft über
bestimmte Kulturgüter grob rechtswidrig missbraucht.
Sie haben
das jeweils zu dem Zweck getan, um BürgerInnen – die meisten davon solche, die
wenigstens im rechtlichen Sinne unschuldig die Verfügungsgewalt bzw.
-berechtigung über Kulturgüter (meist, aber keineswegs immer ausländischer
Herkunft) erworben hatten – vorsätzlich in ihren gesetzlichen Rechten,
insbesondere in deren Eigentumsrechten, zu schädigen; und zwar entweder
zugunsten des Landes, das ihnen ihre Befugnisse anvertraut hat, oder dritter
Staaten, die sie für die rechtmäßigen Eigentümer der jeweils umstrittenen Kulturgüter
gehalten haben. Ob dieser Eigentumsanspruch des von ihnen jeweils zu begünstigen
versuchten Staates bzw. Landes überhaupt tatsächlich auch rechtmäßig bestanden
hat oder nicht, scheint ihnen dabei ebenso vollkommen gleichgültig gewesen zu
sein wie ob dieser allfällig zu früherer Zeit einmal bestanden habende Titel
zwischenzeitlich durch einen anderen rechtmäßigen Titel verdrängt worden war.
Nicht
anders als der junge Indiana Jones im ‚letzten
Kreuzzug‘ scheinen sie vielmehr zu glauben, dass kollektive (staatliche)
Eigentumsrechte im Bereich des Kulturgüterschutzes private Eigentumsrechte
jedenfalls immer verdrängen: ist etwas ein historisches Artefakt, dann „gehört“ es „in ein Museum“. Dazu sind die jeweils Verantwortlichen scheinbar
bereit, sich über geltendes Recht fremder Staaten ebenso willkürlich
hinwegzusetzen wie über das Recht ihres eigenen Staates; wohl, weil sie sich
einem ‚höheren‘ Recht verpflichtet fühlen.
Müller-Karpe
z.B. beruft sich gerne immer wieder auf tatsächlich bestehendes internationales
Recht (z.B. 2012, 11), scheint dieses allerdings nicht
besonders genau gelesen zu haben. Oder wenn doch, dann scheint er wenigstens
nicht verstanden zu haben, dass es so etwas wie gutgläubigen Erwerb auch von antiken
Kunstgegenständen ohne lückenlosen Provenienz- und Eigentumsübertragungsnachweis
bis zurück zum Moment ihrer Bergung aus dem Boden durchaus geben kann, auch
nach dem Sinn und Wortlaut des einschlägigen internationalen Rechts (z.B. sowohl
Art. 7 lit. b Z 2 der UNESCO Convention on the Means of
Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership
of Cultural Property 1970 als auch Art. 4 der UNIDROIT Convention on Stolen or
Illegally Exported Cultural Objects); und dass nicht jeder verhandelte antike
Kunstgegenstand aus einer erst jüngst durchgeführten Raubgrabung stammen muss.
Wir
ArchäologInnen und KulturgüterschützerInnen mögen der Ansicht sein, dass alle
historischen Artefakte in ein Museum gehören und Privateigentum von
Kulturgütern grundsätzlich verboten sein sollte und diese als res extra
commercium behandelt werden sollten; die meisten Gesetzgeber dieser Welt
sind es jedoch nicht. Aber gerade wenn wir auf Rechtsstaatlichkeit pochen und bezüglich
der Berechtigung unserer Forderungen auf Recht und Gesetz verweisen können
wollen, dann ist der Wille des Gesetzgebers ausschlaggebend, nicht der unsere.
Der Unterschied zwischen moralischem Anspruch und gewährleistetem Recht
Teil des
Problems scheint dabei in allen hier diskutierten Fällen zu sein, dass die sich
rechtlich und ethisch fehlverhaltenden Organe einschlägiger Einrichtungen nicht
richtig zwischen einem – in vielen Fällen tatsächlich bestehenden – moralischen
Anspruch und gesetzlich gewährleisteten Rechten zu unterscheiden scheinen. Vielmehr
halten sie moralischen Anspruch und gesetzlich gewährleistetes Recht für ein
und dasselbe bzw., sogar noch schlimmer, glauben, dass moralische Ansprüche
über gesetzlich gewährleisteten Rechten stehen, nicht umgekehrt. Wenn z.B. Günther
Wessel (2016, 154) schreibt, dass Müller-Karpe mit seiner Auffassung zwar schon
„»irgendwie«“ recht
habe, aber es dennoch zwischen seiner Auffassung und dem tatsächlich bestehenden
Recht eine Kluft gäbe, dann spricht er – ob nun bewusst oder unbewusst – diesen
Punkt an.
Denn
Müller-Karpe hat tatsächlich (wenigstens teilweise) damit recht, wenn er sagt,
dass viele, wenn nicht sogar die meisten, am Kunstmarkt gehandelten Antiken aus
völlig verbotenen oder wenigstens in eine legale Grauzone fallenden
unsachgemäßen Bergungen durch fachliche Laien (vulgo: ‚Raubgrabungen‘) stammen
dürften; ob nun, wie er es glaubt, hauptsächlich aus solchen jüngeren Datums oder
aus solchen deutlich verschiedenen und teilweise recht hohen Alters. Und er hat
auch damit recht, dass es letztendlich zumeist eher egal ist, ob ihre Bergung
erst vor kurzem oder tatsächlich vor 100 Jahren erfolgt ist, da in den meisten
‚Exportnationen‘ finanziell wertvoller Kulturgüter staatliche Schatzregale oft
schon seit 150 oder sogar 200 Jahren gelten.[15]
Er hat
tatsächlich sogar – wenigstens „»irgendwie«“ – damit
recht, dass es – wenigstens auf den ersten Blick – nicht einzusehen ist, warum
der ursprüngliche Eigentumsanspruch eines ‚Kulturgüterexportlandes‘ geringer
wiegen sollte als der irgendeines Einzelnen, der ein dessen Herkunftsstaat
unterschlagenes Kulturgut tatsächlich irgendwann danach gutgläubig erworben hat.
Denn irgendwo in der Kette vom nahezu sicherlich nicht gutgläubig einen
Eigentumstitel an seinem Fund erwerbenden Raubgräber[16]
bis zum letzten gutgläubigen Erwerber muss ja irgendwann jemand, der keinen
Titel hatte, den ersten gutgläubigen Erwerber erfolgreich über die
Rechtmäßigkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäftes getäuscht, d.h. den
gutgläubigen Erwerber getäuscht bzw. betrogen haben. Warum soll also nicht der
Betrogene auf dem Schaden sitzenbleiben, sondern der ursprüngliche Eigentümer?
Tatsächlich gibt es aber gute (rechtliche, moralische und
vor allem auch praktische) Gründe dafür, warum es z.B. so ist, dass der
ursprüngliche Eigentümer, dem sein Eigentum abhandengekommen ist, auf dem
Schaden sitzen bleibt und nicht der gutgläubige Erwerber. Denn zum einen müsste
man dafür die umstrittene Sache dem, der aktuell die tatsächliche Herrschaft
über sie hat, zugunsten dessen, der sie nicht mehr hat, entziehen. Das würde
jedoch bedeuten, dass man dem derzeitigen Herrn der Sache neuen Schaden zufügen
müsste, um den ihrem ursprünglichen Herrn bereits entstandenen Schaden
wiedergutzumachen. Das widerspricht jedoch nicht nur einem wesentlichen
ethischen Prinzip, dem besonders aus der Medizinethik bekannten primum non
nocere,[17] es
ist letztendlich auch bestenfalls ein Nullsummenspiel, das den Schaden bloß von
einem Unschuldigen auf einen anderen Unschuldigen verschiebt, ihn jedoch nicht
behebt. Beheben kann ihn letztendlich nur der, der den Schaden auch tatsächlich
angerichtet hat. Daher muss normalerweise der schon Geschädigte sich am Täter
schadlos zu halten versuchen, nicht der, der noch nicht geschädigt ist.
Das schlägt
sich dann eben auch in den UNESCO- und UNIDROIT-Konventionen zur Bekämpfung des illegalen
Handels mit Kulturgütern nieder: selbst wo eine Rückführung des Kulturgutes an
den Staat, dem es entwendet wurde, tatsächlich möglich ist, ist der gutgläubige
Erwerber des betreffenden Kulturgutes entsprechend seiner tatsächlich getätigten
Aufwendungen zu entschädigen. Das mag bitter für den Staat sein, der ‚sein‘
Kulturgut zurückkaufen muss, aber es gilt eben nicht nur, Schaden für den
Geschädigten wiedergutzumachen, sondern auch, durch diese Wiedergutmachung
niemand anderem neuen Schaden zuzufügen.
Gleichermaßen
dienen die Eigentumsersitzung und die Anspruchsverjährung sehr guten und
sinnvollen Zwecken: der Erzeugung von Rechtssicherheit, die im gewöhnlichen
Rechtsverkehr enorm wichtig ist, wichtiger, als dass ein Einzelner keinen Schaden
durch widerrechtliche Entziehung seines Eigentums erleidet. Das wird
unmittelbar einsichtig, wenn man bedenkt, dass heutzutage praktisch jeder
Gegenstand, den wir kaufen, durch zahlreiche, wenn nicht hunderte Hände geht,
ehe er bei uns ankommt; und in jedem der dabei stattfindenden Rechtsgeschäfte etwas
faul sein kann. Macht dieser eine Mangel auch jedes Folgegeschäft nichtig, kann
man sich bei nichts mehr sicher sein, wem was gehört, d.h. das System des
Eigentums an sich kollabiert. Damit muss man zwingend rechtliche Sperren
einbauen, die dafür sorgen, dass nicht jedes Geschäft potentiell bis zur
Gewinnung des ersten in einem Produkt verarbeiteten Rohstoffs aufgerollt werden
muss, sondern irgendwann Schluss ist und Rückabwicklungen nicht mehr erforderlich
sind. Gerade bei hochwertigen Gütern dienen Ersitzung und Anspruchsverjährungen
diesem Zweck: hat jemand über eine bestimmte Zeit hinweg gutgläubig und
unbestritten ein Eigentumsrecht wahrgenommen, dann wird es auch tatsächlich
sein Eigentumsrecht, egal ob es das ursprünglich wirklich war oder nicht. Hatte
umgekehrt jemand tatsächlich ein Eigentumsrecht (an einer Sache), um das (die)
er sich aber so lange nicht gekümmert hat, dass es (sie) sich jemand anderer in
dem guten Glauben, dass es (sie) niemandem gehöre, angeeignet (und Aufwendungen
in es/sie investiert) hat, dann hat der vormalige Eigentümer seinen Anspruch
verwirkt bzw. hätte sich ordentlich um sein Eigentum kümmern sollen.[18]
Dass das im
Kulturgüterschutz, insbesondere im Bereich der illegalen Bergung,
Unterschlagung und Verbringung ins Ausland von archäologischen Bodenfunden ein
Problem verursachen kann, weil klarerweise der durch den gesetzlichen
Automatismus eines Schatzregals zum Eigentümer archäologischer Kulturgüter
werdende Staat von illegal geborgenen und ihm nicht bekanntgemachten Stücken
nichts weiß und sich daher auch nicht um sie kümmern kann, auch wenn sie
tatsächlich sein rechtmäßiges Eigentum sind, ist klar. Dennoch, wegen dieses –
zweifellos existierenden – Spezialproblems, das noch dazu – bei aller
Wertschätzung für den Kulturgüterschutz – tatsächlich kein besonders
signifikantes Problem für irgendwen – außer fanatische Kulturgüterschützer –
ist, ist es nicht sinnvoll, das ganze (über wenigstens die letzten ca. 2.500
Jahre historisch gewachsene) Eigentumsrechtssystem (samt allem, was daran
hängt) komplett niederzureißen und von Grund auf neu zu gestalten. Trocken
gesagt: in diesem Fall hat der Staat, dem ein zuvor noch gänzlich unbekanntes
Kulturgut durch illegale Ausgrabung und Verbringung ins Ausland abhandengekommen
ist, keine Handhabe mehr.
Hinzu kommt
noch, dass gerade in diesem Rechtsbereich der Schwächere, den es mehr vor
Schaden zu schützen gilt als den Stärkeren, der einzelne gutgläubige Erwerber
eines Kulturguts und nicht der (und zwar egal welcher) Staat ist. Staaten haben
schließlich in der Regel – wenn es sich dabei nicht um sehr kleine Kleinstaaten
handelt – weitaus mehr Ressourcen als nahezu jede Privatperson auf dieser Welt,
um den Schaden, der ihnen aus dem Verlust eines Kulturgutes entsteht, abfangen
und wenigstens ohne Bankrott machen zu müssen verkraften zu können. Beim
einzelnen gutgläubigen Erwerber schaut das hingegen eventuell anders aus,
selbst wenn es sich dabei um eine Galerie oder ein Auktionshaus handelt: viele
davon könnten einen Verlust einer Investition von z.B. € 200.000 wie im Fall
des frühlatènezeitlichen Maskenarmrings (Seiten 40-48) nicht leicht verkraften; während die
meisten Staaten der Welt einen vergleichbaren Betrag aus der 'Portokassa' begleichen
können.
