Sogenannte Raubgrabungen werden in der
archäologischen und denkmalrechtlichen Fachliteratur (z.B. Kriesch et al. 1997;
Brunecker 2008a; Martin & Krautzberger 2010; Otten 2012; Schreg 2015; Schoellen 2015; etc.) und insbesondere in der
archäologisch-denkmalpflegerischen Außenkommunikation in populären Medien (z.B.
zuletzt ORF Vorarlberg 2018; MDR 2018) gerne als eines der großen Probleme der
archäologischen Denkmalpflege dargestellt. Internationale Rechtsquellen wie
insbesondere das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes
(revidiert),
die sogenannte Valletta-Konvention
(Europarat 1992a), schätzen dies ebenfalls so ein; wenngleich der erläuternde
Bericht zu dieser Konvention (Europarat 1992b, 1) von der noch in den 1960ern
vorherrschenden fachlichen Einschätzung, Raubgrabungen seien die größte Gefahr
für den Erhalt des archäologischen Erbes, bereits deutlich zurückweicht und
Raubgrabungen nur mehr als eine insbesondere im Vergleich zum von großflächigen
Bauprojekten angerichteten archäologischen Sachschaden eher nachrangige
Bedrohung betrachtet.
Zwar sind behördlich dokumentierte Fälle von
Raubgrabungen einigermaßen selten: im bereits oben zitierten, jüngsten Bericht
des MDR nennt zum Beispiel der dahingehend befragte Sprecher des
Landeskriminalamtes von Sachsen die Zahl von gerade einmal 4 dokumentierten
Fällen aus den letzten zwei Jahren (MDR 2018). Das ist für ein Land mit 18,450 km2
Fläche und ca. 4,37 Millionen Einwohnern wahrlich nicht gerade viel. Dennoch
sorgen immer wieder einmal spektakuläre Fälle wie die bei Raubgrabungen
entdeckte Himmelsscheibe von Nebra
(siehe z.B. Otten 2012, 21-4) oder der auch schon hier diskutierte Fall des
sogenannten Barbarenschatzes von Rülzheim
(siehe ‚Das archäologische Debakel von
Rülzheim‘) für
mediales Interesse. Vor allem aber geht nicht nur ganz berechtigt das LKA
Sachsen von „einer gewissen Dunkelziffer“
(MDR 2018) an nicht beobachteten Fällen aus: ich selbst
habe z.B. auf Basis empirisch erhobener Daten geschätzt, dass in Österreich
derzeit pro Jahr durch MetallsucherInnen irgendwo zwischen ca. einer Dreiviertel-
und drei Millionen Miniaturgrabungen durchgeführt werden, die – entsprechend
der unten noch ausgeführten Definition des Begriffs – als Raubgrabungen zu
betrachten sind. Das ist nicht nur eine „gewisse“, sondern eine gewaltige
Dunkelziffer, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Anzahl der jährlich
behördlich dokumentierten Fälle auch in Österreich nicht maßgeblich höher sein
dürfte als die für Sachsen genannte: wir reden hier von einem Verhältnis von –
ungefähr – zwischen 150.000 und 600.000 undokumentierten pro dokumentiertem
Fall.
Ob derartiger Dunkelziffern umso erschreckender
ist es, dass wir über den tatsächlich durch Raubgrabungen angerichteten
archäologischen Sachschaden – von anekdotischen Berichten und sehr seltenen
Einzelfällen wie der Nachgrabung in Nebra (Otten 2012, 21-4) einmal abgesehen –
nur sehr wenig wissen. Die vier im Bericht des MDR (2018) erwähnten behördlich dokumentierten Fälle aus
Sachsen aus den vergangenen beiden Jahren sind ein ausgezeichnetes Beispiel
dafür: in keinem davon lässt sich auch nur grob abschätzen, wieviel
archäologischer Sachschaden dabei entstanden ist.