Mögen
fanatische Kulturgüterschützer also durchaus „»irgendwie«“ (Wessel 2016, 154) damit recht haben, dass es
unfair ist, wenn einem Staat ein national bedeutendes Kulturgut entwendet wird,
das sich dann irgendwer auf der anderen Seite der Welt zu seiner privaten
Ergötzung in die Vitrine in seinem Wohnzimmer stellt; hat es gute Gründe, warum
sie nicht im Recht sind. Klar, das Herkunftsland hat einen gewissen moralischen
Anspruch auf dieses Kulturgut; aber es ist eben – außer in einem ganz eng
beschränkten rechtlichen Rahmen unter ganz bestimmten Voraussetzungen – nur ein
moralischer Anspruch, kein Rechtsanspruch. Der gutgläubige Erwerber hat
hingegen aus sehr guten Gründen einen Rechtsanspruch an seinen Kulturgütern,
auch wenn sein moralischer Anspruch (eventuell sogar viel) geringer als der
eines Herkunftslandes eines dieser Kulturgüter sein mag.
Korrekt
zwischen dem moralischen Anspruch des Herkunftslandes und dem Rechtsanspruch
des gutgläubigen Erwerbers eines (illegal verhandelten) Kulturgutes zu
unterscheiden ist daher essentiell. Versagt ein Organ einer Verwaltungs-,
Polizei- oder Justizbehörde oder auch eines öffentlichen Museums darin, diesen
Unterschied korrekt zu erkennen oder pflichtgemäß anzuerkennen (wie z.B.
Müller-Karpe, siehe Müller-Karpe 2012; cf. Wessel 2016, 152-5; VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 23), sind rechtsmissbräuchliche und grob
rechtswidrige Exzesse wie in den hier diskutierten vier Fällen vorprogrammiert.
Das Amts- und (Kultur-)Staatsverständnis mancher KulturgüterschützerInnen
Es ist aber
nicht nur die Unfähigkeit einzelner Organe, zwischen moralischen Ansprüchen und
gesetzlich gewährleisteten Rechten korrekt zu unterscheiden und diese in
Hinblick auf ihre Bedeutung bezüglich der Gestaltung ihres Verhaltens richtig
zu reihen, das zu derartigem widerrechtlichen Amtshandeln führt. Eine
wenigstens ebenso, wenn nicht sogar noch bedeutendere Ursache für die hier
dargestellten Probleme ist das Amts- und Staatsverständnis der betreffenden
Organe, und insbesondere ihr Verständnis des Verhältnisses zwischen dem
Einzelnen und der Allgemeinheit.
Nichtanerkennung bzw. Leugnung subjektiv-öffentlicher Rechte
Allen vier
hier diskutierten Fällen gemein ist nämlich auch, dass die jeweils rechtswidrig
handelnden Organe öffentlicher Einrichtungen entweder im konkreten Einzelfall
tatsächlich bestehende subjektiv-öffentliche Rechte der Betroffenen oder sogar
generell objektiv-rechtlich gewährleistete subjektiv-öffentliche Rechte
Einzelner – insbesondere ihr (in Deutschland) durch Art. 14 Abs. 1 und 3 GG verfassungsgesetzlich und (international)
durch Art. 17 Abs. 1 Charta der Grundrechte der
europäischen Union
gewährleistetes Grund- und durch Art. 17 AEMR und Art. 1 1 ZProt. EMRK gewährleistetes Menschenrecht auf Achtung
ihres rechtmäßigen Eigentums – wenigstens im Bereich des Kulturgüterschutzes
als jedenfalls (tatsächlich oder angeblich) bestehenden Rechten des konkret
unbestimmten Personenkreises der ‚Allgemeinheit‘ nachrangig betrachten bzw.
behandeln oder deren Bestehen generell ignorieren bzw. sogar explizit
bestreiten bzw. leugnen. Soll heißen: selbst wenn der Einzelne in einem
ordentlichen gerichtlichen Verfahren hinreichend bewiesen hat, dass er z.B. an
dem umstrittenen Kulturgut tatsächlich (gutgläubig und daher) rechtmäßig das
alleinige, alle anderen von der rechtlichen Verfügung darüber ausschließende,
Eigentumsrecht erworben hat, wird dieses Eigentumsrecht weiterhin als
zweifelhaft betrachtet und behandelt bzw. geleugnet.
Besonders
deutlich zeigt sich das sowohl am Vorgehen des Hessischen Ministeriums für
Wissenschaft und Kunst und des Landes Rheinland-Pfalz im oben (Seiten 48-53) geschilderten Fallbeispiel C, aber
auch z.B. an Müller-Karpes Weigerung, sowohl in diesem Fall als auch in der
‚Schweißbrenner-Affäre‘ (Seiten 53-61), trotz gerichtlicher Aufforderung
zur Herausgabe der Kulturgüter diese tatsächlich an ihren (jeweils zweifellos
rechtmäßigen) Gewahrsamsinhaber herauszugeben. Im ersten dieser beiden Fälle
war schließlich schon vor dem Zeitpunkt der (neuerlichen und offensichtlich rechtswidrigen)
Sicherstellung der 5 Gefäße durch das Hessische Ministerium am 16.12.2009 durch
Beschluss des LG Frankfurt/Main 4.12.2009, 5 K 4154/09.F festgestellt worden,
dass die betreffenden Gegenstände das rechtmäßige Eigentum des in diesem Fall
verfolgten Antikenhändlers seien und daher kein Verdacht auf Hehlerei gegen
diesen bestehe. Dennoch begründete das Hessische Ministerium die 12 Tage danach
verfügte neuerliche Sicherstellung im Wesentlichen damit, dass die Gegenstände
ihrem (nun zweifelsfrei nur noch angeblich) noch zu ermittelnden Eigentümer
nicht weiter entfremdet werden sollten und gegen ihren (tatsächlich
rechtmäßigen) Besitzer der Verdacht der Hehlerei bestehe (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 5). Müller-Karpe hingegen hat in beiden Fällen
(wenigstens zeitweilig) die Herausgabe der ihm (bzw. seinem Dienstgeber, dem
RGZM) anvertrauten Kulturgüter – ob nun an deren rechtmäßigen Besitzer oder
auch (nur) an die sie ihm (bzw. dem RGZM) überhaupt erst anvertraut habenden öffentlichen
Einrichtungen, dem Hessischen Ministerium bzw. dem Zoll – verweigert; und zwar,
weil er – entgegen der tatsächlichen Rechtslage – der Ansicht ist, dass „man kein Eigentum an Dingen erwerben“
könne, „die illegal aus den
Herkunftsländern verbracht wurden“ (Wessel 2016, 155).
Dass es
sich wenigstens im Fallbeispiel C (Seiten 48-53) und auch Fallbeispiel B (Seiten 40-48) tatsächlich um eine grundsätzliche
Weigerung (die sich dann wenigstens sinngemäß auch auf die
‚Schweißbrenner-Affäre‘ übertragen lässt) gehandelt hat, die
subjektiv-öffentlichen Rechte der jeweiligen rechtmäßigen Eigentümer[19]
anzuerkennen, ergibt sich daraus, dass im Fallbeispiel B jedenfalls und wohl
auch im Fallbeispiel C[20]
eine Enteignung des jeweiligen rechtmäßigen Eigentümers gem. § 25 HDschG idF 5.9.1986 (GVBl. I 1986, 262; nunmehr
wortlautgleich § 26 HDSchG igF) möglich gewesen wäre. Denn eine derartige
Enteignung ist gem. Abs. 1 Z 2 dieses Paragrafen (in beiden Fassungen) auch zum
Schutz von Bodendenkmalen (iSd § 19 HDSchG idF 5.9.1986 bzw. § 2 Abs. 2 HDSchG igF) zulässig, sofern dies dafür erforderlich
ist, dass das betroffene Bodendenkmal „wissenschaftlich
ausgewertet oder der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden kann“.
Besteht
also tatsächlich eine Notwendigkeit dafür – was gerade bei Kulturgütern, bei
denen befürchtet wird, dass sie andernfalls in (noch dazu im Fall des
Maskenarmrings eventuell ausländischen) Privatsammlungen auf Nimmerwiedersehen
verschwinden, durchaus argumentiert werden kann – hätte das Land Hessen in allen
Fällen eine Enteignung der gegenständlichen Kulturgüter erwirken können. Das
hätte es zwar (iSd Art 14 Abs. 3 GG) erforderlich gemacht, deren rechtmäßige
Eigentümer für diesen dadurch entstehende Vermögensnachteile finanziell oder
anderweitig gerecht zu entschädigen (gem. §§ 38-46 HEG), was zugegebenermaßen Geld – wenigstens beim
Goldarmring sogar wohl ca. € 200.000 – gekostet hätte. Aber – und zwar völlig
rechtmäßig – möglich gewesen wäre es; und die Kosten hätte sich das Land Hessen
wohl einigermaßen problemlos für die allfällige Überlassung der Funde an
Rheinland-Pfalz bzw. die Türkei zurückholen können.
Der einzige
vorstellbare Grund, weshalb man nicht diese – keineswegs besonders originelle
oder komplizierte – Idee aufgegriffen hat bzw. auf diese Möglichkeit nicht
zurückgreifen würde, ist, dass wenigstens die in diesen Fällen handelnden
Organe öffentlicher Einrichtungen das tatsächliche Bestehen der – ob nun nur
jener der rechtmäßigen Eigentümer der betreffenden Kulturgüter im jeweiligen
konkreten Einzelfall oder generell – privaten Eigentumsrechte an Kulturgütern
nicht anerkennen wollten bzw. nicht anerkannt haben. Denn das Anerkenntnis,
dass der rechtmäßige Eigentümer einer Sache – ob es sich dabei jetzt um ein
Kulturgut oder eine beliebige sonstige Sache handelt – tatsächlich rechtmäßiges
Eigentum[21]
an ihr hat, ist selbstverständlich denknotwendige Voraussetzung dafür, dass man
den Betroffenen zur rechtmäßigen Überführung seines Eigentums an die öffentliche
Hand dieser Sache gemäß der dafür bestehenden gesetzlichen Enteignungsregeln
enteignen kann.
Erkennt man
also an, dass ein Privater (gutgläubig) rechtmäßiges Eigentum an einem
(bestimmten) Kulturgut (auch wenn es illegal aus seinem Herkunftsland verbracht
oder aus dem Boden geborgen wurde) erworben haben kann, liegt die Möglichkeit
ihn bei bestehender Erforderlichkeit – wie z.B. bei Gefahr ihres sonstigen
Verschwindens in eine (ausländische) Privatsammlung – zu enteignen
offensichtlich auf der Hand. Erkennt man dies hingegen – wie z.B. Müller-Karpe
(sinngemäß 2012, 7, 12; explizit so paraphrasierend zitiert
bei Wessel 2016, 155) grundsätzlich – nicht an, kann sich die Frage nach einer
möglichen Enteignung des privaten Eigentümers eines (bestimmten, illegal
importierten oder ausgegrabenen) Kulturgutes gar nicht stellen, weil jemand, der kein
rechtmäßiges Eigentum an der betreffenden Sache hat (bzw. haben kann), kann
selbstverständlich auch nicht enteignet werden.
Die Sache
wird übrigens nicht besser, sondern nur noch schlimmer, wenn man annehmen will,
dass eine Enteignung deshalb nicht in Betracht gezogen bzw. vorgenommen wurde,
weil das Land Hessen bzw. Rheinland-Pfalz bzw. die Türkei nicht bereit waren,
die in diesem Fall erforderliche Entschädigung zu zahlen. Denn die Möglichkeit,
dass das Land, das damit letztendlich das rechtmäßige Eigentum an den betroffenen
Gegenständen (wieder-) erlangt hätte, sich das finanziell nicht leisten hätte
können, scheidet aus.[22]
Damit verbleiben
aber nur als rationale Erklärungsmöglichkeiten die, dass sich diese Länder
(bzw. deren in diesen Fällen entscheidungsbefugte Organe) die gerechte
Entschädigung des rechtmäßigen Eigentümers entweder nicht leisten wollten, weil
ihnen das Eigentum an diesen ‚national wertvollen‘ Kulturgütern eben doch nicht
so viel (Geld) wert war oder sie dem rechtmäßigen Eigentümer der betroffenen
Gegenstände das Geld nicht gegönnt haben, obwohl sie durchaus bereit waren,
ähnlich hohe Summen darauf zu verschwenden, sich die Gegenstände – allerdings ohne
Zahlung einer Entschädigung an deren Inhaber – (wieder-)zuzueignen; oder dass
sie eben den rechtmäßigen Eigentumsanspruch jedes anderen außer des Herkunftsstaates
grundsätzlich nicht anzuerkennen bereit und daher aus Prinzip zahlungsunwillig waren.
Das würde jedoch bedeuten, dass sie, spätestens nachdem gerichtlich
festgestellt worden war, dass diese die betreffenden Kulturgüter gutgläubig
erworben hatten,[23] mit
ihren weiteren Handlungen den betroffenen Kunst- und Antikenhändlern absichtlich
Schaden zufügen wollten; nämlich wenigstens den, der diesen durch den –
nachträglich durch entschädigungslose Enteignung gegenleistungslos gewordenen –
Verlust des von diesen als Bezahlung für den – nachgewiesenermaßen gutgläubigen
– Erwerb der Gegenstände aufgewendeten Geldes entstanden wäre (siehe dazu auch
Seiten 63-65). Es käme also zur Nichtanerkennung
des subjektiv-öffentlichen Rechts der Betroffenen noch eine Verletzung von primum
non nocere hinzu.
Auch das
Argument, dass man zwar grundsätzlich im Enteignungsfall zur fairen
Entschädigung von legalen Privateigentümern bereit wäre, aber man die
Betroffenen in diesen Fällen oder Antikenhändler generell deshalb nicht
finanziell entschädigen wolle, weil man nicht den illegalen Kunst- und
Antikenhandel fördern wolle, macht die Angelegenheit um nichts besser, sondern
womöglich nur noch schlimmer.
Denn es
wurde ja bereits gerichtlich festgestellt, dass die Betroffenen die fallgegenständlichen
Kulturgüter gerade nicht illegal, sondern legal erworben haben und daher auch –
wenigstens in Hinblick auf diese Gegenstände – deren rechtmäßige
Privateigentümer sind. Selbst wenn sie also in anderen Fällen für den illegalen
Handel mit Kulturgütern verurteilt und bestraft worden sein sollten: ‚illegaler
Antikenhändler‘ zu sein ist kein genereller charakterlicher Makel, sondern
‚illegaler Antikenhändler‘ ist man nur in den Fällen, in denen man illegal mit
Antiken handelt; und sei es nur, weil sich der ehemals illegal mit Antiken
gehandelt Habende seither gebessert haben kann. Behandelt man sie also in einem
Fall, in dem sie legal mit Antiken gehandelt haben, als ‚illegale
Antikenhändler‘ und damit anders als ‚rechtmäßige Privateigentümer‘, dann
diskriminiert man sie ungerechtfertigterweise.
Will man
hingegen Antikenhändler generell nicht entschädigen, weil man den illegalen
Antikenhandel nicht fördern will, dann diskriminiert man Antikenhändler
generell aufgrund eines angeblichen generellen Makels des Antikenhandels, der
jedoch tatsächlich nicht in jedem Fall gegeben ist. Denn egal was man
persönlich davon halten mag, es gibt legalen Antikenhandel; und in den
konkreten Fällen haben die Betroffenen mit den gegenständlichen Antiken auch
tatsächlich – gerichtlich nachgewiesenermaßen – legal gehandelt. Der angeblich
generelle Makel, dessentwegen man sie angeblich nicht entschädigen will, haftet
ihnen bzw. wenigstens ihrem Handeln in den konkreten Fällen nicht an; ebenso
wie er dem Antikenhandel nicht generell anhaftet; womit man sowohl Gleiches
ungleich als auch Ungleiches gleich behandelt und somit den
verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Letztendlich
kommt man auch damit, nur noch zusätzlich verschärft durch die absichtliche
Verletzung von primum non nocere oder einen Verstoß gegen das
Diskriminierungsverbot, wieder zum Ausgangspunkt, nämlich der Leugnung des Eigentumsrechts
der Betroffenen an den gegenständlichen Kulturgütern. Nur wenn man nicht
anerkennt, dass die Betroffenen rechtmäßiges Eigentum an den betroffenen
Gegenständen erworben haben (können), scheidet die Möglichkeit sie gegen faire
Entschädigung zu enteignen (ob nun von vornherein oder nur bei Betrachtung des
konkreten Einzelfalls) aus.
Wäre es den
in diesen Fällen involvierten Ländern (bzw. ihren den Fall behandelnden Organen)
also tatsächlich (nur) darum gegangen, ‚national bedeutendes‘ Kulturgut dem
Eigentum des jeweiligen (Herkunfts-)Landes (wieder-)einzuverleiben, damit es „wissenschaftlich ausgewertet oder der
Allgemeinheit zugänglich gemacht werden kann“ (§ 25 HDschG idF 5.9.1986), dann hätten diese bloß eine
Enteignung (gegebenenfalls durch diplomatischen Druck auf das Land Hessen) herbeiführen
und die dafür anfallenden Kosten für die angemessene finanzielle Entschädigung
der rechtmäßigen Eigentümer der gegenständlichen Kulturgüter tragen müssen.
Dass das nicht geschehen ist, zeigt in aller wünschenswerten Deutlichkeit, dass
es (wenigstens in diesen Fällen) nicht (oder wenigstens nicht primär) darum
gegangen ist, die gegenständlichen Kulturgüter für die jeweiligen (Herkunfts-)Länder
(wieder) zu gewinnen, sondern (wenigsten auch) um etwas (ganz) anderes.
Archäologische Ideologie I: Kulturgüter als res communis universalis extra commercium[24]
Worum es in
diesen (und vergleichbaren) Fällen eigentlich geht, sind weder die konkreten
Kulturgüter selbst noch deren Rückführung in ihr (angebliches oder
tatsächliches) ‚Herkunftsland‘ bzw. das Land, das sie – aus welchen Gründen
auch immer – als seine ‚nationalen‘ Kulturgüter betrachtet und sie
(daher) seinem Staatsvermögen (wieder) einverleiben möchte.
Insbesondere
die Eigentumsansprüche, die Staaten bzw. Länder an ihrem ‚nationalen‘
Kulturgut erheben, sind den meisten ArchäologInnen tatsächlich nur insoweit
nicht völlig egal, als diese Ansprüche sich hervorragend für archäologische
Zwecke instrumentalisieren lassen. Das zeigt sich recht deutlich z.B. daran,
dass im Fall des Maskenarmrings (Seiten 40-48) (die jeweils zuständigen Organe
der Länder) Baden-Württemberg und Saarland auf ihre eventuell bestehenden
Eigentumsansprüche zugunsten von Rheinland-Pfalz verzichtet haben und Hessen –
trotzdem der Armring auf seinem Territorium beschlagnahmt worden war – keinen
solchen Anspruch erhoben hat, obwohl der betreffende Armring ebenso gut (wenn
auch vielleicht mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit) aus einem dieser drei
Länder stammen hätte könnte; und überhaupt niemand daran gedacht zu haben scheint,
dass wenigstens auch die Schweiz, Frankreich und Österreich die tatsächlichen
Herkunftsländer dieses Ringes sein und daher seine Rückführung in ihr
jeweiliges Staatseigentum erwirken wollen hätten können, wenn man sie bloß
informiert hätte. Worum es den meisten ArchäologInnen geht, ist eben nicht (so
sehr), dass diese Kulturgüter in ihr (angebliches oder tatsächliches) ‚Herkunftsland‘
(rück-)überführt werden – denn dieses Ziel könnte ja auch zum Beispiel dadurch
erreicht werden, dass ein Sammler aus dem ‚Herkunftsland‘ das konkrete
Kulturgut seiner Privatsammlung einverleibt.
Vielmehr
geht es ihnen primär darum, dass bestimmte Objekte der Sammlung eines
öffentlichen Museums oder archäologischen Archivs einverleibt werden, in dem
sie der archäologischen Fachwelt (und eventuell auch der Öffentlichkeit, auch
wenn das aus fachlicher Sicht deutlich nachrangig ist) möglichst bequem und
unkompliziert dauerhaft zugänglich sind und bleiben. Dieses Ziel ist
selbstverständlich am vollständigsten erreichbar, wenn alle archäologischen Überreste
- als bedeutende Kulturgüter
betrachtet werden,
- (daher) der Verfügungsgewalt
staatlicher Archäologieverwaltungen unterworfen sind und
- jedweder private Erwerb von und Handel
mit (archäologischen) Kulturgütern verboten ist,
d.h. eine
von der Fachwelt ‚für alle‘ verwaltete res communis universalis extra
commercium sind.[25]
Dies ist –
wenigstens derzeit – in der Praxis allerdings (beinahe) nur dadurch –
wenigstens annähernd – zu erreichen, dass alle archäologischen Überreste dem
Staatsvermögen eines (an sich beliebigen) Staates einverleibt werden. Denn dem
(beliebigen) Staat bleibt – schon allein aufgrund der unabzählbar großen Menge
archäologischer Überreste, die es in (nahezu) jedem (außer sehr kleinen
Kleinst-) Staaten gibt – gar nichts anderes übrig, als die in seinem Eigentum
stehenden archäologischen Überreste in von Fachleuten verwalteten öffentlichen Museen
bzw. (halböffentlichen) Archiven einzulagern, die professionellen
ArchäologInnen – und sei es nur aus Kollegialitätsgründen – bequem und
unkompliziert zugänglich sind.
Stellt also
ein (beliebiger) Staat einen absoluten Alleineigentumsanspruch auf alle
(angeblich oder tatsächlich) in seinem Boden befindlichen und aus diesem (ob
legal oder illegal) entnommenen archäologischen Überreste, dann spielt das der
archäologischen Ideologie, dass alle archäologischen Kulturgüter eine res
communis universalis extra commercium sein sollen, perfekt in die Hände.
Darum nehmen auch in allen anderen Belangen ‚nationalistisches‘ Gedankengut
zutiefst verachtende und aktiv bekämpfende ArchäologInnen – von denen es aufgrund
ihrer besonderen Fachgeschichte in der deutschsprachigen Archäologie tatsächlich
sehr viele gibt – diese spezielle Form des kulturellen Nationalismus
stillschweigend billigend in Kauf, denn sie gereicht uns zum Vorteil.[26]
Auch die
Kulturgüter selbst, die rückgeführt werden sollen, sind – selbst vielen aktiv
ihre Rückführung vorantreibenden ArchäologInnen – eigentlich vollkommen egal.
Denn bei diesen handelt es sich in den allermeisten Fällen tatsächlich um
bewegliche Kleinfunde, die – ob nun bei ‚jüngeren Raubgrabungen‘ oder älteren
(wenigstens gemessen an heutigen Standards) unsachgemäßen (und oft auch damals
schon illegalen oder wenigstens rechtlich zweifelhaften) Fundbergungen –
undokumentiert aus ihrem Kontext in situ
gerissen und oft auch noch heimlich illegal über Landesgrenzen verbracht worden
sind. Wie es Müller-Karpe in seiner Darstellung der ‚Schweißbrenner-Affäre‘ an
einer Stelle sehr schön ausdrückt:
„Für den
Judaslohn weniger Dollars haben die Plünderer einen unbezahlbaren Schatz an
Informationen zerstört – für immer. Unserem Goldfläschchen haben sie
gewissermaßen die Zunge herausgeschnitten. Es kann uns nicht mehr berichten,
wem es einstmals gehörte. War es ein Prinz, eine Prinzessin, ein hoher
Würdenträger? Welche anderen Beigaben waren dem Toten mitgegeben und welche
Stellung innerhalb der Gesellschaft, die sich aus der Beschaffenheit und
Kombination dieser Beigaben erschließen lässt, hatte er (oder sie) inne? Wir
werden es nie mehr erfahren können.“ (Müller-Karpe 2012, 13).
Oder, um es
auch noch in den von mir sehr gerne zitierten Worten des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz auszudrücken:
„Wenn
Grabungen nicht sachgerecht und ohne fachliche Kenntnisse und Erfahrungen
stattfinden, geht der Informationsgehalt des Bodendenkmals als historische
Quelle verloren, und zwar unwiderruflich. Die aufgefundenen Gegenstände sind
dann allenfalls noch Antiquitäten, für die Forschung kaum noch zu verwerten und
nur noch von geringer Bedeutung. Daher dürfen archäologische Grabungen nur von
Fachleuten durchgeführt werden.“ (Kriesch et al. 1997, 26).
Es ist
daher nicht verwunderlich, dass, wie Deppert-Lippitz (2016) schon ganz richtig bemerkt hat,
das Goldfläschchen aus der ‚Schweißbrenner-Affäre‘ trotz beinahe dreijähriger
Verweildauer im RGZM und auch seit seiner Rücküberführung in den Irak nur sehr
wenig archäologisches Forschungsinteresse auf sich gezogen zu haben scheint.
Denn wenigstens die wissenschaftliche Milch war bereits vergossen, als es den
Boden – ob nun den des Irak oder eines anderen Landes – bzw. – wenn
Deppert-Lippitz (ibid.) recht haben sollte – die Werkbank des
Fälschers verlassen hat. Ob es nun einen Ehrenplatz in der Schausammlung des
Irak Museums in Bagdad hat, konnte ich nicht ermitteln; wenigstens auf der
englischsprachigen Website des Museums findet man allerdings derzeit keinen Hinweis
auf seine Existenz (https://www.theiraqmuseum.com/index.html [25/2/2020]).
Ob das
Fläschchen nun im Archiv des Irak Museums in Bagdad oder einer Privatsammlung
irgendwo sonst auf der Welt liegt, ist also eigentlich weitgehend egal, und
seine Sicherstellung und anschließende (Rück-)Überführung in den Irak (mit
Ausnahme von ein wenig Presserummel in Deutschland im Kontext der
‚Schweißbrenner-Affäre‘ und eventuell einer geringfügig verbesserten wissenschaftlichen
Zugänglichkeit, wenn man nach Bagdad ins Irak Museum zu fahren bereit ist)
weitgehend folgenlos geblieben. Aber selbst Müller-Karpe, der schließlich das
Standardwerk zu den frühen Metallgefäßen aus dem Irak verfasst hat
(Müller-Karpe 1993), hat offenbar kein auch nur für eine ausführlichere
wissenschaftliche Publikation des Fläschchens ausreichendes wissenschaftliches
Interesse daran; einmal völlig abgesehen davon, dass es eben tatsächlich
aufgrund seiner vollkommen ungeklärten Fundumstände und auch nur Herkunft
ohnehin wissenschaftlich eher wertlos ist.
Bei der
versuchten Durchsetzung der Eigentumsansprüche der (angeblichen bzw.
mutmaßlichen) ‚Herkunftsländer‘ der jeweiligen Objekte ging es also in allen
diesen Fällen weder um die Objekte selbst noch um ihre ‚Rückführung‘, sondern
um ihre Überführung aus privatem in öffentliches Eigentum; und zwar ohne deren
letzten privaten Besitzer dafür wirtschaftlich entschädigen zu müssen. Es ging
also letztendlich um die Durchsetzung der archäologischen Ideologie, dass
(alle) Gegenstände, die (ob nun nur einzelne oder eine Mehrheit von)
ArchäologInnen als ‚echte‘ archäologische Überreste ansehen, als ‚bedeutende‘
Kulturgüter zu betrachten und daher als res communis universalis extra
commercium zu behandeln und einer (öffentlichen oder wenigstens
ArchäologInnen unkompliziert zugänglichen) Sammlung einzuverleiben sind. Wie es
Müller-Karpe allgemein ausdrückt:
„Provenienzlose
Antiken stammen ja nicht vom Dachboden und auch nicht aus Schweizer Familienbesitz.
Archäologische Funde aus legalen Grabungen kommen ins Museum, nicht in den
Handel.“ (Müller-Karpe 2012, 7).
Es geht
darum, dass, wie es der junge Indiana Jones zu Beginn des ‚letzten Kreuzzuges‘
im Brustton der Überzeugung und moralischen Richtigkeit seines Tuns festhält,
dass jeder Bodenfund „ein bedeutender historischer Gegenstand“ ist und „in ein Museum“ gehört.
Dafür darf man als aufrechter Kulturgüterschützer im Notfall auch dessen (nach
deutschem Recht) rechtmäßigen (in Deutschland ansässigen) Privateigentümer
berauben; und wenn der dadurch zu Schaden kommt, nun, dann ist das seine eigene
Schuld, weil er hätte halt nicht (illegale) Kulturgüter kaufen sollen. Wir
erinnern uns: Hobeln, Späne.
Archäologische Ideologie II: nullus (nisi archaeologi) effodere potest![27]
Dabei geht
es beim Versuch der Durchsetzung dieses ideologischen Imperativs allerdings
nicht einmal so sehr darum, (auch) illegal ausgegrabene archäologische
Kulturgüter öffentlichen Sammlungen einzuverleiben, sondern seine versuchte
Durchsetzung ist seinerseits primär Mittel zur Durchsetzung eines weiteren,
noch fundamentaleren archäologischen ideologischen Imperativs. Denn es nutzt
schließlich, wie soeben gezeigt, gerade aus archäologisch-wissenschaftlicher
Sicht wenig bis gar nichts, wenn Objekte, die (ob nun legal oder illegal)
unsachgemäß und vor allen nicht hinreichend qualitativ dokumentiert aus dem
Boden geborgen wurden, danach einer – und sei sie auch noch so einfach
zugänglichen – (öffentlichen) Sammlung einverleibt werden. Wieder Müller-Karpe
im Originalwortlaut zum eigentlichen Problem, das die Archäologie mit dem
‚illegalen‘ Handel mit archäologischen Kulturgütern hat:
„In dem
Maße, wie unser Staunen, unsere Begeisterung wuchs, wuchs aber auch der
Schmerz: Goldgefäße findet man nicht beim Umgraben im Vorgarten. Die uns
bekannten Goldgefäße dieser Zeit stammen aus Königsgräbern. Ein Königsgrab!
Intakte Königsgräber aus dem dritten Jahrtausend v. Chr. wurden in Mesopotamien
zuletzt vor mehr als achtzig Jahren entdeckt und wissenschaftlich untersucht
(Königsgräber von Ur). Man stelle sich vor, welche Fülle an Informationen die
wissenschaftliche Untersuchung eines ungestörten Königsgrabs, mit den uns heute
zur Verfügung stehenden Methoden, hätte erbringen können. Diese Chance ist
vertan.“ (Müller-Karpe 2012, 13),
und
„Wer Antiken
zweifelhafter Herkunft kauft, oder in welcher Weise auch immer den Handel damit
fördert, erwirbt damit Verantwortung – nicht nur für das konkrete
Raubgräberloch aus dem die Schnäppchen gewühlt wurden, sondern vor allem für
die künftigen Zerstörungen, die er damit sponsert.“ (ibid., 13).
Es geht
also eigentlich gar nicht um Privateigentum an, den Handel oder auch nur den
illegalen Handel mit archäologischen Kulturgütern, sondern vielmehr um den
archäologisch-wissenschaftlichen Sachschaden, der bei der unsachgemäßen Bergung
der wirtschaftlich wertvollen und daher überhaupt gewinnbringend verhandel- und
(ob nun privat oder öffentlich) sammelbaren beweglichen Fundgegenstände
entsteht. Die Bekämpfung von Privateigentum an archäologischen Kulturgütern
dient der Bekämpfung der Nachfrage nach diesen. Die Bekämpfung des Handels mit
ihnen dient sowohl der Reduktion der Nachfrage und, damit direkt korreliert,
auch des Anreizes für die ‚Produzenten‘ der sammelbaren Objekte, überhaupt
archäologische Kulturgüter käuflich anzubieten. Das wiederum dient der
Bekämpfung der ‚Produktion‘ dieses Angebots, d.h. der unsachgemäßen und nicht
wissenschaftlich dokumentierten Bergung (= ‚Raubgrabung‘; siehe dazu Karl 2019a, 188-194) beweglicher Bodenfunde
aus ihrem (im in der archäologischen Fachsprache gebräuchlichen Sinn)
‚ungestörten‘ Fundkontext in situ.
Diese
Verhinderung der unsachgemäßen Bergung wiederum dient letztendlich dazu, dass
nicht nur die beweglichen – und daher eventuell als wirtschaftlich wertvolle
Sammelobjekte gewinnbringend verkäuflichen – archäologischen Funde, sondern
(vor allem) auch die unbeweglichen – und daher als Handelsware a priori
weitestgehend ungeeigneten und in aller Regel auch ganz unabhängig von ihrer
Unbeweglichkeit wirtschaftlich weitgehend wertlosen – archäologischen Befunde
möglichst ‚ungestört‘ und idealerweise ‚unverändert‘ in situ verbleiben. Dort sollen sie als „Bodenarchiv“ (Müller-Karpe 2012, 6) für (derzeitige und vor allem)
künftige Generationen von WissenschafterInnen (Europarat 1992) ‚erhalten‘ bleiben.
Auch das
ist natürlich archäologische Ideologie. Selbst einer der Hauptautoren der
Valletta-Konvention, Willem Willems, hat in einem grundlegenden Artikel zum
Thema deutlich darauf hingewiesen:
„Preservation in situ has developed into a central dogma of
western archaeological heritage management. […] While surely useful and important in
some situations, preservation in situ is too problematic in several ways to be
acceptable as an ethical principle with broad validity.“ (Willems 2012, 1),
und ich
selbst habe in einer jüngeren ausführlicheren Diskussion des Prinzips (Karl 2019a, 161-187) gezeigt, warum dieses
Prinzip letztendlich sogar schädlich ist (und sogar aus logischer Sicht
schädlich sein muss).
Natürlich
will die archäologische Wissenschaft[28]
die Ausgrabung archäologischer Funde und Befunde nicht gänzlich verbieten;
sondern wenigstens primär (nur) unsachgemäß durchgeführte und nicht
gegenwärtigen wissenschaftlichen Standards entsprechend dokumentierte
Ausgrabungen (= ‚Raubgrabungen‘) sowie (eventuell auch) sekundär aus
wissenschaftlicher Sicht zwar sachgerecht durchgeführte, aber ‚unnötige‘
Ausgrabungen (manchmal pejorativ als ‚“Lustgrabungen“
bezeichnet; siehe z.B. Viebrock 2007, 241) verhindern. Daraus folgt der
eigentliche archäologische ideologische Imperativ nullus (nisi archaeologi) effodere potest, den man ja auch explizit
bei Kriesch et al. (1997, 26) ausgeführt findet: um sicherzustellen, dass
archäologische Ausgrabungen sachgerecht durchgeführt werden und dabei – ob nun
unbeabsichtigt oder fahrlässig – keine archäologischen Informationen (unnötig
und vermeidbarerweise) verlorengehen, „dürfen
archäologische Grabungen nur von Fachleuten durchgeführt werden“.
Ist die
Durchführung archäologischer Ausgrabungen tatsächlich generell allen (außer
professionellen ArchäologInnen) gesetzlich verboten und würde dieses Verbot
auch tatsächlich von allen korrekt beachtet, würde das übrigens automatisch
auch dazu führen, dass auch der zuvor diskutierte archäologische Imperativ,
dass alle archäologischen Funde und Befunde als res communis universalis extra
commercium zu betrachten und behandeln sind, durchgehend erfüllt würde.
Denn, wie uns ja schon Müller-Karpe ganz richtig verraten hat: „Archäologische Funde aus legalen Grabungen
kommen ins Museum, nicht in den Handel.“ (Müller-Karpe 2012, 7).
Das ideologische Endziel: totale Verfügungsgewalt der Fachwelt über die Archäologie
Diese
beiden ideologischen Imperative ergeben also letztendlich einen geschlossenen
Kreislauf: wenn niemand außer ArchäologInnen graben (und archäologische
Kulturgüter privat besitzen) darf, und die Funde aus den erlaubten Grabungen
notwendigerweise in ein von ArchäologInnen betreutes und verwaltetes Museum
kommen, wo sie fachlich vorselektiert und mit einer autoritativen Interpretation
versehen der Öffentlichkeit präsentiert werden, erreicht die archäologische
Fachwelt als Kollektiv die totale tatsächliche Verfügungsgewalt (sowohl die tatsächliche
Kontrolle als auch – wenigstens weitestgehend – die Deutungshoheit) über die Archäologie
(und damit auch, wenigstens mittelbar, über ‚die Vergangenheit‘). Und genau
darum geht es – wenigstens manchen ArchäologInnen – auch tatsächlich: alles
das, was ‚die archäologische Fachwelt‘ als ‚archäologische Sachen‘[29]
betrachtet (wenigstens) in den Besitz (d.h. die tatsächliche Verfügungsgewalt)[30]
‚der archäologischen Fachwelt‘ zu bringen; weil ‚die Archäologie‘ für
(wenigstens manche von) uns ArchäologInnen unser
Kulturerbe ist. Die Ideologie hängt also unmittelbar mit der Identitätskonstruktion
ihrer AnhängerInnen zusammen, das archäologische Kulturerbe ist das materielle Symbol
für ‚Archäologe sein‘ (Karl 2019b).
Dass dem
tatsächlich so ist, zeigt sich nicht nur an der in der archäologischen Fachwelt
einigermaßen weit verbreiteten Aversion gegen ‚Hobbyarchäologen‘[31]
und ‚alternative‘ bzw. ‚Pseudoarchäologen‘ (Baumann 2018; Renfrew 2006, xvi),
sondern nicht zuletzt auch an Müller-Karpes Verhalten in den beiden Fällen, in
denen er (wenigstens zeitweilig) die Herausgabe der in seinem Gewahrsam
befindlichen Gegenstände, ob an deren rechtmäßigen Eigentümer, die öffentliche
Einrichtung, die sie ihm treuhändisch überantwortet hatte, oder sogar an
ordentliche deutsche Gerichte, schlicht und einfach verweigert hat (Seiten 48-61). Denn in allen diesen Fällen
bestand – wenigstens aus Müller-Karpes Sicht – die (unmittelbare oder
mittelbare) Gefahr, dass die sich zu diesem Zeitpunkt in seiner tatsächlichen
Verfügungsgewalt (und damit im Besitz eines Vertreters ‚der archäologischen
Fachwelt‘) befindlichen Sachen der tatsächlichen Herrschaft ‚der
archäologischen Fachwelt‘ dauerhaft entzogen werden könnten; und diese galt es
unmittelbar abzuwenden, was er in der ‚Schweißbrenner-Affäre‘ auch einigermaßen
ungeniert zugibt (Müller-Karpe 2012, 14-6).
Gleichermaßen
zeigt es sich auch an seinen – vom Gericht als „in der Nähe geistiger Verwirrtheit“ (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 23) stehend charakterisierten – ‚Lösegeldforderungen‘
in Höhe von € 17 Millionen in einem Schreiben auf RGZM-Briefpapier, in dem er
gleich zum Drüberstreuen auch noch den Richtern des LG und VG Frankfurt/Main
kaum verklausuliert „Bestechlichkeit und
Rechtsbeugung“ (ibid.) vorwirft: hier wird versucht, die
tatsächliche Verfügungsgewalt ‚der archäologischen Fachwelt‘ – mit allen, auch
vollkommen offensichtlich grob rechtswidrigen Mitteln im Namen einer enorm
renommierten archäologischen Einrichtung verteidigt – durchzusetzen, nicht
irgendwelche (angeblich oder tatsächlich) bestehenden Eigentumsansprüche der
Türkei. Und dieser Versuch der Verteidigung der tatsächlichen Verfügungsgewalt
der Fachwelt über diese Sachen – deren wirtschaftlicher Wert schon einigermaßen
gering und deren wissenschaftlicher Wert und Wert als Symbol türkischer
nationaler oder ethnischer Identität noch viel geringer ist – wurde von den
Vorgesetzten Müller-Karpes scheinbar nicht nur stillschweigend gebilligt,
sondern mehr oder minder aktiv unterstützt, obwohl es für das RGZM nicht das
mindeste zu gewinnen, hingegen sowohl für alle Vorgesetzten Müller-Karpes als
auch die von ihnen vertretene Stiftung öffentlichen Rechts sehr viel zu
verlieren gab.
Wir reden
hier schließlich nicht über lässliche, kleine Verfehlungen oder
Ordnungswidrigkeiten, sondern eine ganze Latte möglicherweise auch
strafrechtlich relevanter Handlungen, zu denen die Vorgesetzten Müller-Karpes
dadurch, dass sie ihren Dienstaufsichtspflichten nicht nachgekommen sind, eventuell
Beihilfe geleistet haben könnten, und für die sie daher ebenso wie Müller-Karpe
selbst potentiell strafrechtlich belangt werden hätten können. Ein derartiges,
durchaus ernsthaftes Risiko für sich selbst und die öffentliche Einrichtung,
die man als eines ihrer leitenden Organe vertritt, geht man nicht ein, um
eventuell bestehende, bestenfalls mindere Interessen eines fremden Staates, mit
dem einen womöglich nicht einmal eine außergewöhnlich enge Beziehung verbindet,
an potentiell aus dessen Boden stammenden Kulturgütern vor deren möglichen
Weiterverkauf an Dritte durch deren gerichtlich festgestellten, rechtmäßigen deutschen
Eigentümer zu schützen. Damit man so ein Risiko eingeht, muss schon etwas
Wichtigeres als das, ein unmittelbares, schwerwiegendes eigenes Interesse
betroffen sein; und das Interesse, das sich vorrangig als Begründung dazu anbietet,
ist das daran, die betreffenden Kulturgüter in der tatsächlichen
Verfügungsgewalt ‚der archäologischen Fachwelt‘ zu behalten.
Das Problem
mit diesem archäologischen ideologischen Endziel ist nun allerdings, dass es
mit den durch das GG, die Charta der Grundrechte der
europäischen Union,
die AEMR etc. gewährleisteten Grund- und
Menschenrechten nur teilweise bzw. bedingt vereinbar ist. Nachdem es sich bei
den ‚archäologischen Sachen‘ z.B. auch um die Primärquellen der archäologischen
wissenschaftlichen Forschung handelt und die Wissenschaftsfreiheit ein
Jedermannsrecht ist (Jarass & Pieroth 2016, 241), ist es daher unmöglich,
die archäologische Primärquellenforschung – auch die durch Ausgrabung – ausschließlich
nur (von der Fachgemeinschaft als ihr zugehörig anerkannten) ArchäologInnen zu
gestatten und allen anderen Menschen zu verbieten. Gleichermaßen ist es mit dem
durch die AEMR etc. garantierten Recht auf
(selbstverständlich selbstbestimmte) Teilhabe am kulturellen Leben der
Gemeinschaft unvereinbar, die Handlungsfreiheit aller Menschen außer
ArchäologInnen in Hinblick auf archäologische Kulturgüter darauf zu
beschränken, nur das tun zu dürfen, was ArchäologInnen ihnen erlauben. Und auch
mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 und 3 GG spreizt sich dieses ideologische Endziel, weil
es eben auch tatsächlich viele archäologische Kulturgüter gibt, die sich schon
derzeit – und zwar tatsächlich rechtmäßig – in Privateigentum befinden.
Folgen
Natürlich
hätte diese Ideologie, wenn sie sich wirklich vollständig durchsetzen würde,
vorhersehbare Konsequenzen, nicht zuletzt für den Antikenhandel, der dann
zusperren könnte. Denn dass es das Ziel, wenigstens von extremistischen
Vertretern, dieser Ideologie ist, den Handel mit allen (archäologischen)
Kulturgütern unmöglich zu machen, ist nicht nur etwas, was sich die
Antikenhändler einbilden. Ganz im Gegenteil, Müller-Karpe z.B. gibt das auch
unumwunden öffentlich zu: „Ich glaube, es
ist die Illusion, zu meinen, man könne die Belange des Kulturgüterschutzes in
Einklang bringen mit einem Handel mit archäologischen Funden ungeklärter
Herkunft. Das gleicht der Quadratur des Kreises.“ (Deutschlandfunk 2017); und, im Kontext der ‚Ausnahmen‘
im KGSG von 2016, „Man
hat im Grunde den gesamten Bestand an Raubgrabungsfunden, der derzeit im
Handel, aber auch im Privatbesitz ist, ausgenommen vom gesetzlichen Schutz.“
(ibid.).
Wie
Müller-Karpe (2012, 9) andernorts ganz richtig anmerkt, würden
Antikenhändler nur noch mit nachweislich und zweifelsfrei rechtlich ab
origine makellosen archäologischen Kulturgütern[32]
handeln können, dann wäre kein mit Antiken handelndes Unternehmen
wirtschaftlich überlebensfähig. Das verstehen natürlich auch die
Antikenhändler, und darum wehren sie sich auch gegen Versuche, diese Ideologie zum
Gesetz werden zu lassen; oft lauthals, und vielleicht noch öfter mittels
politischem Lobbying, und zwar zumeist einigermaßen erfolgreich. Sie „verwässern“
(Wessel 2016, 151; Deutschlandfunk 2017) dann wenigstens die im
(hauptsächlich von archäologischen ExpertInnen und auf Kulturgüterschutz
spezialisierten JuristInnen verfassten) Erstentwurf noch hervorragend die Zielsetzungen
der archäologischen Kulturgüterschützer umzusetzen geeigneten
Gesetzesvorschläge (ibid.), wenn sie es nicht sogar durch politisches
und wirtschaftliches Lobbying schaffen, einen vormals bestehenden gesetzlichen
Schutz noch abzuschwächen.
Das stört (archäologische)
Kulturgüterschützer natürlich (vgl. zu Hoffnungen bezüglich des und Bilanz über
das neue deutsche Kulturgutschutzgesetz nach einem Jahr: Wessel 2016, 158-63; Spiegel 2016; Deutschlandfunk 2017), weil sie damit nicht die Gesetze
bekommen, die sie wollen; sondern Gesetze, die – wie es auch tatsächlich in
jedem demokratischen Rechtsstaat sein sollte – nicht die Interessen einer
bestimmten gesellschaftlichen Interessensgruppe über die aller anderen
privilegieren, sondern ein mehr oder minder guter Kompromiss sind, der einen
Eiertanz zwischen den Interessen verschiedener Gruppen, die sich teilweise
diametral entgegenstehen, hindurch hinzulegen versucht. Und das ist jedenfalls unbefriedigend
für jene, die einen exklusive fachliche Herrschaft über alle unsere
archäologischen Sachen erreichen wollen.
Man braucht
daher einerseits Sündenböcke, denen man die Schuld dafür, dass man Utopia noch
nicht erreicht hat, irgendwie in die Schuhe schieben kann, und muss andererseits
Feindbilder generieren, die man sowohl für die Stärkung der eigenen
Gruppenidentität als auch als Ziel für (möglichst Horror‑) Propaganda braucht,
um vielleicht das nächste Mal mehr Erfolg zu haben. Das zeigt sich z.B.
deutlich an der Verwendung propagandistischer Diktion, z.B. des Begriffs „Blutantiken“ (Junge Welt 2015) und vergleichbarer Ausdrucksformen[33]
(z.B. Wessel 2016, 156) für alle von
Antikenhändlern gehandelten (mutmaßlichen) Bodenfunde ohne makellosen ab origine-Provenienznachweis bzw. die rhetorische
Verknüpfung des gesamten Antikenhandels mit Terrorismus, dessen Finanzierung
usw.
Das soll
nun keineswegs bedeuten, dass der gesamte Antikenhandel eine weiße Weste hat
und es nicht Terrorgruppen gibt, die sich in geringerem oder größerem Umfang
tatsächlich durch den Verkauf archäologischer Sammlungsstücke finanzieren: es
gibt eine erkleckliche Menge an Antikenhändlern, die nachgewiesenermaßen
Antikenhehlerei betrieben haben und das vermutlich weiterhin tun. Und es gibt
auch nachweislich tatsächlich Terrorgruppen, die sich wenigstens teilweise über
den Antikenhandel finanzieren. Es kann sogar durchaus stimmen – auch wenn das
alles andere als nachgewiesen ist – dass der illegale Handel mit Kulturgütern
einer der größten und profitabelsten illegalen Märkte ist, die es derzeit gibt.
Das ändert jedoch nichts daran, dass dies nicht generalisiert und nicht dem
gesamten Antikenhandel zum Vorwurf gemacht werden kann und auch nicht die
teilweise extrem einseitige Darstellung (z.B. Wessel 2016) und schon gar nicht
die verwendete Propagandasprache rechtfertigt. Denn es gibt natürlich auch
Antikenhändler, die sich nichts zuschulden kommen haben lassen und sich auch
penibel an alle vernünftig von ihnen erwartet werden könnenden
Sorgfaltspflichten gehalten haben (siehe z.B. LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O
141/15, 4). Und dass tatsächlich die meisten oder auch nur eine Mehrheit der
öffentlich gehandelten archäologischen Kulturgüter solche sind, die der
Terrorfinanzierung dienen, ist wohl eine ebenso maßlose Übertreibung wie es die
von Müller-Karpe frei erfundenen Schätzungen in Millionenhöhe des Marktwerts
von Objekten sind, die tatsächlich am Markt Verkaufspreise von zwischen ein
paar hundert und etwas über tausend Euro erzielen, wenn sie denn überhaupt
verkauft werden (siehe Fn 22).
Dass es
sich dabei um propagandistische Diktion handelt, lässt sich neuerlich leicht
verdeutlichen, wenn man ein Beispiel mit umkehrten Vorzeichen generiert: es
gibt z.B. Staaten, die ihre nationalen archäologischen Kulturgüter mit
drakonische Strafen vorsehenden Gesetzen beschützen, so z.B. die Volksrepublik
China, die von 1980 bis zur Strafrechtsreform von 2011 für die illegale Bergung,
Verkauf und Ausfuhr archäologischer Kulturgüter die Todesstrafe nicht nur als
Höchststrafe vorgesehen, sondern – wenngleich auch nur relativ selten –
tatsächlich auch verhängt hat (Leung & Lo 2014; cf. Wang 2012). Derartige Strafen
– deren Abschreckungswirkung noch dazu eher fragwürdig ist (Leung & Lo
2014) – wurden und werden dabei auch über sogenannte „subsistence diggers“ (z.B. Matsuda 1998; Hollowell 2006) verhängt,
d.h. über Individuen, die aufgrund extremer Armut zum Erwerb eines Lebensunterhalts
für sich selbst und ihre Familie ‚Raubgrabungen‘ durchführen;[34]
wobei die Funde, mit denen sie erwischt wurden, natürlich staatlichen
Sammlungen einverleibt werden. Würde man nun deshalb generalisierend die in
staatlichen Sammlungen befindlichen archäologischen Kulturgüter als
‚Henkersfunde‘ und die KuratorInnen vieler staatlicher Museumssammlungen als
‚gewissenlose Verwalter von Antiken, an denen Blut klebt‘ bezeichnen, dann wäre
offensichtlich, dass es sich dabei um propagandistische Diktion handelt; auch
wenn das vermutlich – genauso wie die umgekehrte Behauptung – von der (in
Europa geltenden) Meinungsfreiheit gedeckt wäre (siehe dazu Wessel 2016, 156).
In
Extremfällen dehnt sich dann das derart betriebene Othering sogar auf jeden
aus, der bzw. dessen Entscheidungen der Durchsetzung der ideologischen
Interessen der archäologischen Extremisten entgegen bzw. im Weg stehen oder
auch nur im Weg zu stehen scheinen. Besonders deutlich wird das, wenn z.B. –
wie in seinem schon oben mehrfach genannten Schreiben an den nach deutschem
Recht rechtmäßigen Eigentümer jener Kulturgüter, deren Herausgabe Müller-Karpe
trotz mehrfacher gegenlautender Aufforderung durch deren Eigentümer selbst, die
zuständige Behörde und ein ordentliches deutsches Gerichts verweigert hat
(siehe Seiten 49-52) – archäologische Extremisten, die
sich selbst offensichtlich grob rechtswidrig verhalten, dann auf offiziellem
Briefpapier eines der renommiertesten archäologischen Museen im deutschen
Sprachraum den gegen diese archäologische Ideologie entschieden habenden
Richtern de facto „Bestechlichkeit und
Rechtsbeugung“ (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K
1082/10.F, Rn 23)
vorwerfen.
Glashaus
und Steine, kann man da eigentlich nur sagen. Übrigens, in diesem Kontext: was
halten Sie davon, wenn man – wie ich hier ganz gezielt – Müller-Karpe als
Extremisten bezeichnet? Ist das nicht (mehr als) ein klein wenig
propagandistische Diktion? Und scheint Ihnen das angebracht, obgleich diese
Bezeichnung in diesem Kontext ganz sicher von der Meinungsfreiheit abgedeckt
ist?
Es zeigt
sich dieses Othering aber auch in nur ein wenig abgemilderter Form an abstrusen
Kommentaren, wie man sie teilweise in der ideologisch beeinflussten Populärliteratur
findet. So schreibt z.B. Günther Wessel über die Urteile des LG Frankfurt am
Main (18.8.2011, 2-13 O 212/10) und OLG Frankfurt am Main (4.2.2013, 16 U 161/11) doch tatsächlich allen Ernstes: „Ohne
das Urteil oder das Gericht schelten zu wollen, kann man darin vielleicht eine
gewisse Überheblichkeit konstatieren, vor allem bei dem Punkt, dass es dem
Gericht so offenkundig egal war, ob die Antike das Herkunftsland legal oder
illegal verlassen hat.“ (Wessel 2016, 155). Woraus man schließen können
soll, dass den Gerichten die eventuell illegale Ausfuhr der Antiken aus der
Türkei egal war, ergibt sich mir nicht. Denn was hätten diese beiden deutschen
Gerichte denn machen sollen, um zu zeigen, dass es ihnen nicht egal ist?
Wissentlich und in voller Absicht in Deutschland Unrecht tun, indem sie
türkisches Recht anwenden und die nach deutschem Recht tatsächlich rechtmäßig
bestehenden, noch dazu verfassungsgesetzlich durch Art. 14 Abs. 1 und 3 GG garantierten, Eigentumsrechte eines deutschen
Staatsbürgers grob verletzen? Es hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, dass
deutsche Gerichte auf Basis deutschen Rechts und nicht dem irgendeines anderen
Staates entscheiden, sondern setzt das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in
Verbindung mit dem Selbstbestimmungsrecht von Nationalstaaten um, wie es der
auf der AEMR und vergleichbar hochrangigem Völkerrecht
beruhenden modernen Weltordnung zugrunde liegt.
Totalitäres Amts- und ‚Kulturstaats‘-Verständnis
Zu den
charakteristischen Eigenschaften totalitärer Systeme gehören unter anderem eine
oft reIigionsähnliche Elemente aufweisende Ideologie mit absolutem Wahrheits-
und Prioritätsanspruch: die totale Unterordnung aller Menschen und aller anderen
Werte und Ziele unter die dieser Ideologie wird als unbedingt erforderlich
erachtet, um ihr utopisches Endziel zu erreichen. Der Verwirklichung dieses
utopischen Endziels steht gewöhnlich ein konstruiertes, eine integrative
Funktion erfüllendes Feindbild gegenüber; der große Gegner, der die neue,
perfekte Welt, welche die totalitären Ideologen zu schaffen versuchen,
verhindern will und daher vernichtet werden muss.
Um das
ideologische Endziel erreichen und den gefährlichen Feind tatsächlich überwinden
zu können, ist die höchste gemeinsame Anstrengung erforderlich, weswegen sich
der Einzelne der Gemeinschaft vollkommen und unkritisch unterzuordnen hat: der
Einzelne ist nichts, die Gemeinschaft ist alles (Jarass & Pieroth 2016, 41).
Daher haben auch die „wirklichen oder vermeintlichen Staatsinteressen den
unbedingten Vorrang vor der individuellen Freiheit des Staatsbürgers.
Verfassungskräftige Grundrechte“ gibt es nicht „und
subjektiv-öffentliche Rechte gegenüber der Verwaltung“ werden „nicht
anerkannt“ (BVerfG 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rn 34).
Auch eine
Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative besteht
gewöhnlich nicht, sondern es sind alle der Willkür des (gewöhnlich ebenfalls
vorhandenen) Diktators bzw. autokratischen Herrschers bzw. der Führungsorgane
der einzig relevanten Einheitspartei unterworfen; und die Organe dieser Partei
agieren oft in Personaleinheit als Ankläger, Richter und Exekutor. Mittels der verfügbaren,
willkürlich eingesetzten Kontroll- und Repressionsmechanismen wird letztendlich
totale Kontrolle über alle zum Erreichen des ideologischen Endziels
erforderlichen Aspekte des Lebens zu erreichen versucht, wobei mittels
Propaganda, Indoktrination und Manipulation ‚von der Wiege bis zur Bahre‘ letztendlich
nicht nur das äußere Handeln, sondern auch das innerliche Denken und Fühlen der
Menschen absolut gleichgeschalten werden soll (Friedrich & Brzeziński 1965;
Kielmannsegg 1974; Popper 1980).
Erschreckenderweise
zeigen sich alle diese charakteristischen Eigenschaften des Totalitarismus in
den oben diskutierten Beispielen für rechtliches Fehlverhalten (Seiten 31-61). Von der utopischen Ideologie, der
alles andere – selbst das Rechtssystem des eigenen Staates – untergeordnet wird
bzw. sich angeblich unterzuordnen hat, über die Feindbilder, die Propaganda und
Manipulation, die Selbsternennung zu Ankläger, Richter und Exekutor, der
absoluten Willkür von Organen ‚der Archäologie‘ bis hin zur Aberkennung
subjektiv-öffentlicher Rechte des Einzelnen; es ist das ganze Programm des
Totalitarismus vorhanden.
Wenigstens
manche Organe der staatlichen bzw. musealen Archäologieverwaltung legen also
ein Denken zutage, das, um es mit den Worten des deutschen
Bundesverfassungsgerichts auszurücken, dem „Verwaltungsdenken des
totalitären Staates“ (BVerfG 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rn 34) entspricht. Sie scheinen zu
glauben, dazu berechtigt zu sein, aufgrund ihrer 'gottgleichen' Stellung alles
zu tun, was ihrer subjektiven Ansicht nach dafür nötig ist, archäologische
Kulturgüter so zu schützen, wie sie es für richtig halten. Über irgendwelche
Verpflichtungen, sich an Regeln zu halten, die für gewöhnliche Sterbliche
gelten, fühlen sie sich offenkundig erhaben (Watzlawick 2001, 101-6). Diese
Regeln, und natürlich auch alle Regeln, die sie sich akut für den konkreten
Einzelfall willkürlich zusammenerfunden haben, an die sind selbstverständlich alle
außer ihnen sehr wohl gebunden, und zwar auch rückwirkend. Quod licet Iovi,
non licet bovi.
Schlussfolgerungen
Das
deutsche Grundgesetz bestimmt in seinem ersten Artikel:
„(1) Die Würde des Menschen ist
unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende
Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“ (Art. 1 GG).
Die
gleichen Grundprinzipien liegen nicht nur der deutschen, sondern auch der
europäischen und der internationalen Rechts- und Weltordnung zugrunde. Das
kommt nicht von irgendwoher, sondern ist eine Reaktion auf Verbrechen, die von
mörderischen Regimes – nicht zuletzt dem deutschen Nazi- und dem italienischen
faschistischen Regime – vor gerade einmal fünfundsiebzig Jahren begangen worden
sind. Es bedarf keines besonderen Hinweises, dass diese Regimes nicht nur den
staatlichen Kulturgüterschutz stark gefördert haben,[35]
sondern von diesen insbesondere auch die Archäologie und archäologische
Kulturgüter zu propagandistischen Zwecken sowohl zur Rechtfertigung dieser
Terrorregimes selbst als auch ihrer territorialen und ideologischen
Kontrollansprüche verwendet wurden; und dass ein guter Teil der archäologischen
Fachwelt damals auch tatsächlich begeistert mitgemacht hat (siehe z.B. Härke
2000; Focke-Museum 2013).
Wenn auch
glücklicherweise nur wenige, scheinen das doch manche und jedenfalls zu viele aktuelle
Organe der staatlichen und musealen Kulturgüterverwaltung und des
Kulturgüterschutzes nicht nur vergessen zu haben, sondern aufgrund ihrer Überhöhung
ihrer eigenen subjektiven zu absolut höchsten, allgemeinverbindlichen Werten, die
dem Rest der Menschheit – im Notfall auch gegen deren Willen – zu (angeblich) deren
Wohl aufgezwungen werden müssen (Watzlawick 2001, 102-3), aktiv entgegen dieser
höchstrangigen Verpflichtung zur Durchsetzung ihrer totalitären Ideologie – und
somit auch aktiv verfassungsfeindlich und grob menschenrechtswidrig – zu handeln.
Zwar kommt es glücklicherweise nur selten zu solchen Exzessen wie (in) den oben
(Seiten 31-61) geschilderten Fällen, es handelt
sich dabei allerdings leider auch keineswegs um Einzelfälle. Vielmehr besteht
ein direkter, unmittelbarer Zusammenhang zwischen allen diesen Fällen: die
archäologische Ideologie, deren Übersteigerung über jedes vernünftig
vertretbare, verhältnismäßige Maß hinaus (bis in „die Nähe geistiger Verwirrtheit“,
VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 23) die in den in diesem
Beitrag diskutierten Fällen deutlich zu Tage tretenden Folgen nach sich zieht.
Das
wirklich Erschreckende dabei ist allerdings, dass sich die
archäologisch-kulturgüterschützerische Fachwelt nicht nur von solchen Exzessen nicht
im mindesten distanziert. Ganz im Gegenteil, zumeist kritisieren nicht wenige
ArchäologInnen und KulturgüterschützerInnen die zwar offensichtlich rechtmäßig,
aber gegen die ideologischen Kulturgüterschutzinteressen entschieden habenden
Gerichte; bezeichnen eventuell sogar die Richter als unverständig oder ‚raubgräber-‘
bzw. ‚antikenhehlereifreundlich‘; und betrachten solche Urteile als Fehlurteile.
Ernsthafte fachliche Selbstkritik auf der Basis solcher Urteile scheint
hingegen – wenigstens soweit ich das ermitteln konnte, wenigstens in
veröffentlichter Form – vollständig zu fehlen und beschränkt sich wohl auch –
wenigstens soweit ich das aus persönlichen Gesprächen mit an solchen
beteiligten KollegInnen zu erkennen vermag – in nichtöffentlichen
Manöverkritiken wenn überhaupt auf die im jeweiligen Verfahren umgesetzte
Strategie bzw. Verhandlungstaktik.
Dass hier
innerfachlich – und zwar, wie der italienische Fall zeigt, nicht unbedingt nur,
aber, wie die mehreren strukturell miteinander nahezu identen Fälle aus
Deutschland belegen, insbesondere auch in der deutschsprachigen Archäologie und
im deutschsprachigen archäologischen Kulturgüterschutz – diesbezüglich auch
nicht das mindeste Problembewusstsein zu bestehen scheint, zeigt sich in
besonders erschreckender Deutlichkeit am kompletten Versagen einer
innerfachlichen Selbstkontrolle und Selbstreinigungsfähigkeit. Denn selbst in Fällen,
die in Gerichtsurteilen als „in der Nähe eines Skandals“ stehend
bezeichnet wurden, weil in ihnen ArchäologInnen bzw. KulturgüterschützerInnen
Verhalten an den Tag gelegt haben, das vom Gericht als eklatant „grob
rechtswidrig“ gewertet wurde und bezüglich dessen es gleich mehrfach
beamten-, arbeits-, dienst- und disziplinarrechtliche Konsequenzen angemahnt
(lies: gefordert) hat (wie z.B. VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 19-23), hat es für die derart handelnden Organe
‚der Archäologie‘ scheinbar keinerlei erkennbare dienstliche oder fachliche
Konsequenzen gegeben.
Ganz im
Gegenteil: die derart gerichtlich beurteilten KollegInnen sind nicht nur
weiterhin in Amt und Würden und dürfen öffentlich im Namen ihrer dienstgebenden
Fachorganisationen ihre radikalen Ansichten uneingeschränkt als repräsentativ
für die Fachmeinung verbreiten, sondern werden als Vortragende zum Thema auch gerne
im In- wie Ausland zu Fachveranstaltungen eingeladen, wo sie ungeniert ihr –
nachgewiesenermaßen grob rechtswidriges – Verhalten als beispielhaft und
vorbildlich für das Fach präsentieren und dafür noch gelobt statt scharf
kritisiert werden. Dass dieses Verhalten nicht nur eklatant rechtswidrig ist,
sondern auch grob gegen jeden einigermaßen weit anerkannten fachethischen Kodex
(so z.B. gegen Principle 1 Punkte 1.1, 1.6, 1.8 und 1.9 des CIfA Code
of Conduct; CIfA 2014, 3-4; Punkte 1.1d, 1.2f und h, 2.1f
und 3.1a des RPA Code of Conduct; RPA n.d.; Punkt 2 des EAA Code of Practice und
Punkt 1 und 4 der EAA Principles of Conduct for Archaeologists Involved in Contract
Archaeological Work; EAA 2009 and 1998) und ethische Selbstverpflichtungen
des Faches zur Achtung der Demokratie und der Menschenrechte (so z.B. EAA 2019) verstößt, ist dabei scheinbar vollkommen egal.
Stattdessen
setzt man in Deutschland gerade noch eins darauf und hat jüngst von Seiten des
Tagungsorganisationskomitees und des Deutschen Verbandes für Archäologie (DVA)[36]
die einzigen beiden bei Bedarf ernsthaft selbst- und fachkritischen deutschen archäologischen
Fachorganisationen – die Deutsche Gesellschaft für Ur- und
Frühgeschichte (DGUF)[37]
und CIfA Deutschland – vom heurigen 10. Deutschen
Archäologiekongress in Kiel ausgeladen bzw. (mit einer noch dazu wenigstens in
einem Fall offenkundig unwahren Begründung gleichheitswidrig) die Durchführung
einer geplanten Tagungssektion nicht ermöglicht (DGUF Newsletter vom 18.12.2019 Punkt 1.3; 27.2.2020 Punkt 7.1; CIfA Deutschland Newsletter 2/2020, 3-4 [jeweils 29/2/2020]). Es
scheint also nicht nur kein ernsthaftes Problembewusstsein im Fach zu bestehen,
das ohnehin schon aus der Zeit des Dritten Reichs aufgrund seiner
weitreichenden, eigennützigen Kollaboration mit dem damaligen totalitären
Regime enorm schwer belastet ist (cf. Härke 2000; Focke-Museum 2013); sondern ganz im Gegenteil
scheinen bedeutendere FachvertreterInnen und Fachorganisationen ein dem „Verwaltungsdenken
des totalitären Staates“ (BVerfG 5.8.1966, 1 BvF 1/61, Rn 34) entsprechendes fachliches Denken
zu goutieren und allfällige Kritik daran wenigstens bei in ihrer Verantwortung
durchgeführten nationalen Fachveranstaltungen mundtot zu machen (siehe dazu in
anderem Kontext auch schon Siegmund et al. 2017, 4).
Es kann
unter solchen Umständen nicht verwundern, dass einige wenige ideologisch radikalisierte
Organe staatlicher Kulturgüterschutzeinrichtungen oder Museen glauben, dass
selbst offensichtlich grob rechts-, grund- und menschenrechtswidriges Verhalten
nicht nur gesamtgesellschaftlich akzeptabel, sondern sogar für ‚das Wohl der
Archäologie‘ erforderlich und schon allein deshalb geboten ist, – sicher wenigstens
fachintern – auf allgemeinen Zuspruch stoßen und auch dienst- oder
strafrechtlich nicht geahndet werden wird. Es ist daher auch absolut
vorhersehbar, dass gelegentlich das eine oder andere solche Organ, wenn sich
entsprechende Umstände ergeben, auch tatsächlich grob rechtswidrig handeln wird,
eben weil solches Verhalten im Fach positiv konnotiert zu sein scheint und auch
keine außerfachlichen negativen Folgen nach sich zu ziehen scheint.
Die zwei Probleme von Archäologie und (archäologischem) Kulturgüterschutz
Archäologie
und Kulturgüterschutz haben also zwei ernsthafte Probleme.
Eines dieser
Probleme ist das im Fach wenigstens tolerierte und – wenn es scheinbar ‚dem
Wohl der Archäologie‘ nutzt – sogar teilweise aktiv geförderte totalitäre
Denken wenigstens mancher ArchäologInnen und KulturgüterschützerInnen. Das
zeigt, dass wenigstens einige von uns nicht nur nichts aus unserer eigenen
Fachgeschichte gelernt haben, sondern sich – wenn es ihnen oder ihren
archäologischen Zielen zum Vorteil gereicht – mit totalitärem Denken und
Handeln nicht nur anfreunden können und eventuell sogar zu aktiven Tätern
werden. Wenn Sie sich also fragen, woher im Dritten Reich Hitlers willige
Vollstrecker (Goldhagen 2000) gekommen sind, so finden Sie in diesem
Problem eine mögliche Antwort. Wir erinnern uns: Hobeln, Späne. Dieses Problem
ist allerdings wenigstens eins, dass sich – zumindest soweit sich das für mich
erkennen lässt – nur auf einigermaßen seltene Einzelfälle erstreckt: auf
radikalisierte Fanatiker, die jedweden Sinn für Verhältnismäßigkeit und für ein
allseitig akzeptables soziales Zusammenleben verloren haben.
Das andere
und weitaus größere Problem ist jedoch, dass die fachlichen Selbstkontroll- und
Selbstreinigungsmechanismen entweder völlig versagt haben; oder von Personen
unterwandert wurden und werden, die (auch) das erste Problem haben; oder
einfach die Mehrheit der Fachwelt so konfliktscheu ist, dass sie wenigstens so
lange wegschaut bzw. das zuerst genannte Problem leugnet, so lange es nicht die
Dimensionen erreicht, die es vor 1945 hatte. Dass es dann natürlich zu spät
ist, noch irgendetwas dagegen zu tun, versteht sich dabei allerdings von
selbst. Unser weit größeres Problem ist also, dass wir als Fachgemeinschaft
auch nicht verstanden zu haben scheinen, dass es nicht genügt, brav ‚wehret den
Anfängen‘ zu sagen und (so sehr das auch tatsächlich notwendig ist) rechtsradikales
Gedankengut in der Reenactmentszene und der Pseudoarchäologie,
fundamentalistisches Gedankengut bei sich selbst in den Mantel von Religiösität
hüllenden Terrororganisationen etc. zu kritisieren, um (all) den Anfängen auch
tatsächlich zu wehren.
Vielmehr
ist es erforderlich, wenn wir unserer Verantwortung, sowohl gegenüber uns
selbst, als auch der Gesellschaft, und erst recht der Vergangenheit und den in
dieser gelebt habenden Menschen nachkommen wollen, bei uns selbst anzufangen
und als ersten Schritt den facheigenen Totalitarismus und Extremismus bekämpfen.
Dafür braucht es ernstzunehmende fachliche Selbstkontroll- und Selbstreinigungsmechanismen.
Und ja, das
bedeutet, dass Fachleute, die derart eklatant totalitäres Gedankengut an den
Tag legen – auch und gerade wenn es fachtotalitäres Gedankengut ist, dass in
Gerichtsurteilen von Richtern schriftlich ihre geistige Gesundheit und
Dienstfähigkeit in Frage gestellt wird (VG Frankfurt/Main 2.6.2010, 5 K 1082/10.F, Rn 23), von der Fachgemeinschaft selbst
darauf angesprochen, konstruktiv kritisiert und wenn unverbesserlich auch aus
der Fachgemeinschaft ausgeschlossen werden sollten; mit allen dienst- und sonstigen
rechtlichen Implikationen und einem entsprechenden öffentlichen Statement.[38]
Offenkundig kann man ja – gerade in Deutschland – durchaus z.B. den
OrganisatorInnen von Fachtagungen missliebige, wenn auch international
hochrenommierte, Fachorganisationen von deren Veranstaltungen weitgehend
fernhalten. Das muss man ja auch mit einzelnen, sich grob rechts- und
sittenwidrig verhalten habenden, (spätestens danach ehemaligen) FachkollegInnen
tun können; wo man auch viel eher einen guten Grund dafür hat. Soll heißen: als
Fachwelt sollten wir nicht darauf warten, ob und dass die betreffenden
KollegInnen tatsächlich vor Gericht einer Straftat schuldig befunden werden,
sondern uns ein eigenes, wissenschaftliches Urteil bilden, ob das Verhalten,
das an den Tag gelegt wurde, dem entspricht, was man von professionellen
ArchäologInnen in einem demokratischen Rechtsstaat erwarten kann.
Ob sie geeignete
fachliche Selbstkontroll- und Selbstreinigungsmechanismen einführen und diese
auch effektiv nutzen, daran werden die Archäologie und der archäologische Kulturgüterschutz
in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu messen sein. Solange diese Mechanismen
fehlen, hat weder die Archäologie die Berechtigung, sich selbst als ordentliche
Wissenschaft zu betrachten, noch der archäologische Kulturgüterschutz die
Berechtigung, über sich selbst zu behaupten, er würde dem öffentlichen
Interesse dienen. Denn letztendlich wird man uns – nicht anders als unsere
KollegInnen in Uniform von vor ca. 80 Jahren – an unseren Taten messen, nicht
bloß an unseren (ob nun schönen oder weniger schönen) Worten; und der einzige
Weg sicherzustellen, dass wir nicht in die Irre gehen, ist entsprechende
Selbstkontroll- und Selbstreinigungssysteme einzurichten und effektiv zur
Durchsetzung des von der Verfassung festgesetzten höchsten öffentlichen
Interesses zu nutzen.
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[1] Das Kammergericht Berlin ist das
Oberlandesgericht für das Bundesland Berlin, d.h. das oberste Gericht der
ordentlichen Gerichtsbarkeit in Berlin. Es ist zudem das älteste deutsche
Gericht mit ununterbrochener Tätigkeit, erstmals urkundlich erwähnt 1468, erste
Hinweise auf sein Bestehen finden sich sogar ab Mitte des 14. Jahrhunderts
(Schmidt 1968, 1-3)
[2] Die EEA ist ein internationales Rechtshilfeinstrument
in der Europäischen Union. Sie regelt die Staatsgrenzen überschreitende
Anordnung von Zwangsmaßnahmen, d.h. die Umsetzung polizeilicher oder
justizieller Maßnahmen des anordnenden Staates in einem anderen, dem vollstreckenden
Staat. Sie beruht auf und erweitert ältere Rechtshilferegelungen zur
Sicherstellung von Beweismitteln in grenzübergreifenden Strafverfahren, den Rahmenbeschluss 2003/577/JI des
Rates und den Rahmenbeschluss 2008/978/JI des
Rates zur
Europäischen Beweisanordung (EBA). Gemäß Abs. 7 der Präambel von Richtlinie 2014/41/EU vom 3. April 2014, durch die das
Rechtsinstrument der EEA geschaffen wurde, dient sie der Vereinfachung der Veranlassung der „Durchführung
einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahmen im Staat, in dem die EEA
vollstreckt wird (im Folgenden „Vollstreckungsstaat“) im Hinblick auf die
Erhebung von Beweismitteln“. Zweck der EEA ist also, die dafür
zuständigen Organe des Vollstreckungsstaats zum Einsatz der ihnen von ihrem
Staat übertragenen Gewaltbefugnisse zur Sicherstellung von Beweismitteln zu
veranlassen, die für ein im Anordnungsstaat anhängiges Strafverfahren benötigt
werden.
[3] Das KG Berlin war mit dieser
Bewertung des Falls auch scheinbar nicht allein: vielmehr wurde es überhaupt
erst tätig, weil ihm der Fall vom Landgericht Berlin über die
Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft Berlin vorgelegt worden war,
die ihrerseits die Voraussetzungen für die Leistung der Rechtshilfe nicht für
gegeben gehalten hatten und die zuletzt genannte daher beim KG Berlin die
Feststellung beantragt hatte, dass die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
[5] Wie es sowohl durch Art. 7 lit. b Z
2 der UNESCO Convention on the Means of
Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership
of Cultural Property 1970 als auch Art. 4 der UNIDROIT Convention on Stolen or
Illegally Exported Cultural Objects vorgesehen ist, die auch den entsprechenden
Bestimmungen des KGSG und KultGüRückG zugrunde liegen. Selbst wenn also
Italien eine Ausfuhr der Gefäße aus Italien nach 31.12.1992 nachweisen und
daher eventuell einen Rückgabeanspruch gegen deren deutsche Eigentümerin
gerichtlich durchsetzen hätte können, wäre Italien kompensationspflichtig
gewesen, da die Gefäße im Sinne beider Konventionen und Gesetze gutgläubig
erworben worden waren.
[6] Gemeint ist ein im
Frühlatènestil verzierter Maskenarmring aus dem späten Latène A, ungefähr
datierend ins frühe 4. Jh. v.Chr.
[7] Gemeint ist ein ebenfalls im
Frühlatènestil verzierter Maskenfingerring, der in Motivwahl, stilistischer
Gestaltung und Zeitstellung dem Maskenarmring ähnelt (lt. Gutachten vom
14.4.2009; LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 4).
[8] Das Datum des Inkrafttretens des denkmalrechtlichen
Schatzregals des § 20 DSchG-RLP ist der 10.12.2008 (siehe dazu auch
LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 10).
[9]
Ich habe z.B. eine ganze Menge Kulturgüter von diversen Verwandten geschenkt
bekommen oder geerbt, ohne dass es für irgendeines davon – inklusive goldener
Taschenuhren und dergleichen mehr – irgendeinen Herkunftsnachweis geben würde.
Ich sehe schon einen Haufen Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und
Strafverfahren auf mich zukommen, wenn schon das Fehlen eines eindeutigen
Nachweises der Herkunft einer Sache seit ihrer Erzeugung bzw. Entdeckung als
hinreichender Beweis für ihren rechtswidrigen Erwerb angesehen wird.
[10] Eine etwas weniger stark
anonymisierte als die im Haupttext verlinkte Volltextveröffentlichung dieses
Urteils findet sich auch in KUR 2, 2011, 68-70. Überraschenderweise hat es bisher im
archäologisch-kulturgüterschützerischen Diskurs praktisch keinen Niederschlag
gefunden, obwohl es ungewöhnlich klare Worte findet.
[11] Diese an sich überhaupt nicht
überraschende Feststellung hat dennoch an manchen Orten scheinbar etwas
Verwunderung ausgelöst (siehe z.B. Wessel 2016, 154).
[13] Ob das tatsächlich der Fall
ist, ist wenigstens hochgradig debattierbar, und zwar nicht so sehr aus den von
Müller-Karpe (2012, 16) angeführten Gründen, dass die „illegalen
Wege, auf denen das Gefäß nach Beirut gelangte, von wo es dann, über das Genfer
Zollfreilager, München erreichte, […] nach wie vor nicht aufgeklärt“
sind und die Sache keinerlei strafrechtliche Konsequenzen hatte, sondern
vielmehr aus dem Grund, dass ein mit guter Wahrscheinlichkeit mäßig gut
gefälschtes Gefäß, das mehr Ähnlichkeiten zu römisch-kaiserzeitlichen Formen
aus dem östlichen Mittelmeer- und Schwarzmeerraum als zu irgendwelchen
sumerischen Gefäßen aus den Königsfriedhof in Ur aufweist (Deppert-Lippitz
2016), sich als
angebliches „‘Spielzeug einer sumerischen Prinzessin‘ inzwischen da
befindet“, wo es vielleicht nach Müller-Karpes (2012, 16) verquerer Lesung internationalem Rechts,
aber sachlich wohl eher nicht hingehört, nämlich im Museum in Bagdad, und dort
zukünftige Generationen von Wissenschaftern zu mutmaßlich falschen
Schlussfolgerungen verleiten kann.
[15] Auch wenn das mit diesen
staatlichen Schatzregalen diverser ‚Kulturgüterexportländer‘ auch bei weitem
nicht so einfach ist, wie hier gerne getan wird: so z.B. gibt es zwar in der
Türkei seit 1869 ein Kulturgutschutzgesetz, aber die Eigentumsregelungen
bezüglich neu entdecktem Kulturgut gleichen keineswegs immer automatisch einem
großen staatlichen Schatzregal; wobei es die staatliche Eigentumsverzichtsmöglichkeit
unter anderem im Antikengesetz von 1973 und im Gesetz zum Schutz von Kultur-
und Naturgut vom 21.7.1983 (OLG Frankfurt/Main 4.2.2013, 16 % 161/11, Rn 21-2) gab.
Ebenso
wichtig ist: die Vorstellung, was nationales Kulturgut ist, auf das das
jeweilige Kulturgüterschutzgesetz anwendbar ist, ändert sich auch mit der Zeit,
d.h. vieles, was heute vielleicht als national bedeutendes Kulturgut betrachtet
werden würde, wurde eventuell vor 25, 50 oder 100 Jahren – je nachdem wann es
tatsächlich entdeckt und von seinem Entdecker (oder einem Dritten) in Besitz
genommen wurde – vom Gesetzgeber, den zuständigen staatlicher Stellen und erst
recht vom durchschnittlichen Normunterworfenen nicht als Kulturgut sondern als
'unnötiger alter Mist‘ betrachtet. Ausschlaggebend dafür, ob es zu einem
rechtmäßigen Eigentumserwerb gekommen ist, ist dabei selbstverständlich jeweils
das Rechtsverständnis der Zeit des Fundereignisses, wenn dieses weiter als ein
paar Jahre zurückliegt, nicht das heutige Verständnis. Die Tatsache, ob heute
die archäologische Fachwelt etwas als Kulturgut betrachten würde, ist also
unerheblich für die Frage des Eigentumserwerbs an etwas vor z.B. 30 oder gar 75
Jahren.
Die
bloße Tatsache, dass ein Land seit irgendwann ab der Mitte oder sogar schon
seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Kulturgutschutzgesetz hatte,
das die Ausfuhr (bestimmter, national bedeutender) Kulturgüter einer
staatlichen Genehmigungspflicht oder sogar einem Totalverbot unterwarf und/oder
ein staatliches Schatzregal für Kulturgüter hatte, besagt also noch gar nichts.
Vielmehr muss man sich die Gesetzeslage im Herkunftsland eines Fundes zum und
seit dem Zeitpunkt seiner Entdeckung genau anschauen, um feststellen zu können,
ob privates Eigentum an ihm erworben worden sein und er auch ohne
Ausfuhrgenehmigung ins Ausland verbracht worden sein könnte oder nicht. Das
macht die Sache in den meisten Fällen ausnehmend kompliziert.
[16] Obwohl auch das aus
rechtlicher Sicht nicht ganz so einfach ist, wie es sich auf den ersten Blick
darstellt, weil auch ein ‚Raubgräber‘ sich über die angebliche oder
tatsächliche Rechtswidrigkeit seines Tuns irren und damit wenigstens unter
gewissen Umständen selbst gutgläubig Eigentum an ihnen erwerben kann. Solche
Fälle, in denen es auch durch einen Raubgräber zu einem gutgläubigen
Eigentumserwerb kommen kann, sind nur sehr selten und können daher bei einer
Durchschnittsfallbetrachtung vernachlässigt werden (nicht jedoch eigentlich im
konkreten Einzelfall, wenngleich wohl in diesem die Beweislast den treffen
würde, der gutgläubigen Erwerb durch einen Raubgräber behauptet).
[18] Denn der Grundsatz des Art.
14 Abs. 2 GG, dass Eigentum verpflichte und sein Gebrauch
zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen solle, bedingt eben tatsächlich
auch eine Verpflichtung zum (auch allgemeinwohlnützlichen) Gebrauch des
Eigentums. Liegt eine Sache von ihrem Eigentümer ungenutzt lange Zeit brach und
wird von diesem nicht (auch gemeinwohlnützlich) gebraucht, ist seine (auch
eigennützige) Ingebrauchnahme durch einen Dritten letztendlich (auch)
gemeinwohlnützlich und wird daher mit dem Eigentumserwerb an der betreffenden
Sache nach einer gewissen Zeit produktiver (und damit auch
allgemeinwohlnützlicher) Nutzung belohnt; der sein Eigentum brachliegen lassen
habende vormalige Eigentümer hingegen mit seinem Verlust für die
allgemeinwohlabträgliche Nichtnutzung seines Eigentums bestraft.
[20] Wenngleich vielleicht in
diesem aufgrund der Tatsache, dass wohl letztendlich eine Rückgabe der 5 Gefäße
an die Türkei geplant gewesen wäre, etwas schwieriger und mit geringerer
Erfolgssicherheit als in Fallbeispiel B.
[22] Wir reden im Fallbeispiel C,
wenn man Müller-Karpes Fantasiezahlen außer Acht lässt, von einem Gesamtwert
von maximal ca. € 15.000, wenn nicht sogar nur ca. € 1.500 (siehe dazu BGH 23.10.2013, V ZR 60/13, Rn 8 und 12), im Fallbeispiel B von ca. € 200.000 (VG Mainz 20.3.2019,
3 K 596/18.MZ, 5); d.h. Beträge, die sich sowohl Hessen als auch
Rheinland-Pfalz als auch die Türkei sicher leisten können, wenn es sich um
tatsächlich national bedeutendes Kulturgut handelt, dass dadurch (wieder) ins
Staatseigentum überführt wird.
[23] Im Fallbeispiel C spätestens
mit dem Beschluss des LG Frankfurt/Main vom 4.12.2009 (5 K 4154/09.F); im Fallbeispiel
B spätestens sobald das Urteil des AG Darmstadt von 2013 im Jahr 2014
rechtskräftig geworden war (siehe dazu LG Darmstadt 5.2.2016, 27 O 141/15, 4).
[25] Vgl. dazu für eine nicht besonders explizit,
aber dennoch wenigstens implizit, diese Idee der ‚common heritage of
mankind‘ propagierende internationale Rechtsquelle die (insbesondere Art. 7
und 8 der) UNESCO Declaration on the
Responsibilities of the Present Generations Towards Future Generations (1997).
[26] Denn die kognitive Dissonanz,
die das eventuell (wenigstens bei manchen ArchäologInnen) erzeugt, kann man
sich recht leicht wegerklären, indem man sich selbst versichert, dass man sich
damit einerseits dem (ähnlich abscheulichen) Kulturimperialismus und
Kolonialismus und der laissez-faire-kapitalistischen
Privatisierung einer res communis
entgegenstellt und es andererseits für den Schutz archäologischer Kulturgüter
sinnvoll und notwendig und daher eigentlich nicht ‚nationalistisch‘, sondern
bloß praktisch ist. Man unterstützt schließlich nur das grundsätzliche Prinzip
der berechtigten Eigentumsansprüche von Staaten als bestgeeigneten Verwaltern
der res communis universalis extra
commercium; dass manche Staaten von unethischen oder sogar verbrecherischen
nationalistischen Regimes geführt werden, kann als separates Problem betrachtet
und daher unbeachtlich bleiben.
[28] Vielleicht von ein paar wenigen,
fundamentalistischen Kulturgüterschützern abgesehen, die nicht richtig (oder
sogar gar nicht) über die Problematik nachgedacht haben.
[29] Inklusive zugehöriger Daten,
sozialer Praktiken, etc., d.h. alles, was das immaterielle Kulturerbe
‚Archäologie‘ ausmacht (siehe dazu schon Karl 2019b).
[30] Denn es lässt sich – wenigstens
offen und ehrlich – nicht argumentieren, dass alle ‚archäologischen Sachen‘
tatsächlich als res communis archaeologorum betrachtet und behandelt
werden sollten, d.h. als rechtmäßiges Eigentum ‚der Gemeinschaft der
ArchäologInnen‘. Denn würde man diesen Anspruch offen erheben, würde sich
unmittelbar die Frage stellen, warum gerade (nur) ‚die archäologische Fachwelt‘
einen rechtmäßigen Eigentumsanspruch an ‚archäologischen Sachen‘ haben sollte,
während alle anderen Menschen, die nicht dieser (zwar derzeit konkret
unbestimmten, aber – wenn man sich die Mühe antäte – konkret bestimmbaren, d.h.
letztendlich ‚privaten‘, Personengruppe) ungleich mit dieser konkreten
Personengruppe behandelt werden sollten. Man muss daher als Archäologe, der die
– natürlich primär relevante – tatsächliche Verfügungsgewalt über alle
‚archäologischen Sachen‘ erringen möchte, darauf bestehen und durchsetzen, dass
die rechtliche Verfügungsgewalt über die Archäologie allen gemeinsam bzw.
niemandem zukommt. Denn wenigstens solange ein in der Praxis handlungsunfähiges,
weil konkret unbestimmtes, Kollektiv wie ‚die Allgemeinheit‘ (angeblich) die
rechtliche Verfügungsgewalt über alle ‚archäologischen Sachen‘ hat, die
rechtliche Herrschaft über diese Sachen von niemandem tatsächlich ausgeübt
werden kann und somit der Besitzer de facto als ‚Treuhänder ‘ des
handlungsunfähigen Eigentümers auch alle Eigentümerrechte praktisch wahrnehmen
kann: der Truchsess des abwesenden oder komatösen Königs darf sich zwar weder
König nennen noch so gebären, als ob er König wäre; aber tatsächlich ist er der
uneingeschränkte Herrscher über sein (d.h. seines Königs) Reich.
[32] D.h. solchen, hinsichtlich
derer vom nachweislichen Ersterwerb vor Einführung des ersten Grabungs- und
Ausfuhrverbots in jedem beliebigen ehemaligen oder heutigen Land, aus dem sie
stammen könnten, oder ihrer nachweislichen Entdeckung bei einer legalen
Ausgrabung an, jede Eigentumsübertragung und jede Überführung über eine ehemals
existiert habende oder heute noch existierende Staatsgrenze hinreichend
dokumentiert wurde und zweifellos rechtmäßig war. Nachdem in den Ländern, aus
denen die meisten am Markt populären, sammelbaren Antiken stammen, solche
Verbote zumeist vor wenigstens ca. 100, oft sogar deutlich mehr als 150 Jahren,
eingeführt wurden, reden wir hier also von ‚Altfunden‘ in Privatsammlungen mit
einer lückenlosen Dokumentation seit etwa der Zeit kurz nach dem Wiener
Kongress. Für alle anderen archäologischen Kulturgüter müssten hingegen eine
beglaubigte Kopie der originalen Grabungslizenz (z.B. aus den 1870ern) sowie
wenigstens einer Ausfuhrgenehmigung (z.B. aus den frühen 1940ern) vorgewiesen
werden können; zusätzlich zur ebenfalls lückenlosen Dokumentation aller
Eigentumsübertragungen und Verbringungen des betreffenden Kulturguts über
Staatsgrenzen.
[33] In dieselbe Kategorie fällt
übrigens auch der von der Fachwelt geprägte, aber schon spätestens im 19.
Jahrhundert in die Umgangssprache eingegangene Begriff der ‚Raubgrabung‘, der
ebenfalls alle Merkmale von propagandistischer Diktion aufweist. Dessen
systematische Verwendung als archäologieideologisches Propagandamittel zeigt
sich nicht zuletzt an der Tatsache, dass er für von Fachleuten rechtswidrig
und/oder unsachgemäß durchgeführte Grabungen praktisch nie verwendet wird (Karl 2019a, 190-1), selbst wenn es sich dabei
um tiefgehende Flächengrabungen handelt; sehr wohl aber generalisierend für
jede von Laien ohne denkmalbehördliche NFG durchgeführte Grabung, selbst wenn
es sich in einem konkreten Einzelfall dabei nur um ein mit den Händen 5 cm tief
in den Oberboden gegrabenes Loch oder gar nur das Auflesen von
Oberflächenfunden (also überhaupt nicht um eine ‚Grabung‘) handelt.
[34] Deren Funde (wenn nicht rechtzeitig
von den Behörden aufgegriffen) werden meist diesen „subsistence diggers“ von Antikenhehlern um Spottpreise abgekauft
und mit extrem hohem Profit am illegalen Antikenmarkt in der westlichen Welt
verkauft.
[35] Es ist kein reiner Zufall,
dass sich die italienischen Behörden im ersten hier diskutierten Fall (Seiten 31-40) unter anderem auch auf die
Gesetzgebung Benito Mussolinis berufen.
[36] Diese sich selbst als
Dachverband der deutschen archäologischen Vereinigungen und verwandter
Nachbarwissenschaften deklarierende Organisation ist übrigens ihren eigenen
Angaben auf ihrer Webseite zufolge eine archäologische
Interessensvertretung, nimmt (angeblich)
die „wissenschaftliche und berufsständische Interessenvertretung gegenüber
der Regional- und Bundespolitik“ und die „Außenvertretung des Faches als
Gesamtheit gegenüber der breiten Öffentlichkeit“ wahr und gibt (angeblich) „Stellungnahmen
zu Fragen der wissenschaftlichen Ethik, der guten wissenschaftlichen Praxis und
gesellschaftlich relevanter Themen, die Inhalte des Faches berühren“ (siehe
https://www.dvarch.de/ziele-aufgaben/positionen/ [29/2/2020] ab. In Anbetracht der
dort scheinbar bestehenden, insbesondere ethischen, Defizite stellt sich jedoch
bis zu einem gewissen Grad die Frage, ob sich hier nicht der (noch dazu
weitgehend inaktive; siehe z.B. DGUF-Newsletter vom 18.12.2019 Punkt 1.3) Bock als Gärtner
geriert.
[37] Die DGUF wurde übrigens 1969
als Reaktion auf die versuchte Neugründung, unter anderem durch einschlägig
vorbelastete ArchäologInnen, der vor 1945 ideologiepolitisch dem
Nationalsozialismus eng nahegestanden habenden und nach Ende des 3. Reichs
aufgelösten "Gesellschaft für Deutsche Vorgeschichte" ins
Leben gerufen; siehe dazu http://dguf.webseiten.cc/geschichte.html [29/2/2020].
[38] Und zwar nicht nur, wie es
der DVA einmal getan hat, wenn es sich dabei um einen ohnehin sowohl innerhalb
des nationalen als auch des internationalen Faches vollkommen isolierten
antisemitischen Archäologen aus Ungarn handelt (Schreiben des DVA an den Minister
für Humanressourcen der Republik Ungarn vom 26.3.2013 [29/2/2020]).
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